13. Betriebserfahrungen, Monitoring und Diagnose
13. Betriebserfahrungen, Monitoring und Diagnose
13. Betriebserfahrungen, Monitoring und Diagnose
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<strong>13.</strong> <strong>Betriebserfahrungen</strong>, <strong>Monitoring</strong> <strong>und</strong> <strong>Diagnose</strong><br />
Moderne Hochspannungsbetriebsmittel sollen einen hohen Grad an Zuverlässigkeit <strong>und</strong> Verfügbarkeit<br />
besitzen, aber nur geringen Wartungsaufwand erfordern. Dieses Ziel kann durch<br />
eine entsprechende Auslegung des Betriebsmittels <strong>und</strong> durch Anwendung geeigneter Überwachungs-<br />
<strong>und</strong> <strong>Diagnose</strong>verfahren erreicht werden.<br />
Überwachung <strong>und</strong> <strong>Diagnose</strong> von Hochspannungsbetriebsmitteln wurden wesentlich durch die<br />
Fortschritte in der Mikroelektronik <strong>und</strong> Rechnertechnik beeinflusst. So sind in den letzten<br />
Jahren neue <strong>Diagnose</strong>verfahren entwickelt bzw. bekannte deutlich verbessert worden, <strong>und</strong> es<br />
sind neue Sek<strong>und</strong>ärsysteme mit erweiterter Funktionalität entstanden. Im Bereich der Sek<strong>und</strong>ärtechnik<br />
werden heute Systeme auf Mikroprozessor- bzw. Mikrorechner-Basis angeboten,<br />
die die bisherigen konventionellen Funktionen mit neuen <strong>Monitoring</strong>- <strong>und</strong> <strong>Diagnose</strong>funktionen<br />
zusammenführen.<br />
<strong>13.</strong>1 Analyse der <strong>Betriebserfahrungen</strong><br />
Die genaue Analyse der <strong>Betriebserfahrungen</strong> ist eine wichtige Voraussetzung für eine zielgerichtete<br />
Neu- <strong>und</strong> Weiterentwicklung Hochspannungsbetriebsmittel <strong>und</strong> gibt wichtige Hinweise<br />
für den Einsatz von <strong>Monitoring</strong>- <strong>und</strong> <strong>Diagnose</strong>einrichtungen.<br />
SF 6 -isolierte Hochspannungsgeräte <strong>und</strong> -anlagen haben einen hohen Grad an Zuverlässigkeit<br />
erreicht. Seit Einführung dieser Technologie Anfang der Siebziger konnten die Fehlerraten<br />
durch verschiedenste Maßnahmen stetig verringert werden. Bild <strong>13.</strong>1 zeigt die Entwicklung<br />
der Fehlerraten für 123-kV-SF 6 -Eindruckschalter. Man erkennt eine insgesamt fallende Tendenz<br />
der Fehlerraten. Lediglich in den Jahren 1989 bis 1991 ist ein gewisser Anstieg der<br />
Fehlerraten festzustellen, was auf die Einführung einer neuen Entwicklungsstufe zurückzuführen<br />
ist. Nach der Einführungsphase setzt sich die fallende Tendenz aber weiter fort.<br />
3,0E-02<br />
Fehler / Feldjahr<br />
2,0E-02<br />
1,0E-02<br />
0,0E+00<br />
10 100 1000 10000<br />
Feldjahre<br />
Bild <strong>13.</strong>1:<br />
Fehlerraten von 123-kV-<br />
GIS-Anlagen<br />
(Dielektrische Fehler)<br />
Einen ähnlichen Verlauf zeigen die Fehlerraten von 123-kV-SF 6 -isolierten Anlagen<br />
(Bild <strong>13.</strong>2). Auch hier ist in dem insgesamt fallenden Verlauf ein Anstieg der Fehlerraten<br />
nach 240 bzw. 890 Feldbetriebsjahren zu erkennen, der mit der Einführung neuer Entwicklungsstufen<br />
zusammenhängt. Auffallend ist, dass dieser Anstieg bei Einführung der zweiten<br />
Entwicklungsstufe weniger ausgeprägt ist als bei der ersten. Weitere Entwicklungsstufen<br />
konnten dann ohne negative Auswirkungen auf die Fehlerraten eingeführt werden.<br />
170
8<br />
7<br />
6<br />
Fehler/100 Schalter<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
86 87 88 89 90 91 92 93 94 95<br />
Jahr<br />
Bild <strong>13.</strong>2:<br />
Fehlerraten von 123-kV-<br />
SF 6 -Leistungsschaltern<br />
(“Major and minor<br />
failures”)<br />
<strong>13.</strong>1.1 Fehlerschwerpunkte <strong>und</strong> Fehlerraten bei Leistungsschaltern<br />
