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1089_Loesung

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Lösung 1 Klausur Nr. <strong>1089</strong><br />

Endurteil:<br />

Rubrum 2 (erlassen)<br />

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.000 €<br />

nebst Zinsen in Höhe von i.H.v. 5 Prozentpunkten<br />

über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 12. März<br />

2013 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.<br />

2. Die Widerklage wird abgewiesen. 3<br />

3. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 3/9<br />

und der Beklagte 6/9 zu tragen. 4<br />

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger<br />

allerdings nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von<br />

110 % des jeweils zu vollstreckbaren Betrages. Der<br />

Kläger kann die Vollstreckung seitens des Beklagten<br />

durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des<br />

aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages<br />

abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung<br />

in Höhe des jeweils zu vollstreckenden<br />

Betrags Sicherheit leistet.<br />

Assessorkurs Bayern<br />

Klausur Nr. <strong>1089</strong> / Lösung S. 1<br />

Tatbestand:<br />

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus<br />

einem Verkehrsunfall. 5<br />

Am 30. August 2012 gegen 15.30 Uhr fuhr der Kläger<br />

mit seinem Pkw BMW 325 Ci, amtliches Kennzeichen<br />

KT-KK-333, aus Richtung Mainstockheim kommend in<br />

Kitzingen die Mainstockheimer Straße stadteinwärts, als<br />

in Höhe der ehemaligen Brauerei ein Wagen plötzlich<br />

aus der engen und schlecht einsehbaren Hofeinfahrt<br />

herausfuhr. Der Kläger fuhr auf das Fahrzeug auf. Es<br />

handelte sich dabei um einen Mercedes Benz E 220,<br />

amtliches Kennzeichen KA-BB-444, der dem Beklagten<br />

gehört und von diesem selbst auch regelmäßig genutzt<br />

wird, zum Unfallzeitpunkt aber von einem Herrn Stefan<br />

Schläfer gesteuert wurde. An der Unfallstelle gilt eine<br />

zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h.<br />

Am Pkw des Klägers entstand ein Sachschaden. Ein<br />

vom Kläger in Auftrag gegebenes Gutachten eines vereidigten<br />

Sachverständigen 6 prognostizierte Reparaturkosten<br />

von 11.000 € und taxierte den Wiederbeschaffungswert<br />

des sieben Jahre alten Fahrzeugs mit 10.000 €<br />

und den Restwert des Wracks mit 2.000 €. Der Kläger<br />

ließ das Fahrzeug in einer Fachwerkstatt reparieren,<br />

wobei Reparaturkosten von 11.000 € anfielen. Anfang<br />

November 2012 veräußerte er das Kfz.<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

Es handelt sich bei der vorliegenden Klausur gewiss um<br />

eine solche, die sich hinsichtlich des Schwierigkeitsgrades<br />

der Einzelprobleme am unteren Rand des im Examen<br />

möglichen Spektrums bewegt. Entsprechend wird dies hier<br />

– wie sehr oft, aber nicht immer auch im Examen – durch<br />

einen hohen Zeitdruck kompensiert. Der Bearbeiter muss<br />

vor dem Examen durch entsprechendes Training lernen,<br />

diesen Zeitdruck bei der Fallanalyse frühzeitig zu erkennen<br />

und seine Arbeitsweise sowie den Schreibstil dem anzupassen:<br />

überwiegend knapp und prägnant, Tiefgang nur<br />

an den wirklich kritischen Stellen, etwa der § 17-StVG-<br />

Abwägung. Die Ausführlichkeit der vorliegenden Lösung<br />

kann dabei natürlich nicht erreicht werden.<br />

Im Rubrum werden die Parteien doppelt („Kläger und Widerbeklagter<br />

zu 1)“ bezeichnet, während sie im Tenor,<br />

Tatbestand und in den Entscheidungsgründen nur mit ihrer<br />

ursprünglichen Parteirolle („Kläger“) bezeichnet werden<br />

(vgl. Assessor-Basics Zivilurteil § 3, RN 20 m.w.N.).<br />

Im Tenor muss man deutlich erkennen lassen, inwieweit<br />

sich die Entscheidung jeweils auf Klage oder Widerklage<br />

bezieht.<br />

Nach dem Grundsatz der Einheit der Kostenentscheidung<br />

durfte nicht zwischen den „Kosten der Klage“ und den<br />

„Kosten der Widerklage“ getrennt werden; vielmehr sind<br />

die Gesamtkosten beider Klagen zusammenzurechnen als<br />

„Kosten des Rechtsstreits“ (vgl. § 45 I 1 GKG). Der<br />

Streitwert der Klage lag bei 7.000 €, wovon der Kläger mit<br />

4.000 € erfolgreich war. Der Streitwert der Widerklage lag<br />

bei 2.100 € und ging vollständig zugunsten des Klägers<br />

aus (Abweisung der Widerklage). Vom Gesamtstreitwert<br />

von 9.100 € obsiegt der Kläger also mit insgesamt 6.100 €<br />

und verliert mit 3.000 €.<br />

© RA Ingo Gold / Juli 2013<br />

Der Kläger mietete während der Reparatur, die entsprechend<br />

den Schätzungen im Schadensgutachten fünf Tage<br />

dauerte, einen Pkw BMW 320 zum Preis von 100 €<br />

pro Tag, so dass ihm insgesamt Mietwagenkosten von<br />

500 € entstanden. Er mietete zur Reduzierung der Kosten<br />

einen Mietwagen einer billigeren Kategorie (BMW<br />

320 statt BMW 325 Ci) an, was pro Tag 20 € billiger<br />

war. Die Dauer der Ersatzbeschaffung hätte nach den<br />

Schätzungen im Schadensgutachten ebenfalls fünf Tage<br />

betragen.<br />

Auf die Reparaturkosten des Klägers hat die Haftpflichtversicherung<br />

des Beklagten bislang 4.500 € erstattet.<br />

5<br />

6<br />

Beachten Sie, dass es für den Tatbestand bei Widerklage<br />

zwei Aufbauvarianten gibt, und zwar abhängig davon, ob<br />

Klage und Widerklage – wie im vorliegenden Fall – auf<br />

demselben Lebenssachverhalt oder aber auf unterschiedlichen<br />

Lebenssachverhalten beruhen (vgl. Assessor-Basics<br />

Zivilurteil § 8, RN 64 ff m.w.N.).<br />

Lassen Sie am besten hier schon keinen Zweifel, dass es<br />

sich nicht um ein „echtes“ vom Gericht in Auftrag gegebenes<br />

Sachverständigengutachten handelt, sondern um ein<br />

Privatgutachten. Ein solches wird von der Rechtsprechung<br />

als „urkundlich belegter qualifizierter Parteivortrag“ behandelt.<br />

Mangels Bestreitens der Positionen hat dieser Unterschied<br />

in diesem Fall aber keine Auswirkung.


