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Forum Single - ERF

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<strong>ERF</strong> Medien<br />

Berliner Ring 62 35 5 76 Wetzlar<br />

www.erf.de<br />

<strong>Forum</strong> <strong>Single</strong> auf <strong>ERF</strong> Plus vom 28.Oktober 2013<br />

Kein Leben zweiter Klasse – Perspektiven für <strong>Single</strong>s<br />

Ingrid Heinzelmaier<br />

Mein Papa hat bei der Bahn gearbeitet. Als Studentin konnte ich dann beim Zug<br />

fahren auch mal in der ersten Klasse einsteigen. Dann saß ich zwischen lauter<br />

Business - Leuten im Nadelstreif und habe die Ruhe im Abteil genossen und die<br />

Beinfreiheit zwischen den Sitzen. „Erste Klasse“ fahren war schon eine angenehme<br />

Sache – besonders dann, wenn die Züge voll waren. Andere Studentinnen und<br />

Studenten drängten sich vielleicht stehend im Gang der zweiten Klasse.<br />

Jetzt bin Ich jetzt 50 + und all die Jahrzehnte <strong>Single</strong> gewesen. Und ganz ehrlich:<br />

Manchmal hat sie auch bei mir angeklopft, diese hartnäckige Frage, ob denn das<br />

Nichtverheiratetsein so etwas wäre wie ein Ticket zweiter Klasse auf der Fahrt<br />

durchs Leben. Das <strong>Single</strong>leben ist nicht von Jugend an mein Herzenswunsch<br />

gewesen. Aber es ist nun mal so geworden. Mit 17 habe ich mein Leben einem<br />

allmächtigen Gott anvertraut. Ich habe ihn damals gebeten, dass er Regie über alles<br />

führt. Darum kann ich in meinem <strong>Single</strong>sein keinen Zufall sehen und auch keinen<br />

Fehler in der göttlichen Planung. Wenn ich davon ausgehe, Gott hat sich etwas<br />

gedacht mit meinem Leben, dann kann mir auch in diesem Lebensstand ein Gott<br />

begegnen, der es gut meint mit mir.<br />

Das ist also der erste Leitgedanke:<br />

Gott meint es gut mit Ihnen und mit mir<br />

Es ist mir durchaus bewusst, dass dieser Satz eine Zumutung sein kann – z.B. wenn<br />

der Schmerz übers Alleinsein und die verlorene Partnerschaft bohrt. Und gleichzeitig<br />

weiß ich: Es mag zwar einfach, vielleicht sogar banal klingen – aber es ist die<br />

Gesamtaussage der Bibel: Gott meint es gut mit den Menschen - das ist die Mitte<br />

des Evangeliums. Dabei ist das Buch der Bücher in keiner Weise lebensfremd. Alle<br />

Schrecklichkeiten des Lebens in dieser Welt werden darin so offen und ehrlich<br />

geschildert, dass wir Modernen es oft kaum ertragen können – weil so etwas nicht in<br />

unseren Erwartungshorizont passt.<br />

Die Autoren der Bibel verschweigen nicht das Leid und den Schmerz. Sie kennen<br />

Lebensbrüche und bittere Enttäuschungen. Aber in all dem reden sie von einem<br />

Gott, der zu den Menschen gekommen ist und immer wieder kommt. Dabei will<br />

dieser Gott nicht strafen und richten, sondern uns Menschen erlösen von einem<br />

Leben ohne ihn. Er will Menschen, die sich ihm anvertrauen, freisprechen von den


2<br />

Folgen eines verfehlten Lebensstils. Wenn wir Gott in der Mitte unseres Lebens<br />

wohnen lassen, kommen wir hinein in die „Fülle“ des Lebens.<br />

Jesus beschreibt sich selbst im Johannesevangelium als einen guten Hirten. Damit<br />

will er sagen: Er ist in diese Welt gekommen nicht wie ein Dieb, der die Schafe eines<br />

anderen stiehlt, schlachtet und umbringt. Nein, die Absicht des Guten Hirten für seine<br />

Schafe ist und bleibt: Sie sollen „Leben und volle Genüge“ haben<br />

( Joh.10:10). Eine andere Bibelübersetzung schreibt an dieser Stelle von einem<br />

„Leben im Überfluss“. Damit ist nicht materieller Luxus gemeint, sondern<br />

Lebensqualität, überfließendes Leben. Ein Leben, das andere ansteckt mit seinem<br />

Glück. Warum sollte das für Verheiratete mehr gelten als für <strong>Single</strong>s?<br />

Das Leben in Fülle ist ein Geschenk von Gott. Wie das bei Geschenken so ist - wir<br />

müssen sie auspacken. Päckchen, die wochenlang unausgepackt in einer Ecke<br />

liegen, machen keine Freude. Ein anderes Beispiel: Eine Tüte mit Samen muss<br />

geöffnet werden. Erst wenn der Samen in die Erde fällt, keimt und das junge<br />

Pflänzlein Wasser bekommt, wenn es dann Raum zum Wachsen erlebt durch das<br />

Jäten von Unkraut, das ihm den Platz zum Leben streitig machen will – erst dann<br />

wächst Frucht. Es entsteht eine Pflanze, an der wir Freude haben oder die uns nährt.<br />

So ist es auch mit den Versprechen von Gott. Menschen müssen sie hören, das ist<br />

Voraussetzung. Sie wirken aber erst dann, wenn ich sie annehme und in Anspruch<br />

nehme. Wenn ich sie auspacke - wie ich ein Geschenk auspacken muss. Das gilt<br />

auch für eine weitere Grundsatzaussage aus dem Neuen Testament, die mich seit<br />

meinem 17.Lebensjahr beschäftigt und nicht losgelassen hat.<br />

„Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten gereichen.“<br />

Der Apostel Paulus im Römerbrief, Kapitel 8, V 28. Alle Dinge …. Wow. Bei „alle<br />

Dinge“ hab ich damals mit 17 Jahren zum Beispiel an den Sportunterricht gedacht.<br />

Das war mein persönlicher kleiner Alptraum – weil ich da ständig mit Haltungen und<br />