In der Mitte der 70iger wurden SF 6 -Eindruckschalter im Hochspannungsnetz eingeführt. Ihr<br />
Anteil an den insgesamt installierten Hochspannungsschaltern hat stetig zugenommen. Heute<br />
liegt ihr Anteil vielfach deutlich über 50 %. Die Zuverlässigkeit dieser Schaltertyps konnte im<br />
Laufe der Zeit deutlich verbessert werden, dennoch sind vier Fehlerschwerpunkte auf Gr<strong>und</strong><br />
der langjährigen <strong>Betriebserfahrungen</strong> zu erkennen.<br />
50%<br />
123 kV 245 kV 420 kV<br />
40%<br />
Fehlerrate<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
SF6-Leckagen Antrieb Sek.-Kreise Hochspgs-Teil<br />
Bild <strong>13.</strong>1.1:<br />
Typische Fehler von<br />
SF 6 -Schaltern<br />
Wie aus Bild <strong>13.</strong>1.1 hervorgeht, sind dies SF 6 -Leckagen, Fehler am Antriebssystem, Fehler in<br />
den Sek<strong>und</strong>är- <strong>und</strong> Hilfsstromkreisen <strong>und</strong> Fehler an den Hochspannungsteilen. Fast 30 % der<br />
Fehler sind auf Gasleckagen zurückzuführen. Mehr als 30 % Fehler haben ihren Ursprung im<br />
Antriebssystem <strong>und</strong> ca. 25 % in den Sek<strong>und</strong>är- <strong>und</strong> Hilfsstromkreisen, wohingegen weniger<br />
als 10 % auf den Hochspannungsteil entfallen.<br />
Die einzelnen Fehlerschwerpunkte können in weitere Fehlerkategorien <strong>und</strong> Fehlerursachen<br />
unterteilt werden.<br />
Gasleckagen (Bild <strong>13.</strong>1.2) sind zu einem großen Teil auf fehlerhafte statische Dichtsysteme<br />
zurückzuführen. Hier ist insbesondere Flanschkorrosion als Ursache zu nennen. Aber auch<br />
Undichtigkeiten an dynamischen Dichtungen sowie an Rohrverbindungen <strong>und</strong> Ventilen bilden<br />
einen deutlichen Fehlerschwerpunkt. Undichtigkeiten an Gehäusen sind gering, seitdem<br />
strenge Dichtigkeitsprüfungen an den betreffenden Bauteilen durchgeführt werden.<br />
171
50%<br />
123 kV 245 kV 420 kV<br />
40%<br />
Fehlerrate<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
stat. Dichtungen dynam. Dicht. Rohrverb.,<br />
Ventile<br />
Gehäuse<br />
Bild <strong>13.</strong>1.2<br />
Ursachen für Gasleckagen<br />
Die Fehler am Antriebssystem (Bild <strong>13.</strong>1.3) können unabhängig vom Antriebsprinzip - Federspeicher-<br />
bzw. Hydraulikantrieb - betrachtet werden. Die Fehler am Energiespeicher - Federbzw.<br />
Stickstoffspeicher - sind in erster Näherung proportional zur Spannungsebene. Was<br />
darauf zurückzuführen ist, dass bei 420-kV-Schaltern diese Antriebselemente in jedem<br />
Schalterpol vorhanden sind, wohingegen 123-kV-Schalter gewöhnlich einen gemeinsamen<br />
Antrieb pro Schalter besitzen. Bei den Überwachungseinheiten kann man auf Gr<strong>und</strong> der starken<br />
Unterschiede bei den verschiedenen Herstellern keine eindeutige Tendenz erkennen.<br />
80%<br />
60%<br />
123 kV 245 kV 420 kV<br />
Fehlerrate<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
Energiespeicher<br />
Ladeeinricht.<br />
Steuerung,<br />
Überwach.<br />
Bild <strong>13.</strong>1.3<br />
Ursachen für Fehler<br />
am Antrieb<br />
Bei den Sek<strong>und</strong>är- <strong>und</strong> Hilfsstromkreisen (Bild <strong>13.</strong>1.4) verursachen Relais <strong>und</strong> Schütze die<br />
meisten Fehler. Unzureichende Langzeitstabilität <strong>und</strong> elektromagnetische Verträglichkeit von<br />
elektronischen Relais sind hier die wesentliche Fehlerursache. Aber auch Sensoren <strong>und</strong> hier<br />
insbesondere SF 6 -Dichtemesser bilden einen deutlichen Fehlerschwerpunkt.<br />
80%<br />
123 kV 245 kV 420 kV<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
Relais,<br />
Schütze<br />
Hilfsschalt. Sensoren Verdraht.<br />
Bild 1.1.4<br />
Ursachen für Fehler<br />
in Sek<strong>und</strong>är- <strong>und</strong><br />
