September 2013 - Sächsischer Bergsteigerbund
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Wandern in Böhmen<br />
Fortsetzung folgt ... oder: Kleiner böhmischer Nachschlag<br />
Pünktlich zum Start am Dienstag, 30. Juli, hat<br />
die große Hitze eine kleine Pause eingelegt.<br />
Bei angenehm sommerlichen Temperaturen<br />
komme ich 10 Uhr mit dem Bus in Lückendorf<br />
an. Den nahen Grenzübergang im Oybiner<br />
Ortsteil Hain passierte ich das letzte Mal vor<br />
acht Jahren am Ende meiner Wanderung<br />
von Adersbach über Riesengebirge und<br />
Jeschken. Vor wenigen Wochen sah ich das<br />
Zittauer Gebirge ganz kurz vom Fahrrad aus<br />
wieder. Plötzlich erscheint es mir ganz wichtig,<br />
jetzt unbedingt den Rest bis an die Elbe<br />
dranzuhängen.<br />
In Krompach bezog ich 2005 mein letztes<br />
Nachtquartier. Das heutige Wiedersehen<br />
ist eher enttäuschend, denn der Gasthof ist<br />
inzwischen abgebrannt. Ich biege rechts ab<br />
und kann schon bald auf wundervollen Waldund<br />
Wiesenwegen wandeln. Dicht am Gipfel<br />
der Lausche vorbei halte ich mich vorwiegend<br />
westwärts und erreiche nach einigem Auf und<br />
Ab zwei Punkte mit großartigen Rundblicken:<br />
die Burgruine Tolštejn und schon wenig später<br />
den Tannenberg. Der heißt auf tschechisch<br />
Jedlová, ist 774 Meter hoch, und er wird<br />
gründlich vermarktet. Abenteuersport aller Art<br />
ist hier käuflich zu erleben. Auf dem Gipfel<br />
befindet sich außer Antennenanlagen und einem<br />
Aussichtsturm ein Kletterwald sowie eine<br />
Hotelgaststätte. Gern hätte ich spontan hier<br />
oben genächtigt. Mit ein paar heftigen Blitzen<br />
hat das rechte Knie nämlich bereits den<br />
Feierabend angemahnt. Doch die Antwort<br />
auf meine Nachfrage lautet „alles belegt“.<br />
Also steige ich den Berg wieder hinunter<br />
und suche erst einmal im Farbenspiel der<br />
Wegmarkierungen umher. Endlich habe ich<br />
das rote Zeichen wieder. Nun geht es lange<br />
ziemlich konsequent der untergehenden Sonne<br />
entgegen. Hässliche Kriegsbunker säumen<br />
den Weg; auf so etwas wie eine Schutzhütte<br />
freilich hoffe ich vergebens. Trotz Schmerzattacken<br />
lässt das Knie sich immer wieder<br />
zum Weitergehen überreden. Am Abend um<br />
halb 9 habe ich es endgültig satt. Nahe der<br />
kleinen Gedenkstätte an der Kreuzbuche gibt<br />
es ein paar Bänke, teilweise überdacht. Hier<br />
stelle ich den Rucksack ab und rolle meine<br />
Schlafmatte ins Gras.<br />
Kurz nach dem Aufbruch am frühen Mittwochmorgen<br />
gewährt mir der König der<br />
Wälder eine kurze Audienz. Einem Rothirsch<br />
mit prächtigem Geweih in der freien Natur<br />
zu begegnen, das hätte ich nicht zu träumen<br />
gewagt! Nach wechselnden Pfaden aus Holpersteinen,<br />
Asphalt und Waldboden gelange<br />
ich zum Brüderaltar. Kreuzwegbilder und eine<br />
Informationstafel erinnern an jene Glaubensflüchtlinge,<br />
die sich hier in aller Heimlichkeit<br />
zu Gottesdiensten trafen. Wenig später erreiche<br />
ich das Städtchen Česká Kamenice.<br />
In der Apotheke kaufe ich mir eine große<br />
Tube schmerzlindernde Salbe. Das bringt<br />
Besänftigung, ist aber leider unzureichend.<br />
Wenn ich die geplante Tour nicht an der<br />
nächsten Bushaltestelle abbrechen will, werde<br />
ich unbedingt größere Pausen brauchen<br />
und mich sehr langsam bewegen müssen,<br />
besonders beim Auf- und noch mehr beim<br />
Absteigen. Ausreichende Zeitreserven sind<br />
zum Glück vorhanden. Hinter dem nächsten<br />
Hügel liegt Srbská Kamenice. Während eine<br />
nette Kellnerin mir leckere Knödel serviert,<br />
ertönt gerade das Mittagsgeläut. Für den<br />
nächsten Höhepunkt steht also der komplette<br />
Nachmittag zur Verfügung.<br />
„Ich habe nie einen Berg seiner Aussicht<br />
wegen bestiegen“, soll der Matterhorn-<br />
Bezwinger Edward Whymper einst verkündet<br />
haben. Das würde ich nicht so grundsätzlich<br />
übernehmen, aber für heute trifft es exakt<br />
zu. Denn wer den komplett bewaldeten<br />
Rosenberg besteigt, darf natürlich keinen<br />
Panoramablick erwarten. Dafür bietet der<br />
Růžovský vrch, wie er hier genannt wird, aus<br />
größerer Entfernung ein sehr imposantes<br />
Bild. Zwischen den vulkanischen Spitz- und<br />
Rundkegeln, die in Nordböhmen zahlreich<br />
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