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Ausgabe 02/2013 - Deutsche Flugsicherung GmbH

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Der 14. September 1993 ist<br />

kein guter Tag für die Luftfahrt.<br />

Ein Airbus A320 aus<br />

Frankfurt befindet sich im Landeanflug<br />

auf den Flughafen Warschau. Trotz<br />

starken Rückenwinds und Regen verläuft<br />

zunächst alles planmäßig – bis<br />

die beiden Piloten das Flugzeug auf<br />

der 2.800 Meter langen Piste aufsetzen<br />

und bemerken, dass sie nicht<br />

bremsen können: Die Radbremsen<br />

greifen auf der nassen Landebahn<br />

nicht, Störklappen und Schubumkehr<br />

lassen sich nicht aktivieren. Mit mehr<br />

als 100 Stundenkilometern schlittert<br />

das Flugzeug in einen Erdwall am Ende<br />

der Piste und fängt Feuer. Der Flugkapitän<br />

und ein Passagier sterben, die<br />

übrigen 68 Menschen an Bord werden<br />

zum Teil schwer verletzt.<br />

Unfälle in der Luftfahrt sind eine<br />

absolute Seltenheit. Kommt es aber<br />

doch einmal zu einem Flugzeugunfall,<br />

sind die Folgen umso schwerwiegender.<br />

Deshalb tun Airlines, Flugzeughersteller,<br />

Flughafenbetreiber und <strong>Flugsicherung</strong>sorganisationen<br />

alles dafür,<br />

das zu verhindern. „Unsere Aufgabe<br />

ist, dafür zu sorgen, dass unser Service<br />

sicher ist“, sagt Hans-Jürgen Morscheck,<br />

der in der DFS den Bereich<br />

Unternehmenssicherheitsmanagement<br />

leitet. Die Abteilung wurde 1997<br />

gegründet, um alle Sicherheitsaktivitäten<br />

in der DFS zu bündeln; 1998<br />

wurde das Thema Security integriert.<br />

Die Safety-Zahlen der DFS sprechen<br />

für sich: Trotz steigenden Verkehrs<br />

konnte die Sicherheit immer weiter<br />

verbessert werden. Das zeigt allein<br />

ein Blick auf die Entwicklung der Luftfahrzeugannäherungen<br />

im deutschen<br />

Luftraum – das sind Vorfälle, die von<br />

Piloten oder Fluglotsen als sicherheitsrelevant<br />

gemeldet und von einer unabhängigen<br />

Expertengruppe untersucht<br />

sowie klassifiziert werden. 1975 lag<br />

die Zahl der Luftfahrzeugannäherungen<br />

in den beiden höchsten Kategorien<br />

noch bei 210. Zehn Jahre später<br />

waren es 48, 1995 wurden schließlich<br />

nur noch 23 Vorfälle gezählt. Seit<br />

2003 bewegt sich die Zahl der Luftfahrzeugannäherungen<br />

im einstelligen<br />

Bereich – dabei hat sich der Flugverkehr<br />

in den vergangenen drei Jahrzehnten<br />

vervierfacht.<br />

Eine gute Statistik ist aber nicht<br />

alles. „Erfolg in der Vergangenheit ist<br />

keine Garantie für Sicherheit in der<br />

Zukunft“, sagt Heino Küster, zuständig<br />

für den Bereich „Sicherheitsgrundsätze<br />

& Ereignismanagement“. „Läuft<br />

zu lange alles gut, besteht die Gefahr,<br />

zu glauben, alle Sicherheitslücken<br />

seien geschlossen.“ Doch das ist ein<br />

Irrtum. Auch wenn man noch so viele<br />

Schutzmechanismen einrichtet, sind<br />

sicherheitsrelevante Ereignisse niemals<br />

ganz auszuschließen.<br />

Das Gesamtsystem Luftfahrt ist<br />

sehr komplex und besteht aus vielen<br />

miteinander verbundenen Untersystemen.<br />

So kommunizieren Fluglotsen<br />

mit Piloten, beide Seiten nutzen technische<br />

Systeme und arbeiten in Organisationen<br />

mit einer eigenen Sicherheitskultur.<br />

Obwohl die Anfälligkeit für<br />

ungewollte Ereignisse hoch ist, ist das<br />

System insgesamt sehr sicher: Die<br />

Widerstandsfähigkeit des Gesamtsystems<br />

verhindert in fast allen Fällen,<br />

dass es zu einer Verkettung von Fehlern<br />

kommen kann. Dazu trägt auch<br />

die Redundanz des Systems bei; alle<br />

wichtigen Funktionen sind immer mindestens<br />

doppelt abgesichert. Ein Ausfall<br />

von Sprechfunk oder Radar, eines<br />

Cockpit-Instruments oder sogar eines<br />

Triebwerks hat in der Regel keine<br />

sicherheitsrelevanten Folgen.<br />

Die Bruchlandung von Warschau<br />

ist ein gutes Beispiel für so eine Fehlerkette.<br />

Die Untersuchungskommission<br />

listet mehrere Faktoren auf, die<br />

zu dem Unfall beigetragen haben.<br />

Erstens das Wetter: Bei der Landung<br />

herrschte Regen und starker<br />

Rückenwind, zusätzlich kamen von<br />

der Seite heftige Windböen. Zweitens<br />

die <strong>Flugsicherung</strong>: Die Wetterdaten<br />

im Tower waren mangelhaft, die Lotsen<br />

informierten die Piloten nur unzureichend.<br />

Drittens die Piloten: Sie<br />

bemerkten nicht, dass der Rückenwind<br />

die zulässige Grenze überschritten<br />

hatte, und setzten weit hinten auf<br />

der Piste auf, obwohl ein Durchstarten<br />

noch möglich gewesen wäre. Viertens<br />

das Flugzeug: Bei dem von den<br />

Piloten gewählten Verfahren ließ sich<br />

der A320 erst bremsen, nachdem er<br />

Bodenkontakt hatte. Dazu mussten<br />

sich die Räder des Hauptfahrwerkes<br />

mit einer bestimmten Geschwindigkeit<br />

drehen und zudem auf dem Fahrwerk<br />

ein gleichmäßig hoher Druck lasten.<br />

Beides war zunächst nicht der Fall:<br />

Erst setzte das Flugzeug schräg auf,<br />

dann kam es auf der nassen Piste zu<br />

Aquaplaning. Da die Räder sich nicht<br />

schnell genug drehten, ging der Bordcomputer<br />

davon aus, dass sich das<br />

Flugzeug noch in der Luft befand. Als<br />

die Systeme endlich eine Vollbremsung<br />

zuließen, war es zu spät: Der<br />

Airbus schoss über die Bahn hinaus.<br />

Kein guter Tag für die Luftfahrt –<br />

aber stimmt das auch? Der 14. September<br />

1993 mit zwei Toten und vielen<br />

Verletzen hat, so widersprüchlich<br />

das klingen mag, möglicherweise<br />

einer viel größeren Zahl von Menschen<br />

das Leben gerettet. Denn aus<br />

dem Vorfall wurden Konsequenzen<br />

gezogen. Unter anderem wurde die<br />

Software der Airbus-A320-Familie<br />

überarbeitet: Der Aufsetzdruck des<br />

Fahrwerks wurde gesenkt, Störklappen<br />

und Schubumkehr sind nicht mehr<br />

an die Drehung der Räder gekoppelt.<br />

Ein Unfall wie in Warschau kann sich<br />

deshalb so nicht mehr ereignen. Das<br />

ist einer der Hauptgründe dafür, dass<br />

transmission 2 – <strong>2013</strong> 7

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