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1089_Loesung

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Assessorkurs Bayern<br />

Klausur Nr. <strong>1089</strong> / Lösung S. 4<br />

Hier liegt ein solcher Fall nicht vor: Der Kläger hat<br />

zwar vorgetragen, er habe in dem Moment, als der<br />

Mercedes rückwärts aus der Einfahrt gefahren kam,<br />

keine Chance mehr gehabt, zu bremsen. Diesen Vortrag<br />

hat die Beklagtenseite aber durch konkrete gegenteilige<br />

Ausführungen ausreichend substanziiert<br />

bestritten.<br />

Für einen Fall des vollständigen Ausschlusses der<br />

Betriebsgefahr trägt der jeweilige Halter die Darlegungs-<br />

und Beweislast, weil es sich schon nach der<br />

gesetzlichen Formulierung („ist ausgeschlossen“)<br />

um die Ausnahme von der grundsätzlich angeordneten<br />

Haftung handelt.<br />

Diesen Beweis konnte der Kläger aber nicht zur<br />

Überzeugung des Gerichts erbringen. Der hierfür<br />

vom Kläger angebotene Zeuge Brumm konnte bezüglich<br />

der Möglichkeiten des Klägers, rechtzeitig<br />

anzuhalten, keine klare Aussage abgeben. Der Zeuge<br />

erklärte, dass der Kläger möglicherweise mit einer<br />

etwas überhöhten Geschwindigkeit unterwegs war,<br />

möglicherweise aber auch die erlaubten 50 km/h<br />

fuhr. Der Zeuge hielt es unabhängig davon aber für<br />

möglich, dass der Kläger hätte rechtzeitig anhalten<br />

können, ohne sich dabei aber sicher zu sein. Diese<br />

Unaufklärbarkeit fällt insoweit dem Kläger zur Last,<br />

als in diesem Zweifelsfall davon ausgegangen werden<br />

muss, dass ein „Idealfahrer“ noch hätte anhalten<br />

oder ausweichen können.<br />

Im konkreten Fall ist eine Erhöhung der Betriebsgefahr<br />

des Klägerfahrzeuges nicht vorzunehmen. Auf<br />

der Grundlage der getroffenen Feststellungen liegt<br />

weder ein überdurchschnittliches Gefahrenmoment<br />

des Fahrzeugs selbst noch ein „echtes“ Mitverschulden<br />

des Klägers vor. Es ist davon auszugehen, dass<br />

der Kläger sich im Moment des Unfalls im Rahmen<br />

der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß § 3 III<br />

Nr. 1 StVO gehalten hat und auch kein Verstoß gegen<br />

§ 3 I StVO vorliegt.<br />

Der Beklagtenvertreter hat zwar gegenteilige Ausführungen<br />

vorgebracht, konnte diese aber nicht beweisen,<br />

da sich aus der Aussage des Zeugen Brumm<br />

diesbezüglich keine Klarheit ergab. Unklarheiten<br />

müssen daher insoweit zu Lasten des Beklagten gehen,<br />

da ein Verschulden nach allg. Grundsätzen von<br />

demjenigen darzulegen und zu beweisen ist, der sich<br />

zu seinen Gunsten darauf beruft. Daher müssen auch<br />

konkrete Umstände, die die Betriebsgefahr erhöhen<br />

sollen, inklusive ihrer objektiven Ursächlichkeit von<br />

demjenigen bewiesen werden, der sich zu Lasten des<br />

anderen auf diese beruft. 24<br />

Zu Lasten des Beklagten ist aber von einer deutlich<br />

erhöhten Betriebsgefahr auszugehen. Hier ist nämlich<br />

ein schwerwiegender Verstoß gegen § 10 StVO<br />

zu berücksichtigen. Der Fahrer seines Wagens hatte<br />

Gefährdungen von Fahrzeugen, die sich bereits auf<br />

der Straße fortbewegen, zu vermeiden, musste diesen<br />

also die Vorfahrt lassen.<br />

4. Die Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge<br />

nach § 17 II i.V.m. I StVG führt auf<br />

dem Boden der getroffenen Feststellungen dazu,<br />

dass nach Ansicht des Gerichts keine Anrechnung<br />

der Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs vorzunehmen<br />

ist.<br />

23<br />

Die Betriebsgefahr ist die Gesamtheit aller Umstände,<br />

welche, durch die Eigenheit des Kfz begründet,<br />

Gefahr in den Verkehr tragen. Dies bedeutet nach<br />

ständiger Rechtsprechung v.a., dass sich durch ein<br />

unfallursächliches Mitverschulden eines Fahrers die<br />

Betriebsgefahr seines Fahrzeugs erhöht und deshalb<br />

bei der Abwägung nach § 17 I, II StVG zu berücksichtigen<br />

ist. Hierbei kommt es in konsequenter Umsetzung<br />

des in § 17 III 2 StVG enthaltenen Gedankens<br />

nicht darauf an, ob der Fahrer selbst der Halter<br />

ist. 23<br />

der großzügigen Anwendung der anderen nun folgenden<br />

Begründungsmöglichkeit über das krass überwiegende<br />

Verschulden (teilweise aber auch an der Missachtung der<br />

vom BGH zur Unanwendbarkeit aufgestellten Regeln!).<br />

Vgl. Pal./Grüneberg § 254, RN 49, RN 60.<br />

24<br />

© RA Ingo Gold / Juli 2013<br />

Die Tatsache, dass nicht zu sehen war, ob ein anderer<br />

Verkehrsteilnehmer auf der Straße fährt, weil die<br />

Sichtweite nicht weit genug reichte, steht dem nicht<br />

entgegen. In einem solchen Fall muss er sich gemäß<br />

§ 10 S. 1 2. Hs. StVO von einer anderen Person<br />

einweisen lassen. Dass dies hier nicht möglich oder<br />

zumutbar war, wurde nicht einmal behauptet. Stattdessen<br />

erscheint der Verkehrsverstoß infolge des<br />

Vortrags des Beklagten selbst, Herr Schläfer als der<br />

Fahrer seines Fahrzeuges habe schnell versucht,<br />

rückwärts auf die Straße zu kommen, als besonders<br />

grob. Jedem verständigen Fahrzeugnutzer muss einleuchten,<br />

dass er mit Tempoerhöhung die Reaktionsund<br />

Ausweichmöglichkeiten eines auf der Straße befindlichen<br />

Fahrers weiter reduziert. Überdies zeigt<br />

§ 9 V StVO unabhängig von der Frage, ob diese Regelung<br />

im Themenbereich des § 10 StVG selbst un-<br />

Vgl. BGH NJW 1995, 1029; Pal./Grüneberg § 254,<br />

RN 62. Die Beweislastumkehr über § 17 III bzw. § 18 I 2<br />

StVG betrifft also letztlich nur das Ob der Haftung bzw.<br />

die anzurechnende einfache Betriebsgefahr; für erhöhende<br />

Umstände gelten dagegen die allg. Regeln. Man darf hier<br />

v.a. nicht argumentieren, dass schon allein die Tatsache,<br />

dass der Kläger nicht rechtzeitig anhalten konnte, einen<br />

Verstoß gegen § 3 I 4 StVO darstellt.

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