Assessorkurs Bayern<br />

Klausur Nr. <strong>1089</strong> / Lösung S. 2<br />

Durch den Sachschaden am Pkw des Beklagten entstanden<br />

Reparaturkosten von 3.500 €. Die Wertminderung<br />

dieses Fahrzeugs beträgt 500 €. Der zum Unfallzeitpunkt<br />

ein Jahr alte Mercedes E 220 hatte nach dem vom<br />

Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten eines vereidigten<br />

Sachverständigen noch einen Wiederbeschaffungswert<br />

von 24.000 €. 7<br />

Die Reparatur des Wagens des Beklagten dauerte vier<br />

Tage, und dieser verzichtete auf die Anmietung eines<br />

Ersatzfahrzeugs. Während der Reparatur befand sich der<br />

Beklagte in den USA. Der Wagen wird üblicherweise<br />

von Frau Karin Keil, seiner Lebensgefährtin, mit der er<br />

seit drei Jahren zusammenwohnt, mitbenutzt; dies wäre<br />

auch in der Reparaturzeit der Fall gewesen. 8<br />

Der Kläger behauptet, er habe die zulässige Höchstgeschwindigkeit<br />

von 50 km/h eingehalten, sei im Moment<br />

des Herausfahrens des Herrn Schläfer allenfalls 10 Meter<br />

entfernt gewesen und habe keine Chance zum Anhalten<br />

oder Ausweichen mehr gehabt.<br />

Der Kläger beantragt mit der am 11. März 2013 zugestellten<br />

9 Klage:<br />

Der Beklagte wird verurteilt, 7.000 € nebst Zinsen<br />

i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit<br />

Rechtshängigkeit an ihn 10 zu bezahlen.<br />

Der Beklagte beantragt,<br />

die Klage abzuweisen<br />

die Widerklage abzuweisen. 11<br />

Der Beklagte behauptet, der Kläger sei im Moment des<br />

Herausfahrens noch mindestens 30 Meter entfernt gewesen.<br />

Außerdem sei er mindestens 20 km/h zu schnell<br />

gefahren. 12<br />

Der Beklagte vertritt u.a. die Rechtsansicht 13 , dass eine<br />

beträchtliche Mitverantwortung auf Klägerseite liege<br />

und die Reparaturkosten wegen Verletzung der Schadensminderungspflicht<br />

nicht ersatzfähig seien. Hinsichtlich<br />

seiner Widerklage seien die Voraussetzungen für<br />

eine Nutzungsentschädigung gegeben.<br />

Der Kläger hält die Widerklage schon dem Grunde nach<br />

für unbegründet, weil der Unfall für ihn ein unabwendbares<br />

Ereignis gewesen sei. Zumindest müssten dem<br />

Beklagten neben seiner Mithaftung von den Reparaturkosten<br />

10 % abgezogen werden, weil gebrauchte Teile<br />

durch neue ersetzt wurden.<br />

Das Gericht hat aufgrund Beweisbeschlusses vom<br />

29. April 2013 Beweis erhoben durch uneidliche mündliche<br />

Vernehmung des Zeugen Julius Brumm. 14 Wegen<br />

des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll<br />

der Hauptverhandlung vom 10. Juni 2013 verwiesen.<br />

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen<br />

auf die Schriftsätze der Parteien jeweils nebst Anlagen<br />

sowie auf das Protokoll der Hauptverhandlung vom<br />

10. Juni 2013. 15<br />

Außerdem beantragt er mit am 9. April 2013 zugestelltem<br />

Schriftsatz widerklagend:<br />

Der Widerbeklagte wird verurteilt, 2.100 € zuzüglich<br />

Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen<br />

Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit an ihn zu<br />

bezahlen.<br />

Der Kläger beantragt weiterhin,<br />

7<br />

8<br />

9<br />

10<br />

Letzteres ist hier weniger von Bedeutung; es dient allenfalls<br />

dazu, von vornherein gar keinen Zweifel daran zu<br />

lassen, dass hier die Reparatur sinnvoll war.<br />

Dieser Klägervortrag wurde in tatsächlicher Hinsicht nicht<br />

bestritten. Stattdessen brachte der Beklagte nur den<br />

Rechtseinwand vor, dass es auf die Lebensgefährtin mangels<br />

Eheschließung nicht ankomme.<br />

Das Datum der Rechtshängigkeit ist - (nur) bei zumindest<br />

teilweisem Erfolg - für die Zinsen bedeutsam, muss also<br />

im Tatbestand erwähnt werden. Zu den verschiedenen vertretbaren<br />

Varianten siehe Assessor-Basics Zivilurteil § 8,<br />

RN 29 m.w.N.).<br />

Rein sprachliche Verbesserungen der Anträge, wie hier<br />

vorgenommen („an ihn“ statt „an den Kläger“), sind zulässig!<br />

11<br />

12<br />

13<br />

14<br />

15<br />

© RA Ingo Gold / Juli 2013<br />

Die Anträge zu Kosten und Vollstreckbarkeit werden wegen<br />

§ 308 II ZPO im Tatbestand nicht erwähnt. Der Kostenantrag<br />

der Widerklage war hier zudem falsch: Mit<br />

„Kosten der Widerklage“ würde gegen den Grundsatz der<br />

Einheitlichkeit der Kostenentscheidung verstoßen.<br />

Da hier konkrete unterschiedliche Behauptungen aufeinanderprallen,<br />

empfiehlt es sich, bei beiden Seiten den jeweiligen<br />

Vortrag zu bringen. Bei einfachem Bestreiten ist<br />

der Vortrag grds. nur einmal zu nennen, und zwar bei der<br />

beweispflichtigen Partei; die Beweislast verteilt sich hier<br />

überdies auch auf beide Schultern (s.u.).<br />

Rechtsansichten können grds. weggelassen werden, sollte<br />

man aber zumindest auf die wichtigsten Aspekte beschränken<br />

(vgl. ThP § 313, RN 18; Assessor-Basics Zivilurteil<br />

§ 8, RN 23 m.w.N.).<br />

In die „große“ Prozessgeschichte am Ende des Tatbestands<br />

gehört die Beweisaufnahme und etwaige Beweiseinreden.<br />

Das Beweisthema braucht dabei nicht genannt<br />

zu werden, erst recht nicht das Beweisergebnis (vgl. Assessor-Basics<br />

Zivilurteil § 8, RN 36 m.w.N.).<br />

Darüber, ob dieser Abschlusssatz überhaupt Sinn macht<br />

oder besser wegzulassen ist, herrscht unter Praktikern und<br />

Examenskorrektoren Streit. Keinesfalls darf wegen dieser<br />

pauschalen Verweisung die Wiedergabe von solchen Details<br />

weggelassen werden, die in den Entscheidungsgründen<br />

eine tragende Rolle spielen werden.


