Ausgabe 02/2013 - Deutsche Flugsicherung GmbH
Ausgabe 02/2013 - Deutsche Flugsicherung GmbH
Ausgabe 02/2013 - Deutsche Flugsicherung GmbH
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Ausgabe</strong> 2 – <strong>2013</strong><br />
Sicherheit<br />
„Safety first“ ist nicht nur<br />
eine Floskel. In der DFS dreht<br />
sich alles darum, das Fliegen<br />
noch sicherer zu machen.
Editorial<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
Sicherheit hat oberste Priorität in der DFS. Sie ist<br />
nicht nur Teil unseres Namens, sondern auch im<br />
Bewusstsein unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
die wichtigste Aufgabe unseres Unternehmens.<br />
Und wir können mit Fug und Recht behaupten, dass<br />
wir diese Aufgabe mit Bravour lösen. Ein Beispiel<br />
für das hohe Sicherheitsniveau in der DFS: Bereits<br />
seit 2009 haben unsere Fluglotsen nicht mehr dazu<br />
beigetragen, dass es zu einer gefährlichen Annäherung<br />
in der Luft gekommen ist – bezogen auf die<br />
beiden höchsten Kategorien („unmittelbare Gefährdung“<br />
und „Sicherheit nicht mehr gewährleistet“).<br />
Und auch am Boden ist das Sicherheitsniveau<br />
erfreulich hoch: Im Jahr 2012 war die DFS in nur<br />
noch 2,5 Prozent aller Zwischenfälle, so genannter<br />
Runway Incursions, involviert.<br />
immer das oberste Ziel. Daher werden alle Aktivitäten,<br />
die wir im Bereich des Lärmschutzes mit<br />
hoher Priorität entfalten, niemals zu Lasten der<br />
Sicherheit gehen. Und auch bei der Errichtung von<br />
neuen Windkraftanlagen im Zuge der Energiewende<br />
darf die Sicherheit des Luftverkehrs nicht gefährdet<br />
werden.<br />
In der DFS gilt der Grundsatz: „Safety first“. Und<br />
die Maxime, dass es immer noch ein bisschen<br />
sicherer geht. Das wissen wir und daran arbeiten<br />
wir – Tag für Tag.<br />
Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen<br />
Diese gute Leistung ist das Ergebnis eines ausgeklügelten<br />
Sicherheitsmanagements, dessen<br />
oberste Prämisse es ist, aus Fehlern zu lernen.<br />
Jeder noch so kleine Zwischenfall wird untersucht,<br />
um daraus Rückschlüsse auf Verbesserungsmöglichkeiten<br />
zu ziehen. Dank dieser systematischen<br />
Untersuchungen haben wir in der Vergangenheit<br />
wichtige Weichen gestellt – wie die Sicherheitsstatistik<br />
eindrucksvoll zeigt: mit großem Erfolg. Auf<br />
Basis der Erkenntnisse aus den Untersuchungen<br />
haben wir beispielsweise die Darstellung visueller<br />
Informationen verbessert. Denn wir haben erkannt:<br />
Die Art und Weise, wie Informationen für die Lotsen<br />
dargestellt werden, leistet einen wichtigen Beitrag<br />
zur Sicherheit. Unser Ziel ist es also, die Technik an<br />
den Menschen anzupassen und nicht umgekehrt.<br />
Die Auswertung der Sicherheitskennzahlen zeigt:<br />
Die DFS hat vieles richtig gemacht. Auf den Lorbeeren<br />
ausruhen werden wir uns allerdings nicht.<br />
Nur nach innen alles Erforderliche für die Sicherheit<br />
zu tun reicht nicht. Auch nach außen machen<br />
wir uns mit Nachdruck für Sicherheit stark. Bei der<br />
Sicherheit machen wir keine Kompromisse. Sie ist<br />
Prof. Klaus-Dieter Scheurle<br />
Vorsitzender der<br />
DFS-Geschäftsführung<br />
2 transmission 2 – <strong>2013</strong>
Inhalt<br />
Sicherheit in der DFS<br />
4 Alles dreht sich um die Sicherheit<br />
6 Mit Sicherheit<br />
10 Mehr als nur ein Job<br />
Alles dreht sich um die<br />
Sicherheit<br />
S. 4<br />
Luftfahrt<br />
12 Die Hot Spots aufmerk sam im Blick<br />
14 52.000 Jahre in Sicherheit<br />
Faktor Mensch<br />
16 Das Positive stärken<br />
18 Damit Vorfälle kein Trauma werden<br />
19 Benutzerfreundlich ist sicherer<br />
Training für den Notfall<br />
S. 20<br />
Safety<br />
20 Training für den Notfall<br />
23 Aus Fehlern lernen mit Just Culture<br />
24 Sicherheit hat Methode<br />
26 Woher der Wind weht<br />
28 Zahlen für mehr Sicherheit<br />
Security<br />
30 Keine Chance für Risiken<br />
Partner & Kunden<br />
32 Über die Grenzen<br />
Woher der Wind weht<br />
S. 26<br />
DFS intern<br />
34 DFS-Nachrichten<br />
transmission 2 – <strong>2013</strong> 3
Sicherheit in der DFS<br />
Alles dreht sich um<br />
die Sicherheit<br />
Sicherheit in der Luftfahrt ist nicht selbstverständlich. Die DFS tut jeden Tag aufs Neue<br />
alles dafür, das sehr hohe Sicherheitsniveau zu halten.<br />
4 transmission 2 – <strong>2013</strong>
Als am 11. Mai 2009 das<br />
Spaceshuttle Atlantis abhebt,<br />
um für dringende Reparaturund<br />
Wartungsarbeiten zum Weltraumteleskop<br />
Hubble zu fliegen, ist das ein<br />
gewagtes Abenteuer. Die Risikoanalyse<br />
der NASA hat ergeben, dass die<br />
Wahrscheinlichkeit eines Totalverlusts<br />
der Weltraumfähre bei 1 zu 185 liegt.<br />
Weil die US-Raumfahrtbehörde ein<br />
höheres Risiko als 1 zu 200 verbietet,<br />
kann Atlantis mir ihrer siebenköpfigen<br />
Crew nur mit einer Sondergenehmigung<br />
des US-Kongresses starten. Die<br />
Politiker nehmen das hohe Risiko in<br />
Kauf, weil es eine Mission im Dienste<br />
der Wissenschaften ist. Astrophysiker,<br />
darunter auch Atlantis-Crewmitglied<br />
John Grunsfeld, hatten jahrelang darauf<br />
gedrängt, Hubble endlich zu reparieren.<br />
Würde die Zivilluftfahrt Risiken wie<br />
die NASA mit ihrem Spaceshuttle-<br />
Programm in Kauf nehmen, gäbe es<br />
wöchentlich schwere Unfälle. Tatsächlich<br />
liegt das Unfallrisiko von Verkehrsflugzeugen<br />
in der westlichen Welt bei<br />
eins zu zehn Millionen – und zwar in<br />
der Summe aller Risiken. Um das hohe<br />
Sicherheitsniveau zu halten, müssen<br />
die voneinander unabhängigen Einzelrisiken,<br />
beispielsweise Kollisionen am<br />
Boden oder in der Luft oder die Vereisung<br />
von Tragflächen und ein damit<br />
verbundener Strömungsabriss, deutlich<br />
unter eins zu zehn Millionen liegen.<br />
Absolute Sicherheit gibt es nicht,<br />
weder in der Luftfahrt noch in anderen<br />
Bereichen des Lebens. Beim<br />
Thema Sicherheit geht es also immer<br />
um Wahrscheinlichkeiten, um Statistik.<br />
Selbst bei einem Risiko von eins<br />
zu zehn Millionen ist ein Unfall nicht<br />
auszuschließen, aber er ist eben auch<br />
nicht sehr wahrscheinlich. Doch da die<br />
Verkehrszahlen weiter steigen, steht<br />
die Luftfahrtbranche vor der besonderen<br />
Herausforderung, die Sicherheit<br />
sogar noch weiter zu erhöhen: Nur so<br />
werden schwere Unfälle seltene Ereignisse<br />
bleiben.<br />
Erreicht wird dieses sehr hohe<br />
Sicherheitsniveau dadurch, dass alle<br />
Risiken analysiert und bewertet werden<br />
und sich alle Beteiligten an Normen<br />
und Regeln halten – und zwar<br />
immer, ohne Ausnahme. Denn jede<br />
noch so geringe Abweichung von einer<br />
vermeintlich übertrieben vorsichtigen<br />
Regel kann das Risiko deutlich erhöhen.<br />
Plötzlich liegt es dann nicht mehr<br />
bei eins zu zehn Millionen, sondern bei<br />
vielleicht eins zu 100.000 – und ist<br />
damit nicht mehr akzeptabel.<br />
Die <strong>Flugsicherung</strong> und allen voran<br />
die Fluglotsen spielen für die Sicherheit<br />
in der Luftfahrt eine entscheidende<br />
Rolle. Die Air Traffic Controller<br />
sind dafür verantwortlich, dass sich<br />
die Flugzeuge in der Luft sowie auf<br />
den Rollwegen und den Pisten der<br />
Flughäfen nicht zu nahe kommen. Die<br />
Fluglotsen sind aber auch wichtige<br />
Partner der Flugzeugführer in besonderen<br />
Situationen, etwa wenn nach<br />
Ausweichflugplätzen gesucht wird<br />
oder wenn Gewitter umflogen werden.<br />
Wie weit Flugzeuge voneinander<br />
Abstand halten müssen, ist genau<br />
geregelt, je nachdem in welcher Flugphase<br />
sie sich befinden und welche<br />
Bedingungen herrschen. Im Endanflug<br />
auf den Flughafen Frankfurt beispielsweise<br />
beträgt die horizontale Staffelung<br />
bei guter Sicht zweieinhalb nautische<br />
Meilen. Im Reiseflug liegt die<br />
vertikale Staffelung bei mindestens<br />
1.000 Fuß, die horizontale Staffelung<br />
in der Regel bei fünf nautischen Meilen.<br />
Das Einhalten der korrekten Staffelung<br />
in der Luft sowie die Vermeidung<br />
von Annäherungen oder gar<br />
Kollisionen am Boden, so genannten<br />
Runway Incursions, ist die Messlatte<br />
für Sicherheit in der <strong>Flugsicherung</strong>.<br />
Wird der vorgeschriebene Mindestabstand<br />
nicht eingehalten, spricht man<br />
von einer Staffelungsunterschreitung.<br />
Jede einzelne Staffelungsunterschreitung<br />
und jede Runway Incursion analysiert<br />
und bewertet das Sicherheitsmanagement<br />
der DFS – unabhängig<br />
davon, ob die Sicherheit tatsächlich<br />
gefährdet war oder nicht.<br />
Neben der internen Messgröße<br />
Staffelungsunterschreitung spielen so<br />
genannte Luftfahrzeugannäherungen<br />
für die Bewertung der Sicherheit eine<br />
wichtige Rolle. Melden Piloten oder<br />
Fluglotsen einen sicherheitsrelevanten<br />
Vorfall, tritt die Aircraft Proximity<br />
Evaluation Group (APEG) in Aktion:<br />
Eine unabhängige Expertengruppe,<br />
die dem Bundesaufsichtsamt für <strong>Flugsicherung</strong><br />
untersteht. Sie untersucht<br />
und bewertet diese Luftfahrzeugannäherungen.<br />
Das Erfreuliche für die DFS: Die<br />
Zahl der gefährlichen Annäherungen<br />
in der Luft sowie die der signifikanten<br />
Staffelungsunterschreitungen sind seit<br />
einigen Jahren konstant niedrig. Auch<br />
Runway Incursions kommen relativ selten<br />
vor.<br />
Ausruhen auf diesen Erfolgen wird<br />
sich die DFS nicht. Ein Risiko von eins<br />
zu zehn Millionen – damit lässt es sich<br />
in der Luftfahrt zwar zurzeit gut leben.<br />
Doch Ziel ist es, Unfälle künftig noch<br />
unwahrscheinlicher zu machen. Ein<br />
statistisches Risiko wie es die NASA<br />
in Kauf nimmt ist jedenfalls undenkbar.<br />
Doch auch in der Raumfahrt gehen die<br />
meisten Flüge gut aus: Die Raumfähre<br />
Atlantis und ihre Crew kehrte am 24.<br />
Mai 2009 wohlbehalten auf die Erde<br />
zurück.<br />
Sandra Ciupka<br />
transmission 2 – <strong>2013</strong> 5
Sicherheit in der DFS<br />
Mit Sicherheit<br />
Der deutsche Luftraum ist sicher. Piloten und Fluglotsen sind gut ausgebildet, technische Systeme<br />
immer mehrfach abgesichert, die Flugverfahren gründlich geprüft. Doch Sicherheit ist keine Selbstverständlichkeit.<br />
Deshalb tut die DFS alles dafür, das hohe Sicherheitsniveau zu erhalten. Dazu<br />
genügt es nicht, einzelne Vorfälle zu analysieren: Das Unternehmenssicherheitsmanagement muss<br />
das gesamte System betrachten und verstehen.<br />
6 transmission 2 – <strong>2013</strong>
Der 14. September 1993 ist<br />
kein guter Tag für die Luftfahrt.<br />
Ein Airbus A320 aus<br />
Frankfurt befindet sich im Landeanflug<br />
auf den Flughafen Warschau. Trotz<br />
starken Rückenwinds und Regen verläuft<br />
zunächst alles planmäßig – bis<br />
die beiden Piloten das Flugzeug auf<br />
der 2.800 Meter langen Piste aufsetzen<br />
und bemerken, dass sie nicht<br />
bremsen können: Die Radbremsen<br />
greifen auf der nassen Landebahn<br />
nicht, Störklappen und Schubumkehr<br />
lassen sich nicht aktivieren. Mit mehr<br />
als 100 Stundenkilometern schlittert<br />
das Flugzeug in einen Erdwall am Ende<br />
der Piste und fängt Feuer. Der Flugkapitän<br />
und ein Passagier sterben, die<br />
übrigen 68 Menschen an Bord werden<br />
zum Teil schwer verletzt.<br />
Unfälle in der Luftfahrt sind eine<br />
absolute Seltenheit. Kommt es aber<br />
doch einmal zu einem Flugzeugunfall,<br />
sind die Folgen umso schwerwiegender.<br />
Deshalb tun Airlines, Flugzeughersteller,<br />
Flughafenbetreiber und <strong>Flugsicherung</strong>sorganisationen<br />
alles dafür,<br />
das zu verhindern. „Unsere Aufgabe<br />
ist, dafür zu sorgen, dass unser Service<br />
sicher ist“, sagt Hans-Jürgen Morscheck,<br />
der in der DFS den Bereich<br />
Unternehmenssicherheitsmanagement<br />
leitet. Die Abteilung wurde 1997<br />
gegründet, um alle Sicherheitsaktivitäten<br />
in der DFS zu bündeln; 1998<br />
wurde das Thema Security integriert.<br />
Die Safety-Zahlen der DFS sprechen<br />
für sich: Trotz steigenden Verkehrs<br />
konnte die Sicherheit immer weiter<br />
verbessert werden. Das zeigt allein<br />
ein Blick auf die Entwicklung der Luftfahrzeugannäherungen<br />
im deutschen<br />
Luftraum – das sind Vorfälle, die von<br />
Piloten oder Fluglotsen als sicherheitsrelevant<br />
gemeldet und von einer unabhängigen<br />
Expertengruppe untersucht<br />
sowie klassifiziert werden. 1975 lag<br />
die Zahl der Luftfahrzeugannäherungen<br />
in den beiden höchsten Kategorien<br />
noch bei 210. Zehn Jahre später<br />
waren es 48, 1995 wurden schließlich<br />
nur noch 23 Vorfälle gezählt. Seit<br />
2003 bewegt sich die Zahl der Luftfahrzeugannäherungen<br />
im einstelligen<br />
Bereich – dabei hat sich der Flugverkehr<br />
in den vergangenen drei Jahrzehnten<br />
vervierfacht.<br />
Eine gute Statistik ist aber nicht<br />
alles. „Erfolg in der Vergangenheit ist<br />
keine Garantie für Sicherheit in der<br />
Zukunft“, sagt Heino Küster, zuständig<br />
für den Bereich „Sicherheitsgrundsätze<br />
& Ereignismanagement“. „Läuft<br />
zu lange alles gut, besteht die Gefahr,<br />
zu glauben, alle Sicherheitslücken<br />
seien geschlossen.“ Doch das ist ein<br />
Irrtum. Auch wenn man noch so viele<br />
Schutzmechanismen einrichtet, sind<br />
sicherheitsrelevante Ereignisse niemals<br />
ganz auszuschließen.<br />
Das Gesamtsystem Luftfahrt ist<br />
sehr komplex und besteht aus vielen<br />
miteinander verbundenen Untersystemen.<br />
So kommunizieren Fluglotsen<br />
mit Piloten, beide Seiten nutzen technische<br />
Systeme und arbeiten in Organisationen<br />
mit einer eigenen Sicherheitskultur.<br />
Obwohl die Anfälligkeit für<br />
ungewollte Ereignisse hoch ist, ist das<br />
System insgesamt sehr sicher: Die<br />
Widerstandsfähigkeit des Gesamtsystems<br />
verhindert in fast allen Fällen,<br />
dass es zu einer Verkettung von Fehlern<br />
kommen kann. Dazu trägt auch<br />
die Redundanz des Systems bei; alle<br />
wichtigen Funktionen sind immer mindestens<br />
doppelt abgesichert. Ein Ausfall<br />
von Sprechfunk oder Radar, eines<br />
Cockpit-Instruments oder sogar eines<br />
Triebwerks hat in der Regel keine<br />
sicherheitsrelevanten Folgen.<br />
Die Bruchlandung von Warschau<br />
ist ein gutes Beispiel für so eine Fehlerkette.<br />
Die Untersuchungskommission<br />
listet mehrere Faktoren auf, die<br />
zu dem Unfall beigetragen haben.<br />
Erstens das Wetter: Bei der Landung<br />
herrschte Regen und starker<br />
Rückenwind, zusätzlich kamen von<br />
der Seite heftige Windböen. Zweitens<br />
die <strong>Flugsicherung</strong>: Die Wetterdaten<br />
im Tower waren mangelhaft, die Lotsen<br />
informierten die Piloten nur unzureichend.<br />
Drittens die Piloten: Sie<br />
bemerkten nicht, dass der Rückenwind<br />
die zulässige Grenze überschritten<br />
hatte, und setzten weit hinten auf<br />
der Piste auf, obwohl ein Durchstarten<br />
noch möglich gewesen wäre. Viertens<br />
das Flugzeug: Bei dem von den<br />
Piloten gewählten Verfahren ließ sich<br />
der A320 erst bremsen, nachdem er<br />
Bodenkontakt hatte. Dazu mussten<br />
sich die Räder des Hauptfahrwerkes<br />
mit einer bestimmten Geschwindigkeit<br />
drehen und zudem auf dem Fahrwerk<br />
ein gleichmäßig hoher Druck lasten.<br />
Beides war zunächst nicht der Fall:<br />
Erst setzte das Flugzeug schräg auf,<br />
dann kam es auf der nassen Piste zu<br />
Aquaplaning. Da die Räder sich nicht<br />
schnell genug drehten, ging der Bordcomputer<br />
davon aus, dass sich das<br />
Flugzeug noch in der Luft befand. Als<br />
die Systeme endlich eine Vollbremsung<br />
zuließen, war es zu spät: Der<br />
Airbus schoss über die Bahn hinaus.<br />
Kein guter Tag für die Luftfahrt –<br />
aber stimmt das auch? Der 14. September<br />
1993 mit zwei Toten und vielen<br />
Verletzen hat, so widersprüchlich<br />
