15.01.2014 Aufrufe

Ausgabe 02/2013 - Deutsche Flugsicherung GmbH

Ausgabe 02/2013 - Deutsche Flugsicherung GmbH

Ausgabe 02/2013 - Deutsche Flugsicherung GmbH

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Aus Fehlern lernen mit<br />

Just Culture<br />

In der Luftfahrt sollen möglichst alle negativen Ereignisse gemeldet werden. Nur dann kann die<br />

Branche aus Vorfällen lernen. Doch Justiz und Öffentlichkeit haben oftmals ein Interesse daran,<br />

„Verursacher“ zu benennen und zu bestrafen, was einem intensiven Meldewesen eher abträglich<br />

ist. Der Ansatz „Just Culture“ soll dieses Dilemma lösen.<br />

Ein Auto fährt auf die Ampel<br />

zu. Die Sonne steht tief. Der<br />

Fahrer kann kaum erkennen,<br />

was die Ampel anzeigt. Er fährt über<br />

die Kreuzung, stellt dann erschreckt<br />

fest: Es ist tatsächlich rot gewesen.<br />

Passiert ist nichts, die Fahrt geht weiter.<br />

„Kein Autofahrer würde in einem<br />

solchen Fall zur Polizei gehen und sich<br />

eines Fehlers bezichtigen“, sagt Hans-<br />

Jürgen Morscheck, Leiter des DFS-<br />

Unternehmenssicherheitsmanagements.<br />

„Aber im Prinzip erwarten wir<br />

das von unseren Fluglotsen: Sie sollen<br />

Ereignisse melden, selbst wenn nichts<br />

passiert ist.“<br />

Die DFS kann nur auf Ereignisse<br />

oder Probleme reagieren, wenn sie<br />

davon erfährt. Wer Fluglotsen, Piloten<br />

oder Techniker für gemeldete Ereignisse<br />

bestraft, riskiert, dass Vorfälle<br />

unter den Teppich gekehrt werden.<br />

Dann könnten die gleichen Umstände<br />

immer wieder passieren – bis es zu<br />

einem tragischen Unfall kommt. Das<br />

kann nicht im Sinne der Sicherheitskultur<br />

sein.<br />

Die Luftfahrtbranche hat deshalb<br />

den Ansatz „Just Culture“ etabliert.<br />

Kein DFS-Mitarbeiter muss befürchten,<br />

dass es für ihn im Unternehmen<br />

negative Folgen hat, wenn er ein Ereignis,<br />

beispielsweise eine Staffelungsunterschreitung,<br />

meldet. Dahinter steckt<br />

das Grundverständnis, dass menschlicher<br />

Irrtum immer im Kontext von<br />

komplexen Situationen entsteht und<br />

daher nicht als Ursache, sondern als<br />

Symptom zu verstehen ist. Symptome<br />

deuten auf tieferliegende Probleme im<br />

gesamten System hin, beispielsweise<br />

darauf, dass die Bildschirmdarstellung<br />

verbessert werden müsste oder Flugrouten<br />

entzerrt werden sollten. Die<br />

DFS-Sicherheitsfachleute nehmen<br />

diese Hinweise auf und suchen nach<br />

Lösungsmöglichkeiten.<br />

Eine „gerechte“ Unternehmenskultur<br />

bedeutet allerdings nicht, dass<br />

die Luftfahrtbranche ein rechtsfreier<br />

Raum ist. Just Culture unterscheidet<br />

daher zwischen einem nicht zu akzeptierenden<br />

fahrlässigen Verhalten einerseits<br />

und so genannten beitragenden<br />

Faktoren zu Ereignissen andererseits,<br />

die in einem komplexen System<br />

vorkommen können. Einig sind<br />

sich sowohl Sicherheitsexperten als<br />

auch Juristen darin, dass alle Unfälle<br />

und „schweren Störungen“ strafrechtliche<br />

Konsequenzen haben können. Und<br />

zwar nicht nur für Fluglotsen, sondern<br />

auch für das Management, von dem<br />

erwartet wird, dass es dem operativen<br />

Personal ein sicheres Arbeitsumfeld<br />

bietet. Handeln sie nach bestem<br />

Wissen und Gewissen, sollen sich Fluglotsen<br />

darauf verlassen können, dass<br />

sie in der Regel keine strafrechtlichen<br />

Konsequenzen befürchten müssen.<br />

Mit Just Culture will man erreichen,<br />

dass auch kleinere Ereignisse,<br />

bei denen keine unmittelbare Gefahr<br />

bestand, im Sinne der Sicherheitskultur<br />

dokumentiert und aufgearbeitet<br />

werden können.<br />

Ein Spannungsfeld zwischen einem<br />

ausgeprägten Meldewesen und der<br />

juristischen Facette wird es aber<br />

immer geben. Vor allem deshalb, weil<br />

Ereignisse auch an die Öffentlichkeit<br />

gelangen können und dort sehr<br />

schnell die Frage nach einer persönlichen<br />

oder organisatorischen Schuld<br />

gestellt wird, etwa wenn es dabei um<br />

Schadensersatzansprüche geht.<br />

Mit Just Culture will die Luftfahrtbranche<br />

deshalb auch politisch erreichen,<br />

dass die Justiz diesen Ansatz<br />

als wesentlichen Bestandteil einer<br />

Sicherheitskultur akzeptiert und bei<br />

der Untersuchung und Bewertung von<br />

Luftfahrt ereignissen berücksichtigt.<br />

Sandra Ciupka<br />

transmission 2 – <strong>2013</strong> 23

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!