Entscheidungsgründe:<br />

Während die zulässige Klage teilweise begründet ist, ist<br />

die ebenfalls zulässige Widerklage als unbegründet abzuweisen.<br />

I. Die Klage ist zulässig. 16 Die örtliche Zuständigkeit<br />

des sachlich schon wegen des Streitwerts der Klage<br />

(§§ 23 Nr. 1, 71 I GVG i.V.m. § 5 2. Hs. ZPO) zuständigen<br />

Landgerichts ergibt sich aus § 20 StVG,<br />

wobei wegen Doppelrelevanz bereits die schlüssige<br />

Behauptung der Schädigung durch ein Kfz genügt. 17<br />

II. Die Klage ist aber nur zum Teil begründet.<br />

Der Kläger hat einen Schadensersatzanspruch aus<br />

§ 7 I StVG, der in Höhe von 4.000 € noch nicht erfüllt<br />

ist. 18<br />

1. Da das Fahrzeug des Klägers bei dem Zusammenstoß<br />

durch das Fahrzeug des Beklagten beschädigt<br />

wurde, liegt eine Sachbeschädigung beim Betrieb<br />

dieses Kraftfahrzeugs vor. Der Beklagte ist auch<br />

Halter, da er andauernd die tatsächliche Gewalt über<br />

das Fahrzeug ausübt.<br />

2. Es kommt auch kein Ausschluss der Ersatzpflicht<br />

wegen Vorliegens höherer Gewalt gemäß § 7 II<br />

StVG in Betracht, weil es sich bei einem Zusammenstoß<br />

zweier Kfz, wie er hier gegeben ist, um einen<br />

verkehrsinternen Vorgang handelt, also nicht<br />

um ein „von außen“ kommendes Ereignis. 19<br />

16<br />

17<br />

18<br />

19<br />

Achten Sie in diesem Zusammenhang auch auf die<br />

manchmal problematische Spezifizierung gemäß § 253 II<br />

Nr. 2 ZPO: Da es sich z.B. bei Sach- und Personenschäden<br />

um mehrere Streitgegenstände handelt, die wegen Teilerfüllung<br />

durch die Haftpflichtversicherung oft nicht vollständig<br />

eingeklagt werden, ist wegen der Notwendigkeit der Festlegung<br />

der Reichweite der Rechtskraft des Urteils gemäß<br />

§ 322 I ZPO eine Spezifizierung der vom Kläger noch geltend<br />

gemachten Positionen nötig.<br />

Vgl. etwa ThP § 32, RN 8. Nach der Rechtsprechung<br />

(BGH NJW 1983, 1799; ThP § 32, RN 2) gelten § 20<br />

StVG und § 32 ZPO auch bezüglich der wegen Direkthaftung<br />

nach §§ 115 I 1, 117 III 2 VVG i.V.m. § 3 S. 1 PflVG<br />

verklagten Haftpflichtversicherung. Es gehe dann um einen<br />

Anspruch, der trotz seiner versicherungsrechtlichen<br />

Züge überwiegend deliktsrechtlicher Natur ist.<br />

Anders als bei der Widerklage kamen hier Ansprüche aus<br />

§§ 18 I, 823 ff BGB von vornherein nicht in Betracht, da<br />

der Beklagte zwar Halter seines Wagens ist, diesen im Unfallzeitpunkt<br />

aber nicht selbst gesteuert hat.<br />

Unter „höherer Gewalt“ versteht man ein nicht zum Betriebsrisiko<br />

des Kfz gehörendes, von außen durch elementare<br />

Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen<br />

herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht<br />

und Erfahrung unvorhersehbar ist und mit wirtschaftlich<br />

erträglichen Mitteln auch durch die äußerste, nach der<br />

Sachlage vernünftigermaßen zu erwartende Sorgfalt nicht<br />

© RA Ingo Gold / Juli 2013<br />

Assessorkurs Bayern<br />

Klausur Nr. <strong>1089</strong> / Lösung S. 3<br />

3. Die Voraussetzungen eines unabwendbaren Ereignisses<br />

gemäß § 17 III StVG und damit die Entbehrlichkeit<br />

einer Abwägungsentscheidung gemäß<br />

§ 17 II StVG sind im vorliegenden Fall für keine der<br />

Parteien gegeben. 20<br />

20<br />

21<br />

22<br />

Für den Beklagten gilt dies schon deswegen, weil<br />

der Fahrer seines Fahrzeugs schuldhaft seine Pflicht<br />

aus § 10 S. 1 StVO verletzt hat (vgl. § 10 S. 1 2. Hs.<br />

StVO; s.u.), indem er aus einer Hofeinfahrt herausgefahren<br />

ist. Dass das Ereignis für den Beklagten<br />

selbst unvermeidbar war, weil er nicht am Unfallort<br />

war, ist schon nach dem Wortlaut von § 17 III 2<br />

StVG („als auch der Fahrer“) unerheblich. 21<br />

Allerdings ergeben die getroffenen Feststellungen,<br />

dass nach Ansicht des Gerichts auch für den Kläger<br />

kein unabwendbares Ereignis vorliegt.<br />

Bei einen unabwendbaren Ereignis handelt es sich<br />

um ein Ereignis, das auch durch äußerste („jede nach<br />

den Umständen des Falles gebotene“) Sorgfalt nicht<br />

abgewendet werden kann. Es muss ein sachgemäßes<br />

geistesgegenwärtiges Handeln über den gewöhnlichen<br />

und persönlichen Maßstab hinaus vorliegen,<br />

wobei der Maßstab eines „Idealfahrers“ anzulegen<br />

ist. 22<br />

verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch<br />

nicht wegen seiner Häufigkeit vom Betriebsunternehmer<br />

in Kauf zu nehmen ist (vgl. BT-Dr. 14/7752, S. 30). Beachten<br />

Sie die wichtigste Auswirkung dieses Begriffs: Unfälle<br />

mit kleinen Kindern innerhalb des Verkehrs (vgl.<br />

§ 828 II BGB) sind schon aufgrund ihrer Häufigkeit und<br />

weil sie nicht „von außen“ kommen, keine „höhere Gewalt“<br />

i.S.d. § 7 II StVG. Selbst ein nicht verkehrsgerechtes<br />

Verhalten von Kindern unter zehn Jahren gehört also zum<br />

Betriebsrisiko eines Kfz, für das der Fahrer haftet. § 828 II<br />

BGB, der dann bei der Prüfung des Mitverschuldens gemäß<br />

§§ 9 StVG i.V.m. § 254 I BGB ins Spiel kommt, gilt<br />

zwar nur bzgl. typischer Gefahren des motorisierten Verkehrs<br />

(teleologische Reduktion); diese können aber auch<br />

von einem Kfz ausgehen, das im fließenden Verkehr anhält<br />

(vgl. BGH NJW 2007, 2113; Pal./Sprau § 828, RN 3).<br />

§ 17 III StVG muss systematisch vor § 17 II StVG geprüft<br />

werden: Eine Abwägungsentscheidung nach § 17 II StVG<br />

kommt nur in Betracht, wenn die „Alles-oder-Nichts-<br />

Lösung“ des § 17 III StVG, die sich aufgrund ihrer insoweit<br />

„neutralen“ Formulierung auf beiden Beteiligte bezieht,<br />

für keinen der beiden Gegner vorliegt.<br />

Diese Zurechnung, die natürlich dann auch bei der Abwägung<br />

selbst durchzuführen ist, entspricht dem Wesen der<br />

Haftung für Betriebsgefahr, bei der es um die Haftung für<br />

die konkrete Gefährlichkeit des Fahrzeugs geht.<br />

Vgl. etwa BGH NJW 1990, 1483. Die Anforderungen<br />

hierfür liegen nach den vom BGH aufgestellten Regeln<br />