das klingen mag, möglicherweise<br />
einer viel größeren Zahl von Menschen<br />
das Leben gerettet. Denn aus<br />
dem Vorfall wurden Konsequenzen<br />
gezogen. Unter anderem wurde die<br />
Software der Airbus-A320-Familie<br />
überarbeitet: Der Aufsetzdruck des<br />
Fahrwerks wurde gesenkt, Störklappen<br />
und Schubumkehr sind nicht mehr<br />
an die Drehung der Räder gekoppelt.<br />
Ein Unfall wie in Warschau kann sich<br />
deshalb so nicht mehr ereignen. Das<br />
ist einer der Hauptgründe dafür, dass<br />
transmission 2 – <strong>2013</strong> 7
Sicherheit in der DFS<br />
Fliegen so sicher ist: Weil man aus<br />
Fehlern lernt und so verhindert, dass<br />
sich diese Fehler wiederholen.<br />
Zum hohen Sicherheitsniveau tragen<br />
zwei weitere Faktoren bei. Zum<br />
einen externe Vorgaben für alle Beteiligten.<br />
Allein für die DFS gibt es unzählige<br />
internationale wie nationale Anforderungen,<br />
die sie intern umsetzen<br />
muss. So ist die DFS beispielsweise<br />
seit 20<strong>02</strong> dazu verpflichtet, den Reifegrad<br />
ihres Safety-Management-Systems<br />
zu messen und vom Bundesaufsichtsamt<br />
für <strong>Flugsicherung</strong> prüfen<br />
zu lassen. „Mit einem Reifegrad von<br />
nahezu 90 Prozent stehen wir in<br />
Europa und weltweit im Spitzenfeld<br />
der <strong>Flugsicherung</strong>en gut da“, sagt Küster.<br />
„In Zusammenarbeit mit unseren<br />
Partnern und der nationalen Aufsichtsbehörde<br />
überlegen wir außerdem, wie<br />
man die bestehenden Regularien verbessern<br />
kann.“ Und hier kommt der<br />
zweite, wichtigere Faktor ins Spiel:<br />
Wirkliche Sicherheit gibt es nur dann,<br />
wenn man sie aus eigenem Antrieb<br />
erreichen will. „Viele glauben, Safety<br />
sei die Abwesenheit eines Ereignisses“,<br />
sagt Markus Fiekert, der für den<br />
Bereich „Safety & Security Assurance“<br />
verantwortlich ist. Dann könnte sich<br />
die DFS auf ihren guten Safety-Zahlen<br />
nun ausruhen – doch so einfach ist es<br />
leider nicht. „Sicherheit ist eine Fähigkeit,<br />
die man täglich trainieren muss.“<br />
Ein entscheidender Baustein des<br />
Safety-Trainingsprogramms ist das<br />
Meldewesen der DFS: Die operativen<br />
Mitarbeiter sind aufgefordert, alle<br />
möglicherweise sicherheitsrelevanten<br />
Ereignisse umgehend zu melden. Zum<br />
Beispiel, wenn ein Fluglotse zwei Flugzeuge<br />
unter seiner Kontrolle nicht ausreichend<br />
staffelt und der vorgeschriebene<br />
Mindestabstand unterschritten<br />
wird. Oder wenn sich am Flughafen in<br />
einem Bereich, den der Lotse für die<br />
Landung eines Luftfahrzeugs freigegeben<br />
hat, ein Fahrzeug oder eine Person<br />
befindet. „Diese Meldungen sind<br />
unendlich wichtig“, sagt Morscheck –<br />
auch dann, wenn der Lotse alles unter<br />
Kontrolle hatte und nie ein Sicherheitsrisiko<br />
bestand. Denn nur so lassen<br />
sich Schwachstellen schon im Ansatz<br />
erkennen und Fehler verhindern, bevor<br />
sie ernsthafte Folgen haben können.<br />
205 Unterschreitungen der Sicherheitsabstände<br />
haben die Lotsen der<br />
DFS 2012 gemeldet, 146 davon mit<br />
auslösendem oder beitragendem Faktor<br />
der <strong>Flugsicherung</strong>. Jedes einzelne<br />
Ereignis wird von einem örtlichen Vorfalluntersucher<br />
dokumentiert sowie<br />
später vom Sicherheitsmanagement<br />
der DFS übergreifend analysiert.<br />
Dabei werden die Vorfälle mit <strong>Flugsicherung</strong>sbeitrag<br />
unter anderem<br />
hinsichtlich ihrer Bedeutung klassifiziert.<br />
Die Mehrzahl fällt in die Kategorie<br />
„nicht signifikant“: Die Abweichung<br />
ist nur gering, die <strong>Flugsicherung</strong> hat<br />
den Konflikt frühzeitig erkannt und zu<br />
seiner Lösung beigetragen. Als „signifikant“<br />
wurden 2012 nur 30 Fälle eingestuft,<br />
als „sehr signifikant“ kein einziger<br />
Fall. Hinzu kommen 78 Fälle, in<br />
denen am Flughafen ein für Start und<br />
Landung freigegebener Schutzbereich<br />
verletzt wurde. Auch hier ist der Anteil<br />
der DFS gering: Nur bei 2,5 Prozent<br />
der Fälle war die <strong>Flugsicherung</strong> der<br />
auslösende Faktor.<br />
Bei der Analyse von Staffelungsunterschreitungen<br />
und Runway Incursions<br />
geht es nicht in erster Linie<br />
darum, wer zu dem Vorfall beigetragen<br />
hat. Ziel ist es, zu erkennen, wie<br />
es überhaupt dazu kommen konnte.<br />
Warum hat der Lotse das Flugzeug<br />
auf seinem Monitor so spät gesehen?<br />
Wieso hat der Pilot die Anweisungen<br />
des Lotsen nicht befolgt? Statt aufzulisten,<br />
wer was hätte anders machen<br />
müssen, wird das Geschehen aus der<br />
Perspektive der Beteiligten betrachtet.<br />
Nur so lässt sich verstehen,<br />
warum das, was man im Nachhinein<br />
als Fehler bezeichnet, aus ihrer Perspektive<br />
in dem Moment vollkommen<br />
richtig war.<br />
Am Ende jeder Untersuchung stehen<br />
konkrete Safety-Empfehlungen,<br />
die in einer Datenbank gespeichert<br />
werden. „Wir verfolgen dann, dass<br />
diese Maßnahmen auch umgesetzt<br />
werden“, sagt Morscheck. Ausgewählte<br />
Ereignisse finden zusätzlich<br />
den Weg in DFS-interne Publikationen<br />
und Trainingsmaßnahmen. „Damit wollen<br />
wir die Mitarbeiter für das Thema<br />
Safety sensibilisieren und das, was<br />
man aus einem Ereignis lernen kann,<br />
an möglichst viele Mitarbeiter weitergeben.“<br />
Auch sonst begegnet das<br />
Thema Sicherheit DFS-Mitarbeitern<br />
auf allen Ebenen immer wieder. Es<br />
gehört zum Einführungskurs für DFS-<br />
Einsteiger ebenso dazu wie zur Lotsenausbildung,<br />
zur Schulung von Projektleitern<br />
und Ausbildern sowie zur<br />
Qualifikation von Führungskräften.<br />
„Voraussetzung für ein funktionierendes<br />
Meldewesen ist eine Unternehmenskultur,<br />
die mit Fehlern offen<br />
umgeht“, sagt Morscheck. Innerhalb<br />
der DFS gilt deshalb ein Ansatz, der<br />
sich „Just Culture“ nennt: Kein Mitarbeiter<br />
muss negative Folgen fürchten,<br />
wenn er etwa eine Staffelungsunterschreitung<br />
meldet. Das heißt aber<br />
nicht, dass Lotsen oder Techniker<br />
nicht bestraft werden können: Handeln<br />
sie mit Vorsatz oder grob fahrlässig,<br />
müssen sie mit Konsequenzen<br />
rechnen – nicht nur durch die Justiz,<br />
sondern auch im Unternehmen.<br />
„Problematisch“ für das Sicherheitsmanagement<br />
der DFS ist allerdings,<br />
dass das Unternehmen ein so<br />
hohes Sicherheitsniveau erreicht hat.<br />
„Nur 0,001 Prozent der Flüge sind auffällig“,<br />
sagt Fiekert. „Das sind eigent-<br />
8 transmission 2 – <strong>2013</strong>
lich zu wenige Ereignisse, um daraus<br />
ausreichend Rückschlüsse ziehen zu<br />
können.“ Deshalb konzentriert man<br />
sich nun verstärkt auf die Suche nach<br />
ersten schwachen Anzeichen, sogenannten<br />
„Weak Signals“. „Wir müssen<br />
verstärkt dazu übergehen, auch<br />
die Dinge zu untersuchen, die funktionieren“,<br />
erläutert Jörg Leonhardt, der<br />
im Unternehmenssicherheitsmanagement<br />
für den Bereich „Human Factors<br />
& Safety Promotion“ zuständig<br />
ist, den neuen Ansatz. Das bedeutet:<br />
vorausschauend analysieren und überlegen,<br />
was passieren könnte – selbst<br />
wenn noch längst nichts passiert ist.<br />
Die Suche nach Fehlerursachen<br />
endete früher meist an einem Punkt:<br />
beim Menschen. Man ging davon<br />
aus, dass technische Systeme per<br />
se sicher sind. Waren sie es nicht,<br />
musste es sich entweder um technisches<br />
oder – weitaus häufiger –<br />
um menschliches Versagen handeln.<br />
Diese Sichtweise ist mittlerweile<br />
überholt. „Man kann Menschen nicht<br />
so verbessern, dass sie keine Fehler<br />
mehr machen“, sagt Leonhardt.<br />
Viel effektiver ist es dagegen, ihre<br />
Umgebung so anzupassen, dass die<br />
Zahl der Fehler reduziert wird, und ihr<br />
Arbeitsumfeld so zu gestalten, dass<br />
etwaige Fehler keine schwerwiegenden<br />
Auswirkungen haben können.<br />
In diesem Zusammenhang spielt<br />
die Ergonomie des Arbeitsplatzes<br />
eine große Rolle. Wie viele Informationen<br />
kann ein Lotse überblicken? Wie<br />
müssen die Systeme angeordnet sein,<br />
damit er sie optimal bedienen kann?<br />
Wie muss die Eingabemaske gestaltet<br />
sein? Wertvolle Erkenntnisse hat<br />
die von der europäischen <strong>Flugsicherung</strong>sbehörde<br />
Eurocontrol entwickelte<br />
Untersuchung „Human Error in<br />
Air Traffic Management“, kurz HERA,<br />
gebracht. „Aus HERA wissen wir, dass<br />
viele Fehler mit dem visuellen Informationskanal<br />
verbunden sind“, sagt Leonhardt.<br />
Damit der Anwender nicht mit<br />
Informationen überladen wird, begleitet<br />
das Unternehmenssicherheitsmanagement<br />
die ergonomische Gestaltung<br />
aller neuen Systeme. Gemeinsam<br />
mit Arbeitswissenschaftlern wird dafür<br />
gesorgt, dass die Fluglotsen sicher<br />
und effizient arbeiten können.<br />
Bei neuen Verfahren und Systemen<br />
geht es aber nicht nur um die Ergonomie.<br />
Gleichgültig, ob es um die Einführung<br />
eines neuen <strong>Flugsicherung</strong>ssystems,<br />
um eine neue Flugroute oder um<br />
die Frage geht, welche Systeme bei<br />
einem Ausfall der Funkkommunikation<br />
zur Verfügung stehen sollen: Bei jeder<br />
Neuerung, aber auch bei jeder Änderung<br />
wird gründlich untersucht, welche<br />
Auswirkungen das für die Sicherheit<br />
hat – es wird eine so genannte<br />
Sicherheitsbewertung vorgenommen.<br />
„Ziel ist es, mögliche Risiken zu identifizieren,<br />
die Eintrittswahrscheinlichkeit<br />
und das Ausmaß der Bedrohungen<br />
zu berechnen und zu überlegen,<br />
durch welche Maßnahmen das Risiko<br />
reduziert werden kann“, sagt Dr. Franz<br />
Input<br />
Safety Policy<br />
How do we<br />
do safety<br />
business?<br />
ATC<br />
Kern, der für den Bereich „Sicherheitsbewertungen“<br />
verantwortlich ist.<br />
Die Entscheidung, welche Schlüsse<br />
aus der Sicherheitsbewertung gezogen<br />
werden, liegt nicht beim Unternehmenssicherheitsmanagement.<br />
„Die Abwägung zwischen Kosten, Nutzen<br />
und Risiken ist den Verantwortlichen<br />
im Management vorbehalten –<br />
und bei diesen Entscheidungen steht<br />
Sicherheit immer im Vordergrund“,<br />
sagt Dr. Kern. Für ein weiteres Plus an<br />
Sicherheit sorgen regelmäßige Safety-<br />
Audits, die die DFS in Kooperation mit<br />
den <strong>Flugsicherung</strong>sorganisationen<br />
Frankreichs und der Schweiz durchführt.<br />
Ziel ist es, jeden DFS-Standort<br />
mindestens einmal in drei Jahren unter<br />
die Lupe zu nehmen. Dabei geht es<br />
unter anderem darum, mit Hilfe des<br />
Blicks von außen Maßnahmen zur<br />
Erhöhung der Sicherheit abzuleiten.<br />
„<strong>Flugsicherung</strong> lebt von der Sicherheit“,<br />
sagt Morscheck. „Deshalb müssen<br />
wir alles tun, um unser System<br />
immer weiter zu verbessern.“<br />
Safety Risk<br />
Assessement<br />
Process<br />
What if?<br />
Safety<br />
Occurrences<br />
Management<br />
Why?<br />
Result<br />
Christopher Belz<br />
Safety<br />
Performance<br />
Management<br />
What?<br />
transmission 2 – <strong>2013</strong> 9
Sicherheit in der DFS<br />
Mehr als nur ein Job<br />
An den Niederlassungen der DFS kümmern sich regionale Safety-Manager um das Thema Sicherheit.<br />
Es sind Kollegen, die selbst Fluglotsen sind oder waren. transmission hat bei sechs von ihnen<br />
nachgefragt, welche Bedeutung Sicherheit für sie persönlich hat. Und so unterschiedlich die Antworten<br />
auch sind: Für die Safety-Manager der DFS ist ihre Aufgabe mehr als nur ein Job – sie ist<br />
eine Herzensangelegenheit.<br />
Christiane Heuerding,<br />
Safety-Managerin Center<br />
Bremen:<br />
Thomas Jäkel,<br />
Safety-Manager<br />
Center Karlsruhe:<br />
Sebastian Däunert,<br />
Safety-Manager<br />
Tower Frankfurt:<br />
„Sicherheit bedeutet für mich nicht<br />
nur die Abwesenheit signifikanter<br />
Vorfälle. Sicherheit ist vielmehr das,<br />
was durch die Mitarbeiter tagtäglich<br />
geschaffen wird. Unsere Aufgabe im<br />
Safety-Management ist es, das Positive<br />
in unserem dynamischen Umfeld<br />
zu unterstützen und zu fördern. Dazu<br />
gehören für mich vor allem eine offene<br />
Sicherheits- und Meldekultur, für die<br />
ich mich einsetze. Mit der Einbeziehung<br />
aktueller Erkenntnisse aus<br />
dem Human-Factors-Bereich haben<br />
wir noch spannende Jahre vor uns,<br />
um das Safety-Management der DFS<br />
weiter zu stärken. Auf einem hohen<br />
Sicherheitsstandard darf man sich<br />
nicht ausruhen.“<br />
„Safety bedeutet für mich ganz simpel,<br />
dass jedes Luftfahrzeug unseren<br />
Luftraum sicher durchfliegen kann.<br />
Dabei muss Sicherheit immer aktiv<br />
gestaltet werden. Untersuchung von<br />
Vorfällen, um daraus zu lernen, ist die<br />
eine Sache. Darüber hinaus denke ich,<br />
dass ein aktives Safety-Management<br />
nicht wartet, bis etwas passiert, sondern<br />
offen ist für Trends und Signale<br />
und diese in Verbindung mit Sicherheit<br />
bringt, um entsprechend früh agieren<br />
zu können.“<br />
„Safety bedeutet für mich, dass sie<br />
von allen gemeinsam gelebt wird.“<br />
10 transmission 2 – <strong>2013</strong>
Holger Schräpel, Safety-Manager<br />
Tower Leipzig, Dresden, Saarbrücken und Erfurt:<br />
„Safety betrachten wir im Tower-Cluster Leipzig, Dresden, Saarbrücken und<br />
Erfurt nicht als ein starres Netz von Regeln und Vorschriften. Im Austausch mit<br />
den Kollegen an den Towern vor Ort ist es für uns von großer Wichtigkeit, das<br />
Safety-Netz fortwährend auf eventuelle Abweichungen zu überprüfen und wenn<br />
notwendig schon frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um diese zu beseitigen.<br />
Im Ergebnis der Untersuchung von Vorfällen führen wir clusterweit „Lessons<br />
Learnt“-Briefings durch, um alle Kollegen im Cluster zu sensibilisieren und ihnen<br />
die Möglichkeit zu geben, aus den Vorkommnissen zu lernen. Denn gerade auf<br />
Basis praktischer Beispiele aus dem direkten Arbeitsumfeld können wir das<br />
Thema Safety für unsere Kollegen greifbar machen.“<br />
Marc Kroener,<br />
Safety-Manager<br />
Center München:<br />
werden. Safety geht uns alle an, es ist<br />
unser oberstes Unternehmensziel, da<br />
darf es keine Kompromisse geben.“<br />
Lothar Meissner,<br />
Safety-Manager<br />
Center Langen:<br />
Fluglotsinnen und Fluglotsen ermöglichen,<br />
ihre hochkonzentrierte Arbeit<br />
störungsfrei zu erledigen. Das Augenmerk<br />
liegt auf der Identifizierung von<br />
Risiken aus dem laufenden Betrieb.<br />
Wir müssen möglichst frühzeitig erkennen,<br />
wenn das Sicherheitsnetz Schwächen<br />
aufweist („Drift into Failure“) und<br />
dann Maßnahmen entwickeln und kommunizieren,<br />
die dem entgegenwirken.<br />
Eine hohe Bedeutung hat für mich<br />
dabei eine Unabhängigkeit des Safety-<br />
Managements und die wirkliche Priorität<br />
und hohe Wertschätzung des<br />
Themas.“<br />
„Safety bedeutet für mich, das<br />
Thema als Gesamtaufgabe anzusehen.<br />
Menschlicher Irrtum entsteht<br />
immer im Kontext von komplexen Situationen<br />
und ist daher nicht als Ursache,<br />
sondern als Symptom zu verstehen.<br />
Wir sollten mögliche Gefahren<br />
aktiv erkennen und frühzeitig vorbeugen.<br />
Für mich wesentlich ist ein offener<br />
und vertrauensvoller Umgang mit<br />
allen Themen, um aus Arbeitsfehlern<br />
lernen zu können, ohne bestraft zu<br />
„Sicherheit bedeutet für mich,<br />
unfallfreies Fliegen kontrolliert zu<br />
ermöglichen. Die DFS sollte keinen<br />
Beitrag zu einer Risikoerhöhung insgesamt<br />
entrichten. Safety-Management<br />
bedeutet für mich die aktive Beratung<br />
zur positiven Gestaltung aller Arbeitsund<br />
Rahmenbedingungen, die es den<br />
transmission 2 – <strong>2013</strong> 11
Luftfahrt<br />
Die Hot Spots<br />
aufmerksam<br />
im Blick<br />
Vorbeugend agieren und aus Fehlern lernen: DFS-Spezialisten<br />