Hilfsstromkreisen<br />
172
Fehler im Hochspannungsteil sind relativ selten. Ein großer Teil ist auf Fehler an Steuerkondensatoren<br />
auf Gr<strong>und</strong> von Öl<strong>und</strong>ichtigkeiten zurückzuführen. Daher sind diese Fehlerraten<br />
bei 123-kV-Schaltern, die keine Steuerkondensatoren besitzen, sehr gering.<br />
Ein effizientes Online-<strong>Monitoring</strong>-System muss somit vorrangig die Zustandsgrößen des Antriebs,<br />
wie Antriebsbewegung, Energiespeicher <strong>und</strong> Ladeeinrichtung erfassen. Daneben ist<br />
eine permanente Überwachung der SF 6 -Dichte sowie der Sek<strong>und</strong>är- <strong>und</strong> Hilfsstromkreise<br />
sinnvoll.<br />
<strong>13.</strong>1.2 Fehlerschwerpunkte in GIS-Anlagen<br />
Die im Folgenden dargestellten dielektrischen Fehler beziehen sich auf <strong>Betriebserfahrungen</strong><br />
von mehreren großen deutschen EVU. Dabei wird unterschieden nach Fehlerursache,<br />
Fehlerort, Fehlerursprung <strong>und</strong> Erfassbarkeit der Fehler durch geeignete Diagnostik.<br />
Bei 123-kV-Anlagen mit einer Fehlerrate von durchschnittlich 0,27 %/Feldjahr kommen die<br />
in Bild <strong>13.</strong>2.1 dargestellten Fehlerursachen in Frage. Die Mehrzahl der Fehler ist auf Partikel<br />
auf der Oberfläche von Isolatoren <strong>und</strong> auf eine unzureichende Langzeitfestigkeit der Feststoffisolierung,<br />
insbesondere bei Strom- <strong>und</strong> Spannungswandlern zurückzuführen. Weitere<br />
Fehlerschwerpunkte sind Spitzen <strong>und</strong> feststehende Partikel auf dem Hochspannungsleiter sowie<br />
mangelnde Isolationskoordination von Trenn- <strong>und</strong> Erdungsschaltern bei Schaltvorgängen.<br />
123 kV<br />
Part. auf Isol.-<br />
Oberfl.<br />
30%<br />
Abschirm. u.<br />
Elektr.<br />
4%<br />
Part. auf<br />
Hochspg.<br />
13%<br />
IC von Trennu.Erdsch<br />
9%<br />
and. Komp.<br />
od. unbek.<br />
4%<br />
Fehler i.<br />
Festst.-Mat.<br />
31%<br />
Kein Fehler in<br />
Isol.<br />
9%<br />
Part. a. Stütz.-<br />
Oberfl.<br />
14%<br />
Part. auf Geh.-<br />
Oberfl.<br />
14%<br />
420 kV<br />
Part. auf<br />
Hochspg.<br />
29%<br />
andere Komp.<br />
o. unbek.<br />
14%<br />
IC von Trennu.<br />
Erdsch.<br />
29%<br />
Bild <strong>13.</strong>2.1:<br />
Analyse der <strong>Betriebserfahrungen</strong> mit GIS-Anlagen, Ursachen für<br />
dielektrische Fehler<br />
Bei 420-kV-Anlagen liegt die Fehlerrate höher, nämlich bei 0,95 %/Feldjahr. Die Fehler sind<br />
auf ähnliche Ursachen zurückzuführen. Mehr als die Hälfte der Fehler werden durch Spitzen<br />
<strong>und</strong> feststehende Partikel auf dem Hochspannungsleiter oder durch Partikel auf der Gehäuseseite<br />
bzw. auf der Oberfläche von Stützisolatoren hervorgerufen. Die mangelnde Isolationskoordination<br />
von Trenn- <strong>und</strong> Erdungsschaltern bildet mit etwa 30 % einen weiteren deutlichen<br />
Fehlerschwerpunkt.<br />
173
123 kV<br />
Stützer in<br />
Schotträumen<br />
23%<br />
Schaltger.-<br />
Räume<br />
14%<br />
andere<br />
Schotträume<br />
9%<br />
Feststoff-Mat.<br />
von I- u. U-<br />
Wandlern<br />
23%<br />
I- u. U-Wandler-<br />
Räume<br />
5%<br />
Stützer in<br />
Schaltger.-<br />
Räumen<br />
26%<br />
Stützer in<br />
Schotträumen<br />
29%<br />
420 kV<br />
Schaltgeräte-<br />
Räume<br />
42%<br />
andere<br />
Schotträume<br />
29%<br />
Bild <strong>13.</strong>2.2:<br />
Analyse der <strong>Betriebserfahrungen</strong> mit GIS-Anlagen<br />
Fehlerort für dielektrische Fehler<br />
Bei 123-kV-Anlagen liegt der Fehlerort zu 40 % im Bereich der Schaltgeräte (Bild <strong>13.</strong>2.2).<br />
Fast 30 % der Fehler treten im Bereich der Strom- <strong>und</strong> Spannungswandler auf. Daneben sind<br />
