Göschenhaus-Journal 4/2013 (PDF)

Textauszug bereits hier; der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung
der Autorin:
Constanze John:
Textcollage aus „Gelber Staub. Eine Reise nach Armenien“
Pythagoras geht über den Platz und sieht, wie ein anderer sein Hündchen
schlägt, ein schwarzes Hündchen mit seidig zotteligem Fell. Das Hündchen
jault, während es geschlagen wird, versucht sich von hinten her in sich selbst
zusammen zu ziehen, bleibt an Ort und Stelle, wo sein Herr es schlägt, läuft
nicht davon. Pythagoras geht dazwischen und sagt: “Hör auf und schlag nicht
weiter, denn es ist eines befreundeten Mannes Seele, die ich erkenne. Unsere
Seele wandert, vom Licht gekommen, jetzt, durch diese Welt.”
Er, ich werde ihn im Folgenden „den Komponisten“ nennen, gibt Konzerte,
spielt im Sommer vor einem Jahr in Städten wie Grimma und Leipzig eigene
Sonaten. Eines Tages stehe ich ihm gegenüber, einem kleinen hageren Mann, das
Haar schon weiß durchzogen. Wir werden miteinander bekannt gemacht. Recht
schnell erzählt er mir Geschichten. Sie handeln sämtlich von ihm. Aber sie
haben auch etwas, das ich genauer nicht benennen kann. Obwohl mir gerade ein
Wort wie „Schleusenwärter“ auf der Zunge liegt, spreche ich es nicht aus,
beginne aber, diese seine Geschichten aufzuschreiben.
Mit 6,9 auf der Richterskala ist am 7. Dezember 1988 ein Erdbeben in Jerewan
zu spüren. Die Lehrer schicken ihre Schüler nach Hause. Auch in einem der
vielen Jerewaner Institute Aufregung, Panik. Und dort einer, der noch im
Hinauseilen meint: „Nun hoffe ich nur, dass das Epizentrum in der Türkei
liegt!“
Das Epizentrum liegt aber mitten in Armenien. Schwer betroffen sind die beiden
Städte Gjurmi und Wanadsor und von über 200
Ortschaften vor allem die Kleinstadt Spitak. Es
werden 25 000 Tote geschätzt. Und während aus
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