alumni halenses 1/2013 - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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8 varia alumni halenses 1/2013 Späte Rückkehr in die alte Heimat Mehr als 8000 Exponate sind in den Meckelschen Sammlungen im Dachgeschoss des Institutes für Anatomie und Zellbiologie der Universität untergebracht. Die Exposition gehört zu den umfangreichsten ihrer Art in Europa. Sie enthält medizinhistorisch und präparationstechnisch ausgesprochen wertvolle Stücke. Einige sind seit geraumer Zeit verhüllt. Es sind menschliche Überreste australischer Ureinwohner. Jetzt soll ihre genaue Herkunft geklärt werden, damit sie in ihrer Heimaterde bestattet werden können. Prof. Dr. Dr. Bernd Fischer (Foto: Maike Glöckner) Diverse Tücher verdecken derzeit vier Skelette und drei Schädel im Dachgeschoss des Instituts für Anatomie und Zellbiologie am Steintor in Halle. Auf diese Weise sollen sie vor Blicken geschützt werden. Bei den Exponaten handelt es sich um menschliche Überreste australischer Ureinwohner. Bislang gehörten sie in den Fundus der berühmten Meckelschen Sammlungen der MLU. Doch das könnte sich nun bald ändern. Grund dafür ist das offizielle Ansinnen der australischen Regierung deren Rückgabe zu erreichen. - Ein Wunsch, auf den Prof. Dr. Dr. Bernd Fischer, Leiter des Anatomischen Instituts, und Prof. Dr. Rüdiger Schultka, Chef der Meckelschen Sammlungen, ohne Zögern reagierten. Im Jahr 2008 hatte der damalige australische Premierminister Kevin Rudd die Ureinwohner erstmals für das an ihnen begangene Unrecht offiziell um Verzeihung gebeten. In diesem Zusammenhang, erläutert Bernd Fischer, hätte eine eigens gegründete Regierungsbehörde wissenschaftliche Sammlungen und Museen auf der ganzen Welt kontaktiert, um dafür zu sorgen, dass eventuell vorhandene sterbliche Überreste von Aborigines traditionell in ihrer Heimaterde bestattet werden können. Auch an das hiesige Institut wandte man sich, und die Hallenser um Bernd Fischer und Rüdiger Schultka sicherten sofort „maximale Unterstützung“ zu. „Vor zwei Jahren kam die Anfrage, und im Juli vergangenen Jahres wurde das Ganze auf eine juristisch eindeutige Grundlage gestellt. Es musste zum Beispiel festgehalten werden, dass wir die Kosten für die Rückführung nicht übernehmen können“, so Bernd Fischer. Der australische Botschafter und später eine fünfköpfige Delegation, darunter ein Aborigine, kamen im vergangenen Jahr nach Halle, um die Exponate in Augenschein zu nehmen. Man musste nicht lange suchen, um fündig zu werden im sorgfältig geführten Archiv den Meckelschen Sammlungen. Wo genau die Knochen der Ureinwohner herstammen, ist noch unklar. Zumindest bei einem Skelett haben die Recherchen aber bereits Klarheit gebracht: Es handelt sich um einen Mann, der im 19. Jahrhundert auf einem Schiff nach Europa mitgenommen und auf Jahrmärkten als so genannter „Australneger“ zur Schau gestellt wurde. Wie genau die bisherigen Ausstellungsstücke im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts überhaupt nach Halle gekommen sind, ist bisher erst zum Teil geklärt. Die Wege sind, wie so oft in solchen Fällen, verschlungen. Die meisten der Knochen jedenfalls wurden zur damaligen Zeit legal in einem Auktionshaus in London ersteigert, was der australischen Botschaft sogar bekannt war. „Die australische Behörde kennt dieses Auktionshaus gut und hat Unterlagen sichten können.“ An welchen Orten die australischen Ureinwohner jedoch genau gelebt hätten, müsse erforscht werden, sagt Bernd Fischer. Damit befasse sich die australische Behörde, in Halle warte man nun auf die Ergebnisse. Sollte die

alumni halenses 1/2013 varia 9 Herkunft nicht geklärt werden können, verbleiben die Knochen in Halle. Die menschlichen Überreste, um die es aktuell geht, können seit Beginn der Untersuchung nicht mehr besichtigt werden. Weil sie nach dem Glauben der Aborigines nicht öffentlich betrachtet werden dürfen, können auch in diesem Magazin keine Fotos von ihnen gezeigt werden. Die kultische Bestattung der Knochen soll nach altem Brauch in ihrer Heimaterde erfolgen, im Beisein eines Stammesgeistlichen. Wie ein solches Ritual abläuft, das konnten sich die halleschen Anatomen in einem Film ansehen, den die australische Botschaft geschickt hat. Gezeigt wurde darin das Begräbnis von Überresten australischer Ureinwohner, die bis zu ihrer Rückführung in der Ausstellung der Berliner Charité zu sehen waren. Für die Meckelschen Sammlungen wäre es nicht das erste Mal, dass einzelne Exponate entfernt werden. Vor geraumer Zeit schon ging es um die Frage, ob sich im Fundus Überreste von Menschen befinden, die im Dritten Reich aus politischen Gründen hingerichtet wurden. Fischer: „Wir haben zusammen mit der Gedenkstätte ,Roter Ochse’ intensiv recherchiert, weshalb die Menschen in diesem Gefängnis zu Tode gekommen sind.“ Schließlich seien dort Terrorurteile gefällt worden. „Wenn wir nicht mit letzter Sicherheit sagen konnten, warum jemand verurteilt wurde, haben wir die Skelette aus den Sammlungen genommen und im Rahmen einer Trauerfeier beigesetzt.“ Anja Falgowski Kontakt: Prof. Dr. Dr. Bernd Fischer Institut für Anatomie und Zellbiologie Telefon: 0345 55 71701 E-Mail: bernd.fischer@medizin.uni-halle.de Die Meckelschen Sammlungen umfassen mehr als 8.000 Exponate. (Foto: Corinna Bertz)