untersuchen und analysieren jeden Vorfall im Luftverkehr und<br />
an den Flughäfen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse helfen,<br />
mögliche Risiken bereits präventiv zu minimieren.<br />
Auf der Ferieninsel Gran Canaria<br />
glaubte man an einen<br />
Ausbruch des Vulkans Pico<br />
del Teide auf dem 70 Kilometer entfernten<br />
Teneriffa: Über der Nachbarinsel<br />
stand am 27. März 1977 eine kilometerhohe<br />
Qualmsäule. Die Ursache<br />
war jedoch kein Vulkan, sondern lag<br />
auf dem Flughafen Los Rodeos, wo an<br />
jenem Tag eine Boeing 747-200 der<br />
niederländischen KLM beim Startlauf<br />
in eine Boeing 747-100 der amerikanischen<br />
Fluggesellschaft PanAm gerast<br />
war. 538 Menschen starben bei dem<br />
bis heute schwersten Unglück der zivilen<br />
Luftfahrt. Es war eine Verkettung<br />
verschiedener Missverständnisse, die<br />
zur Katastrophe führte, eine eindeutige<br />
Ursache ließ sich im Nach hinein<br />
nicht feststellen. Keinen Zweifel aber<br />
gab es daran, dass eine missverständliche<br />
Phraseologie wesentlichen<br />
Anteil am Unfallhergang hatte: Sowohl<br />
die Piloten im KLM-Cockpit als auch<br />
der spanische Towerlotse hatten im<br />
Funkverkehr Formulierungen verwendet,<br />
die Raum für Fehlinterpretationen<br />
ließen. Besonders in die Kritik geriet<br />
hinterher der Satz „and we‘re now at<br />
take-off“ des niederländischen Co-<br />
Piloten, mit dem dieser die Streckenfreigabe<br />
des Towers quittiert hatte.<br />
Der Towerlotse, der wegen Nebels<br />
nichts von dem Geschehen auf der<br />
Bahn sehen konnte, verstand dies als<br />
Meldung, dass die KLM-Boeing ihre<br />
Position am Startbahnkopf erreicht<br />
hatte. Der Pilot, der die Streckenfreigabe<br />
irrtümlich als Startfreigabe interpretiert<br />
hatte, meinte allerdings: Wir<br />
beginnen jetzt mit dem Start.<br />
„Vor dem Teneriffa-Unglück gab<br />
es mehrere Sprachgruppen, in denen<br />
der Begriff ,take-off‘ verwendet werden<br />
konnte, zum Beispiel ,ready for<br />
take-off‘“, sagt Martin Rulffs. „Das gibt<br />
es heute definitiv nicht mehr. Nach<br />
Teneriffa wurden alle Sprechgruppen<br />
von dem Begriff ,take-off‘ gesäubert –<br />
mit Ausnahme der tatsächliche Startfreigabe.“<br />
Rulffs ist Fluglotse auf dem Tower<br />
in Frankfurt und arbeitet daneben im<br />
Operativen Sicherheitsmanagement<br />
des Geschäftsbereichs Tower, wo er<br />
Sprecher des Runway Safety Committees<br />
der DFS ist. Dessen Spezialisten<br />
beobachten und analysieren alle Entwicklungen,<br />
Trends und Vorfälle auf<br />
dem Gebiet Runway-Safety, zugleich<br />
koordinieren sie die Arbeit der lokalen<br />
Runway-Safety-Teams an den 16<br />
DFS-Flughäfen. Ziel ist es, ein permanent<br />
hohes Safety-Niveau zu gewährleisten,<br />
mögliche Sicherheitsrisiken<br />
bereits präventiv zu erkennen und<br />
durch geeignete Maßnahmen zu beseitigen,<br />
um die Safety-Strukturen stetig<br />
zu optimieren.<br />
Das gilt nicht nur für die <strong>Flugsicherung</strong>sseite<br />
und nicht allein für<br />
die Runway-Sicherheit. So wurde nach<br />
dem Unglück von Teneriffa neben der<br />
Einführung klar definierter und standardisierter<br />
Sprechgruppen im Funkverkehr<br />
auch eine deutlichere Trennung<br />
zwischen Streckenfreigabe<br />
(En-Route-Clearance) und Startfreigabe<br />
(Take-off-Clearance) festge-<br />
Sie vertreten das DFS-Runway-Safety-Committee intern und extern:<br />
Martin Rulffs (rechts) und sein Stellvertreter Torsten Przybyla.<br />
Foto: Sascha Rheker<br />
12 transmission 2 – <strong>2013</strong>
schrieben. Die niederländische Flugverkehrsgesellschaft<br />
KLM änderte<br />
nach Teneriffa ihre Dienstzeitvorschriften,<br />
um den Stress durch Zeitdruck<br />
zu reduzieren, zudem wurde die Hierarchie<br />
im Cockpit gelockert und eine<br />
einvernehmliche Entscheidungsfindung<br />
der Cockpit-Crew etabliert, die<br />
heute bei allen großen Airlines zum<br />
Trainingsstandard gehört.<br />
Zu Änderungen führen aber nicht<br />
nur Unglücksfälle. Die Safety-Spezialisten<br />
des GB Tower analysieren jedes<br />
Ereignis auf einem Airport, auch wenn<br />
es ohne Folgen geblieben und niemand<br />
zu Schaden gekommen ist. Dadurch<br />
gewinnen sie wichtige Erkenntnisse<br />
für die Verbesserung der Safety-<br />
Strukturen. Die lokalen Safety-Teams<br />
an den 16 DFS-Flughäfen, bestehend<br />
aus jeweils einem Vertreter der DFS,<br />
des Flughafenbetreibers, der örtlich<br />
ansässigen Fluggesellschaften sowie<br />
von Flugschulen oder der Luftfahrtbehörden<br />
erfassen deshalb jede Runway<br />
Incursion mit dem Runway Incursion<br />
Monitoring Program (RIMP) und<br />
melden diese weiter. Martin Rulffs und<br />
seine Kollegen können dann durch eine<br />
gründliche Auswertung jedes Vorfalls<br />
flughafenspezifische oder auch flughafenübergreifende<br />
Safety-Schwachstellen<br />
identifizieren und entsprechende<br />
Maßnahmen einleiten.<br />
Ein Beispiel für präventives Handeln<br />
sind die so genannten Hot-Spot-Maps.<br />
„Hot Spots sind Stellen an Flughäfen,<br />
welche die Entstehung von Runway<br />
Incursions oder anderen sicherheitsrelevanten<br />
Ereignissen begünstigen“,<br />
erklärt Rulffs. „Fällt den Local Runway<br />
Safetyteams oder uns bei den Analysen<br />
auf, dass es in bestimmten Bereichen<br />
des Airports wiederholt oder<br />
gehäuft zu Vorfällen oder Missverständnissen<br />
kommt, dann kennzeichnen<br />
wir diese Stellen grafisch als Hot<br />
Spots in der ICAO Aerodrome Chart<br />
Nicht nur die Follow-Me-, sondern alle<br />
F ahr zeuge, die auf der Runway verkehren,<br />
müssen Sprechfunk an Bord haben und<br />
die Flugfunk-Frequenz des Towers nutzen.<br />
des betreffenden Airports.“ Die Hot-<br />
Spot-Maps veröffentlicht die DFS im<br />
Luftfahrthandbuch AIP (Aeronautical<br />
Information Publication), das alle vier<br />
Wochen aktualisiert wird, sowie in<br />
allen Luftfahrtkarten.<br />
Auch das aktuelle Projekt des<br />
Tower-Sicherheitsmanagements zeigt,<br />
wie die Analyse eines Vorfalls Impulse<br />
für Neuerungen geliefert hat: Gegenwärtig<br />
werden alle DFS-Fahrzeuge, die<br />
auf der Start und Landebahn verkehren,<br />
mit dem VHF-Flugfunk eingerüstet.<br />
„Die DFS hat zirka 16 Fahrzeuge<br />
in ihrem Bestand, die für das Vermessen<br />
der ILS-Anlagen an den Flughäfen<br />
zuständig sind und dazu auch auf der<br />
Runway fahren müssen“, sagt Martin<br />
Rulffs. „Die Fahrer sollen künftig auf<br />
der Towerfrequenz funken.“ Auslöser<br />
dafür war ein Unfall am Flughafen<br />
Frankfurt/Main, der schon viele<br />
Jahre zurückliegt. Dabei war eine<br />
startende Boeing B747 mit einem auf<br />
der Bahn befindlichen Follow-Me-Fahrzeug<br />
zusammengestoßen, das gerade<br />
eine Pistenkontrolle durchführte. Der<br />
Lotse hatte das Fahrzeug vergessen<br />
und der B747 die Startfreigabe erteilt.<br />
Der Fahrer des Follow Me konnte sein<br />
Sprechfunkgerät nicht auf die Frequenz<br />
des Towers schalten und hatte<br />
deshalb die Startfreigabe für das Flugzeug<br />
nicht mitbekommen.<br />
Nachdem die Bundesstelle für<br />
Flugunfalluntersuchung ihre Untersuchung<br />
abgeschlossen hatte, empfahl<br />
sie, künftig alle Fahrzeuge mit<br />
Flugfunk auszurüsten. „Diese Empfehlung<br />
setzen wir jetzt konsequent um“,<br />
sagt Rulffs. Nicht nur die Follow-Me-<br />
Fahrzeuge des Flughafens, sondern<br />
alle, die auf einer Piste fahren, auf<br />
der Flugbetrieb stattfindet, sollen auf<br />
der Towerfrequenz kommunizieren –<br />
so dass alle Beteiligten hören können,<br />
was auf der Piste passiert. „Das ist ein<br />
aufwendiger Prozess, in den wir viel<br />
Arbeit investiert haben.“ So musste<br />
man mit der Bundesnetzagentur verhandeln,<br />
da die Vorschriften des Flugfunkdienstes<br />
eine Kommunikation zwischen<br />
Bodenfunkstellen untereinander<br />
nicht vorsahen. Für jedes Fahrzeug<br />
muss zudem eine Frequenzzuteilungsurkunde<br />
ausgestellt und entsprechende<br />
Geräte beschafft werden. Im<br />
Frühjahr 2014 soll das Projekt abgeschlossen<br />
sein. Das Thema Sicherheit<br />
jedoch wird bei Martin Rulffs und seinen<br />
Kollegen auch danach an erster<br />
Stelle stehen.<br />
Holger Matthies<br />
DFS-Runway-Safety-<br />
Commitee<br />
Gegründet am 23. Oktober 2007,<br />
koordiniert zentral die Arbeit der<br />
lokalen Runway-Safety-Teams;<br />
Elf Mitglieder aus den Bereichen<br />
TWR/M, VY und den Tower-Niederlassungen;<br />
Sprecher: Martin Rulffs;<br />
Stellvertreter: Torsten Przybyla<br />
transmission 2 – <strong>2013</strong> 13
Luftfahrt<br />
52.000 Jahre in<br />
Sicherheit<br />
Fliegen ist so sicher wie nie zuvor: Die Zahl der Flugzeugunfälle<br />
ist 2012 auf einen neuen Tiefstand gesunken. Allerdings kommt<br />
es auch auf die Region an. In Afrika passieren trotz des geringen<br />
Verkehrs überdurchschnittlich viele Unfälle. In Nordamerika und<br />
in der EU dagegen wird Sicherheit besonders groß geschrieben.<br />
Es ist paradox: Gut 40 Prozent<br />
der <strong>Deutsche</strong>n fühlen sich<br />
einer Forsa-Umfrage zufolge<br />
im Auto am sichersten – dabei ist dies<br />
das mit Abstand gefährlichste Verkehrsmittel:<br />
Rund 300.000 Verkehrsunfälle<br />
mit Personenschaden haben<br />
sich laut Statistischem Bundesamt<br />
im vergangenen Jahr auf deutschen<br />
Straßen ereignet, knapp 400.000<br />
Menschen wurden dabei verletzt<br />
oder getötet. Im Flugzeug dagegen<br />
fühlt sich nur jeder sechste Befragte<br />
sicher. Dabei ist dies, gemessen an<br />
der Beförderungsleistung, das mit<br />
Abstand sicherste Verkehrsmittel. „Je<br />
zurückgelegtem Personenkilometer ist<br />
das Risiko, im Auto tödlich zu verunglücken,<br />
16-mal höher als im Bus, 17-mal<br />
höher als in der Straßenbahn, 72-mal<br />
Verkehrsentwicklung und Unfallzahlen<br />
Angaben in Mio.<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
höher als in der Eisenbahn und 839-<br />
mal höher als im Flugzeug“, heißt es<br />
in einem vom Statistischen Bundesamt<br />
auf Basis der Unfallstatistik erarbeiteten<br />
„Risikovergleich“. Überspitzt<br />
könnte man sagen: Das Gefährlichste<br />
am Fliegen ist die Fahrt zum Flughafen.<br />
Das gilt nicht nur für Deutschland,<br />
sondern weltweit. Und: Fliegen ist im<br />
Laufe der Jahre immer sicherer geworden.<br />
Nach Angaben der International<br />
Air Transport Association (IATA) war<br />
2012 das bisher sicherste Jahr in der<br />
Geschichte der kommerziellen Luftfahrt.<br />
Die IATA bezieht sich dabei auf<br />
eine Kennzahl, die die Zahl der Flugzeuge<br />
westlicher Bauart, die bei einem<br />
Unfall vollständig zerstört oder irreparabel<br />
beschädigt wurden, in Bezug zur<br />
4,2% 4,1% 4,2% 4,8% 4,1% 4,2% 4,2% 3,2%<br />
Zahl der Flugbewegungen setzt. Diese<br />
Kennzahl lag 20<strong>02</strong> noch bei 0,94 pro<br />
Million Flugbewegungen; 2012 war<br />
sie bereits auf 0,2 gesunken. Anders<br />
ausgedrückt: Auf fünf Millionen Flüge<br />
weltweit kommt ein schwerer Unfall.<br />
Anfang der 60er Jahre, das zeigt eine<br />
Langzeitstatistik des Flugzeugherstellers<br />
Boeing, gab es noch mehr<br />
als zehn schwere Unfälle pro Milllion<br />
Flüge. Das weltweite Sicherheitsniveau<br />
hat sich also enorm verbessert. Dieser<br />
Trend ist umso bemerkenswerter,<br />
als der Flugverkehr zugleich deutlich<br />
zugenommen hat. 2012 wurden weltweit<br />
rund 30 Millionen Flüge und knapp<br />
drei Milliarden Flugpassagiere gezählt<br />
– 30 Mal mehr als Anfang der 60er<br />
Jahre, als gerade einmal rund 100 Millionen<br />
Passagiere erreicht wurden.<br />
In ihrer Safety-Statistik macht die<br />
IATA allerdings einige Einschränkungen.<br />
Betrachtet werden ausschließlich<br />
Düsenjets westlicher Bauart – Turbopropflugzeuge,<br />
Fluggerät beispielsweise<br />
aus russischer Produktion sowie<br />
kleinere Maschinen mit weniger als 5,7<br />
Tonnen Startgewicht sind in der Kennzahl<br />
nicht enthalten. Außerdem ist die<br />
Statistik auf kommerzielle Passagierflüge<br />
(Linie und Charter) und Frachtflüge<br />
beschränkt; Unfälle, die sich<br />
etwa bei Trainings- oder Testflügen<br />
ereignen, werden nicht mitgezählt.<br />
Zudem erfasst die IATA-Statistik nur<br />
diejenigen, die an Bord des Flugzeugs<br />
zu Schaden kommen. Die International<br />
Civil Aviation Organization (ICAO) dagegen<br />
zählt auch Personenschäden am<br />
Boden mit, beschränkt sich allerdings<br />
auf Linienflüge. Diese und andere<br />
Definitionsunterschiede führen dazu,<br />
dass die beiden großen Luftfahrtorganisationen<br />
in ihren Safety-Statistiken<br />
zu unterschiedlichen Ergebnissen<br />
kommen.<br />
0<br />
2005<br />
Flüge<br />
2006<br />
2007<br />
Unfallrate in %<br />
2008<br />
2009 2010 2011 2012<br />
ICAO <strong>2013</strong> Safety Report, ICAO 2011 State of Global Aviation Safety<br />
Das zeigt sich zum Beispiel, wenn<br />
man die Gesamtzahl der Unfälle – dazu<br />
14 transmission 2 – <strong>2013</strong>
zählen schwere Fälle mit Totalschaden,<br />
aber auch kleinere – vergleicht.<br />
Während die IATA im Jahr 2012 weltweit<br />
insgesamt 75 Unfälle gezählt hat,<br />
kommt die ICAO auf 99. Diese unterschiedlichen<br />
Bewertungsmaßstäbe<br />
haben IATA und ICAO nun angeglichen<br />
und sich auf eine gemeinsame<br />
Definition für die Unfallrate verständigt.<br />
Demnach lag das Risiko eines<br />
wie auch immer gearteten Unfalls im<br />
Jahr 2012 bei 2,4 Unfällen pro Million<br />
Flüge.<br />
Da Flugzeugunfälle sehr seltene<br />
Ereignisse sind, können schon kleine<br />
Schwankungen von einem zum nächsten<br />
Jahr große prozentuale Veränderungen<br />
bewirken. Aussagekräftiger ist<br />
es daher, wenn man die Unfallzahlen<br />
mehrere Jahre zusammenfasst. Die<br />
britische Aufsichtsbehörde Civil Aviation<br />
Authority (CAA) hat deshalb die<br />
weltweiten Flugzeugunfälle der Jahre<br />
20<strong>02</strong> bis 2011 analyisiert. Insgesamt<br />
haben sich in dieser Zehn-Jahres-Zeitspanne<br />
250 tödliche Unfälle ereignet,<br />
bei denen 7.148 Passagiere und<br />
Besatzungsmitglieder getötet wurden.<br />
Diese Zahl klingt zunächst gewaltig –<br />
im Vergleich zum Straßenverkehr ist<br />
sie jedoch verschwindend gering:<br />
Innerhalb eines Jahres sterben allein<br />
in Europa viermal so viele Menschen<br />
bei Verkehrsunfällen. Setzt man die<br />
Zahl der tödlichen Unfälle in Bezug zu<br />
den Verkehrszahlen, zeigt sich: Auf<br />
eine Million Flüge kamen in der Zehn-<br />
Jahres-Periode weltweit 0,6 tödliche<br />
Flugzeugunfälle.<br />
Allerdings ist Fliegen nicht überall<br />
gleich sicher. So ereignet sich laut<br />
CAA jeder dritte tödliche Flugzeugunfall<br />
in Afrika, obwohl über dem Kontinent<br />
nur drei Prozent des weltweiten<br />
Flugverkehrs stattfinden. Ein ähnliches<br />
Bild ergibt sich, wenn man nicht<br />
den Ort des Unglücks, sondern die<br />
Herkunft der Airline betrachtet. Auch<br />
Hier ist Fliegen am sichersten<br />
Ozeanien<br />
Nordamerika<br />
EU<br />
Europa<br />
Mittel- und Südamerika,<br />
Karibik<br />
Asien und<br />
Naher Osten<br />
Afrika<br />
Alle<br />
0 5 10<br />
Zahl der Flüge (in Mio.), nach denen statistisch gesehen<br />
die Wahrscheinlichkeit eines Flugunfalls auf 1 steigt.<br />
Basis: Standort der Airline<br />
hier sind afrikanische Fluggesellschaften<br />
mit einem Anteil von 28 Prozent<br />
an den tödlichen Unfällen überproportional<br />
vertreten: Auf eine Million Flüge<br />
kommen 5,2 tödliche Unfälle und insgesamt<br />
149 Todesopfer. Besonders<br />
hoch sind die Sicherheitsstandards<br />
dagegen in Nordamerika und in den<br />
Mitgliedsstaaten der EU. Hier entfallen<br />
auf eine Million Flüge nur 0,1 tödliche<br />
Unfälle.<br />
Die unterschiedlichen Kennzahlen<br />
zeigen: Es gibt verschiedene Möglichkeiten,<br />
das Unfallrisiko in Zahlen<br />