Übungen konfrontiert worden bin, die ich nicht gut oder gar nicht hingekriegt habe.<br />

Ich hab das auch zu spüren bekommen. Nie vergessen habe ich, wie ich zum<br />

Beispiel vor den starrenden Augen von fünfundzwanzig Mitschülerinnen über einen<br />

Schwebebalken gehen sollte; mit Zaudern und Zittern und Angst vor dem freien Fall.<br />

Als ich dann gefährlich ins Schwanken kam, hat die Lehrerin mich auffangen können.<br />

Heute mache ich übrigens regelmäßig Sport und weiß, ohne Gymnastik und Fitness<br />

würde ich meinen Alltag nicht schaffen. Damals habe ich es nicht erkennen können,<br />

aber heute weiß ich, dass sportliche Betätigung in der Tat mir „zu meinem Besten<br />

gereicht.“<br />

Trotzdem bleibt es ein steiler Satz von Paulus, dieses „Wer Gott liebt, dem gereichen<br />

alle Dinge zum Besten“. Oder etwas anders übersetzt: „ Alles wirkt zum Besten<br />

zusammen denen, die Gott lieben“. Zu diesen Dingen, die mir und Ihnen zum Besten<br />

gereichen oder dienen können, gehört auch mein Leben als <strong>Single</strong> - oder Ihr Leben<br />

als <strong>Single</strong> oder als Verheirateter. Der Lebensstand an sich ist keine Garantie fürs<br />

Glücklichsein im Leben. Es gibt in dieser Welt zu viele unglücklich Verheiratete. Und<br />

es gibt zu viele, die unglücklich in ihrem <strong>Single</strong>leben verharren. Weder das eine noch<br />

das andere macht an sich glücklich oder unglücklich. Die Grundlage fürs<br />

Glücklichsein liegt in der Beziehung zu Gott. Ein Mensch, der innerlich unruhig und<br />

unzufrieden ist, kann sich in jedem Lebensstand belastet und beladen fühlen. Wer


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aber in einer liebevollen Gemeinschaft mit einem großen Gott lebt, wer sich vom<br />

Schöpfer geliebt weiß, der kann in jedem Lebensstand rundherum glücklich sein.<br />

Gott hat nichts vergessen von dem, was mein Leben braucht und was mein Leben<br />

gut macht. Das von Gott für mich ausgesuchte Lebenspaket enthält alles, was ich<br />

brauche, um glücklich zu werden in dieser Welt. Es stimmt, Gott hat mit der Ehe<br />

etwas absolut Geniales und Wunderbares geschaffen. Das will ich in keiner Weise<br />

abstreiten oder abwerten. Wer aber von einem Lebenspartner die letzte Erfüllung<br />

erwartet, die nur Gott schenken kann, überfordert den anderen. Überfordert den<br />

Menschen und die Beziehung. Solche überforderten Beziehungen sind wenig<br />

krisenfest und belastbar. Beispiele dafür kennen Sie wahrscheinlich aus Ihrem<br />

persönlichen Umfeld.<br />

Vielleicht denken Sie jetzt an den berühmten Satz aus dem Schöpfungsbericht<br />

ganz am Anfang der Bibel: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm<br />

eine Gehilfin machen, die um ihn sei.“ (1.Mose 2:18) Ja, das ist wahr - aber wer als<br />

<strong>Single</strong> lebt, muss nicht alleine leben. Im letzten Teil dieses Vortrages möchte ich Sie<br />

mit hineinnehmen in Überlegungen, wie <strong>Single</strong>s Gemeinschaft finden und sich darauf<br />

einlassen können. Das ist ein großer und wichtiger Bereich.<br />

Der Apostel Paulus hatte eine erstklassige Rabbinerausbildung: er absolvierte<br />

sozusagen ein Theologiestudium mit Doktor und Summa cum laude. Den biblischen<br />

Schöpfungsbericht kannte er vermutlich auswendig. Und Paulus war <strong>Single</strong> –<br />

jedenfalls in seinen Jahren als Reiseprediger und christlicher Missionar. Er kannte<br />

das Wort: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“. Zu der Frage, ob es besser<br />

wäre verheiratet zu sein oder nicht, schreibt er: „Ich wollte zwar lieber, alle Menschen<br />

wären, wie ich bin, aber jeder hat seine eigene Gabe von Gott, der eine so, der<br />

andere so.“ (1.Kor.7:7). In diesem Zusammenhang im ersten Korintherbrief warnt er<br />

geradezu vor den geistlichen Fallstricken eines Lebens als Verheirateter. Er will<br />

sagen: Wer der Beziehung zum Partner mehr Raum gibt als der Beziehung zu Gott,<br />

nimmt seiner Partnerbeziehung und sich selbst den inneren Halt, den der Mensch<br />

braucht. Paulus betont weiterhin die Flexibilität eines ledigen Lebens, das freier ist im<br />

Einsatz für Gott. Auch dazu gibt es Abers und Einwände: Wer alleine lebt, muss zum<br />

Beispiel auch alleine einkaufen und alleine die Einkommenssteuererklärung<br />

machen. Wer für alle Dinge im persönlichen Lebensalltag alleine<br />

verantwortlich ist, braucht einfach mehr Zeit dafür und kommt öfter an seine<br />

Grenzen, weil eben nicht jeder alles gleich gut kann z.B. Lampenschirme aufhängen<br />

oder den verstopften Abfluss reinigen. Aber das Alleinleben hat darin etwas Gutes,<br />

dass man oder frau in mancher Hinsicht doch etwas flexibler ist, wo Verheiratete oft<br />

mehr gebunden sind.<br />

Der Reformator Martin Luther ist ein starkes Beispiel für einen aktiven <strong>Single</strong>, der<br />

sich von Gott gebrauchen ließ. Er hat seine tiefe Erkenntnis über Gottes Gnade<br />

geschenkt bekommen in der Zeit, als er als Mönch gelebt hat - als <strong>Single</strong><br />

eingebunden in eine feste Gemeinschaft. Das Neue Testament hat er verdeutscht in<br />

der unglaublich kurzen Zeitspanne von nur elf Wochen, als er nicht mehr Mönch,<br />

aber immer noch <strong>Single</strong> war. Erst mit über 40 Jahren hat er sich dann – zunächst<br />

wohl widerstrebend – eingelassen auf den Ehebund mit Katharina.<br />

Ich will den ersten Punkt meiner Ausführungen so zusammenfassen: „Gott meint es<br />

gut mit dir/mit mir“. Das Leben, das Gott uns schenkt, ist in vieler Hinsicht im Fluss.