sehr hoch. Hierzu Kappus NJW 2008, 891: „Dass dieser<br />

Beweis so gut wie nie erfolgreich zu führen ist, versteht<br />

sich von selbst.“ Dass in der Praxis dennoch häufig eine<br />

Alleinhaftung angenommen wird, liegt überwiegend an


Assessorkurs Bayern<br />

Klausur Nr. <strong>1089</strong> / Lösung S. 4<br />

Hier liegt ein solcher Fall nicht vor: Der Kläger hat<br />

zwar vorgetragen, er habe in dem Moment, als der<br />

Mercedes rückwärts aus der Einfahrt gefahren kam,<br />

keine Chance mehr gehabt, zu bremsen. Diesen Vortrag<br />

hat die Beklagtenseite aber durch konkrete gegenteilige<br />

Ausführungen ausreichend substanziiert<br />

bestritten.<br />

Für einen Fall des vollständigen Ausschlusses der<br />

Betriebsgefahr trägt der jeweilige Halter die Darlegungs-<br />

und Beweislast, weil es sich schon nach der<br />

gesetzlichen Formulierung („ist ausgeschlossen“)<br />

um die Ausnahme von der grundsätzlich angeordneten<br />

Haftung handelt.<br />

Diesen Beweis konnte der Kläger aber nicht zur<br />

Überzeugung des Gerichts erbringen. Der hierfür<br />

vom Kläger angebotene Zeuge Brumm konnte bezüglich<br />

der Möglichkeiten des Klägers, rechtzeitig<br />

anzuhalten, keine klare Aussage abgeben. Der Zeuge<br />

erklärte, dass der Kläger möglicherweise mit einer<br />

etwas überhöhten Geschwindigkeit unterwegs war,<br />

möglicherweise aber auch die erlaubten 50 km/h<br />

fuhr. Der Zeuge hielt es unabhängig davon aber für<br />

möglich, dass der Kläger hätte rechtzeitig anhalten<br />

können, ohne sich dabei aber sicher zu sein. Diese<br />

Unaufklärbarkeit fällt insoweit dem Kläger zur Last,<br />

als in diesem Zweifelsfall davon ausgegangen werden<br />

muss, dass ein „Idealfahrer“ noch hätte anhalten<br />

oder ausweichen können.<br />

Im konkreten Fall ist eine Erhöhung der Betriebsgefahr<br />

des Klägerfahrzeuges nicht vorzunehmen. Auf<br />

der Grundlage der getroffenen Feststellungen liegt<br />

weder ein überdurchschnittliches Gefahrenmoment<br />

des Fahrzeugs selbst noch ein „echtes“ Mitverschulden<br />

des Klägers vor. Es ist davon auszugehen, dass<br />

der Kläger sich im Moment des Unfalls im Rahmen<br />

der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß § 3 III<br />

Nr. 1 StVO gehalten hat und auch kein Verstoß gegen<br />

§ 3 I StVO vorliegt.<br />

Der Beklagtenvertreter hat zwar gegenteilige Ausführungen<br />

vorgebracht, konnte diese aber nicht beweisen,<br />

da sich aus der Aussage des Zeugen Brumm<br />

diesbezüglich keine Klarheit ergab. Unklarheiten<br />

müssen daher insoweit zu Lasten des Beklagten gehen,<br />

da ein Verschulden nach allg. Grundsätzen von<br />

demjenigen darzulegen und zu beweisen ist, der sich<br />

zu seinen Gunsten darauf beruft. Daher müssen auch<br />

konkrete Umstände, die die Betriebsgefahr erhöhen<br />

sollen, inklusive ihrer objektiven Ursächlichkeit von<br />

demjenigen bewiesen werden, der sich zu Lasten des<br />

anderen auf diese beruft. 24<br />

Zu Lasten des Beklagten ist aber von einer deutlich<br />

erhöhten Betriebsgefahr auszugehen. Hier ist nämlich<br />

ein schwerwiegender Verstoß gegen § 10 StVO<br />

zu berücksichtigen. Der Fahrer seines Wagens hatte<br />

Gefährdungen von Fahrzeugen, die sich bereits auf<br />

der Straße fortbewegen, zu vermeiden, musste diesen<br />

also die Vorfahrt lassen.<br />

4. Die Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge<br />

nach § 17 II i.V.m. I StVG führt auf<br />

dem Boden der getroffenen Feststellungen dazu,<br />

dass nach Ansicht des Gerichts keine Anrechnung<br />

der Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs vorzunehmen<br />

ist.<br />

23<br />

Die Betriebsgefahr ist die Gesamtheit aller Umstände,<br />

welche, durch die Eigenheit des Kfz begründet,<br />

Gefahr in den Verkehr tragen. Dies bedeutet nach<br />

ständiger Rechtsprechung v.a., dass sich durch ein<br />

unfallursächliches Mitverschulden eines Fahrers die<br />

Betriebsgefahr seines Fahrzeugs erhöht und deshalb<br />

bei der Abwägung nach § 17 I, II StVG zu berücksichtigen<br />

ist. Hierbei kommt es in konsequenter Umsetzung<br />

des in § 17 III 2 StVG enthaltenen Gedankens<br />

nicht darauf an, ob der Fahrer selbst der Halter<br />

ist. 23<br />

der großzügigen Anwendung der anderen nun folgenden<br />

Begründungsmöglichkeit über das krass überwiegende<br />

Verschulden (teilweise aber auch an der Missachtung der<br />

vom BGH zur Unanwendbarkeit aufgestellten Regeln!).<br />

Vgl. Pal./Grüneberg § 254, RN 49, RN 60.<br />

24<br />

© RA Ingo Gold / Juli 2013<br />

Die Tatsache, dass nicht zu sehen war, ob ein anderer<br />

Verkehrsteilnehmer auf der Straße fährt, weil die<br />

Sichtweite nicht weit genug reichte, steht dem nicht<br />

entgegen. In einem solchen Fall muss er sich gemäß<br />

§ 10 S. 1 2. Hs. StVO von einer anderen Person<br />

einweisen lassen. Dass dies hier nicht möglich oder<br />

zumutbar war, wurde nicht einmal behauptet. Stattdessen<br />

erscheint der Verkehrsverstoß infolge des<br />

Vortrags des Beklagten selbst, Herr Schläfer als der<br />

Fahrer seines Fahrzeuges habe schnell versucht,<br />

rückwärts auf die Straße zu kommen, als besonders<br />

grob. Jedem verständigen Fahrzeugnutzer muss einleuchten,<br />

dass er mit Tempoerhöhung die Reaktionsund<br />

Ausweichmöglichkeiten eines auf der Straße befindlichen<br />

Fahrers weiter reduziert. Überdies zeigt<br />

§ 9 V StVO unabhängig von der Frage, ob diese Regelung<br />

im Themenbereich des § 10 StVG selbst un-<br />

Vgl. BGH NJW 1995, 1029; Pal./Grüneberg § 254,<br />

RN 62. Die Beweislastumkehr über § 17 III bzw. § 18 I 2<br />

StVG betrifft also letztlich nur das Ob der Haftung bzw.<br />

die anzurechnende einfache Betriebsgefahr; für erhöhende<br />

Umstände gelten dagegen die allg. Regeln. Man darf hier<br />

v.a. nicht argumentieren, dass schon allein die Tatsache,<br />

dass der Kläger nicht rechtzeitig anhalten konnte, einen<br />

Verstoß gegen § 3 I 4 StVO darstellt.