zu fassen. All diese Kennzahlen<br />
haben Vor- und Nachteile. Betrachtet<br />
man die Zahl der tödlichen Unfälle,<br />
so lässt man außer Acht, ob bei dem<br />
Unfall viele oder wenige Menschen<br />
ums Leben kamen. Betrachtet man<br />
dagegen die Zahl der Unfallopfer,<br />
dann fallen Unfälle mit großen Flugzeugen,<br />
bei denen mehr Passagiere<br />
an Bord sind, schwerer ins Gewicht<br />
als Unfälle mit kleinerem Fluggerät –<br />
auch dann, wenn das Ausmaß dieser<br />
kleineren Unfälle deutlich größer ist.<br />
Und misst man die Unfallzahlen an<br />
der Beförderungsleistung, also an der<br />
zurückgelegten Strecke und der Zahl<br />
der Passagiere, macht man dadurch<br />
zwar verschiedene Verkehrsmittel<br />
15 20<br />
Quelle: CAA Global Fatal Accident Review 20<strong>02</strong> to 2011<br />
vergleichbar. Da das Flugzeug aber in<br />
der Regel für größere Entfernungen<br />
gewählt wird, führt dies zu einer Verzerrung<br />
zugunsten des Flugzeugs.<br />
Wie sicher ist das Fliegen also tatsächlich?<br />
Auskunft darüber gibt das<br />
so genannte Mortalitätsrisiko. Diese<br />
Kennzahl zeigt, wie unwahrscheinlich<br />
es ist, als Passagier auf einem zufällig<br />
ausgewählten Flug Opfer eines<br />
tödlichen Flugunfalls zu werden. Sie<br />
kombiniert also sowohl die Zahl der<br />
Unfälle als auch die Zahl der Unfallopfer,<br />
lässt aber Länge und Dauer des<br />
Fluges unberücksichtigt. Das Ergebnis:<br />
Im weltweiten Schnitt kann ein<br />
Passagier 3,1 Millionen Mal in ein Flugzeug<br />
steigen, ohne einmal Opfer eines<br />
Flugzeugunfalls zu werden – bei einem<br />
Flug pro Tag wäre er damit 8.500<br />
Jahre unterwegs. In Afrika ist diese<br />
Zeitspanne mit 1.390 Jahren deutlich<br />
kürzer, in der EU und in Nordamerika<br />
ist sie erheblich länger. Statistisch<br />
gesehen kann man hier über 47.000<br />
Jahre respektive knapp 52.000 Jahre<br />
lang gut und sicher fliegen.<br />
Christopher Belz<br />
transmission 2 – <strong>2013</strong> 15
Faktor Mensch<br />
Das Positive stärken<br />
Aus Fehlern lernen ist ein wichtiges Prinzip im Sicherheitsmanagement. Doch reicht das? Der dänische<br />
Human-Factors-Experte Professor Erik Hollnagel meint: Nein. Seiner Meinung nach müssen<br />
Unternehmen ebenso genau untersuchen, warum etwas gut läuft.<br />
Menschliches Verhalten wissenschaftlich<br />
zu ergründen<br />
ist ein wichtiger Bestandteil<br />
des Sicherheitsmanagements. Der<br />
DFS-Bereich Human Factors arbeitet<br />
deshalb eng mit führenden Wissenschaftlern<br />
auf diesem Gebiet zusammen.<br />
Einer von ihnen ist der dänische<br />
Professor Erik Hollnagel. Er hat das<br />
Efficiency-Thoroughness-Trade-Off-<br />
Prinzip beschrieben. Der Grundgedanke<br />
dabei: Menschen, die in komplexen<br />
Systemen arbeiten, stehen in<br />
einem ständigen Zielkonflikt (Trade-<br />
Off) zwischen dem schnellen, effizienten<br />
Arbeiten einerseits und dem<br />
gewissenhaften, gründlichen Arbeiten<br />
andererseits. Dieser Zielkonflikt<br />
betrifft auch Organisationen als<br />
Ganzes.<br />
Nimmt man als gegeben an, dass<br />
Menschen und Organisationen ständig<br />
in diesem Zielkonflikt abwägen müssen,<br />
stellt sich für das Sicherheitsmanagement<br />
die Frage: Was beeinflusst<br />
dieses Abwägen? Auf welcher<br />
Grundlage werden Entscheidungen<br />
getroffen? Hollnagel will weg davon,<br />
Entscheidungen nur zu untersuchen,<br />
wenn sie zu einem unerwünschten<br />
Ereignis geführt haben. Sein Ansatz<br />
will menschliches Verhalten grundsätzlich<br />
besser verstehen. Ziel ist es, jene<br />
Aspekte zu fördern, die dazu beitragen,<br />
dass etwas gut läuft. Seine Kritik<br />
an anderen Ansätzen: Wenn man sich<br />
nur darauf konzentriert, was schiefgelaufen<br />
ist, lässt man alle anderen<br />
Entscheidungen außer Acht und kann<br />
nicht von ihnen lernen.<br />
Hollnagel geht davon aus, dass in<br />
der täglichen Abwägung zwischen Effizienz<br />
und Gründlichkeit bestimmte<br />
Ein heller, moderner Lotsenarbeitsplatz mit einer ausgeklügelten Bildschirmdarstellung: Solche Faktoren tragen zum sicheren<br />
Arbeiten bei. Unternehmen müssen wissen, was sie erfolgreich macht, sagt der Wissenschaftler Erik Hollnagel. Das Positive zu<br />
fördern sei genauso wichtig für die Sicherheitskultur wie Vorfälle im Nachhinein zu untersuchen. Foto: DFS<br />
16 transmission 2 – <strong>2013</strong>
individuelle oder soziale sowie unternehmenskulturelle<br />
Normen zum Tragen<br />
kommen. Sie näher zu betrachten<br />
ist für eine gute Sicherheitskultur<br />
entscheidend. Eine typische Regel,<br />
die dem Gruppenverhalten zugeordnet<br />
werden kann, ist zum Beispiel:<br />
„Wir machen das immer so.“ Typisch<br />
sind auch vom Unternehmen geprägte<br />
Grundsätze wie „Wir müssen Zeitpläne<br />
auf jeden Fall einhalten.“ Eine weitere<br />
typische Regel im sozialen Kontext<br />
ist: „Wenn du den Regelverstoß<br />
nicht meldest, werde ich auch nichts<br />
sagen.“ Individuelle Grundsätze, die<br />
im Efficiency-Thoroughness-Trade-<br />
Off- Prinzip zum Tragen kommen, sind<br />
beispielsweise: „Normalerweise ist es<br />
in Ordnung, so wie ich es mache, deshalb<br />
brauche ich es nicht jedes Mal<br />
zu überdenken“ oder „Später wird das<br />
sowieso noch einmal jemand überprüfen,<br />
deshalb muss ich es nicht so<br />
genau nehmen.“<br />
Für Hollnagel ist klar: Entscheidungen,<br />
die dazu führen, dass etwas<br />
schiefläuft, und Entscheidungen, die<br />
dazu führen, dass etwas glattgeht,<br />
unterscheiden sich in der Regel nicht.<br />
Ob eine Entscheidung ein Fehler war,<br />
kann immer erst im Nachhinein bewertet<br />
werden. Es ist deshalb nicht sinnvoll,<br />
Entscheidungen mit positivem<br />
Ergebnis und solche mit negativem<br />
Ergebnis getrennt voneinander zu<br />
untersuchen. Menschliches Verhalten<br />
in fehlerhaftes und fehlerfreies zu<br />
trennen führt nicht zu mehr Sicherheit.<br />
Alle Entscheidungen haben denselben<br />
Ursprung: nämlich typisch menschliches<br />
Verhalten. Für das Sicherheitsmanagement<br />
bedeutet das: Nicht nur<br />
aus Fehlern lernen, sondern präventiv<br />
und vorausschauend analysieren.<br />
Auf diese Weise soll ans Licht kommen,<br />
welche Dinge nicht so laufen, wie<br />
sie sollten – noch bevor tatsächlich<br />
eine Entscheidung zu einem negativen<br />
Ergebnis führt.<br />
„Für die DFS bedeutet dies, dass<br />
wir neben der Untersuchung von Vorfällen<br />
verstärkt auf die vorherrschenden<br />
Umgebungsbedingungen achten<br />
müssen“, sagt Jörg Leonhardt, Leiter<br />
des DFS-Bereichs Human Factors.<br />
„Eine alleinige Konzentration auf die<br />
negativen Ergebnisse wie beispielsweise<br />
Staffelungsunterschreitungen<br />
reduziert das Wissen über den Erfolg<br />
unserer Organisation.“<br />
Aus Vorfällen zu lernen<br />
ist wichtig. Aber noch<br />
besser ist, wenn erst<br />
gar nichts passiert.<br />
Wer nur aus Fehlern lernt, gerät<br />
schnell in eine paradoxe Situation.<br />
Eine Organisation mit sehr kleinen<br />
Misserfolgsraten wie die DFS hat dann<br />
immer weniger Anhaltspunkte für den<br />
Erfolg. Weniger Vorfälle bedeuten<br />
weniger Zahlenwerte. Weniger Zahlenwerte<br />
bedeuten immer weniger Indikatoren,<br />
die Aufschluss darüber geben<br />
können, wie es um die Leistung (Performance)<br />
im Unternehmen bestellt<br />
ist. Denn nur weil wenig passiert,<br />
heißt das nicht, dass alles zum Besten<br />
steht: zumindest nicht in einem<br />
so komplexen System wie der <strong>Flugsicherung</strong>.<br />
Hollnagel sagt: Um in einem<br />
komplexen, voneinander abhängigen<br />
und sich ständig verändernden<br />
Umfeld Sicherheit zu erreichen,<br />
müssen die Mitarbeiter flexibel und<br />
anpassungs fähig sein. Und darüber<br />
hinaus müssen auch die Entscheider<br />
im Unternehmen und letztlich<br />
die Gesamtorganisation diese Flexibilität<br />
und Anpassungs fähigkeit vorweisen.<br />
Sicherheit ist nicht die Abwesenheit<br />
von Unfällen oder anderen<br />
unerwünschten Ereignissen, sondern<br />
die Anwesenheit von funktionierenden<br />
Anpassungsprozessen, die einen reibungslosen<br />
Betriebsablauf garantieren.<br />
Entscheider und Führungskräfte<br />
brauchen eine „Safety Intelligence“,<br />
so Hollnagel. Das heißt, sie müssen<br />
die Komplexität und die Interaktivität<br />
der Prozesse im Unternehmen bis ins<br />
Detail kennen. Ist sich ein Unternehmen<br />
über seine Erfolgs indikatoren im<br />
Klaren, kann es diese verstärken. Und<br />
die Entscheider können sich darüber<br />
hinaus auch vorstellen, welche Risiken<br />
in der Zukunft bestehen. Sie müssen<br />
also nicht warten, bis etwas passiert<br />
und das dann im Nachhinein bewerten.<br />
Diesen Ansatz, in dem das Positive<br />
gestärkt werden soll, statt nur<br />
das Negative zu eliminieren, nennt<br />
Hollnagel Resilience Engineering.<br />
„Für die DFS gilt: Wir müssen erkennen,<br />
was uns erfolgreich macht, und<br />
dann mehr Zeit und Geld darin investieren,<br />
um diesen Erfolg zu halten oder<br />
zu steigern“, sagt Leonhardt. Dazu sei<br />
es aber notwendig, erst einmal die<br />
Bedingungen, die zur Sicherheit beitragen,<br />
genauer zu identifizieren. „Weil<br />
wir uns bisher auf die Untersuchung<br />
von negativen Ereignissen beschränkten,<br />
haben wir allenfalls eine Ahnung<br />
davon, wie die Erfolgsfaktoren aussehen.“<br />
Künftig soll deshalb das Motto<br />
des US-amerikanischen Psychologen<br />
Paul Watzlawick gelten: „Mach mehr<br />
von dem, was funktioniert.“<br />
Sandra Ciupka<br />
transmission 2 – <strong>2013</strong> 17
Faktor Mensch<br />
Damit Vorfälle kein<br />
Trauma werden<br />
Seit rund 15 Jahren gibt es in der DFS das Critical Incident Stress Management, kurz CISM. Kollegiale<br />
Berater, auch CISM-Peers genannt, helfen ihren Kollegen dabei, Stress auslösende Ereignisse<br />
zu bewältigen. Das Programm hat sich in der DFS bewährt.<br />
Es kann eine Luftfahrzeugannäherung<br />
sein oder eine nur<br />
geringe Unterschreitung des<br />
Mindestabstands zwischen zwei Flugzeugen:<br />
In der <strong>Flugsicherung</strong> kommt<br />
es immer wieder zu Ereignissen, die<br />
der Einzelne nicht alleine verarbeiten<br />
kann. Deshalb wurde bereits Ende<br />
1998 das Programm Critical Incident<br />
Stress Management (CISM) in der DFS<br />
etabliert. CISM hilft bei der Bewältigung<br />
von Stress und soll Menschen<br />
in verantwortungsvollen Tätigkeiten<br />
darin unterstützen, das Erlebte zu<br />
verarbeiten und ihrer Arbeit möglichst<br />
schnell wieder nachgehen zu können.<br />
Entwickelt hat das Programm der<br />
amerikanische Psychologieprofessor<br />
Jeffrey T. Mitchell. Ursprünglich war<br />
es für Rettungskräfte konzipiert mit<br />
dem Ziel, posttraumatische Belastungsstörungen<br />
nach einem kritischen<br />
Ereignis zu verhindern. Die systematische<br />
Stressbearbeitung nach belastenden<br />
Ereignissen hielt dann schnell<br />
auch in der Luftfahrtbranche Einzug.<br />
„CISM bietet betroffenen Mitarbeitern<br />
die Möglichkeit, sich ihrer Reaktionen<br />
bewusst zu werden und diese einzuordnen.<br />
Es hilft dabei, zu erkennen,<br />
ob man in der Lage ist, die Reaktionen<br />
zu verarbeiten. Und es hilft dabei,<br />
zu beurteilen, ob man arbeitsfähig ist<br />
oder nicht“, sagt Jörg Leonhardt, der<br />
bei der DFS für das CISM-Programm<br />
verantwortlich ist. Oft sind es eher<br />
unbedeutende Ereignisse, die für den<br />
Einzelnen eine große Belastung darstellen.<br />
„Bei Fluglotsen löst der Verlust<br />
der Kontrolle über ein Flugzeug Stress<br />
aus, selbst wenn keine oder eine nur<br />
geringe Gefahr bestand, etwa wenn<br />
der Mindestabstand minimal unterschritten<br />
wurde“, erläutert Leonhardt.<br />
Jörg Leonhardt<br />
Zum Instrumentarium der Stressverarbeitung<br />
gehören sowohl Einzelgespräche<br />
mit einem kollegialen<br />
Berater wie auch so genannte Crisis<br />
Management Briefings (CMBs): Gruppengespräche<br />
und Großgruppeninterventionen,<br />
sollte ein Ereignis mehrere<br />
Mitarbeiter oder eine ganze Niederlassung<br />
betreffen. Ende des Jahres 2012<br />
beispielsweise mussten im DFS-Center<br />
in Langen mehrere dieser CMBs<br />
abgehalten werden, um geschockten<br />
Kollegen zu helfen, den Unfalltod<br />
einer jungen Kollegin zu bewältigen<br />
und den Betrieb in der Kontrollzentrale<br />
aufrecht zu erhalten. „Da waren viele<br />
Kollegen in einer Ausnahmesituation<br />
– der Verkehr musste aber trotzdem<br />
abgearbeitet werden. Das CISM-Team<br />
sorgte dafür, dass dieses emotionale<br />
Chaos eine Struktur bekam und<br />
eine Stabilisierung erfolgte“, berichtet<br />
Leonhardt. Seine Feuertaufe bestand<br />
das CISM-Programm im Juli des Jahres<br />
20<strong>02</strong>, als über der Stadt Überlingen<br />
zwei Flugzeuge in der Luft kollidierten.<br />
Die Peers der deutschen<br />
<strong>Flugsicherung</strong> betreuten damals nicht<br />
nur Kollegen aus der Niederlassung in<br />
Karlsruhe, die das Unglück ohne eingreifen<br />
zu können auf den Radarschirmen<br />
beobachtet hatten, sondern auch<br />
die Kollegen in der Schweiz. Die dortige<br />
<strong>Flugsicherung</strong> Skyguide, in deren<br />
Zuständigkeit das Unglück passierte,<br />
hatte damals kein eigenes CISM-Team.<br />
Bei der deutschen <strong>Flugsicherung</strong><br />
verfügen alle Center- und Tower-Standorte<br />
über CISM-Peers. In der Regel<br />
handelt es sich dabei um Fluglotsen.<br />
Sie werden für die CISM-Beratung<br />
geschult und tauschen ihre Erfahrungen<br />
regelmäßig mit anderen kollegialen<br />
Beratern aus. Derzeit sind in der<br />
DFS 85 Kolleginnen und Kollegen als<br />
CISM-Peers ausgebildet. Die DFS-<br />
Geschäftsführung unterstützt das<br />
Programm von Beginn an mit Nachdruck.<br />
Robert Schickling, Geschäftsführer<br />
Betrieb sagt: „CISM ist fester<br />
Bestandteil unserer Sicherheitskultur.“<br />
Sandra Ciupka<br />
18 transmission 2 – <strong>2013</strong>
Benutzerfreundlich ist<br />
sicherer<br />
Es betrifft die Darstellung am Bildschirm, die Beleuchtung in der Kontrollzentrale oder die Eingabemaske<br />
der Unterstützungssoftware: Um fehlerfrei arbeiten zu können, brauchen Fluglotsen ein<br />
benutzerfreundliches Umfeld. In der DFS spielt das Thema Ergonomie deshalb eine wichtige Rolle.<br />
Früher war alles anders. Da<br />
saßen Fluglotsen in abgedunkelten,<br />
fensterlosen Räumen<br />
vor schwarzen Bildschirmen, auf<br />
denen sich grüne Dreiecke bewegten.<br />
Aber damals war im Luftraum auch<br />
längst nicht so viel los wie heute. Die<br />
aktuellen Verkehrszahlen würden sich<br />
auf diese Art und Weise nicht mehr<br />
sicher bewältigen lassen. Die neue<br />
Technik macht glücklicherweise eine<br />
ganz andere Flugverkehrskontrolle<br />
möglich: In der modernen Welt leiten<br />
Fluglotsen den Luftverkehr bei Tageslicht,<br />
die Radardarstellung hat einen<br />
hellen Hintergrund und unterschiedliche<br />
Farben erleichtern die Übersicht:<br />
Optimale Bedingungen, um sicher und<br />
konzentriert zu arbeiten.<br />
„Ergonomie spielt mit zunehmender<br />
Komplexität des Arbeitsumfelds eine<br />
immer wichtigere Rolle“, sagt André<br />
Perott. Er und sein Kollege Nils Schader<br />
beschäftigen sich im DFS-Bereich<br />
Human Factors damit, wie ein Arbeitsplatz<br />
gestaltet werden muss, damit<br />
die Fluglotsen ihre Tätigkeit sicher,<br />
effektiv und effizient ausführen können.<br />
Die DFS arbeitet dabei eng mit<br />
dem Institut für Arbeitswissenschaften<br />
der Technischen Universität Darmstadt<br />
zusammen, das zu allen Aspekten<br />
des Faktors Mensch in einem<br />
komplexen Arbeitsumfeld forscht.<br />
Der Grad an Automation und Komplexität<br />
wird in den nächsten Jahren in<br />
der <strong>Flugsicherung</strong> noch weiter zunehmen<br />
und damit auch die Bedeutung<br />