4<br />

Viele Dinge und Lebensumstände ändern sich ständig. Deswegen: „Mein<br />

Alleinstehendsein ist Gottes bester Wille für mich jetzt.“ (so hat es die britische Ärztin<br />

Marjorie Foyle formuliert). Der Gott, dem ich mich anvertraut habe, weiß auch, was<br />

hinter der „nächsten Kurve“ meines Lebens kommt.<br />

Mich hat diese Einsicht befreit: Gott meint es gut mit meinem Leben. Ich stehe nicht<br />

mehr unter dem schmerzlichen Druck „Ich bin <strong>Single</strong>, lebe daher ein unvollständiges<br />

Leben – und muss deswegen ich alles Mögliche tun, um den Partner fürs Leben so<br />

schnell wie möglich zu finden!“<br />

Auf der anderen Seite ist es gut, wenn eine innere Offenheit da ist, von Gott sich<br />

auch etwas Neues schenken zu lassen. Zum Beispiel auch eine Ehe. Von einem<br />

Ehe- und Beziehungsberater habe ich gehört: Leichter findet den Partner/die<br />

Partnerin, wer nicht unter großem inneren Druck steht, wer nicht viele fest gefügte<br />

Vorstellungen hat vom Traumprinzen oder der Traumprinzessin.<br />

Ich muss nicht mehr suchen – aber ich bin frei für Dinge, die Gott schenkt. Das ist für<br />

mich die wunderbare Folge aus dieser ersten Einsicht: „Gott meint es gut mit mir“. Ich<br />

gebe zu, es gab auch bei mir Momente im Leben, wo der Geschmack der Pille<br />

„Leben als <strong>Single</strong>“ bitter geschmeckt hat. Aber das musste Gott sei Dank nicht so<br />

bleiben. Deswegen sage ich: Auf der Fahrt durch das Leben muss das Leben ohne<br />

Ehepartner kein „Ticket zweiter Klasse“ bleiben. <strong>Single</strong>leben – genauso wie das<br />

Leben in einer Ehe – ist eine Sache von Gottvertrauen. Ich muss sicher sein: So wie<br />

ich jetzt bin, hat mein Gott es für mich jetzt gewollt. Bei der Lektüre des Neuen<br />

Testaments begegnet uns ein Gott, der keine Fehler macht – auch nicht mit meinem<br />

Leben und auch nicht mit Ihrem Leben. Es ist aber auch ein Gott, der mir<br />

Wachstumskrisen nicht erspart. Er möchte, dass ich näher zu ihm komme und ihm<br />

ähnlicher werde.<br />

Der zweite Leitgedanke ist:<br />

Die Sehnsucht annehmen und erleben, wie Gott sie verändert<br />

Die Sehnsucht nach dem „Nicht allein sein“ ist in der Schöpfung angelegt. Aber die<br />

Begegnung mit dem Ehepartner ist Gott sei Dank nicht der einzige Weg, um mit<br />

dieser Sehnsucht umzugehen. Gott hat uns Menschen mit der Gabe der Kreativität<br />

geschaffen. Wir können uns „was Neues ausdenken“. Und so haben Menschen im<br />

Laufe ihrer Geschichte auch eine Fülle von Gemeinschaftsangeboten entwickelt. In<br />

ganz unterschiedlichen Formen. Das Leben in der Gemeinschaft ist auch ein<br />

Geschenk von Gott an die christlichen Gemeinde.<br />

Vielleicht gehören Sie ja zu denen, die nur gelegentlich mal in eine Kirche gehen.<br />

Weil Sie dort niemand kennen und weil Sie sich dort nicht besonders wohl fühlen.<br />

Dann könnte es sein, dass Sie den Satz vom „Leben in der Gemeinschaft als einem<br />

Geschenk von Gott für seine Gemeinde“ etwas provozierend finden. Aber es geht ja<br />

nicht nur um den – oft etwas ausbaufähigen – Ist-Zustand. Es geht darum, wie Gott<br />

sich das eigentlich gedacht hat. Um die Perspektive.<br />

Im Griechischen – der Originalsprache des Neuen Testaments - gibt es ein ganz<br />

besonderes Wort für Gemeinschaft. Es heißt „koinoinia“ (gr κοινωνία) und bedeutet<br />

„Gemeinschaft durch Teilhabe“. Das beschreibt sowohl die Beziehung zu Jesus als


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auch die Beziehungen innerhalb der ekklēsía (gr.ἐκκλησία), was wörtlich die<br />

„Herausgerufenen“ bedeutet. Der Evangelist Lukas beschreibt diese „koinoinia“ in<br />

seiner Apostelgeschichte, das heißt in seinem Buch über das Leben der ersten<br />

Christen. Durch die Berührung und Erfüllung mit Gottes Geist erlebten sich diese<br />

Menschen zusammengebunden in eine Gemeinschaft, die auffiel und nach außen<br />

attraktiv wirkte, andere anzog. Dabei war das Leben in der Antike im Vergleich mit<br />

unserer Kultur schon sehr gemeinschaftsintensiv. Großfamilien wohnten oft in einem<br />

Haus. <strong>Single</strong>s fanden ein Zuhause bei Freunden oder ihren Arbeitgebern. Aber jetzt<br />

taucht da eine völlig neue Qualität von Gemeinschaft auf. „Sie blieben beständig in<br />

der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.“<br />

(Apg.2:42) – so im vertrauten Lutherdeutsch. Oder nach einer modernen<br />

Übersetzung: „Was das Leben der Christen prägte, waren die Lehre, in der die<br />