Stützisolatoren mit einer Häufigkeit von fast 25 % ein weiterer Fehlerschwerpunkt. Bei<br />
420-kV-Anlagen liegen die Fehlerschwerpunkte in den Bereichen Schaltgeräte <strong>und</strong> Stützisolatoren.<br />
Die Fehler sind auf unzureichendes Design, auf Fertigungsmängel <strong>und</strong> auf Mängel bei Montage<br />
<strong>und</strong> Inbetriebnahme vor Ort zurückzuführen (Bild <strong>13.</strong>2.3).<br />
123 kV<br />
unbekannt o.<br />
andere<br />
Gründe<br />
14%<br />
Design<br />
36%<br />
420 kV<br />
Vorort<br />
23%<br />
Fertigung<br />
27%<br />
Vorort<br />
14%<br />
unbekannte o.<br />
andere Gründe<br />
14%<br />
Design<br />
29%<br />
Fertigung<br />
43%<br />
Bild <strong>13.</strong>2.3:<br />
Analyse der <strong>Betriebserfahrungen</strong> mit GIS-Anlagen Ursprung für<br />
dielektrische Fehler<br />
174
Etwa 60 bis 70 % der Fehler hätten mit einem ausreichend empfindlichen Überwachungssystem<br />
erfasst <strong>und</strong> somit vermieden werden können (Bild <strong>13.</strong>2.4).<br />
123 kV<br />
Entwickl.<br />
nicht erfaßb.<br />
14%<br />
gar nicht<br />
erfaßb.<br />
18%<br />
erfaßbar<br />
14%<br />
420 kV<br />
Entwickl.<br />
erfaßb.<br />
54%<br />
gar nicht<br />
erfaßb.<br />
42%<br />
erfaßbar<br />
29%<br />
Entwickl.<br />
erfaßb.<br />
29%<br />
Bild <strong>13.</strong>2.4:<br />
Analyse der <strong>Betriebserfahrungen</strong> mit GIS-Anlagen Erfassbarkeit<br />
dielektrischer Fehler<br />
Hierzu zählen auch Fehler <strong>und</strong> Unregelmäßigkeiten, die erst im Laufe der Betriebszeit entstanden<br />
sind. Insgesamt ist die Zahl der erfassbaren Fehler sicherlich noch höher, da viele der<br />
nicht erfassbaren Unregelmäßigkeiten, wie z. B. Designfehler <strong>und</strong> unzureichende Vorortprüfung,<br />
bei der heutigen Anlagengeneration mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen<br />
werden können.<br />
Die Analyse zeigt, dass Überwachungssysteme sinnvoll sein können, sofern sie eine ausreichende<br />
Empfindlichkeit besitzen.<br />
Insgesamt wird bei heutigen Anlagengenerationen die Zahl der Fehler geringer <strong>und</strong> die Zahl<br />
der erfassbaren Fehler höher sein. Viele der Unregelmäßigkeiten, wie z. B. Designfehler auf<br />
Gr<strong>und</strong> mangelnder Isolationskoordination von Trenn- <strong>und</strong> Erdungsschaltern bei Schaltvorgängen<br />
oder Fertigungsmängel in großvolumigen Feststoffisolierungen von Strom- <strong>und</strong> Spannungswandlern<br />
oder unvollständige Vorortprüfung können mit großer Wahrscheinlichkeit<br />
heute ausgeschlossen werden. Die verbleibenden Fehler sind im Wesentlichen auf Partikel<br />
zurückzuführen. Diese Fehler können ausgehen von Partikeln auf der Isolatoroberfläche, von<br />
feststehenden Partikeln auf dem Hochspannungsleiter <strong>und</strong> von frei beweglichen Partikeln.<br />
Ein Teil dieser Unregelmäßigkeiten wird sicherlich auch durch verbesserte Qualitätssicherungsmaßnahmen<br />
zu vermeiden sein. Die meisten der verbleibenden Unregelmäßigkeiten<br />
können mit einer ausreichend empfindlichen Vorort-Prüftechnik aufgef<strong>und</strong>en werden. Daher<br />
sollte es möglich sein, bei GIS-Anlagen Fehlerraten von 0,1 % / Feldjahr zu realisieren. Eine<br />
solche Zuverlässigkeit ist erforderlich, um bei GIS-Anlagen trotz der höheren Ausfallzeiten<br />
im Fehlerfall mindestens die gleiche Verfügbarkeit wie bei Freiluftgeräten <strong>und</strong> -anlagen zu erreichen.<br />
175
<strong>13.</strong>2 Aufgaben, Ziele <strong>und</strong> Vorgehensweisen <strong>Monitoring</strong> <strong>und</strong> <strong>Diagnose</strong><br />
Aufgabe der Diagnostik ist es, mögliche Schwachstellen <strong>und</strong> Defekte rechtzeitig aufzuzeigen.<br />
Neben der Fehlererkennung kommt der Diagnostik auch die Aufgabe zu, ausreichend Daten<br />