Assessorkurs Bayern<br />

Klausur Nr. <strong>1089</strong> / Lösung S. 5<br />

mittelbar anwendbar ist, dass auch das Rückwärtsfahren<br />

als solches aufgrund erhöhter Gefährlichkeit<br />

die Sorgfaltsanforderungen weiter erhöht.<br />

Aufgrund der besonderen Leichtfertigkeit des Verhaltens<br />

des Fahrers des Beklagtenfahrzeugs ist es<br />

daher nach Ansicht des Gerichts angemessen, eine<br />

Alleinhaftung des Beklagten anzunehmen.<br />

Anerkanntermaßen kann es nämlich der Billigkeit<br />

entsprechen, eine nicht erheblich ins Gewicht fallende<br />

mitursächliche Betriebsgefahr bei der Abwägung<br />

außer Betracht zu lassen. Dies nämlich dann, wenn<br />

die einfache Betriebsgefahr von einem grob leichtfertigen<br />

Handeln des Schädigers völlig in den Hintergrund<br />

gedrängt wird. 25<br />

Ein solcher Fall liegt hier nach Auffassung des Gerichts<br />

vor. Während auf Klägerseite alleine die einfache<br />

Betriebsgefahr im Raum steht, erreicht der<br />

Verschuldensgrad auf Seiten des Fahrers des dem<br />

Beklagten gehörenden Kfz eine Stufe, nach der es<br />

als allein haftungsbegründend angesehen werden<br />

kann. 26<br />

5. Als ersatzfähiger materieller Schaden ist ein Betrag<br />

von insgesamt 8.500 € anzusetzen.<br />

a. Bezüglich des Sachschadens an seinem Pkw hat<br />

der Kläger nur einen Anspruch auf Ersatz des Wiederbeschaffungsaufwands<br />

in Höhe von 8.000 €.<br />

Da auch die Abwicklung über eine Ersatzbeschaffung<br />

eine Naturalrestitution darstellt 28 , besteht ein<br />

von der „Erforderlichkeit“ begrenztes Wahlrecht des<br />

Geschädigten zwischen diesen beiden Wegen der<br />

Naturalrestitution. Dabei wird das Gebot, den jeweils<br />

wirtschaftlicheren der beiden Wege zu wählen,<br />

wiederum relativiert durch den sog. Integritätszuschlag:<br />

Weil eine Reparatur das Integritätsinteresse<br />

des Geschädigten regelmäßig stärker zu befriedigen<br />

vermag als eine Ersatzbeschaffung und dieser Gesichtspunkt<br />

einen eigenständigen materiellen Wert 29<br />

hat, dürfen die Kosten für die Instandsetzung den<br />

Aufwand für die Ersatzbeschaffung unter bestimmten<br />

Voraussetzungen in Grenzen übersteigen. Die<br />

Rechtsprechung billigt insoweit einen Zuschlag von<br />

30 Prozent auf den Wiederbeschaffungswert. 30<br />

Anmerkung: Nach umstrittener Ansicht des BGH 31<br />

kommt bei dieser Vergleichsbetrachtung ein Abzug<br />

des Restwertes vom Wiederbeschaffungswert nicht<br />

in Betracht. Begründet wird dies damit, dass der<br />

Restwert von den Reparaturkosten abhängig ist. Je<br />

höher also die Reparaturkosten, desto niedriger ist in<br />

der Regel der Restwert. Würde man anders entscheiden,<br />

würde man also häufig gerade in Fällen<br />

geringerer Beschädigungen zur Abwicklung über<br />

den Weiterverkauf zwingen; gerade in solchen Fällen<br />

aber ist die Reparatur viel sinnvoller.<br />

25<br />

26<br />

27<br />

Zu ersetzen ist gemäß § 249 II 1 BGB nur der sog.<br />

Wiederbeschaffungsaufwand, also die Differenz<br />

zwischen dem Wiederbeschaffungswert 27 (10.000 €)<br />

und dem Restwert (2.000 €). Die Reparaturkosten<br />

von 11.000 € waren im vorliegenden Fall nicht „erforderlich“<br />

i.S.d. § 249 II 1 BGB.<br />

Vgl. Pal./Grüneberg § 254, RN 67; BGH, Urteil vom<br />

20. September 2011, Az. VI ZR 282/10 = Life & Law<br />

2012, 8.<br />

Eine andere Quotelung ist bei entsprechender Argumentation<br />

sicher bis zu etwa 75/25 vertretbar. Entscheidend ist,<br />

dass zum einen anhand der richtigen Beweislastverteilung<br />

die Tatsachengrundlage stimmt und dass zweitens die<br />

Abwägung selbst sauber durchgeführt wird, insbesondere<br />

eine enge Orientierung an den Vorschriften der StVO erfolgt.<br />

Man darf in keinem Fall mit Vorfahrtsmissachtungen<br />

oder zu hoher Geschwindigkeit argumentieren, ohne<br />

dies anhand der konkret einschlägigen Bestimmungen zu<br />

belegen. Eine Quote von 50 % oder mehr zum Nachteil<br />

eines Vorfahrtberechtigten ist selten und bedürfte besonderer<br />

Umstände wie etwa einer nachgewiesenen gravierenden<br />

Geschwindigkeitsüberschreitung (vgl. etwa OLG<br />

München, Urteil vom 26. April 2013, Az. 10 U4938/12).<br />

Beachten Sie den Unterschied zwischen den Begriffen<br />

Wiederbeschaffungswert und Zeitwert (dazu Pal./Grüneberg<br />

§ 249, RN 16).<br />

28<br />

29<br />

30<br />

31<br />

© RA Ingo Gold / Juli 2013<br />

Vgl. BGH NJW 2007, 1674 [1675]; NJW 2009, 3022<br />

[3023]. Der Gesetzgeber selbst hat diesen Lösungsansatz<br />

bei Schaffung des § 249 II 2 BGB zugrunde gelegt: Nach<br />

§ 249 II 2 BGB soll bei der Abwicklung „nach Satz 1“ die<br />

Umsatzsteuer unberücksichtigt bleiben, wenn sie nicht anfällt.<br />

Würde man nun § 251 II BGB auf die Ersatzbeschaffung<br />

anwenden, so wäre diese Restriktion des § 249 II 2<br />

BGB zwar bei Privatreparatur anwendbar, nicht aber beim<br />

Kauf eines Ersatzfahrzeuges von einem Privatmann, der<br />

keine Umsatzsteuer ausweist (diese wäre ein Fall des<br />

§ 251 II BGB und nicht des § 249 II 1 BGB). Es ist aber<br />

völlig eindeutig, dass der Gesetzgeber beide genannten<br />

Fälle von § 249 II 2 BGB erfasst haben wollte (vgl.<br />

Pal./Grüneberg § 249, RN 26).<br />

Das Affektionsinteresse ist dagegen kein Argument; es ist<br />

anerkannt, dass dies nicht ersetzt wird, also auch in diesem<br />

Zusammenhang keine Rolle spielt, weil es hier um den<br />

Schutz von materiellen Positionen geht. Vgl. hierzu BGH<br />

NJW 2008, 437 [438]: „Denn der Eigentümer eines Kfz<br />

weiß, wie dieses ein- und weitergefahren, gewartet und<br />

sonst behandelt worden ist, ob und welche Mängel dabei<br />

aufgetreten und auf welche Weise sie behoben worden<br />

sind. .... Dass ihnen ein wirtschaftlicher Wert zukommt,<br />

zeigt sich auch darin, dass bei dem Erwerb eines Kraftfahrzeugs<br />

aus „erster Hand“ regelmäßig ein höherer Preis<br />

gezahlt wird.“<br />

Vgl. Pal./Grüneberg § 249, RN 25.<br />

Gefestigte Rechtsprechung seit NJW 1992, 302; vgl. Pal./-<br />

Grüneberg § 249, RN 25.


Assessorkurs Bayern<br />

Klausur Nr. <strong>1089</strong> / Lösung S. 6<br />

32<br />

33<br />

34<br />

35<br />

Entscheidend für die Vergleichsbetrachtung ist die<br />

Prognose des Schadensgutachtens; unerwartete Verteuerungen<br />

der Reparatur spielen hierfür keine Rolle:<br />

das Prognoserisiko trägt der Schädiger! 32 Umgekehrt:<br />

Führt erst ein nachträglich gewährter Rabatt<br />

der Werkstatt dazu, dass die 130%-Grenze unterschritten<br />

wird, so ist kein Zuschlag zu gewähren.<br />

Grund: Die Prognose des Gutachters, nach der die<br />

Reparatur in solch einem Fall unvernünftig war, ist<br />

dann gar nicht widerlegt. 33<br />

Neben der Notwendigkeit einer tatsächlich im Umfang<br />

der Schätzungen des Gutachtens durchgeführten<br />

und letztlich „fachmännischen“ Reparatur 34 ist<br />

weitere Voraussetzung für die Gewährung des Integritätszuschlags,<br />

dass der Geschädigte das Fahrzeug<br />

nach der Reparatur „für einen längeren Zeitraum“<br />

weiter nutzt („Haltefrist“). Im Regelfall wird hierfür<br />

ein Zeitraum von sechs Monaten anzunehmen sein,<br />

wenn nicht besondere Umstände eine andere Beurteilung<br />

rechtfertigen. 35<br />

Diese „Haltefrist“ folgt aus dem Zweck des Integritätszuschlags.<br />

Dieser wird deswegen gewährt, weil<br />

der Geschädigte besonderen Wert auf das ihm vertraute<br />

Fahrzeug legt, was den subjektiv-materiellen<br />

Wert des Wagens erhöht. Im Falle einer zügigen<br />

Veräußerung des Fahrzeugs nach der Reparatur fehlt<br />

es aber gerade an einer ausreichenden Dokumentati-<br />

Vgl. Pal./Grüneberg § 249, RN 25.<br />

Vgl. BGH NJW 2011, 1435 = Life & Law 2011, 392;<br />

Pal./Grüneberg § 249, RN 25 a.E.<br />

Der Zweck des Integritätszuschlags, dass der Geschädigte<br />

besonderen Wert auf das ihm vertraute Fahrzeug lege, verliert<br />

bei einer unvollständigen und vor allem nicht fachgerechten<br />

Reparatur eines total beschädigten Fahrzeugs in<br />

entscheidendem Maß an Bedeutung. Dass der Geschädigte<br />

Schadensersatz erhält, der den Wiederbeschaffungswert<br />

übersteigt, ist mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und Bereicherungsverbot<br />

