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19. Juli 2013<br />

3<br />

Thema<br />

Wieder einmal wird die Kollegialität des Kollegiums diskutiert; diesmal ist es der SP-Staatsrat Bertoli (hinten Mitte), welcher ausschert<br />

Der defizitäre Staatshaushalt<br />

sorgt im Tessin für Diskussionen.<br />

Das am Freitag veröffentlichte<br />

Ergebnis heizt die Debatte<br />

um die Kantonsfinanzen im<br />

Tessin weiter an. Im Hinblick<br />

auf das Budget 2014 hatte der<br />

SP-Staatsrat Manuele Bertoli<br />

erst zu Beginn der Woche den<br />

Vorschlag gemacht, die Steuern<br />

zu erhöhen. Dies sei seiner Ansicht<br />

nach der einzig solidarische<br />

Weg aus der Krise. Damit<br />

heischte er sich prompt den Vorwurf<br />

der Unkollegialität ein (s.<br />

Box oben).<br />

Seitens der anderen Parteien<br />

wurde eine solche Lösung vehement<br />

abgelehnt. Die Lega<br />

drohte mit einem Referendum.<br />

Dabei herrscht theoretisch Einigkeit<br />

darüber, dass Lösungen<br />

zur Eindämmung des Defizits<br />

gefunden werden müssen. Erklärtes<br />

Ziel von Regierung und<br />

Parlament war es im Dezember,<br />

bis 2015 mittels einer "Road<br />

Map" den Haushalt auszugleichen.<br />

Innerhalb einer parlamentarischen<br />

Arbeitsgruppe zum Thema<br />

herrscht aber bereits Uneinigkeit<br />

über die Methoden. Die<br />

SP hatte bereits im Vorfeld erklärt,<br />

Ideen wie einer Steueramnestie<br />

niemals zuzustimmen.<br />

Am Freitag, als Reaktion auf<br />

die Zwischenbilanz 2013, bekräftigte<br />

die SP erneut ihren<br />

Vorschlag zu Steuererhöhungen.<br />

Die vom Kanton veröffentlichte<br />

Halbjahresbilanz für<br />

2013 weist ein deutlich grösseres<br />

Minus auf als angenommen.<br />

Statt bei dem kalkulierten Defi-<br />

Die Staatsrechnung des ersten Halbjahrs 2013 weist ein um 50 Mio. Franken<br />

höheres Defizit als erwartet auf. Nun gehen die Debatten um Sparen,<br />

Leistungsabbau oder Steuererhöhungen erneut los<br />

DEREIERTANZ UM DIE<br />

KANTONSFINANZEN<br />

von Antje Bargmann (sda), Rolf Amgarten (tz)<br />

5,5 Mio. Franken mehr für Hilfe<br />

und Beistand ausgegeben worden<br />

sowie 7 Mio. mehr als erwartet<br />

für die<br />

Krankenkassenprämienreduktion.<br />

Gleichzeitig seien die Steuereinnahmen<br />

juristischer und natürlicher<br />

Personen unter den<br />

Erwartungen geblieben. Schon<br />

Ende April kündigte sich ein<br />

wachsendes Defizit an. Da lag<br />

es allerdings noch bei -185.3<br />

Millionen. Die konsolidierte<br />

Rechnung 2012 ergab ein<br />

Minus von 97,6 Millionen. Im<br />

Jahr zuvor hatte der Kanton<br />

noch schwarze Zahlen geschrieben.<br />

An sich sind personifizierte<br />

Streitigkeiten um die Ausrichtung<br />

bei den Kantonsfinanzen<br />

nichts Neues. Höchstens die<br />

Darsteller wechseln. Man denke<br />

an die Amtszeit von Marina Masoni,<br />

welche in gut Thatcheristischer<br />

there is no<br />

alternative-Haltung sich für<br />

Steuererleichterungen, Steuerzit<br />

von 165,6 Millionen steht<br />

die Rechnung aktuell bei einem<br />

Minus von 213,2 Millionen<br />

Franken.<br />

Die unerwartete Verschlechterung<br />

beläuft sich demnach auf<br />

fast 50 Millionen Franken.<br />

Dabei waren bereits im Dezember<br />

2012 vom Parlament diverse<br />

Sparmassnahmen beschlossen<br />

worden, die das Loch in der<br />

Staatskasse beschränken sollten.<br />

Ursprünglich sah das Budget<br />

ein Defizit von fast 200 Millionen<br />

vor.<br />

Vor allem zusätzliche Ausgaben<br />

im Gesundheits- und Sozialbereich<br />

würden den Staatshaushalt<br />

des laufenden Jahres belasten,<br />

geht aus einem Kommuniqué<br />

des Staatsrats hervor. Höhere<br />

Kosten als erwartet hätten sich<br />

bei der Spitalfinanzierung, der<br />

Sozialhilfe und den Zuschüssen<br />

zu den Krankenkassen-Prämien<br />

ergeben. So fallen für Spitaleinweisungen<br />

im und ausserhalb<br />

des Kantons 12,9 Mio. Franken<br />

zusätzlich an. Im Sozialen seien<br />

amnestie und massive Einsparungen<br />

im Sozial, Gesundheitsund<br />

Bildungsbereich stark<br />

machte. Auch sie wollte, anders<br />

als das heutige Municipio von<br />

Lugano, das Tabu von Steuererhöhungen<br />

nicht gebrochen wissen.<br />

Der Goldsegen der<br />

Nationalbank konnte damals die<br />

Antipoden befrieden. Diesmal<br />

fehlen solch unerwartete Geldströme.<br />