<strong>und</strong> Informationen für eine Einschätzung des Fehlerrisikos zu liefern. des Weiteren wird<br />
erwartet, dass sich aus den Messergebnissen <strong>und</strong> deren Interpretation Maßnahmen für das<br />
weitere Vorgehen ableiten lassen. Darüber hinaus soll mit Hilfe der Diagnostik auch eine<br />
Abschätzung der Restlebensdauer möglich sein.<br />
Hierzu stehen Off-line- <strong>und</strong> On-line-Verfahren zur Verfügung. Bei der Anwendung von Offline-Verfahren<br />
wird das Betriebsmittel zu <strong>Diagnose</strong>zwecken außer Betrieb genommen. Online-<strong>Diagnose</strong>verfahren<br />
werden an in Betrieb befindlichen Betriebsmitteln durchgeführt.<br />
Die zu <strong>Diagnose</strong> erforderlichen Daten können durch<br />
• dauernde Überwachung<br />
• periodische Überprüfungen<br />
• gelegentliche Überprüfungen<br />
gewonnen werden.<br />
Für die dauernde Überwachung ist das zu überwachende Betriebsmittel mit einer Messeinrichtung<br />
auszurüsten, die die als diagnostischer Indikator ausgewählte Messgröße permanent<br />
aufzeichnet, auswertet <strong>und</strong> bei Überschreiten von Schwellwerten Alarmsignale absetzt.<br />
Beispiel ist die kontinuierliche Gasdichteüberwachung an einem SF 6 -Leistungsschalter oder<br />
einem Isoliergasraum einer SF 6 -Anlage.<br />
Bei periodischen Überprüfungen werden an dem zu überwachenden Betriebsmittel eine oder<br />
mehrere Prüfungen durchgeführt, die neben dem momentanen Zustand auch Rückschlüsse auf<br />
Betriebsereignisse zwischen den Prüfperioden liefern können. Je nach Meßmethode kann<br />
hierfür eine Freischaltung des Betriebsmittels notwendig sein. Typische Beispiele sind Ölgasanalysen<br />
an Transformatoren <strong>und</strong> Wandlern.<br />
Gelegentliche Überprüfungen werden ereignisorientiert im Zusammenhang mit besonderen<br />
Vorkommnissen im Netz oder auf Gr<strong>und</strong> von Schadensfällen an vergleichbaren Betriebsmitteln<br />
vorgenommen.<br />
Das hochwertigste, aber auch aufwendigste <strong>Diagnose</strong>verfahren stellt die On-line-<strong>Diagnose</strong><br />
dar, die sich auf die Daten einer permanenten Überwachung stützt. Oftmals sind aber auch<br />
<strong>Diagnose</strong>aussagen ohne On-line-<strong>Diagnose</strong> mit Hilfe von periodischen Überprüfungen möglich.<br />
Dies ist bei vielen älteren Betriebsmitteln der Fall, die nicht mit den notwendigen Sensoren<br />
ausgerüstet sind.<br />
Bei neuen <strong>und</strong> zukünftigen Betriebsmitteln ist daher sorgfältig zu prüfen, welche Sensoren zu<br />
installieren sind.<br />
<strong>13.</strong>3 Überwachungseinrichtungen<br />
Die Aufgabe eines Überwachungssystems ist es, die ordnungsgemäße Funktion des Betriebsmittels<br />
zu kontrollieren, Fehler <strong>und</strong> Unregelmäßigkeiten rechtzeitig anzuzeigen <strong>und</strong> Fehlfunktionen<br />
<strong>und</strong> Fehlverhalten zu vermeiden.<br />
176
Hierbei sind vorhersehbare <strong>und</strong> nicht vorhersehbare Fehler zu unterscheiden. Bei nicht vorhersehbaren<br />
Fehlern - solche werden meist erst entdeckt, wenn das Betriebsmittel betätigt<br />
wird - ist die vorrangige Aufgabe der Überwachungseinrichtung, weitere Fehlfunktionen zu<br />
unterbinden <strong>und</strong> das Betriebsmittel somit vor möglicher Zerstörung zu schützen.<br />
Vorhersehbare Fehler müssen durch ein mehrstufiges Überwachungssystem erfasst werden.<br />
Wird die erste Warnstufe erreicht, so können geeignete Maßnahmen eingeleitet werden. Ggf.<br />
kann das Betriebsmittel geplant außer Betrieb genommen werden, um Instandsetzungen<br />
durchzuführen. In jedem Fall ist das Betriebsmittel noch für eine gewisse Zeit betriebstüchtig.<br />
Erst bei Erreichen der zweiten Warnstufe (Störung) ist das Betriebsmittel dann nicht mehr<br />