nur dann zu vereinbaren, wenn er den<br />

Zustand des ihm vertrauten Fahrzeugs wie vor dem Unfall<br />

wiederherstellt (BGH NJW 2005, 1108 [1109 f.]).<br />

Vgl. BGH NJW 2008, 2183 [2184]; NJW 2009, 910 [911];<br />

NJW 2011, 667; Pal./Grüneberg § 249, RN 25. Dies ist<br />

aber keine Verschiebung der Fälligkeit eines Teils des<br />

Forderung (vgl. BGH NJW 2009, 910 [911]). Stattdessen<br />

geht es um ein reines Beweisproblem: Der auch für die<br />

Schadenshöhe darlegungs- und beweispflichtige Geschädigte<br />

muss nachweisen, dass er bei Erteilung des Reparaturauftrags<br />

die Absicht hatte, den Wagen danach weiter zu<br />

nutzen. Diesen Nutzungswillen, für den nach BGH das<br />

Beweismaß des § 287 ZPO gilt, kann er regelmäßig dann<br />

über die tatsächliche Weiternutzung nachweisen (vgl.<br />

BGH NJW 2008, 437 [438]). Der Anspruch war dann aber<br />

von Anfang an begründet! Die Versicherung muss also,<br />

wenn sie einen Verzug vermeiden will, vor Ablauf der<br />

Sechs-Monats-Frist zahlen, um ggf. im Falle der vorzeitigen<br />

Weiterveräußerung zu kondizieren.<br />

36<br />

37<br />

© RA Ingo Gold / Juli 2013<br />

on der besonderen Wertschätzung speziell an diesem<br />

konkreten Fahrzeug.<br />

Vorliegend sind diese Voraussetzungen des Integritätszuschlags<br />

nach dem Parteivortrag nicht gegeben,<br />

da der Kläger den Wagen bereits etwas mehr als<br />

zwei Monate nach dem Unfall veräußerte. Besondere<br />

Umstände, nach denen man eine „Haltefrist“ von<br />

nur etwa zwei Monaten als ausreichend ansehen<br />

könnte, hat der Kläger nicht konkret vorgetragen,<br />

sondern allenfalls pauschal behauptet.<br />

Unter diesen Umständen steht dem Kläger kein höherer<br />

Betrag zu, insbesondere kann er nur 100 % des<br />

Wiederbeschaffungsaufwands, also nicht des Wiederbeschaffungswerts<br />

fordern. Daher ergibt sich ein<br />

ersatzfähiger Sachschaden in Höhe von (netto)<br />

8.000 €.<br />

Exkurs: Hätte der Kläger nicht die Umsatzsteuer<br />

aus seiner Forderung ausgeklammert, hätte sich ein<br />

größeres Problem gestellt: Eine Umsatzsteuer für die<br />

Ersatzbeschaffung ist nämlich gar nicht angefallen.<br />

Man könnte überlegen, ihm insoweit die für die Reparatur<br />

gezahlte Umsatzsteuer zu erstatten. Das<br />

Problem besteht darin, dass er bei den hier gegebenen<br />

Zahlen gerade nicht auf der Reparaturkostenbasis<br />

abrechnen darf! Der BGH verneint die Ersatzfähigkeit<br />

der Umsatzsteuer in einem Fall der nicht<br />

vollständigen Selbstreparatur, bei der der Geschädigte<br />

nur den fiktiven Wiederbeschaffungsaufwand<br />

(ohne Umsatzsteuer) ersetzt bekommt; auch die tatsächlich<br />

(wohl z.B. für die Ersatzteile) gezahlte Umsatzsteuer<br />

sei dann nicht zu ersetzen! 36<br />

Aber: Wählt der Geschädigte den Weg der Ersatzbeschaffung,<br />

obwohl nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot<br />

nur ein Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten<br />

besteht, und rechnet er den Schaden konkret auf der<br />

Grundlage der Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs<br />

ab, steht ihm ein Anspruch auf Ersatz von Umsatzsteuer<br />

zu, wenn bei der Ersatzbeschaffung tatsächlich<br />

Umsatzsteuer angefallen ist. Der Anspruch ist<br />

dann auf den Umsatzsteuerbetrag begrenzt, der bei<br />

Durchführung der notwendigen Reparatur angefallen<br />

wäre. 37 Es handele sich hier – anders als im erstgenannten<br />

Fall – nicht um eine fiktive Schadensabrechnung,<br />

sondern um eine konkrete Schadensabrechnung<br />

auf der Grundlage der Beschaffung eines<br />

Ersatzfahrzeugs (die nur im Ergebnis in der Höhe<br />

dann nicht voll begründet ist).<br />

Vgl. BGH NJW 2005, 1110 [1111].<br />

Vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 2013, Az.: VI ZR<br />

363/11.


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Klausur Nr. <strong>1089</strong> / Lösung S. 7<br />

