Ausgabe 10, 14.12.2013 - StudiWeb der PH Zürich
Ausgabe 10, 14.12.2013 - StudiWeb der PH Zürich
Ausgabe 10, 14.12.2013 - StudiWeb der PH Zürich
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
MALUNS<br />
DA CAPUNS<br />
E SUBVENZIUNS<br />
Capuns gilt als Hauptgericht aller Rätoromanen<br />
und „las subvenziuns“ als Lebensa<strong>der</strong> des Rätoromanischen,<br />
meinen viele. Denn mit dem rätoromanischen<br />
Gebiet verbindet man nicht nur sonnige<br />
Skiorte und nostalgische Dörfer à la Schellenursli.<br />
Eine sture Bergbevölkerung, die am Geldstrom <strong>der</strong><br />
Unterlän<strong>der</strong> hängt, untergräbt dieses traumhafte<br />
Ferienbild. Doch entgegen allen Vorurteilen lebt<br />
die Sprache natürlich im Alltag vieler junger Menschen,<br />
auch hier an <strong>der</strong> <strong>PH</strong> <strong>Zürich</strong>.<br />
In diesem Artikel erzählen drei Rätoromaninnen<br />
von und über ihre Muttersprache. Denn diese<br />
spielt nicht nur in ihrem privaten Leben eine wichtige<br />
Rolle, son<strong>der</strong>n auch in ihrer Ausbildung zur<br />
Sekundarlehrperson.<br />
Text Annalea Roner<br />
mit spannenden Inputs<br />
von Caroline Albin und Corina Steiner<br />
12<br />
Am Ende <strong>der</strong> Welt und doch am Anfang<br />
<strong>der</strong> Schweiz<br />
Der Ursprung dieser Sprache leitet sich vom<br />
Wort Rätoroman ab. Der erste Teil „räto“<br />
kommt vom Volk <strong>der</strong> Rätier. Die Geschichte<br />
dieser vorrömischen Bewohner Graubündens<br />
wirft bis heute Fragen auf.<br />
Der zweite Teil „roman“ bezieht sich auf das römische<br />
Volk, welches weite Teile des heutigen<br />
Europas eroberte und bevölkerte - auch den Alpenraum.<br />
Mit den Händlern und Soldaten zog<br />
die lateinische Sprache dann langsam in Rätien<br />
ein. Die Bewohner haben die modische Sprache<br />
ihrer Eroberer gern o<strong>der</strong> ungern gelernt. Gefärbt<br />
von ihren rhätischen Wurzeln sprachen sie<br />
dennoch ihr eigenes Volkslatein. Dieses entwickelte<br />
sich dann über die Jahrhun<strong>der</strong>te zu einer<br />
eigenen Sprache. Aufgrund <strong>der</strong> geografischen<br />
Isolation entstanden hinter jedem Tal sowie<br />
flussauf- und flussabwärts sehr unterschiedliche<br />
Sprachdialekte.<br />
Das römische Reich zerfiel und das Mittelalter<br />
mit all seinem Grauen folgte. Mit dem<br />
verheerenden Stadtbrand von Chur im Jahr<br />
1464 eroberte die deutsche Sprache das wichtige<br />
Handelszentrum und unterbrach dabei die<br />
Sprachverbindung <strong>der</strong> rätoromanischen Täler.<br />
Die bis heute anhaltende Germanisierung wurde<br />
durch die Industrialisierung und Mo<strong>der</strong>nisierung<br />
weiter vorangetrieben und liess das<br />
rätoromanische Gebiet auf einzelne kleine Sprachinseln<br />
im südlichen Alpenraum schrumpfen.<br />
Eine davon steht auf heutigem Schweizer Boden<br />
und ist in fünf Idiome unterteilt. Diese befinden<br />
sich fernab <strong>der</strong> Urbanisierung und am östlichsten<br />
Rand <strong>der</strong> Schweiz. Am Ende <strong>der</strong> Welt eben<br />
und doch, astronomisch betrachtet, am Anfang<br />
<strong>der</strong> Schweiz.<br />
Von <strong>der</strong> Ursprache <strong>der</strong> Schweiz bis zum<br />
„Musterschweizer“<br />
Die Bedrohung und Gefährdung <strong>der</strong> rätoromanischen<br />
Sprache gehört von Anfang an bis zum<br />
heutigen Tag zur Kultur <strong>der</strong> Bevölkerung, welche<br />
diese Sprache spricht. In den 30er Jahren<br />
spitzte sich die Lage jedoch massiv zu: Mussolini<br />
steht vor <strong>der</strong> einen Türe und Hitler vor <strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en. Während italienische Faschisten das<br />
Rätoromanische zu einem italienischen Dialekt<br />
erklären, möchte Hitler die Sprache aufgrund<br />
<strong>der</strong> höherwertigen deutschen Kultur sterben<br />
lassen. Die Schweiz sucht eine nationale und<br />
Wie aus dem Bil<strong>der</strong>buch: Das Engadinerhaus<br />
in Guarda<br />
politische Einheit als Reaktion auf die bedrohenden<br />
Entwicklungen in den Nachbarlän<strong>der</strong>n.<br />
In <strong>der</strong> geistigen Landesverteidigung spielte das<br />
Rätoromanische dann die entscheidende Rolle:<br />
In einer brisanten Zeit sagte 1938 das Schweizer<br />
Stimmvolk mit fast 90% „Ja“ zur Anerkennung<br />
des Rätoromanischen als 4. Landessprache. Mit<br />
diesem politischen Schritt, eine Sprache von<br />
Min<strong>der</strong>heiten als Nationalsprache offiziell anzuerkennen,<br />
hat das Schweizer Volk ein Exempel<br />
gegen die Einheitskultur <strong>der</strong> Deutschen und<br />
die italienischen For<strong>der</strong>ungen statuiert. In <strong>der</strong><br />
Foto: Stefan Oberholzer