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Ausgabe 10, 14.12.2013 - StudiWeb der PH Zürich

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DIESES TOLLE GEBÄUDE<br />

Text Juri Egger<br />

Fotos Stefan Müller<br />

Verlorene Wertschätzung<br />

Es war mein erster Tag an <strong>der</strong> <strong>PH</strong> <strong>Zürich</strong>. Ich<br />

strömte mit vielen meiner neuen Kommilitonen<br />

die Treppe vom Hauptbahnhof zur <strong>PH</strong> <strong>Zürich</strong>.<br />

Die Menge schleifte mich ins Hauptgebäude<br />

und hinauf in den riesigen Vorlesungsraum.<br />

Ich war überwältigt, rechnete bereits aus, wie<br />

viele amerikanische Kirschbäume für diese imposante<br />

Innenausstattung gefällt worden waren,<br />

da bat man uns schon die Plätze einzunehmen.<br />

Vielleicht zehn Minuten nach Beginn <strong>der</strong> Einführung<br />

fühlte ich, wie die Luft sich zu erwärmen<br />

anfing. Der Indikator für diese Feststellung<br />

war aber nicht ein Impuls meiner Hautnerven<br />

in meinem Hirn. Nein, es waren Schweissperlen<br />

auf meiner Haut, so gross wie Tennisbälle.<br />

Sofort verfluchte ich mich, ein T-Shirt unter<br />

das Hemd angezogen zu haben. Meine nähere<br />

Umgebung schien noch nichts von meiner<br />

Not bemerkt zu haben. Dezent strich ich mir<br />

über die Stirn, ein Schwall von Kühlflüssigkeit<br />

drohte meine Sitznachbarin zu ertränken. Ich<br />

streifte mir mit meinem Hemdärmel über die<br />

Hand und tupfte leicht meinen Nacken, sogleich<br />

musste das triefende Stück Stoff mit voller<br />

Kraft ausgerungen werden. Die Not wurde<br />

langsam aber sicher akut. Ich musste raus, sofort.<br />

So zwängte ich mich zwischen den Stühlen<br />

durch und rannte in Lichtgeschwindigkeit auf<br />

die Toilette. Zwei WC-Papierrollen später war<br />

ich wie<strong>der</strong> trocken und dachte: „Dieses scheiss<br />

Gebäude!“<br />

Wertschätzung und <strong>der</strong> Mensch<br />

Nach Tortenessen und Geburtstagslie<strong>der</strong>-singen<br />

kamen wir endlich zum Moment <strong>der</strong> Wahrheit.<br />

Ich durfte das Geschenk auspacken. Dann ein<br />

Freudenschrei. Ja, es waren genau die Schlittschuhe,<br />

die ich mir gewünscht hatte.<br />

Am Abend war Training. Angespannt hievte ich<br />

meine Eishockeytasche in die Gar<strong>der</strong>obe. Aufgeregt<br />

öffnete ich den Reissverschluss und legte<br />

die Schlittschuhe ganz beiläufig frei. Einer, ja,<br />

nur einer bemerkte die neuen Schlittschuhe<br />

und sagte ganz beiläufig: „Die glichä hed min<br />

Brüä<strong>der</strong> au.“<br />

Ich hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben,<br />

es gab ja noch das Training und auf offener Eisfläche<br />

stieg die Wahrscheinlichkeit, dass sich<br />

meine Schlittschuhe bemerkbar machten. Da<br />

platzte Timon in die Gar<strong>der</strong>obe, in <strong>der</strong> Hand<br />

seine brandneuen Schlittschuhe, ein besseres<br />

Modell als meine. Er schrie und hielt sie in die<br />

Luft. Die Gar<strong>der</strong>obe erhellte sich mit „Oh“-<br />

und „Ah“-Rufen.<br />

Ich schaute auf meine offene Tasche und dachte:<br />

„Diese scheiss Schlittschuhe!“<br />

Genau erinnern kann ich mich auch noch an<br />

meinen ersten Laptop. Ein Monster von einem<br />

Mac. Da ich diverse extra Spezifikationen<br />

wünschte, mussten wohl einige <strong>der</strong> 700`000<br />

Foxconn Mitarbeiter am Abend etwas länger arbeiten,<br />

denn ich wollte meinen Mac pünktlich.<br />

Jeden Tag loggte ich mich beim App Store ein<br />

und verfolgte die heilige Lieferung: Shanghai,<br />

Shipped to Milano (IT), Transit to Bellinzona<br />

und nach einer gefühlten Ewigkeit zeigte die<br />

Trackingliste endlich Zurich an. Ich musste mir<br />

natürlich gleich den Tag frei nehmen. So gegen<br />

11 Uhr kam dann das Paket. Ich öffnete mit gewaltiger<br />

Vorsicht die weisse Schachtel und hob<br />

das MacBook aus <strong>der</strong> Fassung. Meine Hände<br />

zitterten als ich über das aus Aluminium gefräste<br />

Gehäuse tastete. Ich startete das Monster<br />

mit einem Knopfdruck und beim berühmten<br />

Start-Gong kullerte eine Freudenträne meine<br />

Wangen herunter. Ich hatte die ersten Tage eine<br />

riesen Freude an dem Ding. Die zusätzlichen<br />

Spezifikationen, die mich schier in den finanziellen<br />

Ruin getrieben hatten, schienen sich auszuzahlen.<br />

So konnte ich alle Programme gleichzeitig<br />

starten und die Prozessorauslastung war<br />

trotzdem nur bei 8%. Juhu!<br />

Doch die Freude sollte nicht lange weilen...<br />

Kurze Zeit später brachte Apple die neue Generation<br />

MacBook auf den Markt. Ein Freund<br />

von mir bestellte natürlich sogleich eines. Eines<br />

Ich kann mich noch genau an meinen 14. Geburtstag<br />

erinnern. Ich freute mich riesig darauf,<br />

denn meine Grosseltern kamen extra von Biasca<br />

(TI) nach <strong>Zürich</strong>, um an diesem speziellen<br />

Tag bei mir zu sein. Doch ehrlich gesagt war<br />

dies nicht exakt <strong>der</strong> Grund für meine überschwängliche<br />

Freude. Denn es war vielmehr<br />

ein rechteckiges Paket, das sich im Gepäckraum<br />

des silbernen BMW meines Grossvaters<br />

(Mercedes war ihm zu protzig, Audi erlaubte<br />

die Frau nicht) befand, das mir so ungeheure<br />

Vorfreude bereitete.<br />

Die <strong>PH</strong> <strong>Zürich</strong> am Hauptbahnhof. Im Hintergrund die schöne Limmatstadt und <strong>der</strong> <strong>Zürich</strong>see<br />

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