Apostel sie unterwiesen, ihr Zusammenhalt in gegenseitiger Liebe und<br />

Hilfsbereitschaft, das Mahl des Herrn und das Gebet.“<br />

Beständig beisammen bleiben … Nun, die 3000 Menschen, die laut biblischem<br />

Bericht am Pfingsttag zur christlichen Gemeinde fanden, wohnten ganz bestimmt<br />

nicht zusammen in einem riesigen Hochhaus. Sie fanden sich da, wo sie lebten, etwa<br />

in kleinen Gruppen in der Nachbarschaft. Ihr Glaube an den Auferstandenen hatte<br />

sie verändert und begeistert. Jede freie Minute nutzen sie, um mehr davon zu<br />

erfahren. In liebevoller Fürsorge wollten sie sicher sein, dass denen nichts fehlt, die<br />

den gleichen Weg eingeschlagen hatten. Und sie sehnten sich danach, mit anderen<br />

zusammen Jesus zu suchen und zu begegnen. Durch den Empfang der Zeichen von<br />

Brot und Wein. Durch lebendiges und zuversichtliches Reden mit ihm im<br />

gemeinsamen Gebet.<br />

In dieser Gemeinschaft kam es nicht darauf an, ob einer Jude oder Grieche war,<br />

Sklave oder Freier, Mann oder Frau (Gal.3: 28), schreibt Paulus. Und das, obwohl<br />

die antiken Gesellschaften durchaus eine Hierarchie der Geschlechter kannten. Ich<br />

möchte es für unser Thema heute so weiterformulieren: In dieser Gemeinschaft kam<br />

es nicht darauf an, ob einer <strong>Single</strong> oder verheiratet war. Menschen aus allen<br />

Bevölkerungsgruppen gehörten dieser faszinierenden Gemeinschaft an. Weil ihr<br />

Miteinander so ungewöhnlich war, wurden wieder andere neugierig. Das Ergebnis:<br />

Die Gemeinde wuchs in einem Tempo, wie wir uns das heute kaum vorstellen<br />

können.<br />

Den Menschen außerhalb dieser christlichen Ur-Gemeinschaft fiel ihr Miteinander<br />

auf. Sie lebten nach Gottes Geboten und beherzigten, wenn es zum Beispiel hieß:<br />

„Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau oder Mann“. Ihre Gemeinschaft<br />

bewältigte den gemeinsamen Alltag und sie lebten ausgerichtet auf Gott, den sie<br />

zusammen anbeteten. Keine freizügige Sexualität wie in den heidnischen Tempeln<br />

und keine sexuelle Promiskuität wie in so manchen Kommunen neuerer Zeiten, kein<br />

ungeordnetes Durcheinander von Männlein und Weiblein. Es muss eine<br />

faszinierende Gemeinschaft gewesen sein, in der Menschen ihre Sehnsucht von Gott<br />

stillen ließen. Nur dadurch waren sie fähig geworden zu diesem geschwisterlichen<br />

Umgang. Und: Die Gemeinschaft der ersten Christen war nicht exklusiv, sondern<br />

immer offen war für andere.<br />

Wenn ich mein ganzes Leben als kostbares Geschenk von Gott verstehe, muss mich<br />

die Sehnsucht nach einer von Liebe erfüllten Gemeinschaft nicht zerreißen. Sie muss<br />

mich nicht in die Arme von jemanden treiben, der gar nicht zu mir passt. Ja, es


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stimmt: Diese Sehnsucht ist Teil von dem, was Gott in mir geschaffen und angelegt<br />

hat, aber sie ist nicht alles. Sexualität kann nicht Gemeinschaft schaffen, sie kann sie<br />

nur – in dem von Gott vorgegebenen Rahmen – unterstützen und bereichern. Das<br />

geschieht nicht, wo jemand eine intime Beziehung pflegt, ohne Verantwortung für<br />

den Partner zu übernehmen. Das öffentliche Ehe-Versprechen vor Gott und den<br />

Menschen ist keine in der modernen Zeit überflüssig gewordenen Fessel für die<br />

‚wahre Liebe‘. Nein, es gibt der Beziehung den Schutz und den Rahmen, den sie<br />

eigentlich braucht, um stabil und belastbar zu sein. Erfüllt. Glücklich.<br />

Und jeder Mensch – ob verheiratet oder nicht – hat in seinem Leben Bereiche, wo<br />

der Satz von Dietrich Bonhoeffer gilt: „Es gibt ein erfülltes Leben trotz unerfüllter<br />

Wünsche.“ Der fromme Widerstandskämpfer schrieb diesen Satz an seinen Freund<br />

Eberhard Bethge. Das war ungefähr ein Jahr vor seiner Hinrichtung. Und gut ein<br />

Jahr, nachdem er sich mit Maria von Wedemeyer verlobt hatte. Dieses Verlöbnis<br />

wiederum hatte wenige Wochen vor seiner Inhaftierung stattgefunden. Die<br />

leidenschaftliche Liebe der beiden zueinander musste von wenigen Begegnungen im<br />

Gefängnis leben - immer unter Aufsicht – und von ihren wunderbaren Briefen.<br />

Letztere sind in dem bemerkenswerten Buch „Brautbriefe Zelle 92“ publiziert worden.<br />

Für die körperliche Seite dieser Liebe war wenig Raum. Dietrich Bonhoeffer wusste<br />

um die Wahrheit und den Schmerz seiner Aussage: Es gibt ein erfülltes Leben<br />

trotz unerfüllter Wünsche. Dietrich Bonhoeffer ist ein großes Beispiel für die These:<br />

Die Sehnsucht nach dem Du muss einen Christenmenschen nicht zerreißen. Sie<br />

kann - richtig integriert in das <strong>Single</strong>sein – das Leben sogar kreativer und erfüllter<br />

machen.<br />

Aber wie kann das praktisch aussehen? Meine Vorschläge sind: Die Sehnsucht nach<br />

dem Partner oder der Partnerin nicht leugnen. Sondern – bildlich gesprochen – der<br />