betriebstüchtig.<br />
Beispiele sind die mehrstufige Überwachung der Gasdichte oder des Energiespeichers eines<br />
Leistungsschalters.<br />
Bei der Konzeption eines mehrstufigen Überwachungssystems sind folgende Gesichtspunkte<br />
zu bedenken:<br />
- Es müssen geeignete Indikatoren für sich anbahnende Fehler gef<strong>und</strong>en werden.<br />
- Der Abstand zwischen den einzelnen Warnstufen muss ausreichend groß sein, um in<br />
geeigneter Form reagieren zu können.<br />
Die zu überwachenden Größen können dabei auf direktem oder indirektem Wege gemessen<br />
werden. SF 6 -Leckagen beispielsweise können durch direkte Messung der Gasdichte erfasst<br />
werden. Undichtigkeiten an einem Stickstoffspeicher z.B. müssen indirekt gemessen werden,<br />
indem die Kolbenstellung des Speichers ermittelt wird.<br />
Die einzelnen Warnstufen werden meist durch passive Sensoren mit Schellwertschaltern angezeigt.<br />
Um Tendenzen erkennen zu können, wären Sensoren erforderlich, die die zeitliche<br />
Änderung, d.h. den Gradienten einer zu überwachenden Größe, aufnehmen können. Solche<br />
Informationen können zu einer höheren Verfügbarkeit des jeweiligen Betriebsmittels beitragen.<br />
<strong>13.</strong>4 Zustandserfassung <strong>und</strong> <strong>Diagnose</strong>messungen<br />
Durch Zustandserfassung <strong>und</strong> <strong>Diagnose</strong>messungen kann der Instandhaltungsaufwand deutlich<br />
verringert werden. Nur wenn die Messergebnisse konkrete Hinweise auf Unregelmäßigkeiten<br />
geben, werden weitergehende Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt. Außerdem können<br />
mit Hilfe von geeigneten <strong>Diagnose</strong>messungen Tendenzen sowie Alterungs- <strong>und</strong><br />
Verschleißerscheinungen erkannt werden, so dass der Zeitpunkt für Austausch bzw.<br />
Instandsetzung qualifizierter angegeben werden kann.<br />
Hierzu zwei Beispiele:<br />
Der Zustand des Kontaktsystems eines Leistungsschalters kann durch Messung des aktuellen<br />
Kontaktübergangswiderstandes <strong>und</strong> Vergleich mit dem Neuzustand ermittelt werden. Besonders<br />
aussagekräftig ist diese Messung, wenn sie während der Kontaktbewegung als sog.<br />
dynamische Kontaktwiderstandsmessung durchgeführt wird.<br />
177
Bild <strong>13.</strong>4.1 zeigt den dynamischen Kontaktübergangswiderstand nach einigen Kurzschluss-<br />
Schaltungen. Bei der Ausschaltung (Bild a) kann man in den Oszillogrammen 1) bis 3) den<br />
Übergang vom Hauptkontakt- auf das Abbrandkontaktsystem <strong>und</strong> die endgültige Stromunterbrechung<br />
erkennen. Im Vergleich zum neuwertigen Kontaktsystem (Oszillogramm 1) ist der<br />
Übergangswiderstand des Abbrandkontaktsystems gemäß Oszillogramm 2) leicht erhöht ist.<br />
Oszillogramm 3) zeigt jedoch ein deutlich anderes Verhalten beim Ablauf des Abbrandkontaktes,<br />
der auf eine Unregelmäßigkeit am Abbrandkontakt hindeutet. In Oszillogramm 4)<br />
ist gar kein Stromübergang auf das Abbrandkontaktsystem mehr festzustellen. Vergleichbares<br />
Verhalten ist aus den Oszillogrammen bei der Einschaltung (Bild b) zu entnehmen. Eine<br />
genauere Analyse nach Öffnen der Schaltkammer ergibt, dass bei den Fällen gemäß Oszillogramm<br />
3) <strong>und</strong> 4) der Abbrandkontakt sich in der Halterung gelockert hat, <strong>und</strong> es dadurch zu<br />
Lichtbogenerscheinungen in dieser Zone gekommen ist.<br />
Ausschaltung<br />
Einschaltung<br />
Bild <strong>13.</strong>4.1:<br />
Dynamischer Kontaktübergangswiderstand<br />
Das Verhalten des Antriebes <strong>und</strong> der kinematischen Kette zwischen Antrieb <strong>und</strong> Schaltkammer<br />
lässt sich anhand der Schaltbewegung analysieren. Bild <strong>13.</strong>4.2 zeigt dazu das<br />