der Ergonomie. Die DFS hat deshalb<br />
ein Ergonomie-Board etabliert, in dem<br />
sich Fachleute mit Unterstützung des<br />
TU-Professors Dr. Ralph Bruder regelmäßig<br />
mit dem Thema beschäftigen.<br />
Das Board stellt sicher, dass neueste<br />
arbeits wissenschaftliche Erkenntnisse<br />
in die Entwicklung eines Systems integriert<br />
werden. Ein wichtiger Aspekt ist<br />
dabei die systematische Einbindung<br />
der Nutzer. „Das Problem in einem<br />
hochkomplexen Arbeitsumfeld ist,<br />
dass Standardempfehlungen, etwa<br />
für eine Bildschirmdarstellung, oft<br />
nicht auf die spezielle Situation passen“,<br />
erläutert Nils Schader. „Deshalb<br />
ist es wichtig, schon in der Projektplanung<br />
die Nutzerperspektive zu berücksichtigen.“<br />
Dass dabei wissenschaftlich vorgegangen<br />
wird, zeigt das Beispiel<br />
der Farbgebung für das neue <strong>Flugsicherung</strong>ssystem<br />
P2. Die DFS hat die<br />
dafür verwendeten Bildschirmfarben<br />
nicht willkürlich ausgesucht, sondern<br />
nach einem mathematischen Modell<br />
errechnet. So ist sichergestellt, dass<br />
sich die Farben auf den ersten Blick<br />
auseinanderhalten lassen: Die ausgewählten<br />
Farben wurden in mehreren<br />
Schritten von Fluglotsen am Simulator<br />
immer wieder überprüft und bewertet,<br />
bis das abschließende Farbset<br />
gefunden war. Die Gefahr, dass eine<br />
Farbinformation übersehen wird oder<br />
zwei Farben miteinander verwechselt<br />
werden, ist damit minimal.<br />
Ein benutzerfreundliches Arbeitsumfeld<br />
ist entscheidend für die Sicherheit<br />
und die Effektivität der Leistung.<br />
Beides ist nur gegeben, wenn der<br />
Fluglotse die verschiedenen dargestellten<br />
Hinweise am Bildschirm gut<br />
lesen und unterscheiden kann. Außerdem<br />
muss die Beleuchtung so sein,<br />
dass die Augen nicht zu schnell ermüden.<br />
Eingaben müssen so erfolgen<br />
können, dass der Fluglotse nicht von<br />
der Beobachtung des Luftverkehrs<br />
abgelenkt wird. Wenn alle Bedingungen<br />
stimmen, ist dies ein wichtiger<br />
Beitrag zur Sicherheit und zur Performance.<br />
Glossar:<br />
Sandra Ciupka<br />
Ergonomie ist eine wissenschaftliche<br />
Disziplin, die zum einen Zusammenhänge<br />
zwischen Menschen und<br />
anderen Systemelementen systematisch<br />
untersucht und zum anderen<br />
Theorien und Methoden in der<br />
Praxis anwendet, um die Leistung<br />
des Gesamtsystems zu erhöhen<br />
und die allgemeine Zufriedenheit<br />
der Menschen zu verbessern.<br />
transmission 2 – <strong>2013</strong> 19
Safety<br />
Training für den<br />
Notfall<br />
Feuer an Bord: Während die Piloten<br />
vollauf damit beschäftigt sind, ihre<br />
Checklisten abzuarbeiten, leiten die<br />
Fluglotsen das Flugzeug auf dem<br />
schnellsten Weg zum nächsten Flughafen.<br />
Der Pilot der Boeing 747-<br />
400 hat ein dickes Problem.<br />
Dichter Rauch dringt<br />
aus der Instrumententafel über seinem<br />
Kopf, auch aus den Instrumenten<br />
vor ihm qualmt es. Er streift sich<br />
die Sauerstoffmaske über den Kopf,<br />
sein Copilot tut es ihm gleich. „Mayday,<br />
Mayday. We have smoke in the<br />
cockpit“, informiert die Cockpit-Crew<br />
die <strong>Flugsicherung</strong> über ihre Notlage.<br />
„Request direct to Stuttgart.“ Nun<br />
sorgen die Fluglotsen dafür, dass das<br />
Flugzeug so schnell wie möglich auf<br />
dem nächstgelegenen Flughafen landen<br />
kann. Die Zeit drängt: Der Rauch<br />
ist so dicht, dass die Besatzung nicht<br />
mal bis zur Cockpitscheibe sehen<br />
kann. Mit einer Taschenlampe versucht<br />
der Pilot, die Instrumente zu<br />
entziffern. Der Copilot gibt dem Fluglotsen<br />
derweil die Zahl der Passagiere<br />
an Bord durch. Ein paar Minuten später<br />
setzt das Flugzeug auf der Landebahn<br />
auf. Es rumpelt, es ruckelt –<br />
dann steht die Maschine. Geschafft.<br />
In einem echten Flugzeug würde die<br />
Besatzung jetzt damit beginnen, die<br />
Passagiere so schnell wie möglich in<br />
Sicherheit zu bringen. In der Boeing<br />
747-400 dagegen gibt es nichts zu<br />
evakuieren. Sie war auch nie in der<br />
Luft, sondern stand die ganze Zeit am<br />
Boden – ein Simulator im Lufthansa<br />
Flight Training Center am Frankfurter<br />
Flughafen.<br />
Feuer an Bord ist ein Albtraum für<br />
jeden Piloten. Der Qualm behindert<br />
die Sicht, außerdem ist er giftig – vor<br />
allem dann, wenn Kunststoffe verbrennen.<br />
Und nicht zuletzt können durch<br />
das Feuer technische Systeme ausfallen.<br />
Deshalb ist es wichtig, Notfallsituationen<br />
wie Rauch im Cockpit,<br />
Druckverlust oder den Ausfall eines<br />
Triebwerks regelmäßig zu trainieren.<br />
Das gilt nicht nur für Piloten, sondern<br />
auch für Fluglotsen – damit diese die<br />
Cockpit-Crew in ihrer Notlage bestmöglich<br />
unterstützen können.<br />
Üblicherweise trainieren Piloten und<br />
Fluglotsen getrennt voneinander, die<br />
einen im Flugsimulator, die anderen im<br />
20 transmission 2 – <strong>2013</strong>
Um in einer Notlage schnell und richtig reagieren zu können, ist regelmäßiges Training für Piloten<br />
wie Fluglotsen Pflicht. Beim Joint Operational Incidents Training proben Piloten und Lotsen miteinander<br />
den Ernstfall – und lernen dabei eine Menge voneinander: Das weltweit einzigartige Projekt<br />
kommt der Realität beeindruckend nah.<br />
Radarsimulator. Am Frankfurter Flughafen<br />
ist dies anders: Hier üben Piloten<br />
und Fluglotsen gemeinsam den<br />
Umgang mit Notfallsituationen. Joint<br />
Operational Incidents Training oder<br />
kurz „Joint“ heißt das Projekt, das vor<br />
gut 15 Jahren zwischen DFS und Lufthansa<br />
Flight Training entstanden ist.<br />
Das Besondere dabei: Die Piloten im<br />
Simulator, die gerade mit den Rauchschwaden<br />
im Cockpit kämpfen, sind<br />
über eine Funkverbindung mit echten<br />
Lotsen am anderen Ende des Gebäudes<br />
verbunden, die vor ihren Radarmonitoren<br />
sitzen. „Diese Kombination ist<br />
einzigartig“, sagt Volker Oblong, der<br />
bei Lufthansa Flight Training für das<br />
Projekt verantwortlich ist. „So etwas<br />
gibt es sonst nirgendwo auf der Welt.“<br />
Entstanden ist die Idee zu einem<br />
gemeinsamen Notlagentraining beim<br />
Austausch unter Kollegen. Die Anfänge<br />
waren provisorisch. Für den Prototyp<br />
genügte zunächst ein Telefonhörer,<br />
der mit Kreppband auf einem Modem<br />
befestigt wurde: Über diese Datenleitung<br />
war ein Radarsimulator mit einem<br />
Boeing-737-Simulator verbunden. Gut<br />
15 Jahre später ist aus der Bastelei<br />
eine feste Institution geworden. Der<br />
alte Radarsimulator aus der Anfangszeit<br />
ist längst durch die neueste Simulatorgeneration<br />
ersetzt, angebunden<br />
sind mittlerweile fünf so genannte Full-<br />
Flight-Simulatoren für die Flugzeugtypen<br />
A320, A321, B737 und B747.<br />
Piloten und Lotsen sind über eine<br />
Funkverbindung mit zwei Frequenzen<br />
verbunden. So lässt sich auch simulieren,<br />
wie das Flugzeug von einem Kontrollsektor<br />
zum nächsten übergeben<br />
wird.<br />
Die gemeinsame Schulung von<br />
Piloten und Fluglotsen ist aufwendig<br />
– allein die zeitliche Abstimmung des<br />
Trainings ist nicht einfach. Aber der<br />
Aufwand lohnt sich. Beim herkömmlichen<br />
Training im Flugsimulator gibt<br />
es einen Instructor, der die Übung leitet.<br />
Er sitzt hinter dem Piloten und gibt<br />
Anweisungen, was zu tun ist. Nicht so<br />
transmission 2 – <strong>2013</strong> 21
Safety<br />
Rauch im Cockpit ist für jeden Piloten ein Albtraum. Ohne Taschenlampe sind oft<br />
nicht mal mehr die Anzeigen und Schalterpositionen zu erkennen.<br />
bei „Joint“: Hier muss der Pilot die<br />
Informationen, die für ihn relevant<br />
sind, aus dem Funkverkehr herausfiltern,<br />
so wie bei jedem normalen Flug<br />
auch. Der Pilot ist außerdem gezwungen,<br />
seine Situation exakt zu beschreiben<br />
– schließlich hat der Lotse keinen<br />
Blickkontakt und weiß deshalb nicht,<br />
in welcher Notlage sich das Flugzeug<br />
befindet. Und er muss sich klar werden,<br />
welche Unterstützung er von der<br />
<strong>Flugsicherung</strong> erwartet.<br />
Auch Fluglotsen erleben den Notfall<br />
aus einer völlig neuen Perspektive:<br />
Beim Training im Radarsimulator sind<br />
sie per Funk mit Simulationspiloten<br />
verbunden, die ihre Anweisungen in<br />
einen Computer eingeben. Bei „Joint“<br />
dagegen bekommen sie es mit echten<br />
Piloten zu tun, die sich in einer realistischen<br />
Ausnahmesituation befinden.<br />
Auf diese Weise erleben die Lotsen<br />
den Stress, der im Cockpit herrscht.<br />
Sie müssen damit rechnen, dass die<br />
Piloten vor lauter Belastung gar nicht<br />
oder nicht adäquat reagieren. Und<br />
sie sind gezwungen, klare Informationen<br />
abzufragen – denn nur so erfahren<br />
sie, wie sie den Piloten am besten<br />
helfen können. „Das normale Notfalltraining<br />
ist ausreichend, aber nicht<br />
optimal“, sagt DFS-Supervisor Holger<br />
Vierkant, der in der Kontrollzentrale<br />
Langen für die Joint-Simulationen verantwortlich<br />
ist. „Wenn man die beiden<br />
Trainings miteinander kombiniert, ist<br />
der Lern effekt auf beiden Seiten deutlich<br />
höher“, ergänzt Lufthansa-Kapitän<br />
Axel Strassburger, der „Joint“ mitbegründet<br />
hat.<br />
Gelernt wird nicht nur während des<br />
gemeinsamen Trainings, sondern vor<br />
allem beim anschließenden Debriefing<br />
– dann also, wenn Piloten und Lotsen<br />
ihre Erfahrungen austauschen. Zum<br />
Beispiel über die Anfangsphase der<br />
Unsicherheit, wenn Piloten wie Lotsen<br />
erst einmal nicht wissen, was<br />
mit dem Flugzeug los ist. Für die Piloten<br />
vergeht die Zeit wie im Flug: Sie<br />
haben alle Hände voll damit zu tun,<br />
ihre Checklisten abzuarbeiten. Für die<br />
Lotsen dagegen zieht sich die Zeit<br />
wie Kaugummi: Ihnen kommt es wie<br />
eine Ewigkeit vor, bis sich die Piloten<br />
wieder bei ihnen melden. Beide erleben<br />
dieselbe Situation, aber beide<br />
erleben sie vollkommen unterschiedlich.<br />
Das ist eine wertvolle Erfahrung,<br />
um im Notfall besser reagieren und<br />
die Gegenseite optimal unterstützen<br />
zu können – ein deutlicher Gewinn<br />
an Sicherheit. Wenn es „Joint“ nicht<br />
bereits gäbe, man müsste es auf der<br />
Stelle erfinden.<br />
Christopher Belz<br />
Bei „Joint“ sind die Fluglotsen am Radarsimulator mit den Piloten im Flugsimulator<br />
verbunden. Diese Kombination ist weltweit einmalig. Fotos: Melanie Bauer<br />
22 transmission 2 – <strong>2013</strong>
Aus Fehlern lernen mit<br />
Just Culture<br />
In der Luftfahrt sollen möglichst alle negativen Ereignisse gemeldet werden. Nur dann kann die<br />
Branche aus Vorfällen lernen. Doch Justiz und Öffentlichkeit haben oftmals ein Interesse daran,<br />
„Verursacher“ zu benennen und zu bestrafen, was einem intensiven Meldewesen eher abträglich<br />
ist. Der Ansatz „Just Culture“ soll dieses Dilemma lösen.<br />
Ein Auto fährt auf die Ampel<br />
zu. Die Sonne steht tief. Der<br />
Fahrer kann kaum erkennen,<br />
was die Ampel anzeigt. Er fährt über<br />
die Kreuzung, stellt dann erschreckt<br />
fest: Es ist tatsächlich rot gewesen.<br />
Passiert ist nichts, die Fahrt geht weiter.<br />
„Kein Autofahrer würde in einem<br />
solchen Fall zur Polizei gehen und sich<br />
eines Fehlers bezichtigen“, sagt Hans-<br />
Jürgen Morscheck, Leiter des DFS-<br />
Unternehmenssicherheitsmanagements.<br />
„Aber im Prinzip erwarten wir<br />
das von unseren Fluglotsen: Sie sollen<br />
Ereignisse melden, selbst wenn nichts<br />
passiert ist.“<br />
Die DFS kann nur auf Ereignisse<br />
oder Probleme reagieren, wenn sie<br />
davon erfährt. Wer Fluglotsen, Piloten<br />
oder Techniker für gemeldete Ereignisse<br />
bestraft, riskiert, dass Vorfälle<br />
unter den Teppich gekehrt werden.<br />
Dann könnten die gleichen Umstände<br />
immer wieder passieren – bis es zu<br />
einem tragischen Unfall kommt. Das<br />
kann nicht im Sinne der Sicherheitskultur<br />
sein.<br />
Die Luftfahrtbranche hat deshalb<br />
den Ansatz „Just Culture“ etabliert.<br />
Kein DFS-Mitarbeiter muss befürchten,<br />
dass es für ihn im Unternehmen<br />
negative Folgen hat, wenn er ein Ereignis,<br />
beispielsweise eine Staffelungsunterschreitung,<br />
meldet. Dahinter steckt<br />
das Grundverständnis, dass menschlicher<br />
Irrtum immer im Kontext von<br />
komplexen Situationen entsteht und<br />
daher nicht als Ursache, sondern als<br />
Symptom zu verstehen ist. Symptome<br />
deuten auf tieferliegende Probleme im<br />
gesamten System hin, beispielsweise<br />
darauf, dass die Bildschirmdarstellung<br />
verbessert werden müsste oder Flugrouten<br />
entzerrt werden sollten. Die<br />
DFS-Sicherheitsfachleute nehmen<br />
diese Hinweise auf und suchen nach<br />
Lösungsmöglichkeiten.<br />
Eine „gerechte“ Unternehmenskultur<br />
bedeutet allerdings nicht, dass<br />
die Luftfahrtbranche ein rechtsfreier<br />
Raum ist. Just Culture unterscheidet<br />
daher zwischen einem nicht zu akzeptierenden<br />
fahrlässigen Verhalten einerseits<br />
und so genannten beitragenden<br />
Faktoren zu Ereignissen andererseits,<br />
die in einem komplexen System<br />
vorkommen können. Einig sind<br />
sich sowohl Sicherheitsexperten als<br />
auch Juristen darin, dass alle Unfälle<br />
und „schweren Störungen“ strafrechtliche<br />
Konsequenzen haben können. Und<br />
zwar nicht nur für Fluglotsen, sondern<br />
auch für das Management, von dem<br />
erwartet wird, dass es dem operativen<br />
Personal ein sicheres Arbeitsumfeld<br />
bietet. Handeln sie nach bestem<br />
Wissen und Gewissen, sollen sich Fluglotsen<br />
darauf verlassen können, dass<br />
sie in der Regel keine strafrechtlichen<br />
Konsequenzen befürchten müssen.<br />
Mit Just Culture will man erreichen,<br />
dass auch kleinere Ereignisse,<br />
bei denen keine unmittelbare Gefahr<br />
bestand, im Sinne der Sicherheitskultur<br />
dokumentiert und aufgearbeitet<br />
werden können.<br />
Ein Spannungsfeld zwischen einem<br />
ausgeprägten Meldewesen und der<br />
juristischen Facette wird es aber<br />
immer geben. Vor allem deshalb, weil<br />
Ereignisse auch an die Öffentlichkeit<br />
gelangen können und dort sehr<br />
schnell die Frage nach einer persönlichen<br />
oder organisatorischen Schuld<br />
gestellt wird, etwa wenn es dabei um<br />
Schadensersatzansprüche geht.<br />
Mit Just Culture will die Luftfahrtbranche<br />
deshalb auch politisch erreichen,<br />
dass die Justiz diesen Ansatz<br />
als wesentlichen Bestandteil einer<br />
Sicherheitskultur akzeptiert und bei<br />
der Untersuchung und Bewertung von<br />
Luftfahrt ereignissen berücksichtigt.<br />
Sandra Ciupka<br />
transmission 2 – <strong>2013</strong> 23
Safety<br />
Sicherheit hat Methode<br />
In einer Branche, deren Wohl und Wehe in höchstem Maß vom Vertrauen der Passagiere abhängig<br />
ist, ist Sicherheit alles. Nicht von ungefähr richtet die DFS alles Handeln an ihrer obersten Priorität<br />
aus: höchstmögliche Sicherheit im Luftverkehr zu gewährleisten. Hauptamtlich erstellen 30<br />
Mitarbeiter sogenannte Sicherheitsbewertungen. Sie sorgen dafür, dass es nicht nur beim Lippenbekenntnis<br />
bleibt, sondern das höchste Unternehmensziel mit Leben gefüllt wird. „Im Zweifel für<br />
die Sicherheit“ lautet denn auch so manches Ergebnis einer Sicherheitsbewertung – selbst wenn<br />
beachtliche Kostenersparnis lockt.<br />
Irgendwann lag sie auf dem Tisch,<br />
diese nüchterne Zahl mit erheblichem<br />
Verlockungspotenzial: 7,9<br />
Millionen Euro, einzusparen über die<br />
nächsten sieben Jahre. Soviel hätte<br />
er einbringen können, der Verzicht auf<br />
das Projekt „Erneuerung Not-Senden/<br />
Empfang Center“. Errichtet wurden<br />
die Not-Sende- und Empfangseinrichtungen<br />
(NSE) Ende der 80er Jahre:<br />
30 Funk standorte, die über ISDN-Leitungen<br />