Sehnsucht ins Auge schauen. Und mit dieser Sehnsucht zu Jesus gehen. Sie<br />

aussprechen. Auch vor einem Menschen aussprechen. Wenn dabei unreine<br />

Gedanken hochkommen, ist die Beichte ein hlifreicher Weg, den Gott uns schenkt.<br />

Dabei dürfen wir erleben, wie Gott uns durch den Bruder oder die Schwester die<br />

Vergebung zuspricht. Wir können uns auch segnen lassen für einen neuen Weg.<br />

Und dabei erleben, wie Gottes Worte hineinsprechen in das offene wunde Herz.<br />

Und jetzt noch ein Blick noch auf die Details, sozusagen auf die Gesichter dieser<br />

Sehnsucht. Ich habe die Erfahrung gemacht: Der Kampf mit dem einsamen<br />

Mittagessen (zum Beispiel am Sonntag) kann heftiger sein als der mit dem<br />

einsamen Bett. Aber beides ist ein Kampf. Um am Sonntagmittag nicht halb unter<br />

Tränen ein einsames schnelles Mahl zu mir nehmen zu müssen, könnte ich zum<br />

Beispiel Gäste einladen. Das will aber vorher bedacht sein, wobei es da schon ein<br />

paar Hindernisse gibt: Ich muss vielleicht einkaufen zu einem Zeitpunkt, wo ich mich<br />

noch gejagt fühle von den vielen unerledigten Todos der zu Ende gehenden<br />

Arbeitswoche. Dann muss ich Zeit finden, um die Chaoswohnung etwas<br />

besucherfreundlicher zu machen. Noch schwieriger: Ich muss rechtzeitig einladen,<br />

damit der oder die Eingeladenen auch Zeit haben zu kommen. Das heißt, ich muss<br />

mich festlegen. Das ist nicht leicht. Der Alltag ist ja oft so gehetzt und ausgefüllt mit<br />

Aufgaben und Notwendigkeiten. Mir geht es so, dass ich unter der Woche oft keine<br />

Lust auf weitere Termine am Wochenende verspüre. Kommt der Sonntagnachmittag,<br />

sieht das dann unter Umständen ganz anders aus. Nun – wie bei vielen Dingen:<br />

Übung hilft. Je räumlich näher meine Kontakte sind, desto spontaner können auch<br />

die Einladungen sein. Es kommt auf uns an, was jeder einzelne aus der Situation


7<br />

macht. Die Sehnsucht nach Gemeinschaft kann – positiv gesprochen – in ein<br />

aktiveres Leben hineinführen.<br />

Das ist letztlich Ziel und Absicht von „<strong>Forum</strong> <strong>Single</strong>“: Diese Sendereihe will Mut<br />

machen - zu einem „runden und ganzen Leben als <strong>Single</strong>“. Denn - ich erinnere<br />

daran - Jesus hat allen, die ihn lieb haben, ein „Leben im Überfluss“ versprochen.<br />

Ganz bestimmt nicht nur denen, die verheiratet sind. Gott hat keine<br />

„Lieblingskinder“. Er streckt seine liebende Hand für alle aus, die sie ergreifen wollen.<br />

Jesus kann aus dem Leben als <strong>Single</strong> ein rundes ganzes Leben machen, wenn ich<br />

es ihm anvertraue mitsamt allen Bruchstücken und Bruchlandungen. Das gilt für die,<br />

die immer schon <strong>Single</strong> waren. Das gilt ganz sicher auch für Menschen, die in<br />

Partnerbeziehungen gescheitert sind. Und für die, bei denen der Tod des Partners<br />

eine innere Wunde ist, die immer wieder aufreißt. Wunden und Narben tun weh, aber<br />

wir dürfen sie zu einem „Heiland“ bringen, der heil machen will.<br />

Ein paar Gedanken noch zu diesem etwas aus der Mode gekommenen Begriff<br />

„Heiland“. „Jesus, Heiland meiner Seele“ – hat Charles Wesley einmal gedichtet.<br />

Die methodistische Bewegung im England des 18.Jahrhunderts war eine der vielen<br />

Aufbruchsbewegungen der Geschichte, in denen deutlich wurde: Gottes Spezialität<br />

ist das Heil- und Ganzmachen. Viele kranke und verarmte, innerlich und äußerlich<br />

kaputte Menschen sind in dieser auf Gemeinschaft angelegten Bewegung heil<br />

geworden durch die Begegnung mit dem Heiland Jesus. „Heiland“ heißt also wörtlich<br />

der „Heilende“, im modernen Sprachgebrauch ungefähr so viel wie „Ganzmacher“.<br />

Diese uralte Bedeutung „heilen“ steckt auch in der ältesten deutschen<br />

Christusbezeichnung „Heliand“/Heiland.<br />

Wichtig ist dabei: Dieses Heilwerden ist ein Prozess und kein „Einfürallemal“. Aber so<br />

ist das Leben: Wir sind und bleiben unterwegs. Keiner von uns weiß, was hinter der<br />

nächsten Kurve seines Lebens auf ihn wartet. Die glücklich Verheirateten können nur<br />

allzu schnell eingeholt werden von einer bösartig verlaufenden Krebsdiagnose bei<br />

sich selbst oder dem Partner, bei der Partnerin. Oder von belastenden Krankheiten<br />

wie Parkinson oder Demenz. Das kann auch im U70 Alter geschehen. Dann gibt es<br />

schmerzliche und für den Betroffenen völlig überraschende Veränderungen in der<br />