Die SP, welche ihren Staatsrat<br />

Bertoli unterstützt, rechnet vor,<br />

was massive Einsparungen im<br />

Bildungswesen nur an einem<br />

konkreten Beispiel bedeuten<br />

könnten. Bereits wird laut über<br />

eine Verkürzung der mittleren<br />

Reife von vier auf drei Jahre<br />

nachgedacht. Die Matura also<br />

schon nach drei Jahren Gymnasium,<br />

um Geld einzusparen. Die<br />

Gegner fordern im Gegenteil öffentlich<br />

die Verlängerung des<br />

Mittelschulstudiums, um die<br />

Fülle des Stoffes besser verteilen<br />

zu können. Der Graben zieht<br />

sich durch das Parteienlager,<br />

Ti-Press<br />

wobei die bürgerlichen vorab zu<br />

den geplanten Sparübungen zusammenstehen<br />

(s. Box unten).<br />

Egal, welche Richtung nun obsiegen<br />

mag, einseitige Lösungen<br />

werden nichts bringen.<br />

Einzig mit einem Kombipack<br />

von Sparen und Mehreinnahmen<br />

dürfte die marode Finanzlage<br />

aus der Schräge gebracht<br />

werden. Ein paar Beispiele gäbe<br />

es wohl: Intoleranz gegen Verkehrssünder<br />

im Bussenbereich,<br />

regelmässige Kontrollen auf<br />

Fahrverbotsstrassen, Einkommens-<br />

und Vermögensgestufte<br />

Konsumssteuer für staatliche<br />

Dienstleistungen. Verrechnung<br />

der tatsächlichen Kosten, welche<br />

Bau-Grossprojekte für die<br />

Allgemeinheit verursachen,<br />

(Lärm, Strassenabnützung, Verkehrsbehinderungen,<br />

Sicherheitsvorkehrungen<br />

etc. mit einer<br />

Taxe belegen), eine Art kantonale<br />

Tobin-Tax für Finanzspekulationsgewinne<br />

als Abgeltung<br />

für vorteilhafte Rahmenbedingungen<br />

vor Ort.<br />

Innerhalb der<br />

Grenzen der<br />

verordneten<br />

Kollegialität<br />

Manuele Bertoli (SP), Staatsratskollege<br />

und Erziehungsdepartementsvorsteher,<br />

musste sich wegen<br />

seinen öffentlich vorgetragenen<br />

Einwänden zu einer einseitigen<br />

Sparlösung den Vorwand gefallen<br />

lassen, dass er damit die<br />

Kollegialität des Gremiums gesprengt<br />

habe. Mit Recht verweist<br />

der Kritisierte auf das Reglement<br />

über die Organisation von Regierung<br />

und Verwaltung von 2001.<br />

Dort heisst es im Artikel 6 unter<br />

anderem zwar wörtlich, dass die<br />

einzelnen Staatsräte grundsätzlich<br />

mit den Kollegen solidarisch<br />

sein müssen. Allerdings “kann<br />

ein Mitglied des Staatsrats seine<br />

Verschiedenheit der Ansichten<br />

zu den Entscheiden oder Meinungen<br />

der Kollegen kundtun,<br />

sofern er die Kollegialbehörde<br />

informiert.”<br />

Und genau dies habe er ja vorab<br />

getan, bevor er mit seiner oppositionellen<br />

Haltung in Sachen<br />

Kantonsfinanzen und Methoden,<br />

um diese ins Gleichgewicht zu<br />

bringen, an die Öffentlichkeit gelangt<br />

war.<br />

Dieser Passus wurde absichtlich<br />

dafür eingeführt, damit ein Mitglied<br />

mit Minderheitsmeinung<br />

nach aussen dennoch glaubwürdig<br />

bleiben kann und das Recht<br />

auf freie Meinung gewahrt bleiben<br />

kann.<br />

ra<br />

FDP, CVP<br />

und Lega<br />

pfeifen<br />

Bertoli zurück<br />

Nach der im Hinblick auf das<br />

Budget 2014 geforderten Steuererhöhung<br />

von SP-Regierungsrat<br />

Manuele Bertoli zweifeln<br />

FDP, CVP und Lega an der<br />

Regierungsfähigkeit des aktuellen<br />

Staatsratgremiums.<br />

„Unakzeptabel“ nennt FDP-<br />

Präsident Rocco Cattaneo den<br />

Vorschlag Bertolis in einem Interview<br />

mit der Zeitung „ilcaffè“.<br />

In der offiziellen Mitteilung<br />

der Partei schreibt er, die<br />

Regierung habe den Auftrag,<br />

durch strukturelle Eingriffe die<br />

Ausgaben zu reduzieren. Man<br />

können nicht Steuererhöhungen<br />

in Erwägung ziehen, ohne<br />

vorher alles versucht zu haben,<br />

um die Aufwände einzuschränken.<br />

CVP-Präsident Giovanni<br />

Jelmini sagt gegenüber den<br />

Medien, wenn sich alle Departementsvorsteher<br />

die gleichen<br />

Freiheiten herausnehmen würden<br />

wie Bertoli, wäre das politische<br />

System im Tessin bald<br />

am Ende. Die Lega, die bei einer<br />

allfälligen Steuererhöhung<br />

mit dem Referendum droht,<br />

kritisiert die Vorgehensweise<br />

Bertolis. Michele Foletti, Lega-<br />

Fraktionschef im Grossen Rat,<br />

nennt Bertolis Agieren „eine<br />

Flucht nach vorn“, die die aktuelle<br />

Arbeit an der „Road Map“<br />

gefährde.<br />

mb

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