mit den oszillographengroßen<br />
Betriebseinheiten in den vier Kontrollzentralen<br />
der DFS verbunden sind.<br />
Sie sollen den Sprechfunk verkehr der<br />
Lotsen mit den Piloten sicherstellen –<br />
allerdings nur im Falle des Falles eines<br />
Falles. Denn bei den NSE handelt es<br />
sich weder um das Hauptbetriebs- und<br />
auch nicht um das Reservesystem,<br />
sondern um das Notfunksystem. Eine<br />
dreifache Redundanz also, die in Zeiten<br />
postulierter Kosteneffizienz durchaus<br />
Fragen nach dessen sinnhafter<br />
Notwendigkeit aufwerfen kann. Im Mai<br />
2012 jedoch traf die DFS-Geschäftsführung<br />
ihre Entscheidung zugunsten<br />
dieses „zentralen Sicherheitsbestandteils“<br />
in der Sprachkette – und<br />
damit gegen die Kosteneinsparung.<br />
Voraus ging dieser Entscheidung<br />
eine genaue Analyse der Risiken: eine<br />
so genannte Sicherheits bewertung.<br />
Ganz gleich, ob es darum geht, eine<br />
Telefonleitung neu anzubinden oder<br />
Ursache Human Error? Technisches Versagen? Oder Verfahrensfehler? Um Unfälle<br />
wie diesen zu vermeiden, sind Sicherheits bewertungen fester Bestandteil des DFS-<br />
Projektmanagements. Jede Veränderung, die Auswirkungen auf das „funktionale<br />
ATM-System“ haben könnte, wird darin einer Bedrohungs- und Sicherheitsanalyse<br />
unterzogen. Foto: Ivan Cholakov<br />
ein System einzuführen: „Jede Veränderung,<br />
die Auswirkung auf das funktionale<br />
ATM-System hat oder haben<br />
könnte, müssen wir dahingehend überprüfen,<br />
inwieweit sie das System tangiert<br />
und wie sicher sie ist“, erläutert<br />
Dr. Gunther Heidelmeyer, Referent im<br />
Unternehmenssicherheitsmanagement<br />
auf dem Gebiet Sicherheitsbewertung.<br />
Dies schließt auch mögliche Veränderungen<br />
im Lebenszyklus eines Systems<br />
mit ein. Zum „funktionalen ATM-<br />
System“ gehören Daten ebenso wie<br />
Technik, Verfahren und Vorschriften<br />
wie auch Menschen und Prozesse.<br />
Gesetzliche Grundlage bildet<br />
die EU-Verordnung Nr. 1035 vom<br />
17. Oktober 2011: Demnach ist es<br />
das „Hauptsicherheitsziel“ für das<br />
Sicherheits management einer <strong>Flugsicherung</strong>sorganisation,<br />
„seinen Beitrag<br />
zum Risiko eines Flugunfalls so<br />
weit wie praktisch möglich zu senken.“<br />
Die DFS hat für sich daraus das Unternehmensziel<br />
abgeleitet, höchstens alle<br />
30 Jahre mit einem flugsicherungsverursachten<br />
Unfall in Verbindung<br />
gebracht zu werden. Systematische<br />
Bedrohungs- und Risikobewertungen<br />
sollen deshalb helfen, poten ziell sicherheitsrelevante<br />
Ereignisse zu identifizieren<br />
und zu eliminieren: für Kommunikations-<br />
und Navigationsdienste, für<br />
ATC-, Informations-, Alarm- und Flugberatungsdienste.<br />
24 transmission 2 – <strong>2013</strong>
Ein ideales Betätigungsfeld für<br />
Experten wie Heidelmeyer, für die die<br />
Berechnung bedingter Wahrscheinlichkeiten<br />
eine äußerst spannende Materie<br />
ist. „Ganz klar: Wir bewegen uns hier<br />
in einer Modellwelt. Statistikmodelle<br />
werden mit Simulationsergebnissen<br />
gekoppelt und mit Expertenschätzungen<br />
verknüpft“, beschreibt er die drei<br />
Phasen einer Sicherheits bewertung:<br />
die funktionale Bedrohungs analyse<br />
(Wie sicher muss ein System sein?),<br />
die Ermittlung von Sicherheitsanforderungen<br />
(Welche Vorkeh rungen<br />
sind zu treffen?) und die Sicherheitsanalyse<br />
(Wie sicher ist das System?).<br />
Ziel der Bewertung ist es, den identifizierten<br />
Bedrohungen einen der fünf<br />
Schweregrade zuzuweisen („keine“<br />
bis „katastrophale“ Auswirkung).<br />
Typische Auswirkungen können etwa<br />
sein: Unterschreitung von Mindestabständen,<br />
Kollision von Flugzeugen am<br />
Boden oder in der Luft, schlimmstenfalls<br />
der Tod von Insassen. Am Ende<br />
steht die Bestimmung von Eintrittshäufigkeiten<br />
und Risikoklassen, aber auch<br />
die Definition zusätzlicher Maßnahmen<br />
zur Risikoreduzierung. „Nehmen<br />
wir Technik ersatzlos außer Betrieb,<br />
kann dies mit höheren Risiken verbunden<br />
sein als Inbetriebnahmen“, sagt<br />
Heidelmeyer. Für den damaligen Vorschlag,<br />
die NSE abzuschalten, hatte<br />
das operative Safetymanagement des<br />
Center-Bereichs beispielsweise zwei<br />
zusätzliche Risiken ausgemacht – inakzeptabel<br />
für Robert Schickling, heute<br />
Geschäftsführer Betrieb und damals<br />
Leiter Geschäftsbereich Center: „Das<br />
heutige Sicherheitsniveau hat Vorrang<br />
vor den dargestellten Kosteneinsparungen“,<br />
begründete er die Entscheidung,<br />
die NSE beizubehalten.<br />
Den Anteil der <strong>Flugsicherung</strong> am<br />
Risiko eines Unfalls so gering wie möglich<br />
zu halten. Als „Hüter der Sicherheit“<br />
unterliege sein Bereich zudem<br />
keiner operativen Verantwortung,<br />
sondern sei als unabhängige Instanz<br />
von operativ-wirtschaftlichen Zielen<br />
entkoppelt, weist Heidelmeyer auch<br />
auf den organisatorischen Aspekt hin<br />
und gibt zu bedenken: „Methodik und<br />
Dokumentation müssen sauber sein.<br />
Denn auch Aufsichts- oder Unfallbehörden<br />
lesen unsere Dokumente.“<br />
Die DFS will höchstens<br />
alle 30 Jahre mit einem<br />
Unfall in Verbindung<br />
gebracht werden<br />
Deshalb ist es sein Bereich, der<br />
allen Sicherheits bewertungen schließlich<br />
die Freigabe erteilen muss. Dennoch<br />
obliegt es in letzter Instanz<br />
dem jeweiligen Auftraggeber, eine<br />
Entscheidung für oder gegen eine<br />
Veränderung zu treffen – für die er<br />
dann auch die Verantwortung trägt.<br />
In den seltensten Fällen weicht diese<br />
aber vom Ergebnis der Sicherheitsbewertung<br />
ab. Wie auch im Falle der<br />
Überlegung, die NSE abzuschalten:<br />
Statt eine siebenstellige Summe einzusparen<br />
bedeutete sie in der Konsequenz<br />
nicht nur, ein Erneuerungsprojekt<br />
für das 20 Jahre alte System<br />
aufzulegen. Auch die Betriebskosten<br />
werden höher ausfallen als bislang,<br />
stellte sich dabei heraus. Weil die<br />
Telekommuni kations anbieter keine<br />
unabhängige ISDN-Infra struktur mehr<br />
für die Übertragung bereitstellen wollen,<br />
muss die DFS auf deutlich teurere<br />
Daten-Festverbindungen ausweichen.<br />
Die laufenden Kosten erhöhen sich<br />
dadurch um glatt die Hälfte. „Unsere<br />
NSE-Systeme sind ähnlich einem Airbag“,<br />
zieht Produktmanager Ahmad<br />
Hakimi den Vergleich. Alle Fahrzeuge<br />
müssten zwar damit ausgerüstet sein,<br />
benötigt würde er jedoch nur im Falle<br />
eines Unfalles. „Sicherheit kostet eben<br />
immer Geld.“<br />
Rüdiger Mandry<br />
Zur Seite stehen den operativen<br />
Safetymanagements in den<br />
vier Geschäfts bereichen die Fachleute<br />
des Unternehmens sicherheitsmanagements.<br />
Das Bestreben aller:<br />
Nicht auf Kosten der Sicherheit – auch wenn dann manche Entscheidung zulasten der<br />
Kosten geht. Sicherheitsbewertungen nehmen eine präzise Risikoanalyse vor: von<br />
jeder Veränderung, die sich auf das funktionale ATM-System auswirken könnte.<br />
transmission 2 – <strong>2013</strong> 25
Safety<br />
Woher der Wind weht<br />
Zu wenig Beachtung hat die Thematik Wind im fliegerischen Kontext eigentlich noch nie erfahren.<br />
Segelflieger achten besonders auf die Böigkeit des Windes, die Betriebsrichtung einer<br />
Landebahn richtet sich nach der Rückenwindkomponente, Seitenwinde sorgen zuweilen für<br />
spektakuläre Anflüge – auf verschiedene Weise ist die Kraft des Windes untrennbar mit der<br />
Fliegerei verbunden. Mit der Energiewende spürt die DFS nun auch den Wind aus einer weiteren<br />
Richtung: vonseiten der Windparkbetreiber.<br />
Stefanie Mohr Photography / Shutterstock.com<br />
Ein bisschen hört es sich so<br />
an wie das Märchen vom<br />
hässlichen Entlein. „Früher<br />
haben unsere Standorte niemanden<br />
interessiert. Doch heute will jeder an<br />
den Filetstücken teilhaben“, berichtet<br />
Hans-Jochen Kreher. Offiziell leitet er<br />
den Bereich Satelliten- und Technische<br />
Dienste. Inoffiziell dominieren jedoch<br />
die jährlich 1.200 Anträge von Windparkbetreibern<br />
das Tagesgeschäft,<br />
zum Teil auch mit medialer Präsenz.<br />
Und das nun schon seit einigen Jahren.<br />
Vorherzusehen war das nicht<br />
unbedingt, als im Februar 2000 der<br />
<strong>Deutsche</strong> Bundestag das „Erneuerbare-Energien-Gesetz“<br />
(EEG) auf den<br />
Weg brachte. Rund 9.000 Windenergieanlagen<br />
rotierten zu dem Zeitpunkt<br />
in ganz Deutschland. Ende letzten Jahres<br />
summierten sie sich auf 23.030.<br />
Was ganz im Sinne der Energiewende<br />
ist, hat sich jedoch für die <strong>Flugsicherung</strong><br />
zu einem ernsthaften Problem<br />
entwickelt. Denn: Die Windräder treten<br />
in Wechselwirkung mit der elektromagnetischen<br />
Strahlung der flugsicherungstechnischen<br />
Infrastruktur<br />
und können deren Signale z. B. durch<br />
Abschattung, Reflexion und Beugungseffekte<br />
stören und verfälschen. 249<br />
Funk-, Ortungs- und Navigationsanlagen<br />
betreibt die DFS. Sie stehen überwiegend<br />
seit Jahrzehnten bereits dort,<br />
wo es auch für die Anlagen der Windparkbetreiber<br />
am idealsten wäre: auf<br />
dem Brocken etwa (1.141m über NN),<br />
auf der Neunkircher Höhe (605m) oder<br />
auf dem Deister (405m). Auch wenn<br />
die Windräder selbst keine Signale<br />
abstrahlen, hat sich gezeigt, dass die<br />
physikalischen Effekte folgen schwere<br />
Störungen für <strong>Flugsicherung</strong>ssysteme<br />
haben können: indem Navigationsanlagen<br />
zum Beispiel Richtungsinformationen<br />
verfälschen, so dass der<br />
Pilot einen falschen Kurs angezeigt<br />
bekommt. Rotorblätter drehen sich<br />
26 transmission 2 – <strong>2013</strong>
mit wechselnder Geschwindigkeit,<br />
ihre Blattspitzen kommen auf bis zu<br />
200 Kilometer pro Stunde. Werfen sie<br />
die Mikrowellen einer Anlage zurück,<br />
kann der Radarschatten auf dem<br />
Schirm Flugzeuge verdecken – mit<br />
dem Ergebnis, dass sich bestimmte<br />
Lufträume nicht mehr einsehen lassen<br />
oder „Geisterflugzeuge“ erzeugt<br />
werden, die es in der Realität nicht<br />
gibt. Störungen, die geeignet wären,<br />
die Sicherheit im deutschen Luftraum<br />
gravierend zu beeinträchtigen.<br />
Um diese Sicherheit zu gewährleisten,<br />
sind das Bundesaufsichtsamt für<br />
<strong>Flugsicherung</strong> (BAF) und die DFS den<br />
Empfehlungen der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation<br />
ICAO aus dem so<br />
genannten „Euro Doc 015“ gefolgt und<br />
haben um ihre Anlagen Schutzbereiche<br />
gezogen: Das sind zum Beispiel<br />
Radien von 15 Kilometern um Drehfunkfeuer<br />
und Radare, zehn Kilometer<br />
um Peiler- oder zwei um Funkstandorte.<br />
„Das ist also nichts, was wir uns<br />
ausgedacht haben“, sagt Kreher und<br />
verweist außerdem auf Paragraph<br />
18a des Luftverkehrsgesetzes: „Bauwerke<br />
dürfen nicht errichtet werden,<br />
wenn dadurch <strong>Flugsicherung</strong>seinrichtungen<br />
gestört werden können.“ Im<br />
Auftrag des BAF begutachtet die DFS<br />
deshalb jeden Antrag von Bauwerken<br />
in Anlagenschutzbereichen der DFS:<br />
Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich<br />
um ein Gebäude handelt, eine Windenergieanlage<br />
neu errichtet, erweitert<br />
oder „repowert“, also mit leistungsfähigeren<br />
Windrädern modernisiert, werden<br />
soll. Dennoch: Trotz „Euro Doc<br />
015“ und LuftVG lehnt die DFS pauschal<br />
keinen Antrag ab. Für die meisten<br />
Bauanträge ist diese Prüfung bislang<br />
positiv ausgegangen, allein für<br />
75 Prozent im ersten Halbjahr <strong>2013</strong>.<br />
Mit zunehmender Bebauung müssten<br />
Investoren aber damit rechnen, dass<br />
die Gutachten der DFS ablehnender<br />
ausfallen, resümiert Kreher: „Auch<br />
die Umgehungsstrecke<br />
für einen gesperrten<br />
Autobahnabschnitt ist<br />
irgendwann dicht, wenn<br />
sie jeder benutzt.“ Investoren<br />
wollen dies nur<br />
ungern wahrhaben und<br />
manch einer zeigt sich<br />
wenig geneigt, die Idee<br />
seines Windparks trotz<br />
abgelehnten Antrags<br />
in den Wind zu schreiben:<br />
„Häufiger als zuvor<br />
musste ich in den letzten<br />
Jahren unsere Kollegen von<br />
der Rechtsabteilung mit einbinden“,<br />
berichtet Kreher.<br />
Dafür ist das Betreiben von Windrädern<br />
wohl auch einfach zu lukrativ, für<br />
Grundstücksbesitzer wie für Investoren.<br />
Ersteren beispielsweise bringen<br />
gute Windstandorte in Schleswig-<br />
Holstein 50.000 Euro Pacht ein –<br />
pro Jahr, pro Windrad, auf 20 Jahre<br />
garantiert. So berichtete kürzlich das<br />
Wirtschaftsmagazin „Capital“. Und<br />
für die Betreiber rentieren sich die<br />
Investitionen dank gesetzlich festgeschriebener<br />
Einspeisevergütung nach<br />
acht bis zehn Jahren. Dann heißt es<br />
Geld verdienen: Rund 100.000 Euro<br />
sind bei einer großen Anlage drin.<br />
Auf Informations veranstaltungen<br />
machen BAF und DFS seit einiger<br />
Zeit auf die Gefahren für die Flugsicherheit<br />
aufmerksam, die Windenergieanlagen<br />
verursachen können. Prof.<br />
Klaus- Dieter Scheurle, Vorsitzender<br />
der DFS-Geschäftsführung, betonte<br />
kürzlich mit Nachdruck: „Die Sicherheit<br />
des Luftverkehrs muss vorgehen.“<br />
Und der Direktor des BAF, Prof. Dr.<br />
Nikolaus Herrmann, erklärte kürzlich<br />
auf einer Pressekonferenz in Bremen:<br />
„Weil wir für die Sicherheit im Luftverkehr<br />
verantwortlich sind, müssen wir<br />
mitunter unangenehme Entscheidungen<br />
treffen.“ Zu den eher unangenehmeren<br />
gehört auch, dass bereits in<br />
Hessen und Schleswig-Holstein einzelne<br />
Gebiete benannt werden mussten,<br />
die innerhalb der Schutzbereiche<br />
den Bau weiterer Windräder nur noch<br />
in Einzelfällen zulassen. Nicht zuletzt<br />
wird die Suche nach geeigneten Windstandorten<br />
für potenzielle Investoren<br />
dadurch erschwert, dass sie auch bei<br />
Radaranlagen des Militärs und bei den<br />
Wetterradaren des <strong>Deutsche</strong>n Wetterdienstes<br />
auf solche Schutzzonen<br />
stoßen.<br />
Sind terrestrische Navigationsanlagen<br />
im Zeitalter der Satellitennavigation<br />
überhaupt noch zeitgemäß? Für<br />
Kreher gibt es daran keinen Zweifel:<br />
„Auf jeden Fall. Daten der IATA und<br />
von EUROCONTROL bestätigen, dass<br />
längst nicht alle Luftfahrzeuge mit<br />
Satellitennavigation ausgerüstet sind.<br />
Und weder in Deutschland noch in der<br />
EU gibt es eine Verpflichtung, dass<br />
sie dies ändern müssten.“ Noch auf<br />
unbestimmte Zeit also wird die Energiewende<br />
dafür sorgen, dass sich die<br />
DFS für das BAF mit gutachterlichen<br />
Stellungnahmen zu Windkraftvorhaben<br />
befasst. Und sich Kreher über<br />
jede weitere Satellitennavigationsanlage<br />
freut, weil sie die Abhängigkeit<br />
von der terrestrischen Navigation verringern<br />
hilft.<br />
Rüdiger Mandry<br />
transmission 2 – <strong>2013</strong> 27
Safety<br />
Zahlen für mehr<br />
Sicherheit<br />
Journalisten lieben knackige Formulierungen. Deshalb ist oft<br />
gleich von „Beinahe-Zusammen stößen“ die Rede, wenn es in<br />
Wahrheit um Staffelungsunterschreitungen, Runway Incursions<br />
oder Luftfahrzeugannäherungen geht. Die Wahrheit ist meist<br />
weit weniger kritisch.<br />
Staffelungs unterschreitungen<br />
Aufgabe der <strong>Flugsicherung</strong> ist<br />
es, dafür zu sorgen, dass<br />
Luftfahrzeuge unter ihrer<br />
Kontrolle immer ausreichend Abstand<br />
zueinander haben. Vertikal muss der<br />
Abstand zwischen zwei Flugzeugen<br />
mindestens 1.000 Fuß (300 Meter)<br />
betragen; horizontal sind es in der<br />
Regel zwischen drei und fünf Nautische<br />
Meilen (5,6 bis 9,3 Kilometer).<br />
Im Landeanflug sind zweieinhalb bis<br />
drei Nautische Meilen (4,6 bis 5,6 Kilometer)<br />
vorgeschrieben – wobei diese<br />