Persönlichkeit des Partners. Das kann eine beziehungsmäßige Neuorientierung mit<br />

sich bringen. Es kommt viel zu oft vor, dass eine Frau sagen muss: „Mein Mann hat<br />

eine andere“ oder ein Mann: „Meine Frau hat einen anderen“. So etwas schneidet<br />

ganz tief in die Seele ein.<br />

Früher hätte nicht gedacht, dass das so viele Tränen und so tiefgehende Wunden<br />

auslöst. Jetzt habe ich Verlassene und Gescheiterte kennengelernt und miterlebt,<br />

wie sehr sie dann an den Rand eines Burnout geraten. Sie haben kaum noch Kraft,<br />

um neue Perspektiven für ihr Leben zu sehen und zu suchen. Eine Freundin schrieb<br />

in solch einer Situation: „Der Burnout Gefahr kann man am besten begegnen, in dem<br />

man andere Beziehungen stärkt. Warum nicht auch die Beziehung zu Gott? Das hat<br />

mir so sehr geholfen!“<br />

So manche und mancher, der verheiratet ist, hat fest geglaubt: Bei mir wird das nicht<br />

passieren. Meine Beziehung wird halten. Aber wir leben in einer Zeit, wo die<br />

Angebote und Einladungen Neues zu probieren allgegenwärtig sind. „Lebenslang“<br />

hat oft einen sehr schlechten Klang. Wer dagegen halten will, braucht wirklich solide


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Wertvorstellungen und Lebensprinzipien. Und er braucht Gottes Geist und seine<br />

Führung im Leben.<br />

Noch einmal: Die Sehnsucht nach verbindlicher tragender Gemeinschaft kann einen<br />

schier auffressen. Innerlich auf die schiefe Bahn bringen. Aber wenn ich meine<br />

Sehnsucht Gott hinhalte, dann kann er mich dadurch beschenken mit neuer Freude<br />

über mein Leben. So wie es jetzt ist.<br />

Gott verändert meine Sehnsucht, wenn ich sie zu ihm bringe. Indem er mir neu zeigt<br />

was ich von ihm bekommen habe – und mich neu dafür dankbar und glücklich macht.<br />

Natürlich kann Gott meine Sehnsucht auch zur Erfüllung bringen, in dem er mir den<br />

Partner fürs Leben schenkt. Aber ich muss ihm zutrauen, dass er die Zeit und die<br />

Umstände dafür im Blick hat. Wenn ich ganz nahe bei ihm lebe, dann bin ich bestens<br />

dafür vorbereitet.<br />

Der dritte und letzte Teil sind nun Gedanken darüber,<br />

Wie es im praktischen Leben anders werden kann – wenn Sie zu<br />

denen gehören, die mit Ihrem Ist-Zustand nicht ganz zufrieden sind<br />

Ich erinnere mich noch an eine der ersten Reaktionen auf die <strong>ERF</strong> Reihe FORUM<br />

<strong>Single</strong>. Da schrieb jemand: „Verbessern von äußeren Parametern macht Einsame<br />

noch lange nicht glücklicher. Tagsüber happy, aufgeschlossen und erfüllt – aber<br />

abends das Kopfkissen nass weinen. Die entscheidende Frage ist, wie man gute<br />

Beziehungen gestaltet, und nicht wie man das Allein-Sein optimiert.“ Ich stimme dem<br />

voll zu. Ein Leben als <strong>Single</strong> muss für mich kein „für mich Alleine leben“ bleiben. Es<br />

gibt bereits an vielen Orten Initiativen und Bewegungen, wo alleinstehende Christen<br />

sich zusammen finden. Sie rücken näher zueinander und sind bereit, auch neue<br />

Gemeinschaftsformen auszuprobieren.<br />

In den letzten fünf Jahren bin ich immer wieder der „Emwag-Bewegung“ begegnet.<br />

Wer regelmäßig <strong>Forum</strong> <strong>Single</strong> hört oder einen Blick in die Mediathek wirft, konnte<br />

oder kann sich davon überzeugen. Emwag steht für „Es muss was anderes geben“.<br />

Es geht um <strong>Single</strong>s, die gemeinsam Lebensperspektiven suchen. Die den Aufbruch<br />

zur Gemeinschaft wagen wollen.<br />

Im letzten Sommer bin ich beim Emwag-Deutschlandtreffen gewesen. Dort haben<br />

mir eine ganze Reihe von <strong>Single</strong>s erzählt, welche Schritte sie gegangen sind, welche<br />

Initiativen sie ergriffen haben auf dem Weg zu mehr Gemeinschaft. Die Skala der<br />

Angebote fand ich ziemlich breit und beeindruckend.<br />

Als erstes Beispiel: ein Stammtisch im Rhein-Main-Gebiet, der sich in einer<br />

Gaststätte trifft. Dort kann man „einfach mal vorbeischauen und Leute<br />

kennenlernen“. Gemeinsam spazieren gehen, einen Gottesdienst besuchen oder<br />

was Kulturelles unternehmen. Gemeinsames Bibellesen, gemeinsamer Urlaub …<br />

Dort kann man vielleicht jemand finden für eine Wohngemeinschaft oder – so Gott<br />

will – auch den Partner oder die Partnerin fürs Leben.<br />

Dann erzählte eine Frau aus der Nähe von Hamburg von einem Projekt namens<br />

Open House. Dieses Modell rechnet mit einer gewissen Schwäche von <strong>Single</strong>s, die<br />

oft recht spontan mit ihren Freizeitterminen umgehen. Interessenten werden eine


9<br />

gewisse Zeit vorher per Email über den Tag informiert, an dem das nächste „Open<br />

House“ stattfindet. Die Gastgeberin richtet sich darauf ein; sie ist da und das Haus ist<br />

einigermaßen aufgeräumt und offen für alle Gäste. Wer die Einladung annimmt,<br />

weiß, hier gehört Sicheinbringen zum Konzept. Zum Beispiel bringt ein Gast morgens<br />

Brötchen mit vom Bäcker für ein gemeinsames Frühstück. Gast ist hier auch nicht<br />

unbedingt der richtige Ausdruck. Wer zum Open House kommt, ist eigentlich<br />

„temporärer Mitbewohner“. Das Haus ist eine Art WG auf Zeit. Bewirten, Kochen,<br />

Aufräumen – jeder fühlt sich mit verantwortlich. Das Schöne an dieser Idee, an<br />

diesem Angebot ist: es wird angenommen. Die Open House -Tage sind erfüllt von<br />