Der vorliegende Fall liegt letztlich exakt spiegelbildlich<br />

zum letztgenannten Fall. Hier handelt es sich<br />

um eine in der Höhe beschränkte konkrete Schadensabrechnung<br />

auf der Grundlage der Reparaturkosten.<br />

Wäre für diese Umsatzsteuer als Schaden<br />

angefallen (keine Vorsteuerabzugsberechtigung des<br />

Geschädigten), so müsste man diese in eingeschränkter<br />

Höhe berücksichtigen. 38<br />

Bei tatsächlicher Ersatzbeschaffung ergibt sich aus<br />

der Differenzhypothese und dem schadensersatzrechtlichen<br />

Bereicherungsverbot, dass der Restwert,<br />

wenn der Geschädigte den Wagen nicht insgesamt<br />

zur Verfügung stellt, selbstverständlich vom Wiederbeschaffungswert<br />

abzuziehen ist, weil andernfalls<br />

der Geschädigte einen durch nichts gerechtfertigten<br />

Gewinn erlangen würde. Im vorliegenden Fall kann<br />

nichts anderes gelten, weil der Geschädigte – wie<br />

gezeigt – über § 249 II 1 BGB gerade so gestellt<br />

werden soll, als wäre über den Wiederbeschaffungsaufwand<br />

abgewickelt worden (s.o.). 39<br />

Hinweis: Anders geht der BGH vor, wenn die (tatsächlich<br />

entstandenen) Reparaturkosten größer als<br />

der Wiederbeschaffungsaufwand sind, aber nicht<br />

den Wiederbeschaffungswert übersteigen. Die Reparaturkosten<br />

werden dann ohne Abzug des Restwerts<br />

ersetzt, also nicht auf den Wiederbeschaffungsaufwand<br />

begrenzt. In dieser Fallgruppe gilt dies nach<br />

BGH auch im Falle des Verkaufs des Kfz kurz nach<br />

durchgeführter Reparatur. Ein solcher Vorgang stellt<br />

sich aus rechtlicher Sicht nicht als „Ersatzbeschaffung“<br />

anstelle einer Reparatur dar, die bereits tatsächlich<br />

erfolgt war. Dies gilt auch, wenn die Veräußerung<br />

nur ganz kurz nach der Reparatur erfolgt. 40<br />

b. Gemäß § 249 II 1 BGB sind auch die angefallenen<br />

Kosten von 500 € für den Mietwagen ersatzfähig.<br />

Dem Geschädigten ist es grundsätzlich gestattet, ein<br />

seinem eigenen vergleichbares Fahrzeug anzumieten,<br />

wobei diese Kosten zu den Kosten der Sachschadensbehebung<br />

i.S.d. § 249 II BGB gehören. 41 Er<br />

ist nicht dazu verpflichtet, zu Gunsten des Schädigers<br />

auf die durch Aufwendung entsprechender<br />

Geldmittel gewohnten Gebrauchsvorteile zu verzichten.<br />

Dabei waren diese Kosten im vorliegenden Fall sowohl<br />

hinsichtlich der Dauer von fünf Tagen als auch<br />

hinsichtlich der Höhe der täglichen Miete erforderlich.<br />

Insbesondere hatte der Kläger Preisvergleiche<br />

eingeholt und das günstigste Angebot angenommen,<br />

so dass die Erforderlichkeit in der Höhe der Kosten<br />

gegeben ist und es nicht auf die Frage ankommt, ob<br />

und inwieweit den Geschädigten eine „Markterforschungspflicht“<br />

trifft. 42<br />

Die Dauer einer (hier nur hypothetischen) Wiederbeschaffung<br />

hätte nach Parteivortrag derjenigen der<br />

durchgeführten Reparatur mit fünf Tagen entsprochen.<br />

Daher kann auch offen bleiben, ob die oben<br />

durchgeführte Schadenshöheermittlung über den<br />

Wiederbeschaffungsaufwand dazu führen würde,<br />

dass auch bezüglich der Mietwagenkosten auf die<br />

Dauer der nur hypothetischen Wiederbeschaffung<br />

abzustellen ist. 43<br />

Exkurs: Daraus, dass ein Fahrzeug nur für geringe<br />

Fahrleistungen benötigt wird, kann sich die Unwirtschaftlichkeit<br />

der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs<br />

ergeben, so dass es an der „Erforderlichkeit i.S.d.<br />

§ 249 BGB fehlt. Bei gewissen Sachverhalten kann<br />

aber alleine die Notwendigkeit der ständigen Verfügbarkeit<br />

eines Kfz die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs<br />

rechtfertigen, ohne dass es auf die gefahrene<br />

Kilometerleistung ankommt. 44<br />

38<br />

39<br />

40<br />

Die Umsatzsteuer für Ersatzbeschaffung ist allerdings viel<br />

geringer als diejenige für Reparaturkosten, weil sie sich<br />

nicht auf den gesamten Kaufpreis, sondern nur auf den<br />

Gewinnanteil des Händlers bezieht (sog. Differenzbesteuerung).<br />

Vgl. BGH NJW 2008, 2183 [2184] zum Verkauf vor Ablauf<br />

der Haltefrist. Im Ergebnis genauso BGH NJW 2005,<br />

1110 [1111]: Dort ging es um den Fall der nur notdürftig<br />

selbst durchgeführten Reparatur. Die Nichtberücksichtigung<br />

des Restwertes bezieht sich bei dieser Vorgehensweise<br />

also alleine auf die Vergleichsbetrachtung im Rahmen<br />

der Frage, ob überhaupt repariert werden darf.<br />

Vgl. BGH NJW 2007, 588 [589]. Eine Mindestdauer, die<br />

der Geschädigte das Fahrzeug noch behalten müsste,<br />

kommt also nur in Betracht, wenn er das Kfz entweder<br />

nicht repariert (so BGH NJW 2006, 2179) oder wenn er<br />

mehr als 100 % des Wiederbeschaffungswerts (Integritätszuschlag)<br />

verlangt.<br />

41<br />

42<br />

43<br />

44<br />

© RA Ingo Gold / Juli 2013<br />

Entgegen einer vereinzelten älteren Entscheidung<br />

des BGH ist hierbei nach Ansicht des Gerichts kein<br />

Abzug für Eigenersparnis zu machen, da der Geschädigte<br />

einen klassenniedrigeren Wagen angemietet<br />

und damit die Kosten um 20 € täglich, also um<br />

ca. 20 Prozent reduzierte. Denn eine Vorteilsausgleichung<br />

muss nach allg. Grundsätzen entfallen,<br />

wenn sie den Schädiger unbillig entlasten würde.<br />

Vgl. etwa BGH NJW 2005, 135 [136]; Pal./Grüneberg<br />

§ 249, RN 31 ff.<br />

Zum Problem der Abrechnung über einen „Unfallersatztarif“<br />

statt über den „Normaltarif“ siehe etwa Pal./Grüneberg<br />

§ 249, RN 32 ff.<br />

Eine solche Lösung wäre m.E. vollkommen konsequent.<br />

BGH NJW 2013, 1149 [RN 15]; vgl. auch Pal./Grüneberg<br />

§ 249, RN 35.