Verhalten von drei einzelpoligen Antrieben eines Leistungsschalters bei einer Ein- bzw.<br />
Ausschaltung. Aus der Einschaltbewegung ist zu erkennen, dass die Einschaltgeschwindigkeit<br />
des Pols L1 etwas geringer als die der Pole L2 <strong>und</strong> L3. Sie bewegt sich jedoch in den<br />
zulässigen Toleranzen, was auch durch eine Kontrolle der Schaltzeiten bestätigt wird. Das<br />
Ende der Einschaltbewegung von Pol L3 zeigt gewisse Auffälligkeiten.<br />
Der Verlauf endet ohne sichtbare Dämpfung. Noch deutlicher ist dieses Verhalten am Ende<br />
der Ausschaltbewegung zu erkennen.<br />
Dies deutet auf eine Unregelmäßigkeit in der Dämpfung dieses Poles hin. Bei der anschließenden<br />
Kontrolle wird ein Defekt am hydraulischen Dämpfungselement des Antriebes festgestellt,<br />
der einen Austausch dieses Elementes erforderlich macht. Bei diesem Pol wurden übrigens<br />
trotz der fehlenden Dämpfung keine unzulässigen Abweichungen in den Schaltzeiten<br />
ermittelt.<br />
178
Bild <strong>13.</strong>4.2:<br />
Ein- bzw. Ausschaltbewegung<br />
von drei einzelpoligen<br />
Leistungsschalter-Antrieben<br />
<strong>13.</strong>5 Steuerung, Überwachung <strong>und</strong> <strong>Diagnose</strong> von Leistungsschaltern durch<br />
integrierte, intelligente Sek<strong>und</strong>ärsysteme<br />
Moderne intelligente Sek<strong>und</strong>ärsysteme, integriert in Hochspannungsbetriebsmittel, können<br />
einen wesentlichen Beitrag zu einer verbesserten Verfügbarkeit <strong>und</strong> einer wirtschaftlicheren<br />
Instandhaltung leisten. Wegen der besonderen Eigenschaften solcher Systeme werden deutlich<br />
mehr Informationen über jedes Betriebsmittel zur Verfügung stehen. Damit ist nicht nur<br />
der aktuelle Zustand des Betriebsmittels bekannt, sondern es werden auch Tendenzen, insbesondere<br />
solche, die zu Unregelmäßigkeiten <strong>und</strong> Fehlfunktionen führen, erkannt <strong>und</strong> angezeigt.<br />
Bei der Einführung moderner, intelligenter Sek<strong>und</strong>ärsysteme auf Mikroprozessorbasis sind<br />
sowohl wirtschaftliche als auch systemtechnische Aspekte zu bedenken. Dabei muss geprüft<br />
werden, inwieweit es Sinn macht, die in Betrieb befindlichen Generationen von Betriebsmitteln<br />
zusätzlich mit solchen Systemen auszurüsten. Für den zukünftigen Einsatz sind hier<br />
Konzepte zu entwickeln, die diese Systeme in die jeweiligen Betriebsmittel integrieren <strong>und</strong><br />
dabei die erweiterten technischen Möglichkeiten für die Betriebsführung <strong>und</strong> für Zwecke der<br />
Instandhaltung nutzen. Ein derartiges Konzept soll in Abschnitt 14 am Beispiel eines modernen,<br />
sog. intelligenten Leistungsschalters erläutert werden.<br />
<strong>13.</strong>6 Automatisierte, benutzergeführte Inspektion von Leistungsschaltern<br />
durch Einsatz intelligenter Systeme<br />
Bei einer Vielzahl von in Betrieb befindlichen Betriebsmitteln wird man zu der Erkenntnis<br />
kommen, dass eine Nachrüstung intelligenter Sek<strong>und</strong>ärsysteme auf Gr<strong>und</strong> des hohen Engineering-<br />
<strong>und</strong> Kostenaufwandes wenig interessant ist. Dennoch kann dieses System genutzt werden,<br />
um die Effizienz der Instandhaltungsaktivitäten an den bereits installierten Betriebsmitteln<br />
zu verbessern. Durch die Einführung eines automatisierten <strong>und</strong> benutzergeführten,<br />
welches auf einer ähnlichen Hardware- <strong>und</strong> Software-Konfiguration basiert, können Instandhaltungsmaßnahmen<br />
qualifizierter <strong>und</strong> in kürzerer Zeit durchgeführt werden.<br />
Bild <strong>13.</strong>6.1 zeigt die Vorgehensweise an einem SF 6 -Leistungsschalter. Das Hauptelement ist<br />
die sog. <strong>Diagnose</strong>box, die die Prozesssteuerung, die Datenaufzeichnung <strong>und</strong> -auswertung <strong>und</strong><br />