Gemeinschaft und Begegnung. Und es gibt keine Frustration für den, der einlädt. Bei<br />

einem klassischen <strong>Single</strong>s-Treff hätte die Gastgeberin sich vielleicht tagelang<br />

vorbereitet - und dann erleben müssen, dass wieder mal nur halb so viele<br />

aufgetaucht waren als zugesagt hatten …<br />

Wesentlich verbindlicher als Begegnungsmodell Open House ist das Jour-Fixe-<br />

Projekt im Schwabenland. Da trifft man sich – nach Verabredung und mit Plan – zu<br />

einem gemeinsamen Wochenende ungefähr alle acht Wochen. Die Organisation des<br />

„gemeinsamen Lebens auf Zeit“ wird vorher aufgeteilt. Im Laufe der Jahre sind tiefe<br />

Freundschaften entstanden. Das Fazit einer, die hier dabei ist, lautet: „Es tut gut<br />

Beziehungen zu haben, wo man auch mal nachts um zwölf anrufen kann, wenn es in<br />

der Seele brennt.“<br />

Soweit Gemeinschaftsideen von der Emwag-Tagung. Dann sind an verschiedenen<br />

Stellen im Land sogenannte „emwag-Zellen“ entstanden. Sie sind wichtiger<br />

Bestandteil der Bewegung, die auf der Suche ist nach Gemeinschaftsformen, die für<br />

das Leben von <strong>Single</strong>s heute passen. Diese Zellen sind ganz verschieden. Es<br />

können mehrere Wohnungen in einer Nachbarschaft sein. Oder ein gemeinsames<br />

Dach über dem Kopf. Jede Zelle und jedes einzelne Zellenmitglied muss seinen<br />

eigenen Weg finden. Es geht nicht in erster Linie nicht ums Kopieren, sondern ums<br />

Kapieren der dahinter stehenden Idee von Gemeinschaft.<br />

Schön ist es, wenn die entstandenen Gemeinschaftsprojekte auch einen Auftrag<br />

sehen für andere. So habe ich auch <strong>Single</strong>s kennengelernt, die einen Umzug (über<br />

300 km) in Kauf genommen haben, um ein Mehrgenerationenwohnhaus zu starten.<br />

Das Haus wurde zur Verfügung gestellt. Der Umbau aber muss selbst finanziert und<br />

geleistet werden. Es ist ein Projekt für Jahre – aber die drei, die dabei sind, sind sich<br />

sicher: Es ist ein Auftrag von Gott. Sie haben einen Verein gegründet mit dem<br />

bezeichnenden Namen: „Lebensräume“. Das füllen sie in der Art mit Leben, dass sie<br />

dann mal zu einem offenen Kaffeetrinken einladen. Oder zu einem Hauskreis mit<br />

„Fragen an das Leben“. Auch Fragen über den christlichen Glauben sind<br />

willkommen. Weitere Ideen sind Koch-Club, Gartenfest und Kleiderbörsen für<br />

Damen- und Herrenkleidung. Von Zeit zu Zeit öffnen die drei Bewohner ihr Haus<br />

auch zu einem Themen-Wochenende für <strong>Single</strong>s.<br />

Wenn man so etwas hört - vielleicht glänzen da jetzt manche Augen. Aber all das<br />

wäre nicht geworden, wenn nicht jemand aufgebrochen wäre, weil Gott ihn in ein<br />

neues Land gerufen hat.<br />

Soweit die Gemeinschaftsprojekte aus dem Umfeld der Emwag-Bewegung. Hier<br />

noch ein anderes Beispiel. In Wetzlar, wo <strong>ERF</strong> Medien seinen Sitz hat, ist in diesem<br />

Sommer eine neue Wohnanlage bezogen worden. Zusammen mit der Wetzlarer<br />

Wohnungsgesellschaft hat der Verein „Weiter Raum“ das erste Mehrgenerationen-


10<br />

Wohnprojekt in Wetzlar realisiert. Ehepaare, <strong>Single</strong>s, Alleinerziehende und Familien;<br />

25 Erwachsene und fünf Kinder. Im Verein „Weiter Raum“ haben sich Menschen auf<br />

der Grundlage des christlichen Glaubens zusammen geschlossen. Die Wetzlarer<br />

Wohnungsgesellschaft war froh, einen Partner für ein Projekt mit Modellcharakter<br />

gefunden zu haben. Auf der Homepage des Vereins findet man unter der Adresse<br />

www.weiterraum.de den schönen Satz, der eine erste Zwischenbilanz ausdrückt:<br />

Alle, die schon vor Ort sind, fühlen sich total wohl. Und unser Konzept<br />

funktioniert - die gewünschte Gemeinschaft wird gelebt (und gefeiert).<br />

Hier eine wichtige Zwischenbemerkung: Das Leben in einer wie auch immer<br />

gearteten Gemeinschaft ist kein „Ersatz“ für eine Ehe. Das soll an dieser Stelle<br />

deutlich ausgesprochen werden – um Missverständnissen vorzubeugen. Aber es ist<br />

eine große Hilfe auf dem Weg weg vom Alleinsein, weg vom Leiden an einem Leben<br />

ohne vertrauten Austausch oder praktische Hilfe.<br />

Es ist wichtig, zu träumen. Aber noch wichtiger ist: anfangen! Wege suchen! Die<br />

meisten der Initiativen, die „zum Erfolg“ führten, gingen über Jahre. Auch ich selbst<br />

habe zwei Jahre lang eine Wohngemeinschaft auf dem Herzen gehabt und mehrere<br />

Enttäuschungen erlebt bei meinen Anfragen. Heute aber lebe ich seit über 25 Jahre<br />

gemeinsam mit einer Freundin in einer recht geräumigen Vierzimmerwohnung.<br />

Wir sind füreinander Bezugspunkt und erste Ansprechpartnerin im Leben.<br />

Und wir organisieren unseren Alltag gemeinsam. Vom Einkaufen bis zum Kochen<br />

und Backen und Vorhängewaschen. Es macht schon was mit einem, wenn man hört<br />

und signalisiert bekommt: „Schön, dass du da bist“. Das Ganze ist ein Geschenk von<br />