Assessorkurs Bayern<br />

Klausur Nr. <strong>1089</strong> / Lösung S. 8<br />

Deutlicher als hier ist eine derartige Unbilligkeit<br />

nach Ansicht des Gerichts aber kaum denkbar. 45<br />

c. Der ersatzfähige Schaden ist daher auf insgesamt<br />

8.500 € festzusetzen.<br />

Davon wurden von der gesamtschuldnerisch neben<br />

dem Beklagten haftenden Haftpflichtversicherung<br />

4.500 € erstattet, was gemäß §§ 362 I, 422 BGB<br />

i.V.m. i.V.m. §§ 115 I 1, 117 III 2 VVG i.V.m. § 3<br />

S. 1 PflVG auch für den Beklagten wirkt. Mithin ist<br />

noch ein Betrag von 4.000 € offen.<br />

6. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 i.V.m.<br />

§ 288 I BGB. Dabei war wegen der Rechtsähnlichkeit<br />

der Tatbestände mit der inzwischen h.M. § 187 I<br />

BGB analog zu beachten. 46<br />

III. Die Widerklage ist zulässig.<br />

Der sachliche Zusammenhang zwischen Klage und<br />

Widerklage i.S.d. § 33 I ZPO, der nach der Rechtsprechung<br />

eine besondere Zulässigkeitsvoraussetzung<br />

der Widerklage darstellt, liegt vor. Er ergibt<br />

sich daraus, dass beide sich auf dasselbe Unfallgeschehen<br />

stützen.<br />

Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich schon aus<br />

§§ 12, 13 ZPO und § 20 StVG, überdies aus § 33 I<br />

ZPO.<br />

Verursachungsbeitrag trifft, der die Betriebsgefahr<br />

des Klägerfahrzeugs in den Hintergrund treten<br />

lässt. 48<br />

Für Ansprüche aus § 823 I, II BGB fehlt es – über<br />

diesen Aspekt hinaus – schon am Nachweis des Verschuldens<br />

des Klägers. 49<br />

5. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 I<br />

BGB, 261 II 2. Alt ZPO i.V.m. § 187 I BGB analog.<br />

V. Die Kostenentscheidung erging nach § 92 I ZPO.<br />

VI. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit<br />

folgt für den Kläger aus § 709 S. 1, S. 2<br />

ZPO und für den Beklagten aus §§ 708 Nr. 11, 711<br />

ZPO. 50<br />

Bengel<br />

RiLG als Einzelrichterin<br />

Hilfsgutachten:<br />

Zur grds. Ersatzfähigkeit der Schäden des Beklagten:<br />

1. Die als Folge des Sachschadens geltend gemachten<br />

Reparaturkosten von 3.500 € sind gemäß § 249 II 1<br />

BGB in dieser Höhe grds. ersatzfähig.<br />

Auch die sachliche Zuständigkeit ist gegeben, so<br />

dass ein Rückgriff auf § 39 S. 1 ZPO nicht nötig<br />

war. Es besteht Einigkeit, dass die sachliche Zuständigkeit<br />

des Landgerichts auch für Widerklagen von<br />

nicht mehr als 5.000 € gegeben ist, wenn nur über<br />

die Klage die Zuständigkeit des Landgerichts begründet<br />

wird. Hierfür spricht die Prozessökonomie<br />

und v.a. auch die Tatsache, dass § 506 ZPO für den<br />

genau umgekehrten Fall eine Verweisung insgesamt<br />

an das Landgericht vorsieht. 47<br />

IV. Allerdings ist die Widerklage unbegründet.<br />

45<br />

46<br />

47<br />

Ansprüche des Beklagten aus § 7 I bzw. § 18 I StVG<br />

entfallen gemäß § 17 II, I StVG, weil den Beklagten<br />

– wie dargelegt – wegen der schwerwiegenden Verletzung<br />

von § 10 StVO ein deutlich überwiegender<br />

Vgl. Pal./Grüneberg § 249, RN 36.<br />

Vgl. BGH NJW-RR 1991, 519; BAG NZA 2001, 386<br />

[387]; NZA 2003, 568 [570]; NZA 2009, 258 [260]; Pal./-<br />

Ellenberger § 187, RN 1; Erman/Palm § 187, RN 1.<br />

Vgl. ThP § 5, RN 2, 5; § 33, RN 18. Nicht korrekt ist es,<br />

dieses Ergebnis, dass es auf den jeweils höheren Wert ankommt,<br />

gerade mit § 5 2. Hs. ZPO zu begründen. Auch<br />

§ 33 ZPO selbst ist auf die sachliche Zuständigkeit nicht<br />

anwendbar.<br />

48<br />

49<br />

50<br />

© RA Ingo Gold / Juli 2013<br />

Dies gilt trotz § 249 II 2 BGB auch für die vom Beklagten<br />

in diesen Betrag schon eingerechnete Umsatzsteuer.<br />

Es ist davon auszugehen werden, dass<br />

diese tatsächlich angefallen ist, weil die Reparatur in<br />

Bezüglich § 18 I StVG hat der Kläger die Verschuldensvermutung<br />

nicht widerlegt. Im Rahmen der Abwägung des<br />

§ 17 StVG darf aber auch bei diesem Anspruch wiederum<br />

nicht auf vermutetes Fehlverhalten abgestellt werden, sondern<br />

nur auf ein solches, das nachweislich stattfand und<br />

ursächlich war.<br />

§ 17 StVG ist auch bei Parallelansprüchen vorrangige<br />

Sonderegel gegenüber § 254 BGB (vgl. etwa Pal./Grüneberg<br />

§ 254, RN 6 und RN 10). Bei einer ganz oder teilweise<br />

abgewiesenen Klage muss das Urteil grds. auf alle realistisch<br />

in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen<br />

eingehen. Dies kann beim Verkehrsunfall aber grds. sehr<br />

knapp erfolgen, da das Ergebnis der Prüfung dieser Parallelansprüche<br />

von vornherein klar ist (vgl. Assessor-Basics<br />

Zivilurteil § 9, RN 40 ff m.w.N.).<br />

Der Beklagte vollstreckt nur einen Teil seiner Anwaltsgebühren.<br />

Diese Gebühren belaufen sich auf den 2,5fachen<br />

Satz gemäß Nr. 3100 und Nr. 3104 VV-RVG (eine Anwaltsgebühr<br />

bei Gesamtstreitwert von 9.100 € ist 486 €)<br />

zuzüglich Pauschale und MwSt. Der GKG-Satz ist (dreimal)<br />

196 €, doch war der auf die Widerklage entfallende<br />

Teil vom Beklagten ohnehin nicht vorzuschießen (§ 12 II<br />

Nr. 1 GKG).


Assessorkurs Bayern<br />

Klausur Nr. <strong>1089</strong> / Lösung S. 9<br />

einer Werkstatt durchgeführt wurde und nichts für<br />

eine Vorsteuerabzugsberechtigung des Beklagten ersichtlich<br />

ist.<br />

Auch ein Abzug „neu für alt“ ist nicht vorzunehmen.<br />

Zwar ist richtig, dass grundsätzlich ein solcher Abzug<br />

im Wege der Vorteilsanrechnung durchaus in<br />

Betracht kommen kann. Er ergibt sich aber nicht<br />

zwangsläufig bei jeder Reparatur gebrauchter Gegenstände.<br />

Er setzt vielmehr richtigerweise voraus,<br />

dass Teile ersetzt worden sind, die dazu führen, dass<br />

der Geschädigte hierdurch spätere Aufwendungen<br />

erspart hat. Dies ist etwa dann nicht gerechtfertigt,<br />

wenn Teile ersetzt werden, die regelmäßig die Lebensdauer<br />

des Fahrzeuges erreichen, weil dann eine<br />

Wertverbesserung nicht eintritt oder sich nicht auswirkt.<br />

51<br />

Auf dieser Grundlage ist der Vortrag des als Schädiger<br />

hierfür darlegungs- und beweispflichtigen Klägers<br />

52 als unschlüssig anzusehen: Er hätte in seinem<br />

Vortrag klarstellen müssen, aus welchen Gründen<br />

durch die Reparatur solche spätere Aufwendungen<br />

erspart wurden.<br />

2. Ersatzfähig ist gemäß § 251 I BGB auch der merkantile<br />

Minderwert von 500 €. Zumindest bei einem<br />

weniger als fünf Jahre alten Wagen ist dies schon ein<br />

gegenwärtiger Schaden, weil der Wert des Wagens<br />

schon jetzt reduziert ist; dass sich dies schon jetzt<br />

tatsächlich in einem geringeren Verkaufserlös niederschlägt,<br />

ist daher nicht erforderlich. 53<br />

3. Zu ersetzen ist weiterhin die geforderte Nutzungsentschädigung<br />

von 200 €, da deren Voraussetzungen<br />

ausreichend dargetan sind.<br />

Ein solcher Anspruch ist als Ergebnis richterlicher<br />

Rechtsfortbildung grundsätzlich anerkannt, zumal es<br />

sich um ein Lebensgut handelt, dessen ständige Verfügbarkeit<br />

von zentraler Bedeutung ist. 54<br />

Allerdings ist Voraussetzung des Anspruches eine<br />

fühlbare Beeinträchtigung, so dass der Anspruch<br />

entfällt, wenn Nutzungswille oder -möglichkeit in<br />

der maßgeblichen Zeit gar nicht vorliegen. 56 Hier<br />

fehlt es aufgrund des Auslandsaufenthaltes zwar an<br />

der Nutzungsmöglichkeit durch den Kläger selbst.<br />

Anders ist dies aber, wenn eine Nutzung durch einen<br />

Angehörigen möglich und beabsichtigt war. Hier hat<br />

der Kläger die regelmäßige Mitnutzung durch die<br />

Lebensgefährtin des Beklagten in tatsächlicher Hinsicht<br />

nicht bestritten. Nach Auffassung des Gerichts<br />

ist insoweit aber auch von einem Angehörigenverhältnis<br />

i.d.S. auszugehen. Ein Abstellen auf den familienrechtlichen<br />

Maßstab wäre völlig sachwidrig.<br />

Angehöriger im schadensersatzrechtlichen Sinne ist<br />

daher jeder, der dem Verletzten so nahe steht, wie<br />

dies typischerweise bei einem Kind, Elternteil oder<br />

Ehegatten der Fall ist. Bei einem Partner einer nichtehelichen<br />

Lebensgemeinschaft ist dies zumindest<br />

dann der Fall, wenn – wie hier – die beiden seit längerer<br />

Zeit zusammenleben. 57<br />

Da für die Reparaturdauer von vier Tagen nach der<br />

maßgeblichen Tabelle ein Tagessatz von 50 € einschlägig<br />

ist, beträgt die Nutzungsausfallentschädigung<br />

insgesamt 200 €.<br />

Exkurs: Wenn der Geschädigte die Möglichkeit hatte,<br />

zur Überbrückung des Fahrzeugausfalls kostenfrei<br />

auf das Fahrzeug seines Vaters (oder eines anderen<br />

Dritten) zuzugreifen, beseitigt den eingetretenen<br />

Schaden nicht. Nach dem Rechtsgedanken des<br />

§ 843 IV BGB wird der Schädiger nicht durch eine<br />

(freiwillige) Leistung Dritter entlastet, die ihm nach<br />

dem Sinn der schadensrechtlichen Vorschriften nicht<br />

zugute kommen soll. Dies gilt auch für den Nutzungsausfallschaden.<br />

58<br />

______________<br />

Hinweis: Dies bejaht der BGH nun auch für die<br />

Nutzung des Internets und verneint es für das Telefax.<br />

Für Festnetztelefone bejaht er es grds., lehnt den<br />

Nutzungsersatz dann aber wiederum ab, wenn dem<br />

Geschädigten ein Handy zur Verfügung stand (dann<br />

keine fühlbare Beeinträchtigung; etwaige Mehrkosten<br />

dann aber wieder ersatzfähig). 55<br />

51<br />

52<br />

53<br />

54<br />

55<br />

Vgl. Pal./Grüneberg § 249, RN 24 a.E.<br />

Vgl. Pal./Grüneberg vor § 249, RN 75.<br />

Vgl. Pal./Grüneberg § 251, RN 14.<br />

Vgl. Pal./Grüneberg § 249, RN 40 ff.<br />

Vgl. dazu BGH NJW 2013, 1072 mit Besprechung in Life<br />

& Law 2013, 250 ff.<br />

56<br />

57<br />

58<br />

© RA Ingo Gold / Juli 2013<br />

Vgl. BGH NJW 2009, 1663; Pal./Grüneberg § 249,<br />

RN 42.<br />

So etwa auch Pal./Grüneberg Vorbem. vor § 249, RN 40<br />

zu den Schockschäden sowie Pal./Grüneberg § 249, RN 9<br />

und Grunsky JuS 1991, 908 zum insoweit ähnlichen Problem<br />

der Krankenbesuchskosten „naher Angehöriger“.<br />

Vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 2013, Az.: VI ZR<br />

363/11 [RN 23].

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