Abstände im Einzelfall noch einmal<br />
deutlich vergrößert werden können,<br />
um zu verhindern, dass die von einem<br />
Flugzeug ausgelösten Wirbelschleppen<br />
die nachfolgende Maschine gefährden.<br />
Wird der vorgeschriebene Mindestabstand<br />
zwischen zwei Luftfahrzeugen<br />
unterschritten, liegt eine so<br />
genannte Staffelungsunterschreitung<br />
vor. Im Jahr 2012 wurden insgesamt<br />
205 Staffelungsunterschreitungen im<br />
deutschen Luftraum registriert – etwa<br />
ein Viertel weniger als im Vorjahr, aber<br />
mehr als noch zu Anfang des Jahrtausends.<br />
Diese Zahl erscheint auf den<br />
ersten Blick sehr hoch. Allerdings<br />
sagt sie noch nichts darüber aus,<br />
ob tatsächlich ein Sicherheitsrisiko<br />
bestand oder nicht. Schließlich sind<br />
die Abstände bewusst groß gewählt.<br />
Selbst wenn beide Maschinen „nur“<br />
4,5 nautische Meilen Abstand hätten,<br />
wären sie immer noch gut acht Kilometer<br />
voneinander entfernt.<br />
Jede einzelne Staf felungs unterschreitung<br />
wird deshalb vom Sicherheitsmanagement<br />
der DFS analysiert<br />
und mit Hilfe eines Punktesystems<br />
bewertet. Dabei werden drei Kategorien<br />
unterschieden: Ist die Unterschreitung<br />
nur gering und hat die <strong>Flugsicherung</strong><br />
den möglichen Konflikt frühzeitig<br />
erkannt und zu seiner Lösung beigetragen,<br />
wird die Staffelungsunterschreitung<br />
als „nicht signifikant“ eingestuft.<br />
Je größer der Beitrag der <strong>Flugsicherung</strong>,<br />
desto schwerwiegender die Staffelungsunterschreitung.<br />
Sie wird dann<br />
als „signifikant“ oder sogar „sehr signifikant“<br />
bewertet.<br />
Die Zunahme der Staffelungsunterschreitungen<br />
ist in erster Linie auf<br />
einen Anstieg der „nicht signifikanten“<br />
Fälle zurückzuführen. Dazu hat<br />
vor allem eine verbesserte Meldekultur<br />
beigetragen. Denn die Lotsen<br />
wissen: Nur wenn sie auch minimale<br />
Abweichungen melden, besteht die<br />
Chance, mögliche Ursachen für Staffelungsunterschreitungen<br />
zu analysieren<br />
und zu beseitigen. Für zusätzliche<br />
Sicherheit sorgt das automatische Kollisionswarnsystem<br />
(„Short Term Conflict<br />
Alert“, STCA). Es hilft den Lotsen,<br />
Konflikte frühzeitig zu erkennen, und<br />
ist in der Lage, selbst kleinste Unterschreitungen<br />
der Mindestabstände zu<br />
registrieren.<br />
Runway Incursions<br />
Die <strong>Flugsicherung</strong> sorgt nicht nur in<br />
der Luft für Sicherheit: Die Towerlotsen<br />
kontrollieren an den Flughäfen die<br />
Starts, die Landungen sowie einen Teil<br />
des Rollverkehrs. Auch hier wird jede<br />
Abweichung genau registriert. Befindet<br />
sich ein Flugzeug, ein Fahrzeug<br />
oder eine Person in dem Sicherheitsbereich,<br />
der für Start oder Landung<br />
eines Luftfahrzeugs freigegeben ist,<br />
liegt eine sogenannte Runway Incursion<br />
vor.<br />
2012 hat die DFS insgesamt 78 Runway<br />
Incursions registriert. Auch diese<br />
Zahl erscheint auf den ersten Blick<br />
sehr hoch. Allerdings gilt, ebenso wie<br />
bei den Staffelungsunterschreitungen:<br />
Die Zahl allein sagt noch nichts darüber<br />
aus, ob im Einzelfall tatsächlich<br />
eine Gefährdung vorlag oder nicht. Es<br />
ist aber wichtig, auch kleinste Verletzungen<br />
des Sicherheitsbereichs genau<br />
zu analysieren, um Ursachen erkennen<br />
und ähnliche Vorfälle in Zukunft verhindern<br />
zu können. Deshalb wird jede<br />
Runway Incursion von der DFS eingehend<br />
untersucht.<br />
Bei der Analyse zeigt sich, dass<br />
2012 in drei Vierteln der Fälle die<br />
Cockpitbesatzung der beitragende<br />
Faktor war. Bei knapp zwölf Prozent<br />
trugen Fußgänger oder Fahrzeuge auf<br />
der Piste zu der Störung bei. Der Anteil<br />
der Fälle, die der DFS zugeordnet werden<br />
konnten, lag bei nur 2,5 Prozent.<br />
28 transmission 2 – <strong>2013</strong>
Luftfahrzeugannäherungen und Flugbewegungen<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
1975<br />
1985<br />
1995<br />
Luftfahrzeugannäherungen<br />
2000<br />
2001<br />
Airprox Kategorie A<br />
20<strong>02</strong><br />
2003<br />
Wenn es um die Sicherheit im Luftverkehr<br />
geht, spielt die Arbeit der<br />
Aircraft Proximity Evaluation Group<br />
(APEG) eine große Rolle. Dabei handelt<br />
es sich um eine unabhängige Expertengruppe,<br />
die unter der Verantwortung<br />
des Bundesverkehrsministeriums<br />
die sogenannten Luftfahrzeugannäherungen<br />
untersucht. Luftfahrzeugannäherungen<br />
sind alle Vorfälle, die von<br />
der Flugzeugbesatzung und den Fluglotsen<br />
als sicherheitsrelevant gemeldet<br />
werden – unabhängig davon, ob<br />
tatsächlich die Gefahr einer Kollision<br />
bestand. Ausschlaggebend ist allein,<br />
dass einer der Beteiligten die Sicherheit<br />
gefährdet sah.<br />
2004<br />
2005<br />
2006<br />
Airprox Kategorie B<br />
2007<br />
2008<br />
2009<br />
Im Jahr 2012 untersuchte die APEG<br />
insgesamt 36 Luftfahrzeugannäherungen.<br />
Drei davon stuften die Experten<br />
in die Kategorie A „Sicherheit nicht<br />
gewährleistet“ ein. In der Kategorie B<br />
(„unmittelbare Gefährdung“) gab es<br />
keinen Fall. Bei den übrigen gemeldeten<br />
Fällen lag entweder keine Gefahr<br />
vor, oder aber das Risiko konnte<br />
wegen fehlender oder widersprüchlicher<br />
Informationen nicht ermittelt werden.<br />
Außerdem untersucht die APEG,<br />
welche Faktoren zu den als relevant<br />
eingestuften Luftfahrzeugannäherungen<br />
beigetragen haben. Ein Beitrag<br />
der DFS wurde dabei nicht erkannt<br />
– und das bereits im vierten Jahr in<br />
Folge.<br />
Für die DFS ist dieses Ergebnis eine<br />
Bestätigung, dass das Sicherheitsniveau<br />
im deutschen Luftraum sehr<br />
hoch ist – aber es ist keine Garantie<br />
für die Zukunft. Entscheidend ist deshalb,<br />
dass sich die DFS gemeinsam<br />
mit den Fluggesellschaften und Flughafenbetreibern<br />
bemüht, das Sicherheitsniveau<br />
immer weiter zu verbessern<br />
und es erst gar nicht zu einer<br />
Luftfahrzeugannäherung kommen zu<br />
lassen. Hier spielt die Analyse von<br />
Staffelungs unterschreitungen und<br />
Run way Incursions eine wesentliche<br />
Rolle.<br />
Safety-Kennzahlen<br />
2010<br />
2011<br />
Kontrollierte Flüge<br />
2012<br />
Seit Anfang 2012 gilt für die <strong>Flugsicherung</strong>en<br />
in Europa eine Performance-Regulierung.<br />
Als wichtige<br />
Kern bereiche, sogenannte Key Performance<br />
Areas, wurden Sicherheit,<br />
Kapazität, Umwelt und Kosteneffizienz<br />
definiert. Für<br />
einige dieser Bereiche<br />
wurden verbindliche<br />
3500<br />
Zielwerte festgelegt –<br />
zum Beispiel die Höhe<br />
3000<br />
der Streckengebühr,<br />
2500 die die DFS für ihre<br />
Dienstleistung erheben<br />
darf, oder das<br />
2000<br />
Ausmaß der Verspätungen.<br />
Für den wichti-<br />
1500<br />
gen Bereich Safety gibt<br />
1000<br />
es noch keinen europaweit<br />
einheitlichen<br />
500<br />
Zielwert – dazu sind<br />
die Bewertungsmethoden<br />
sicherheitsrelevanter<br />
Vorkommnisse von<br />
Land zu Land viel zu unter schiedlich.<br />
In einem ersten Schritt hat die EU die<br />
Flug sicherungsorganisationen deshalb<br />
verpflichtet, innerhalb der ersten<br />
Regulierungsperiode, die bis 2014<br />
läuft, ein sogenanntes „Risk Analysis<br />
Tool“ einzuführen. Auf diese Weise<br />
sollen vergleichbare Bewertungsmaßstäbe<br />
sichergestellt und die Voraussetzungen<br />
für die Einführung eines<br />
einheitlichen Zielwerts geschaffen<br />
werden. Unabhängig davon hat sich<br />
die DFS interne Zielvorgaben gesetzt.<br />
Der Zielwert im Streckenbereich liegt<br />
derzeit bei 1,25 Staffelungsunterschreitungen<br />
in den Kategorien „signifikant“<br />
und „sehr signifikant“ pro<br />
100.000 Flugbewegungen. Dieser<br />
Wert wird in den ersten drei Quar talen<br />
<strong>2013</strong> deutlich unterschritten.<br />
Kontrollierte Flüge in Tsd.<br />
Quelle: DFS<br />
Christopher Belz<br />
transmission 2 – <strong>2013</strong> 29
Security<br />
Keine Chance für Risiken<br />
Die Infrastruktur der DFS unterliegt hohen sicherheitstechnischen Anforderungen. Der DFS Campus<br />
in Langen nimmt dabei eine besondere Rolle ein. Er verfügt als einzige DFS-Niederlassung<br />
über einen eigenen Werkschutz.<br />
Die DFS gehört mit ihren Towern<br />
und den Kontrollzentralen<br />
in Bremen, Karlsruhe,<br />
Langen und München zur kritischen<br />
Infrastruktur des Luftverkehrs. Ihre<br />
Niederlassungen sind entsprechend<br />
gesichert – meist sind sie in die Security-Strukturen<br />
der Flughäfen mit eingebunden.<br />
Der DFS-Campus in Langen<br />
verfügt als einzige Niederlassung über<br />
einen eigenen Werkschutz. Dort befinden<br />
sich neben dem Center auch die<br />
Unternehmenszentrale, die Akademie,<br />
das Systemhaus, das Forschungszentrum<br />
und das neue Technologiezentrum.<br />
Werkschutz-Chef Gerd Sagerer<br />
ist seit einem halben Jahr bei der DFS<br />
und hat einen Entwurf für ein neues<br />
Sicherheitskonzept erarbeitet.<br />
Es gibt ein paar Dinge, die man<br />
nach Meinung des neuen Werkschutz-<br />
Chefs besser machen könnte. Oft sind<br />
es scheinbare Nebensächlichkeiten,<br />
wie zum Beispiel offene Bürotüren.<br />
„Viele Mitarbeiter lassen ihre Büros<br />
in der Mittagspause oder nach Feierabend<br />
einfach offen“, sagt Sagerer.<br />
Wenn es darum geht, Sicherheitslücken<br />
in einem Unternehmen zu erkennen,<br />
macht dem 58-Jährigen niemand<br />
etwas vor: Bevor er zur DFS kam, leitete<br />
er die Airport-Security am Flughafen<br />
Frankfurt, den größten Werkschutz<br />
in Deutschland, insgesamt 31 Jahre<br />
lang war er als Security- Spezialist des<br />
Flughafens tätig. Für die IHK Frankfurt<br />
und Rheinhessen sitzt er in der Prüfungskommission<br />
und ist zudem Mitglied<br />
in der Vereinigung für die Sicherheit<br />
der Wirtschaft e.V.<br />
Sein Vorgesetzter Volkmar Hartmann,<br />
SIS-Leiter für den Campus<br />
Langen, ist des Lobes voll, wenn er<br />
auf seinen neuen Werkschutz-Chef zu<br />
sprechen kommt: „Mit Herrn Sagerer<br />
ist uns ein Glücksgriff gelungen. Seine<br />
langjährige Erfahrung gibt uns die<br />
Möglichkeit, unser Sicherheitskonzept<br />
Gerd Sagerer (links), Leiter des Werkschutzes am Standort Langen, und sein Vorgesetzter Volkmar Hartmann (rechts)<br />
wollen das Bewusstsein der DFS-Mitarbeiter für das Thema Sicherheit auf dem Campus weiter schärfen.<br />
30 transmission 2 – <strong>2013</strong>
zu überprüfen und über Jahre eingeschliffene<br />
Abläufe neu zu hinterfragen.“<br />
Schon bei seinem ersten Besuch<br />
auf dem DFS-Campus, als er zum Vorstellungsgespräch<br />
angereist war, fielen<br />
Sagerer einige Dinge auf, die ihn<br />
verblüfften. So ließ ihn das Sicherheitspersonal<br />
am zentralen Campus-<br />
Zugang ungehindert passieren, als<br />
er dort nach dem Weg zur Unternehmenszentrale<br />
fragte. „Niemand wollte<br />
meinen Ausweis sehen“, erinnert er<br />
sich. Das gehörte zum Konzept: Als<br />
Zeichen von Bürgernähe wurde der<br />
DFS-Campus bewusst offen gestaltet.<br />
Gerd Sagerer hat Werkzeugmacher<br />
gelernt. Zur Security-Branche kam er<br />
durch seinen Dienst bei der Militärpolizei,<br />
wo er eine Sicherheitsausbildung<br />
absolvierte. Während seiner Arbeit am<br />
Frankfurter Flughafen erlebte er als<br />
Einsatzleiter die Auseinandersetzungen<br />
um den Bau der Startbahn West<br />
ebenso wie das Bombenattentat auf<br />
das Terminal 1 und war bei mehreren<br />
Bombendrohungen sowie einer<br />
Flugzeugentführung als Sicherheitsverantwortlicher<br />
des Flughafens vor<br />
Ort. Diese Erfahrung gab den Ausschlag:<br />
„Herr Sagerer hat gleich bei<br />
seinen ersten Rundgängen auf dem<br />
Campus etliche Mängel erkannt, die<br />
jemandem ohne einen durch langjährige<br />
Praxis geübten Blick kaum aufgefallen<br />
wären“, sagt der SIS-Leiter.<br />
Von diesem geübten Blick hat mittlerweile<br />
schon mancher in der DFS<br />
profitiert: Sagerer schaut sich einzelne<br />
Bereiche an, benennt mögliche<br />
Sicherheitslücken, schreibt einen<br />
Bericht und macht Vorschläge, was<br />
man verbessern könnte, welche Maßnahmen<br />
dazu nötig wären und was das<br />
kosten würde. Oft geht es um ganz<br />
einfache Dinge, wie zum Beispiel die<br />
Aufbewahrung von Schlüsseln, das<br />
Schließen von Fenstern und Türen<br />
Überwachungstechnik in der Leitstelle des Notrufservice am zentralen Zugang zum<br />
DFS-Campus in Langen. Das technische Equipment für einen sicheren Campus befindet<br />
sich auf hohem Niveau.<br />
oder den Verzicht auf das Mobiltelefon<br />
bei wichtigen Besprechungen wegen<br />
der Abhörsicherheit. Ob die Führungskräfte<br />
seinen Vorschlägen folgen, liegt<br />
in deren Ermessen. Sie entscheiden<br />
letztlich, inwieweit sie mögliche Risiken<br />
vernachlässigen können.<br />
Die ersten 100 Tage DFS hat Sagerer<br />
genutzt, um sich ein umfassendes<br />
Bild zu machen. Auf dieser Grundlage<br />
hat er eine detaillierte Sicherheitsanalyse<br />
erstellt und ein Konzeptpapier<br />
erarbeitet. Sein Fazit: „Wir können die<br />
Sicherheit auf dem Campus erhöhen,<br />
ohne dafür Geld auszugeben. Es ist<br />
alles vorhanden, was es dazu an Organisation<br />
und Equipment braucht.“<br />
Ein erster Schritt wäre für ihn, wenn<br />
der Campus nachts und am Wochenende<br />
nicht mehr frei zugänglich wäre<br />
und wenn die Mitarbeiter ihre DFS-Ausweise<br />
auf dem Campus offen und gut<br />
sichtbar tragen – so, wie es in einer<br />
Richtlinie vorgeschrieben ist. Mögliche<br />
Neuerungen sollen behutsam und in<br />
enger Abstimmung mit den Mitarbeitervertretungen<br />
erfolgen. „Wir wollen<br />
den Mitarbeitern nichts aufzwingen“,<br />
betont Volkmar Hartmann. Statt dessen<br />
soll mit einer Awareness-Kampagne<br />
das Bewusstsein der Mitarbeiter<br />
für das Thema geschärft werden.<br />
Dass dort Bedarf besteht, weiß<br />
Sagerer aus vielen Gesprächen mit<br />
Mitarbeitern. Dabei erfuhr er von aus<br />
Büros verschwundenen Kaffeemaschinen<br />
und Laptops ebenso wie vom<br />
Diebstahl von 80 Kilo Kupfer und 100<br />
Quadratmeter Trittschalldämmung auf<br />
der Baustelle des neuen Technikzentrums.<br />
„Mitarbeiter stellen des öfteren<br />
fest, dass Dinge aus dem Büro verschwunden<br />
sind“, sagt Sagerer. „Nur<br />
wird das oft gar nicht gemeldet.“<br />
Anfang August erst spazierte ein<br />
Mann auf den Campus und stahl das<br />
angeschlossene Fahrrad eines DFS-<br />
Mitarbeiters im Wert von 1.100 Euro.<br />
Und im Mai war es einem Kriminellen<br />
aus Langen gelungen, über die Tiefgarage<br />
in die Unternehmenszentrale<br />
einzudringen. Dort entwendete er aus<br />
einer Handtasche die Geldbörse einer<br />
Mitarbeiterin, die ihr Büro für kurze<br />
Zeit verlassen hatte. Der Mann konnte<br />
zwar mit Hilfe des Sicherheitsdienstes<br />
im Foyer gestellt und an die Polizei<br />
übergeben werden, aber dass er<br />
ungehindert an die Geldbörse gelangen<br />
konnte, war kein Zufall: Die Tür<br />
des leeren Büros stand offen.<br />
Holger Matthies<br />
transmission 2 – <strong>2013</strong> 31
Partner & Kunden<br />
Über die Grenzen<br />
Die DFS ist in einer Vielzahl von internationalen Gremien und Organisationen aktiv. Dort finden<br />
entscheidende Weichenstellungen für das Thema Safety statt. Den Einsatz der DFS-Spezialisten<br />
koordiniert der Bereich Internationale Angelegenheiten mit seinem Leiter Rüdiger Schwenk.<br />
Das Dokument ICAO DOC<br />
9859 AN/474 ist ein zentrales<br />
Papier der internationalen<br />
Zivil-Luftfahrt-Organisation ICAO<br />
zum Thema Safety: Es enthält das<br />
Safety Management Manual (SMM)<br />
und umfasst 215 DIN A4-Seiten. Darin<br />
sind alle Empfehlungen der ICAO für<br />
die Standards zum Thema Sicherheit<br />
erfasst. „Diese Anforderungen sind<br />
Empfehlungen, die die Umsetzung<br />