Gott. Keine von uns konnte beim Zusammenziehen ahnen, dass wir so lange und so<br />

gerne miteinander wohnen würden.<br />

Und nun einige Schlussfolgerungen:<br />

Wenn <strong>Single</strong>s sich wieder neu öffnen lernen für positiv gelebte Beziehungen, dann<br />

kann auch die beim langen einsamen Warten auf den Traumpartner schier<br />

eingefrorene Gefühls- und Erlebniswelt wieder auftauen. Wohngemeinschaft oder<br />

bewusst gelebte Nachbarschaft sind echte Alternativen - je nachdem wie es<br />

passt und wie es finanziell möglich ist. Und auch dazwischen sind viele Abstufungen<br />

denkbar. Gott hat uns kreativ geschaffen. Larry Crabb, ein amerikanischer<br />

Psychologe und Autor, schrieb: „Wir brauchen nicht mehr Therapeuten, sondern<br />

mehr Gemeinschaften, wo Gott zu Hause ist.“<br />

Ich habe versucht, eine ganze Palette an Möglichkeiten heilender<br />

Gemeinschaften aufzuzeigen. Zu erkennen, dass es da etwas gibt, kann schon<br />

einigen Druck nehmen. Und wie man es angeht, kann durchaus unterschiedlich sein:<br />

etwa von einer unverbindlicheren Form der Gemeinschaft zu einer verbindlicheren.<br />

Oder auch umgekehrt. Grundsätzlich aber kommt es darauf an, in Beziehungen zu<br />

investieren und sich nicht ins seelische Schneckenhaus zurückzuziehen – „weil alles<br />

so kompliziert ist“ oder „weil die anderen anfangen sollen“.<br />

Es braucht noch ganz viel Bewusstseinserweiterung - gerade auch in kleineren<br />

christlichen Gemeinden. Was Familien dient, ist Gott sei Dank fast überall im Blick<br />

und wird in der Predigt und in den Gemeinschaftsangeboten aufgegriffen. Aber auch<br />

<strong>Single</strong>s brauchen die Hilfe der anderen Christen, damit ihr Alleinleben kein<br />

Versauern wird.


11<br />

Mein Anliegen ist zu ermutigen! Wenn alleinstehende Frauen und Männer erkannt<br />

haben, dass sie durch die Beziehung zu Jesus „ganze Menschen“ sind, dann dürfen<br />

sie sich ohne „Zweite Klasse“ - Gefühle im Herzen einlassen auf das Miteinander mit<br />

Verheirateten und mit deren Familien. Das ist dann „koinoinia“ - nach dem Vorbild<br />

der Grenzen sprengenden Gemeinschaft der ersten Christen. Dabei muss ich<br />

zugeben: An vielen Orten – auch dort, wo ich lebe - ist das nur in Ansätzen<br />

verwirklicht. Oft ist es noch Zukunftsvision.<br />

Aber ich glaube an diese Vision und beobachte mit Freude, wie sie anfängt sich zu<br />

verwirklichen in den christlichen Gemeinden und Gemeinschaften. Und im Glauben<br />

an einen großen Gott weiß ich und möchte Ihnen zusagen: die Zukunft beginnt<br />

jetzt. Niemand muss sich auf seiner Fahrt durchs Leben als Opfer eines blinden<br />

Zufalls fühlen oder benachteiligt aufgrund ungünstiger Umstände. Jeder kann sich für<br />

ein Leben in Fülle entscheiden. Eine Qualität von Leben, die Gott schenkt. Dann gibt<br />

es einen Weg heraus aus Schmerzen und Tränen beim einsamen Mittagessen am<br />

Sonntag oder dem Hin- und Herwälzen im einsamen Bett. Ich kann Ihnen und mir<br />

nichts Besseres wünschen als jeden Tag neu die Gemeinschaft mit Jesus Christus<br />

zu entdecken und zu pflegen. Er ist der perfekte Wegbegleiter durchs die Tage und<br />

Nächte des Lebens. Ob wir verheiratet sind oder <strong>Single</strong> – nur das Miteinander mit<br />

ihm macht uns fähig zur „koinoina“, zu der von ihm gewollten und wirklich erfüllenden<br />

Gemeinschaft.<br />

Ich fasse zusammen: Gott meint es gut mit Ihnen und mit mir. Die Sehnsucht vor<br />

Gott bringen und erleben, wie er sie verändert. Dann: praktisch Wege zur<br />

Gemeinschaft suchen und finden. Weil „koinoinia“ ein Markenzeichen des<br />

christlichen Leben ist. Wir können einander beschenken und andere dadurch<br />

aufmerksam machen auf Gott, wenn sie sehen und erleben, wie wir zusammen<br />

stehen.<br />

Noch einmal ein Wort von Paulus. Er schreibt am Ende von langen Gedanken über<br />

Verheiratetsein oder Nichtverheiratetsen im ersten Korintherbrief, Kapitel<br />

sieben(1.Kor.7 26, 32 u 38): Heiraten oder Nichtheiraten – beides ist gut. Punkt. Das<br />

ist so. Dann aber endet Paulus mit folgendem Gedanken: Das Beste ist unverheiratet<br />

zu bleiben. Denn dann ist Mann oder Frau freier sich „um die Sache des Herrn zu<br />

sorgen“. Der Verzicht macht frei für etwas anderes, das Gott gebrauchen kann.<br />

Es gibt keinen Grund, das Leben als <strong>Single</strong> mit einem wie auch immer geartetem<br />

Minderwertigkeitsgefühl zu betrachten. Ich hoffe sehr, Sie zu einer<br />

minderwertigkeitsfreien Sichtweise ermutigt zu haben.<br />

Mein Leben als <strong>Single</strong> ist kein Leben zweiter Klasse. Es kommt mir vielleicht nicht<br />

immer „erstklassig“ vor. Aber ich weiß: Aus Gottes Sicht ist es das. Er trägt und hält<br />

mich in meinem Zivilstand. Ich dazu ein volles Ja. Wie gesagt unter dem Vorzeichen:<br />

„Mein Alleinstehendsein ist Gottes bester Wille für mich jetzt.“

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