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Ausgabe 02/2013 - Deutsche Flugsicherung GmbH

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individuelle oder soziale sowie unternehmenskulturelle<br />

Normen zum Tragen<br />

kommen. Sie näher zu betrachten<br />

ist für eine gute Sicherheitskultur<br />

entscheidend. Eine typische Regel,<br />

die dem Gruppenverhalten zugeordnet<br />

werden kann, ist zum Beispiel:<br />

„Wir machen das immer so.“ Typisch<br />

sind auch vom Unternehmen geprägte<br />

Grundsätze wie „Wir müssen Zeitpläne<br />

auf jeden Fall einhalten.“ Eine weitere<br />

typische Regel im sozialen Kontext<br />

ist: „Wenn du den Regelverstoß<br />

nicht meldest, werde ich auch nichts<br />

sagen.“ Individuelle Grundsätze, die<br />

im Efficiency-Thoroughness-Trade-<br />

Off- Prinzip zum Tragen kommen, sind<br />

beispielsweise: „Normalerweise ist es<br />

in Ordnung, so wie ich es mache, deshalb<br />

brauche ich es nicht jedes Mal<br />

zu überdenken“ oder „Später wird das<br />

sowieso noch einmal jemand überprüfen,<br />

deshalb muss ich es nicht so<br />

genau nehmen.“<br />

Für Hollnagel ist klar: Entscheidungen,<br />

die dazu führen, dass etwas<br />

schiefläuft, und Entscheidungen, die<br />

dazu führen, dass etwas glattgeht,<br />

unterscheiden sich in der Regel nicht.<br />

Ob eine Entscheidung ein Fehler war,<br />

kann immer erst im Nachhinein bewertet<br />

werden. Es ist deshalb nicht sinnvoll,<br />

Entscheidungen mit positivem<br />

Ergebnis und solche mit negativem<br />

Ergebnis getrennt voneinander zu<br />

untersuchen. Menschliches Verhalten<br />

in fehlerhaftes und fehlerfreies zu<br />

trennen führt nicht zu mehr Sicherheit.<br />

Alle Entscheidungen haben denselben<br />

Ursprung: nämlich typisch menschliches<br />

Verhalten. Für das Sicherheitsmanagement<br />

bedeutet das: Nicht nur<br />

aus Fehlern lernen, sondern präventiv<br />

und vorausschauend analysieren.<br />

Auf diese Weise soll ans Licht kommen,<br />

welche Dinge nicht so laufen, wie<br />

sie sollten – noch bevor tatsächlich<br />

eine Entscheidung zu einem negativen<br />

Ergebnis führt.<br />

„Für die DFS bedeutet dies, dass<br />

wir neben der Untersuchung von Vorfällen<br />

verstärkt auf die vorherrschenden<br />

Umgebungsbedingungen achten<br />

müssen“, sagt Jörg Leonhardt, Leiter<br />

des DFS-Bereichs Human Factors.<br />

„Eine alleinige Konzentration auf die<br />

negativen Ergebnisse wie beispielsweise<br />

Staffelungsunterschreitungen<br />

reduziert das Wissen über den Erfolg<br />

unserer Organisation.“<br />

Aus Vorfällen zu lernen<br />

ist wichtig. Aber noch<br />

besser ist, wenn erst<br />

gar nichts passiert.<br />

Wer nur aus Fehlern lernt, gerät<br />

schnell in eine paradoxe Situation.<br />

Eine Organisation mit sehr kleinen<br />

Misserfolgsraten wie die DFS hat dann<br />

immer weniger Anhaltspunkte für den<br />

Erfolg. Weniger Vorfälle bedeuten<br />

weniger Zahlenwerte. Weniger Zahlenwerte<br />

bedeuten immer weniger Indikatoren,<br />

die Aufschluss darüber geben<br />

können, wie es um die Leistung (Performance)<br />

im Unternehmen bestellt<br />

ist. Denn nur weil wenig passiert,<br />

heißt das nicht, dass alles zum Besten<br />

steht: zumindest nicht in einem<br />

so komplexen System wie der <strong>Flugsicherung</strong>.<br />

Hollnagel sagt: Um in einem<br />

komplexen, voneinander abhängigen<br />

und sich ständig verändernden<br />

Umfeld Sicherheit zu erreichen,<br />

müssen die Mitarbeiter flexibel und<br />

anpassungs fähig sein. Und darüber<br />

hinaus müssen auch die Entscheider<br />

im Unternehmen und letztlich<br />

die Gesamtorganisation diese Flexibilität<br />

und Anpassungs fähigkeit vorweisen.<br />

Sicherheit ist nicht die Abwesenheit<br />

von Unfällen oder anderen<br />

unerwünschten Ereignissen, sondern<br />

die Anwesenheit von funktionierenden<br />

Anpassungsprozessen, die einen reibungslosen<br />

Betriebsablauf garantieren.<br />

Entscheider und Führungskräfte<br />

brauchen eine „Safety Intelligence“,<br />

so Hollnagel. Das heißt, sie müssen<br />

die Komplexität und die Interaktivität<br />

der Prozesse im Unternehmen bis ins<br />

Detail kennen. Ist sich ein Unternehmen<br />

über seine Erfolgs indikatoren im<br />

Klaren, kann es diese verstärken. Und<br />

die Entscheider können sich darüber<br />

hinaus auch vorstellen, welche Risiken<br />

in der Zukunft bestehen. Sie müssen<br />

also nicht warten, bis etwas passiert<br />

und das dann im Nachhinein bewerten.<br />

Diesen Ansatz, in dem das Positive<br />

gestärkt werden soll, statt nur<br />

das Negative zu eliminieren, nennt<br />

Hollnagel Resilience Engineering.<br />

„Für die DFS gilt: Wir müssen erkennen,<br />

was uns erfolgreich macht, und<br />

dann mehr Zeit und Geld darin investieren,<br />

um diesen Erfolg zu halten oder<br />

zu steigern“, sagt Leonhardt. Dazu sei<br />

es aber notwendig, erst einmal die<br />

Bedingungen, die zur Sicherheit beitragen,<br />

genauer zu identifizieren. „Weil<br />

wir uns bisher auf die Untersuchung<br />

von negativen Ereignissen beschränkten,<br />

haben wir allenfalls eine Ahnung<br />

davon, wie die Erfolgsfaktoren aussehen.“<br />

Künftig soll deshalb das Motto<br />

des US-amerikanischen Psychologen<br />

Paul Watzlawick gelten: „Mach mehr<br />

von dem, was funktioniert.“<br />

Sandra Ciupka<br />

transmission 2 – <strong>2013</strong> 17

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