der verbindlichen Standards unterstützen“,<br />
sagt Rüdiger Schwenk. In<br />
diesem Monat jedoch, im November<br />
<strong>2013</strong>, bringt die ICAO einen neuen<br />
Anhang, den Annex 19, zum Thema<br />
Safety Management heraus. Die<br />
Annexe zum internationalen Luftfahrtabkommen<br />
sorgen für eine einheitliche<br />
Handhabung der verschiedensten<br />
praktischen Aspekte der Luftfahrt –<br />
sie haben verbindlichen Charakter<br />
und sichern damit festgeschriebene<br />
Standards für jedes Land im internationalen<br />
Flugverkehr. Im Annex 19<br />
sind alle Safety-Aspekte, die bislang in<br />
verschiedenen Dokumenten verstreut<br />
auftauchen, in einem Papier zusammengefasst.<br />
Sie sind nunmehr für die<br />
ICAO-Mitglieder offiziell bindend und<br />
haben nicht mehr nur empfehlenden,<br />
sondern normativen Charakter.<br />
Rüdiger Schwenk verantwortet den Bereich Internationale Angelegenheiten,<br />
der den internationalen Einsatz der DFS-Fachkräfte koordiniert.<br />
Foto: Melanie Bauer<br />
Rüdiger Schwenk verantwortet bei<br />
der DFS den Bereich Internationale<br />
Angelegenheiten VE/I. Zuvor hat er<br />
sieben Jahre lang das DFS-Büro in<br />
Brüssel geleitet. Sein Bereich steuert<br />
und koordiniert die Mitarbeit der DFS<br />
in internationalen Gremien und Organisationen,<br />
in denen sich das Unternehmen<br />
mit fachlicher Expertise oder politisch<br />
engagiert. Zugleich koordiniert<br />
das VE/I-Team bereichsübergreifende<br />
Themen, zu denen es die Meinungen<br />
formuliert, die das Unternehmen dann<br />
nach Außen vertritt. „Die DFS ist international<br />
in über 100 Gremien vertreten“,<br />
sagt Schwenk. Dazu zählen<br />
neben der ICAO Organisationen wie<br />
die CANSO (Civil Air Navigation Services<br />
Organization), die europäische<br />
Agentur für Flugsicherheit EASA, die<br />
europäische <strong>Flugsicherung</strong>sorganisation<br />
EUROCONTROL und eine ganze<br />
Reihe weiterer Organisationen. In<br />
allen geht es immer auch um Safety-<br />
Fragen.<br />
Die CANSO ist die internationale<br />
Organisation der <strong>Flugsicherung</strong>sorganisationen,<br />
der ANSPs (Air Navigation<br />
Services Provider). Speziell für das<br />
Thema Sicherheit gibt es dort zwei<br />
Arbeitsgruppen – die CANSO European<br />
Safety Directors Group und – auf<br />
globaler Ebene – das CANSO Safety<br />
Standing Commitee. In beiden Gruppen<br />
ist die DFS durch Hans-Jürgen<br />
Morscheck vertreten, den Leiter des<br />
Bereichs Unternehmenssicherheitsmanagement<br />
VY (siehe dazu Beitrag<br />
auf den Seiten 6 bis 9). Beide Gruppen<br />
dienen als Plattform für den Austausch<br />
von Daten und Erfahrungen<br />
zwischen den ANSPs. Daneben erstellen<br />
sie Materialien, die zum einen den<br />
aktuellen Sachstand zu bestimmten<br />
Themen dokumentieren und zum<br />
anderen als Positionspapiere im Dialog<br />
mit anderen Organisationen verwendet<br />
werden. Zu denen gehören<br />
unter anderem die Gewerkschaften,<br />
denn die CANSO vertritt in Europa die<br />
ANSPs als Arbeitgeber auch im sozialen<br />
Dialog mit den Arbeitnehmerorganisationen.<br />
Dabei spielen Safety-Fragen<br />
eine wichtige Rolle, wie etwa beim<br />
Thema Just Culture. „Just Culture ist<br />
ein Thema, das die Gewerkschaften<br />
32 transmission 2 – <strong>2013</strong>
ewegt“, sagt Rüdiger Schwenk. „Dort<br />
wollen sie mit eingebunden werden.“<br />
Deshalb hat die CANSO mit der Europäischen<br />
Transportarbeiter-Föderation<br />
ETF ein gemeinsames Positionspapier<br />
zu diesem Thema erarbeitet.<br />
Die CANSO ist zudem das Sprachrohr<br />
der ANSPs gegenüber staatlichen<br />
Organisationen wie der EU,<br />
EASA, ICAO oder EUROCONTROL. Zu<br />
diesem Zweck hat sie ein Regionalbüro<br />
für europäische Angelegenheiten<br />
gegründet und verfügt über eigenes<br />
Personal und eigene Strukturen<br />
auf CEO-Ebene. „Was immer an europäischen<br />
Entwicklungen für uns relevant<br />
ist, diskutieren wir zuerst auf der<br />
allgemeinen Ebene“, erklärt Schwenk.<br />
„Wenn wir der Meinung sind, dass<br />
etwas wichtig ist, rufen wir eine entsprechende<br />
Arbeitsgruppe ins Leben,<br />
in die wir unsere Spezialisten entsenden.“<br />
Für das Thema Safety gibt es<br />
dazu unter der CEO-Ebene eine Ebene<br />
mit den Safety-Direktoren der einzelnen<br />
ANSPs, auch hier ist für die<br />
DFS der Leiter des Unternehmenssicherheitsmanagements<br />
Hans-Jürgen<br />
Morscheck zuständig. Ein aktuelles<br />
Beispiel hierfür ist der Regulierungsentwurf<br />
SES 2+ der Europäischen<br />
Kommission zur Neustrukturierung<br />
des europäischen Luftraums. Dort ist<br />
Safety einer der vier Schlüsselbereiche<br />
im SES Performance Plan „Wir<br />
haben eine Struktur, die zum einen<br />
das Gesamtsystem erfasst und uns<br />
zum anderen die Arbeit auf Expertenebene<br />
ermöglicht und dieses konsistent<br />
zusammenführt“, betont Rüdiger<br />
Schwenk.<br />
Der Flughafen Brüssel-Zaventem. Brüssel<br />
ist Sitz verschiedener Organe der<br />
Europäischen Union sowie der <strong>Flugsicherung</strong>sorganisation<br />
EUROCONTROL.<br />
Die DFS unterhält dort ein eigenes Büro.<br />
Foto: H. Matthies<br />
In Staatenorganisationen wie ICAO,<br />
EUROCONTROL oder EASA kann die<br />
DFS auf zwei verschiedenen Wegen<br />
mitarbeiten: Einmal über ihre Mitgliedschaft<br />
in der CANSO und ein anderes<br />
Mal als Vertreter der Bundesrepublik<br />
im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums<br />
(BMVBS). Das BMVBS kann<br />
die DFS anweisen, Experten als Berater<br />
in die Arbeitsgruppen bestimmter<br />
Gremien und Organisationen zu entsenden.<br />
Grundlage dafür ist eine Rahmenvereinbarung<br />
zwischen Ministerium<br />
und DFS aus dem Jahre 1993.<br />
Derzeit entwickelt die europäische<br />
Agentur für Flugsicherheit EASA neue<br />
Regularien für die Lizenzierung von<br />
Fluglotsen, die DFS arbeitet dabei<br />
über den Verband CANSO mit. „Das<br />
ist für uns relevant und bestimmte<br />
Aspekte dabei betreffen auch das<br />
Thema Safety zu“, erklärt Schwenk.<br />
Gemeinsam mit seinen Key Accounts<br />
koordiniert er den Einsatz der DFS-<br />
Spezialisten auf den Fachebenen der<br />
internationalen Gremien.<br />
Wird die DFS bei einem Thema<br />
nicht vom BMVBS um Entsendung<br />
von Experten gebeten, prüfen Rüdiger<br />
Schwenk und seine Mitarbeiter: Hat<br />
die DFS ein Interesse? Ist das Thema<br />
für das Unternehmen von Bedeutung?<br />
Soll die DFS sich personell beteiligen<br />
oder reicht es, schriftlich Stellung zu<br />
nehmen? Oft fragen auch die Fachbereiche<br />
bei VE/I an, ob es Sinn hat, an<br />
bestimmten Sitzungen oder Veranstaltungen<br />
teilzunehmen. „Das wägen<br />
wir dann gemeinsam ab“, erklärt<br />
Schwenk. Damit sein Bereich immer<br />
genau weiß, wo überall DFS-Spezialisten<br />
im Einsatz sind, gibt es eine Vereinbarung,<br />
dass die Fachbereiche ihre<br />
Vertretung und ihr Engagement in den<br />
nationalen und internationalen Gremien<br />
bei VE/I anzeigen. Aufgabe von<br />
VE/I ist auch, die Fachbereiche auf<br />
aktuelle Entwicklungen hinzuweisen<br />
und sie zu aktivieren, sich mit diesen<br />
zu beschäftigen. Das gilt nicht zuletzt<br />
auch für das Thema Safety. „Luftverkehr<br />
ist international“, sagt Schwenk.<br />
„Deshalb brauchen wir internationale<br />
Standards. Und deshalb ist es wichtig,<br />
dass wir auf internationaler Ebene<br />
zusammenarbeiten.“<br />
Holger Matthies<br />
Key Account Manager<br />
Internationale<br />
Angelegenheiten:<br />
Annette Bremes (EUROCONTROL)<br />
Maria Willert (EU und CANSO)<br />
Torsten Jacob (ICAO)<br />
Dr. Klaus-Dieter Ehrhardt (europäische<br />
Normungsorganisation ETSI)<br />
Andrea Gartemann (EASA)<br />
Gudrun Held (Büro Brüssel)<br />
Ralf Reiser (pflegt VEI-Portal sowie<br />
LSS-IP im Auftrag des BMVBS)<br />
transmission 2 – <strong>2013</strong> 33
DFS intern<br />
Fünf-Punkte-Programm zur Leistungssteigerung<br />
Die DFS-Geschäftsführung hat ein Fünf-Punkte-Programm gestartet, um das Unternehmen wirtschaftlich<br />
und operativ leistungsfähiger zu machen. Ziel ist es unter anderem, bis zum Jahr 2019<br />
die jährlichen <strong>Ausgabe</strong>n um 100 Millionen Euro zu reduzieren.<br />
Das Programm konzentriert sich<br />
auf die fünf Punkte Personalwesen,<br />
Kapazität der Flugverkehrsdienste,<br />
Produktivitätssteigerung, Zusammenarbeit<br />
der <strong>Flugsicherung</strong>en in Europa<br />
und das preisfinanzierte Geschäft.<br />
Schwerpunkte des Programms sind<br />
die Effizienzsteigerung und die Kostensenkung.<br />
Knapp 1,1 Milliarden Euro<br />
gibt die DFS jedes Jahr aus, davon<br />
sind rund 800 Millionen Personalkosten.<br />
„Wir müssen uns auf die Kernaufgaben<br />
und Kernkompetenzen konzentrieren<br />
und den Personalbestand daran<br />
anpassen“, sagt der Vorsitzende der<br />
Geschäftsführung, Professor Klaus-<br />
Dieter Scheurle.<br />
Die Geschäftsführung will die natürliche<br />
Fluktuation nutzen, um die Mitarbeiterkapazität<br />
bis 2019 zu reduzieren.<br />
Frei werdende Stellen werden nur<br />
noch nachbesetzt, wo es unbedingt<br />
notwendig ist. Betriebsbedingte Kündigungen<br />
sind nicht vorgesehen.<br />
In den vergangenen Jahren sind<br />
die Kosten der DFS erheblich stärker<br />
gestiegen als der Luftverkehr. Die DFS<br />
ist im europäischen Vergleich zwar<br />
sehr produktiv, aber auch sehr teuer.<br />
Die Gesamtkosten für die Bereitstellung<br />
der <strong>Flugsicherung</strong>sleistung pro<br />
Flugstunde sind überdurchschnittlich<br />
hoch. Die deutsche <strong>Flugsicherung</strong> ist<br />
teurer als andere vergleichbare europäische<br />
<strong>Flugsicherung</strong>sdienstleister.<br />
„Auch wenn wir den komplexesten<br />
Luftraum in Europa zu kontrollieren<br />
haben, müssen wir selbstkritisch eingestehen,<br />
dass wir in den vergangenen<br />
Jahren stetig steigende Kosten zu<br />
verantworten hatten“, sagt Professor<br />
Scheurle. „Das Fünf-Punkte-Programm<br />
wird dem entgegenwirken.“<br />
red<br />
Lettische <strong>Flugsicherung</strong> LGS nutzt Anwendung<br />
der DFS für ihre Radaranlagen<br />
Die lettische <strong>Flugsicherung</strong> Latvijas Gaisa Satiksme (LGS) setzt zukünftig den Mode S Interrogator<br />
Code Conflict Alerter (MICCA) der DFS ein, mit dem Mode-S-Zielerfassungsprobleme der Radaranlagen<br />
in Echtzeit erkannt und dargestellt werden können.<br />
Die Anwendung ermöglicht insbesondere<br />
die Identifizierung so genannter<br />
Abfragecodekonflikte, die dazu<br />
führen, dass Luftfahrzeuge teilweise<br />
von einem oder mehreren Mode-S-<br />
Sensoren nicht erkannt werden. Damit<br />
erfüllt die LGS die Anforderungen der<br />
Europäischen Kommission aus Artikel<br />
7, Verordnung 262/2009, die von<br />
<strong>Flugsicherung</strong>sorganisationen der<br />
Mitgliedsländer eine rechtzeitige und<br />
damit echtzeitnahe Erfassung solcher<br />
Abfragecode-Konflikte fordert. Die Installation<br />
der Anwendung, die Anpassung<br />
an die lokale Infrastruktur sowie<br />
die Schulung des Personals sollen im<br />
Februar 2014 abgeschlossen sein.<br />
Die DFS-Anwendung MICCA erkennt<br />
sowohl falsche als auch verspätete<br />
und fehlende Mode-S-Zielerfassungen,<br />
wie sie beispielsweise bei Abfragecode-Konflikten<br />
auftreten. Diese entstehen,<br />
sobald zwei Mode-S-Sensoren<br />
mit überlappendem Abdeckungsbereich<br />
für die Zielerfassung denselben<br />
Code verwenden. So werden Luftfahrzeuge<br />
möglicherweise von mindestens<br />
einem der Mode-S-Systeme im<br />
Überlappungsbereich nicht entdeckt.<br />
Die DFS nutzt die Eigenentwicklung<br />
MICCA seit 2010 zur Überwachung<br />
ihrer Mode-S-Anlagen.<br />
red<br />
34 transmission 2 – <strong>2013</strong>
Neue Leiter für die Center<br />
Langen und München<br />
Armin Beirle, bisher Leiter der Center-Niederlassung München,<br />
ist jetzt Leiter des Centers Langen. Sein Nachfolger in München<br />
ist Wolfgang Bretl, bisher Chief of Section im Center Karlsruhe.<br />
Der bisherige Leiter des Centers Langen, Thomas Hoffmann, hat die DFS verlassen,<br />
um Anfang 2014 in den Vorstand der Austro Control <strong>GmbH</strong> einzutreten.<br />
Impressum<br />
transmission<br />
Das Magazin der DFS<br />
Herausgeber:<br />
DFS <strong>Deutsche</strong> <strong>Flugsicherung</strong> <strong>GmbH</strong><br />
Michael Kraft, Leiter<br />
Unternehmenskommunikation<br />
Redaktion:<br />
Sandra Ciupka (verantwortlich)<br />
Tel.: +49 (0)6103 707-4122<br />
E-Mail: sandra.ciupka@dfs.de<br />
Christopher Belz<br />
Tel.: +49 (0)6103 707-4121<br />
E-Mail: christopher.belz@dfs.de<br />
Holger Matthies<br />
Tel.: +49 (0)6103 707-4124<br />
E-Mail: holger.matthies@dfs.de<br />
Armin Beirle<br />
GBAS-Bauarbeiten im<br />
vollen Gang<br />
Die Bauarbeiten zur Errichtung der satellitengestützten Präzisionsanflughilfe<br />
„Ground Based Augmentation System“ (GBAS)<br />
am Flughafen Frankfurt gehen voran. Die Installation der Navigationseinrichtung<br />
am Boden wird von 2014 an erstmalig satellitengestützte<br />
Präzisionsanflüge an einem internationalen Luftverkehrsdrehkreuz<br />
in Europa ermöglichen.<br />
Die Errichtung von GBAS am Flughafen<br />
Frankfurt ist ein Partnerprojekt<br />
der DFS und Fraport. Mit der Umsetzung<br />
wird der internationale Modellcharakter<br />
des Rhein-Main-Airports in<br />
Sachen aktiver Lärmschutz unterstrichen<br />
und ein Punkt des Maßnahmenpaketes<br />
der Allianz für Lärmschutz<br />
umgesetzt. Fraport und DFS erhoffen<br />
sich von GBAS einen wichtigen Beitrag<br />
Wolfgang Bretl<br />
zu mehr Effizienz und zu lärmmindernden<br />
Anflugverfahren.<br />
Darüber hinaus könnten sich für<br />
Frankfurt positive kapazitive und wirtschaftliche<br />
Effekte ergeben. Das neue<br />
Landesystem soll langfristig auch<br />
segmentierte oder gekurvte Anflüge<br />
ermöglichen – mit dem positiven<br />
Effekt einer Lärmentlastung.<br />
red<br />
Rüdiger Mandry (Schlussredaktion)<br />
Tel.: +49 (0)6103 707-4195<br />
E-Mail: ruediger.mandry@dfs.de<br />
Layout und Umsetzung:<br />
bsmediengestaltung, Egelsbach<br />
www.bsmediengestaltung.de<br />
Titelbild<br />
Idee und Umsetzung –<br />
bsmediengestaltung<br />
Bildnachweis<br />
bsmediengestaltung S. 9, 25, 27<br />
Anschrift der Redaktion:<br />
DFS <strong>Deutsche</strong> <strong>Flugsicherung</strong> <strong>GmbH</strong><br />
Redaktion transmission<br />
Am DFS-Campus 10<br />
63225 Langen<br />
E-Mail: transmission@dfs.de<br />
Nachdruck nur mit Genehmigung.<br />
transmission 2 – <strong>2013</strong> 35
NEUHEIT: DFS Pilot Line<br />
Von Piloten für Piloten entwickelt!<br />
Die Zubehörserie DFS Pilot Line ist speziell auf die Wünsche von Piloten ausgerichtet<br />
und besteht aus folgenden Produkten:<br />
– Flight Bag (Size S oder M)<br />
– Kniebrett<br />
– Kniebrett für iPad / iPad mini<br />
– Flight Cap<br />
Die Flight Bags bieten reichlich Platz für alles, was der Pilot im Cockpit benötigt.<br />
Herausnehmbare Unterteiler ermöglichen dem Piloten eine individuelle Aufteilung des<br />
großen Hauptfaches.<br />
Verschiedene Fächer des zweiteilig aufklappbaren Kniebretts bieten genügend<br />
Stauraum für Ihre ICAO-Karten, Karten aus der AIP VFR, Kursdreieck, Notizblock oder<br />
auch Ihr iPad.<br />
Die verstellbare Flight Cap ist die ideale Kappe für Headset-Träger, denn der Knubbel<br />
auf dem Kopf wurde weggelassen.<br />
Als Wiedererkennungsmerkmal schmückt ein abnehmbarer Button die DFS Pilot<br />
Line. Standardmäßig ist der Button mit dem DFS-Logo versehen, der jedoch nach Ihren<br />
Wünschen personalisiert werden kann. Ob Verein, Club oder Schule – wählen Sie<br />
Ihr eigenes Logo aus & schon ist die Tasche, Kniebrett oder die Kappe individualisiert.<br />
www.dfs-aviationshop.de | customer-support@dfs.de | +49(0)6103/707-1205