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19. Juli 2011<br />

5<br />

Nachrichten<br />

Erstmals seit den Wahlen im April kommt es in Lugano offen zu Streit. Vize-Sindaco Giorgio Giudici attackiert<br />

die eigene Stadtregierung. Und die Lega hat wegen der angekündigten Steuererhöhung Probleme im eigenen Haus<br />

Im April dieses Jahres feierte die<br />

Bewegung Lega dei Ticinesi einen<br />

historischen Wahlsieg. Bei<br />

den Gemeindewahlen von Lugano<br />

eroberte sie drei von sieben<br />

Stadtratssitzen und ersetzte damit<br />

die FDP nach jahrzehntelanger<br />

Dominanz als Partei der relativen<br />

Mehrheit in der wichtigsten<br />

Tessiner Stadt. Herausforderer<br />

Marco Borradori schafft es,<br />

FDP-König Giorgio Giuidici<br />

nach 27 Jahren als Stadtpräsident<br />

vom Thron zu stürzen.<br />

Drei Monate später ist der Jubel<br />

verhallt. Realpolitik ist eingezogen.<br />

Und erstmals bekommt die<br />

scheinbare Harmonie des neuen<br />

Municipio Risse. In langen Interviews,<br />

die diese Woche in den<br />

beiden Tages<strong>zeitung</strong>en „La Regione“<br />

und „Corriere del Ticino“<br />

erschienen, sparte Giorgio Giudici<br />

als neuer Vize-Sindaco nicht<br />

mit Kritik an der neuen Mehrheit<br />

in der Stadtregierung, das heisst<br />

an den Lega-Kollegen. Sogar seine<br />

Parteikollegin Giovanna Masoni<br />

Brenni musste einige Seitenhiebe<br />

einstecken.<br />

Zum einen geht es um das in Bau<br />

befindliche Mega-Kulturzentrum<br />

LAC, das Giudici lange als<br />

„Chefsache“ betrachtet hatte.<br />

Dabei hatte er Kontakte zu einem<br />

internationalen Investorenkonsortium<br />

in London geknüpft, das<br />

offenbar bereit war, gemäss der<br />

Formel „Sell and lease back“ die<br />

gewaltige Immobilie zu kaufen,<br />

um sie der Stadt dann für eine<br />

lange Laufzeit zu vermieten.<br />

Doch bei den anderen Stadtratsmitgliedern<br />

herrscht grosse<br />

Skepsis gegenüber dieser Formel.<br />

Sie wollen darauf nicht einsteigen.<br />

Giudici machte seinem<br />

Frust in den Interviews Luft. Offenbar<br />

hat er sein Ziel nicht ganz<br />

verfehlt. Das Thema soll nochmals<br />

in einer Sitzung des Stadtrats<br />

auf die Traktandenliste.<br />

Für weiteren Twist sorgt die katastrophale<br />

Finanzlage der Stadt.<br />

Der neue Stadtpräsident Borradori<br />

und sein Parteikollege Michele<br />

Foletti als Finanzvorstand<br />

Ti-Press<br />

Der Jubel ist verhallt: Vize-Stadtpräsident Giorgio Giudici (rechts) kritisiert offen seinen Regierungskollegen, Sindaco Marco Borradori (links)<br />