8 varia <strong>alumni</strong> <strong>halenses</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

Späte Rückkehr<br />

in die alte Heimat<br />

Mehr als 8000 Exponate sind in den Meckelschen Sammlungen im Dachgeschoss des Institutes für Anatomie<br />

und Zellbiologie der <strong>Universität</strong> untergebracht. Die Exposition gehört zu den umfangreichsten ihrer Art in<br />

Europa. Sie enthält medizinhistorisch und präparationstechnisch ausgesprochen wertvolle Stücke. Einige sind<br />

seit geraumer Zeit verhüllt. Es sind menschliche Überreste australischer Ureinwohner. Jetzt soll ihre genaue<br />

Herkunft geklärt werden, damit sie in ihrer Heimaterde bestattet werden können.<br />

Prof. Dr. Dr. Bernd Fischer<br />

(Foto: Maike Glöckner)<br />

Diverse Tücher verdecken derzeit vier Skelette<br />

und drei Schädel im Dachgeschoss des Instituts für<br />

Anatomie und Zellbiologie am Steintor in <strong>Halle</strong>. Auf<br />

diese Weise sollen sie vor Blicken geschützt werden.<br />

Bei den Exponaten handelt es sich um menschliche<br />

Überreste australischer Ureinwohner. Bislang gehörten<br />

sie in den Fundus der berühmten Meckelschen<br />

Sammlungen der MLU.<br />

Doch das könnte sich nun bald ändern. Grund dafür<br />

ist das offizielle Ansinnen der australischen Regierung<br />

deren Rückgabe zu erreichen. - Ein Wunsch,<br />

auf den Prof. Dr. Dr. Bernd Fischer, Leiter des Anatomischen<br />

Instituts, und Prof. Dr. Rüdiger Schultka,<br />

Chef der Meckelschen Sammlungen, ohne Zögern<br />

reagierten.<br />

Im Jahr 2008 hatte der damalige australische Premierminister<br />

Kevin Rudd die Ureinwohner erstmals<br />

für das an ihnen begangene Unrecht offiziell um<br />

Verzeihung gebeten. In diesem Zusammenhang, erläutert<br />

Bernd Fischer, hätte eine eigens gegründete<br />

Regierungsbehörde wissenschaftliche Sammlungen<br />

und Museen auf der ganzen Welt kontaktiert, um<br />

dafür zu sorgen, dass eventuell vorhandene sterbliche<br />

Überreste von Aborigines traditionell in ihrer<br />

Heimaterde bestattet werden können.<br />

Auch an das hiesige Institut wandte man sich, und<br />

die <strong>Halle</strong>nser um Bernd Fischer und Rüdiger Schultka<br />

sicherten sofort „maximale Unterstützung“ zu.<br />

„Vor zwei Jahren kam die Anfrage, und im Juli<br />

vergangenen Jahres wurde das Ganze auf eine juristisch<br />

eindeutige Grundlage gestellt. Es musste zum<br />

Beispiel festgehalten werden, dass wir die Kosten<br />

für die Rückführung nicht übernehmen können“,<br />

so Bernd Fischer. Der australische Botschafter und<br />

später eine fünfköpfige Delegation, darunter ein<br />

Aborigine, kamen im vergangenen Jahr nach <strong>Halle</strong>,<br />

um die Exponate in Augenschein zu nehmen.<br />

Man musste nicht lange suchen, um fündig zu werden<br />

im sorgfältig geführten Archiv den Meckelschen<br />

Sammlungen. Wo genau die Knochen der Ureinwohner<br />

herstammen, ist noch unklar. Zumindest bei<br />

einem Skelett haben die Recherchen aber bereits<br />

Klarheit gebracht: Es handelt sich um einen Mann,<br />

der im 19. Jahrhundert auf einem Schiff nach Europa<br />

mitgenommen und auf Jahrmärkten als so genannter<br />

„Australneger“ zur Schau gestellt wurde.<br />

Wie genau die bisherigen Ausstellungsstücke im<br />

19. und Anfang des 20. Jahrhunderts überhaupt<br />

nach <strong>Halle</strong> gekommen sind, ist bisher erst zum Teil<br />

geklärt. Die Wege sind, wie so oft in solchen Fällen,<br />

verschlungen. Die meisten der Knochen jedenfalls<br />

wurden zur damaligen Zeit legal in einem Auktionshaus<br />

in London ersteigert, was der australischen<br />

Botschaft sogar bekannt war. „Die australische<br />

Behörde kennt dieses Auktionshaus gut und hat<br />

Unterlagen sichten können.“ An welchen Orten die<br />

australischen Ureinwohner jedoch genau gelebt<br />

hätten, müsse erforscht werden, sagt Bernd Fischer.<br />

Damit befasse sich die australische Behörde, in<br />

<strong>Halle</strong> warte man nun auf die Ergebnisse. Sollte die

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