lesen - Concilium medii aevi
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STEFAN PÄTZOLD: Ecclesia lege diocesana subiecta?<br />
Amtsantritt begannen die Auseinandersetzungen, die sich an der Besetzung<br />
der Essener Stiftsvogtei entzündeten. 84 Äbtissin Berta hatte nämlich nach dem<br />
Tod des bisherigen Vogts, des Erzbischofs Engelbert II. (am 20. Oktober<br />
1274), 85 König Rudolf I. von Habsburg als neuen advocatus et defensor gewählt,<br />
was dieser 1275 urkundlich bestätigte. 86<br />
Die Rechtmäßigkeit dieses<br />
Vorgehens zweifelte Siegfried an, wohl weil er – wie zuvor auch Konrad von<br />
Hochstaden und Engelbert II. – den am Hellweg gelegenen und als Bindeglied<br />
zwischen den rheinischen und westfälischen Besitzungen der Kölner Kirche<br />
wichtigen Gebotsbereich des Essener Vogts der erzbischöflichen Herrschaft<br />
unterstellen wollte. 87 Deshalb ließ er die Pröpstin und die Kanoniker befragen,<br />
ob es denn rechtens gewesen sei, dass die Äbtissin den Vogt ohne ihr Wissen<br />
und Zustimmung gewählt habe; wohl erwartungsgemäß antwortete man ihm<br />
übereinstimmend, dass dieses Vorgehen als illegitim angesehen wurde: Da<br />
Berta den neuen Vogt ohne Zustimmung der Befragten bestellt habe, sei diese<br />
Wahl nichtig. 88<br />
Pröpstin und Kanoniker wählten im Oktober 1275 ihrerseits<br />
Siegfried zum Vogt. 89<br />
Doch nun nahm die Auseinandersetzung eine bemerkenswerte<br />
Wende: Der König und der Erzbischof einigten sich alsbald darauf,<br />
dass der Kölner die Essener Vogtrechte ausüben solle, da der Habsburger<br />
„wegen der großen Entfernung nach Essen nicht dazu in der Lage“ sei. 90 Damit<br />
war Siegfried seinem Ziel, auf der Grundlage der Herzogsrechte seinen<br />
westfälischen Machtbereich „zwischen Ruhr und Weser“ auszudehnen 91<br />
und<br />
das Essener Stift seinem dominium et territorium einzufügen, erheblich näher<br />
gekommen. 92<br />
84<br />
Zur Essener Vogtei, die seit 1247 durch die Kölner Erzbischöfe ausgeübt wurde, siehe<br />
FERDINAND GEUER, Der Kampf um die essendische Vogtei, in: Beiträge zur Geschichte von<br />
Stadt und Stift Essen 13 (1889) S. 105–144; HOEDERATH, Hoheitsrechte (wie Anm. 7) S. 208–<br />
211; ERICH WIPLINGHOFF, Der Kampf um die Vogtei des Reichsstifts Essen im Rahmen der<br />
allgemeinen Vogteientwicklung des 10. bis 12. Jahrhunderts, in: Aus Geschichte und Landeskunde<br />
(FS Franz Steinbach) 1960, S. 308–332 und (vornehmlich zu den Gerichtsrechten des<br />
Stiftsvogts) LEENEN, Positionierung (wie Anm. 12) S. 86–89.<br />
85<br />
REK 2,2 Nr. 2587.<br />
86<br />
Essener UB Nr. 131f.<br />
87<br />
ERKENS, Siegfried (wie Anm. 83) S. 146 und 148.<br />
88<br />
Essener UB Nr. 133.<br />
89<br />
Essener UB Nr. 135.<br />
90<br />
Essener UB Nr. 138 (4. Februar 1276); vgl. dazu ERKENS, Siegfried (wie Anm. 83) S. 148–150.<br />
91<br />
Vgl. dazu LEIDINGER, 1180–1288 (wie Anm. 78) S. 54.<br />
92<br />
Mit dieser Formulierung beschrieben die Essener Kanonikerinnen und Kanoniker 1275<br />
Siegfrieds weltlichen Gebotsbereich, siehe Essener UB Nr. 135.<br />
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