LUGANOSMUNICIPIO HAT<br />

FEUER UNTERMDACH<br />

von Gerhard Lob<br />

kündigten letzte Woche nicht nur<br />

ein eisernes Sparprogramm mit<br />

Kürzungen in den Bereichen Soziales,<br />

Kultur und Personal an,<br />

sondern schlossen auch eine Erhöhung<br />

des Gemeindesteuerfusses<br />

nicht mehr aus (TZ vom<br />

12. Juli).<br />

Foletti sprach mittlerweile von<br />

einer Erhöhung um fünf Prozentpunkte.<br />

Die Finanzsituation sei<br />

noch wesentlich dramatischer als<br />

vor einer Woche dargestellt. Lugano<br />

riskiere sogar die Zwangsverwaltung<br />

durch den Kanton,<br />

wenn nicht gehandelt werde. Alle<br />

Parameter des Gemeindeorganisationsgesetzes<br />

(LOC) würden<br />

nicht mehr eingehalten. Ohne<br />

Korrekturen dürfte sich allein<br />

das Defizit 2014 auf 77 Millionen<br />

Franken belaufen.<br />

Für die Tessiner Lega ist das ein<br />

Paradigmenwechsel. Denn eigentlich<br />

gehören nicht Erhöhungen,<br />

sondern Steuersenkungen<br />

zum Parteiprogramm der Bewegung<br />

seit ihrer Gründung Anfang<br />

der 1990er Jahre. Zuletzt wurde<br />

noch im März über eine kantonale<br />

Steuersenkungsinitiative der<br />

Lega abgestimmt, die indes an<br />

der Urne scheiterte. Der im März<br />

verstorbene Gründer Giuliano<br />

Bignasca dürfte sich jetzt wohl<br />

im Grab umdrehen.<br />

Doch Lugano als bedeutender<br />

Bankenplatz spürt die Folgen der<br />

Finanzkrise eben besonders<br />

stark. 2005 bezahlten die Banken<br />

im Tessin noch 61 Millionen<br />

Franken Kantonssteuer, 2010<br />

kassierte der Fiskus nur noch 8<br />

Millionen ein. Städte wie Lugano,<br />

in denen die Mehrheit der<br />

Bankinstitute ihre Niederlassung<br />

hat, nehmen entsprechend weniger<br />

ein. Lugano als Finanzlokomotive<br />

des ganzen Kantons riskiere,<br />

„auf einem Stumpengleis<br />

zu enden“, kommentierte der<br />

Corriere del Ticino.<br />

Auch bei diesem Thema schoss<br />

Giorgio Giudici aus vollen Rohren<br />

gegen seine Kollegen. Er<br />

wirft ihnen konzeptlose Panikmache<br />

und „Finanzterrorismus“<br />

vor. Die FDP-Fraktion will erstmals<br />

die Sackgebühr in der Stadt<br />

einführen, bevor über Steuererhöhungen<br />

nachgedacht wird.<br />

Doch für Foletti steht fest, dass<br />

die Lega ihre Verantwortung gegenüber<br />

dem Wählerauftrag<br />

übernehmen müsse. Und er ist<br />

sich bewusst, dass dies zu parteiinternen<br />

Konflikten führen kann.<br />

Tatsächlich wurden Foletti und<br />

Borradori in der Partei<strong>zeitung</strong><br />

„Mattino“ umgehend kritisiert.<br />

Man müsse zuerst mit der Kettensäge<br />

die Ausgaben der Stadt<br />

kürzen, bevor an Steuererhöhung<br />

überhaupt zu denken sei. Pikanterweise<br />

sitzt der verantwortliche<br />

Mattino-Redaktor Lorenzo Quadri<br />

ebenfalls in Luganos Stadtregierung.<br />

Der Kampf um die künftige<br />

Steuerpolitik ist jedenfalls lanciert.<br />

Und er betrifft auch den<br />

Kanton, der sich ebenfalls in einer<br />

finanziell heiklen Situation<br />

betrifft. Als SP-Staatsrat Manuele<br />

Bertoli dieser Tage erklärte,<br />

der Kanton müsse die Steuern erhöhen,<br />

um die Qualität bestimmter<br />

staatlicher Dienstleistungen<br />

zu erhalten, erhob sich indes ein<br />

Protestchor. Unter den Kritikern<br />

übrigens auch Michele Foletti,<br />

der im Grossen Rat als Lega-<br />

Fraktionschef amtet (s. Seite 3).<br />

Italien beteuert, die neue Bahnlinie Mendrisio-Varese bis April 2015 fertigzustellen<br />

Zu den Versprechen ist Skepsis angesagt<br />

Seit Mai ruhen auf der Baustelle die Arbeiten<br />

Der italienische Abschnitt der neuen Bahnverbindung<br />

Mendrisio-Varese soll rechtzeitig zur Expo<br />

2015 in Mailand (I) fertig sein. Das versprach diese<br />

Woche der neue Verkehrsminister der Lombardei,<br />

Maurizio del Tenno (Popolo della libertà), bei<br />

einem Treffen mit seinem Tessiner Kollegen,<br />

Staatsrat Michele Barra (Lega), in Mailand.<br />

Die Verspätung bei der Eröffnung der internationalen<br />

Verbindung sollte sich demnach auf nur<br />

fünf Monate beschränken. Ursprünglich war der<br />

Fahrplanwechsel im Dezember 2014 für die Inbetriebnahme<br />

vorgesehen. Für das Tessin behält<br />

der Termin seine Gültigkeit. Die Züge werden<br />

aber vorläufig nur als Shuttle bis zur Landesgrenze<br />

in Stabio pendeln. Dies soll Grenzgängern immer<br />

ermöglichen, dank Park & Ride auf die S-<br />

Bahn zu wechseln. Die Verzögerungen in Italien<br />

gehen auf technische und administrative Probleme<br />

auf der Baustelle zurück. Es fehlte eine Deponie,<br />

um das mit natürlichem Arsen verseuchte<br />

Aushubmaterial zu entsorgen. Die Arbeiten wurden<br />

im Mai daher de facto eingestellt. Offenbar<br />

wurde nun eine Lösung gefunden, um die<br />

800‘000 Kubikmeter Erdreich zu deponieren.<br />

Gemäss del Tenno sollen die Bauarbeiten im September<br />

wieder vollumfänglich aufgenommen<br />

würden. Die neue Bahnlinie sei auch für seine<br />

Region von wichtiger strategischer Bedeutung,<br />

betonte er. Die Expo 2015 beginnt im Mai 2015<br />

in Mailand. „Wir haben uns gegenseitig versprochen,<br />

am 30. April 2015 mit dem Zug zum Messegelände<br />

nach Rho zu fahren“, sagte ein sichtlich<br />

zufriedener Barra nach dem Treffen in Mailand.<br />

Auf die Versprechungen könnte allerdings schon<br />

bald Ernüchterung folgen. Denn der neu angepeilte<br />

Termin liegt nur fünf Monate nach der ursprünglich<br />

festgelegten Inbetriebnahme. Die bisherigen<br />

Verzögerungen belaufen sich schon auf<br />

mehrere Monate und dürften nicht so leicht aufzuholen<br />

sein. Mit unvorhergesehenen Ereignissen<br />

ist in Italien zudem immer zu rechnen.<br />

Bei dem Treffen zwischen den beiden Verkehrsministern<br />

wurden auch weitere Verkehrsthemen<br />

von gemeinsamem Interesse angesprochen, darunter<br />

die Zugverbindung Zürich-Mailand. Diese<br />

solle bis 2020 verstärkt werden. Seitens der Lombardei<br />

müsse dieses Ziel aber noch präzisiert werden.<br />

Geplant sei auch, die Tarife für den regionalen<br />

Zugverkehr im Tessin und in der Lombardei<br />

zu vereinheitlichen. Bisher sei es bspw. für einen<br />

Grenzgänger nicht möglich, ein Abonnement für<br />

die ganze Strecke zu lösen. Auch lassen sich keine<br />

Tickets von Mailand mit einem Regionalzug<br />

und Zielort Tessin lösen. Eine Arbeitsgruppe habe<br />

das Thema in Angriff genommen, teilte der<br />

Kanton in einer Medienmitteilung mit. gl/sda

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