die Datenübertragung zu einem Laptop übernimmt. Dieses Element stimmt weitgehend mit<br />
dem Mikrocomputer des intelligenten Leistungsschalters überein.<br />
179
I m<br />
Kontaktwiderstand<br />
statisch & dynamisch U m<br />
<strong>Diagnose</strong>stecker<br />
SF 6 -Check<br />
Kontaktbewegung<br />
<strong>Diagnose</strong>box<br />
Prozesssteuerung<br />
Messwertaufnahme<br />
Datentransfer<br />
Steuerung & Überwachung<br />
(Schaltvorg., Antrieb)<br />
Bild <strong>13.</strong>6.1:<br />
Automatisierte, benutzergeführte <strong>und</strong><br />
Datenbank gestützte Inspektion <strong>und</strong><br />
<strong>Diagnose</strong> von Leistungsschaltern<br />
Die <strong>Diagnose</strong>box enthält verschiedene Eingänge, um die verschiedenen <strong>Diagnose</strong>größen aufzuzeichnen.<br />
Die Signale für Steuerung <strong>und</strong> Überwachung des Schaltvorganges <strong>und</strong> des Antriebsmechanismus<br />
können über einen <strong>Diagnose</strong>stecker abgegriffen werden.<br />
Durch Einsatz von drei zusätzlichen Sensoren kann man den Kontaktwiderstand <strong>und</strong> die Kontaktbewegung<br />
aufzeichnen <strong>und</strong> das SF 6 -Gas überprüfen. Insgesamt werden die in Tabelle 6.1<br />
aufgeführten <strong>Diagnose</strong>größen erfasst <strong>und</strong> aufgewertet. Alle Messergebnisse werden automatisch<br />
analysiert <strong>und</strong> in einer Datenbank abgespeichert.<br />
Schaltvorgang<br />
• Ein- <strong>und</strong> Ausschaltzeiten des Hauptkontaktes <strong>und</strong> der Hilfskontakte<br />
• I(t) der Auslösespulen<br />
Schaltkontaktbewegung<br />
• Schaltgeschwindigkeit<br />
• Dämpfung während der Ein- <strong>und</strong> Ausschaltung<br />
Kontaktwiderstand<br />
• Statisch, quasistatisch, d. h. zu Beginn der Schaltbewegung<br />
• Dynamisch, d. h. während der Schaltbewegung<br />
Antrieb<br />
• Steuerung <strong>und</strong> Überwachung der Ladeeinrichtung<br />
• I(t) der Ladeeinrichtung<br />
• Energieinhalt des Speichers<br />
SF 6 -Gas-Füllung<br />
• Gasdichte<br />
• Gasfeuchte <strong>und</strong> Zersetzungsprodukte<br />
• Gasdichteanzeige<br />
Meldungen<br />
• Stör- <strong>und</strong> Warnmeldungen<br />
• Stellungsmeldungen<br />
Tabelle 6.1.2:<br />
Gemessene <strong>und</strong> aufgezeichnete<br />
<strong>Diagnose</strong>größen<br />
Hierzu kann man die gleichen Algorithmen <strong>und</strong> Softwareroutinen, wie sie vom intelligenten<br />
Sek<strong>und</strong>ärsystem bekannt sind, verwenden. Mit Hilfe früherer <strong>Diagnose</strong>daten aus der Datenbank<br />
lassen sich Tendenzen ermitteln <strong>und</strong> Unregelmäßigkeiten bereits in der Frühphase auffinden.<br />
180
Der Ablauf des Inspektionsvorganges ist automatisiert. Das Wartungspersonal erhält Anweisungen,<br />
welche Inspektionsmaßnahmen durchzuführen sind <strong>und</strong> welche Abhilfemaßnahmen<br />
im Falle von Unregelmäßigkeiten einzuleiten sind. Durch die beschriebene Vorgehensweise<br />
können in ziemlich kurzer Zeit umfangreiche Informationen über den Zustand des Leistungsschalters<br />
gesammelt werden. Wenn keine Unregelmäßigkeiten oder unzulässige Abweichungen<br />
von den Sollwerten vorliegen, wird der Leistungsschalter für den Betrieb wieder freigegeben.<br />
Anderenfalls können mit Hilfe dieser Informationen weitere Wartungsmaßnahmen<br />
oder Instandsetzungsarbeiten geplant werden.<br />
<strong>13.</strong>7 Einfluss auf Instandhaltungsstrategien, gr<strong>und</strong>sätzliche Auslegung sowie<br />
Lebensdauerkosten <strong>und</strong> Systemtechnik<br />
<strong>Monitoring</strong> <strong>und</strong> <strong>Diagnose</strong> kann die Wirtschaftlichkeit von Schaltgeräten auf verschiedene<br />
Weise beeinflussen.<br />
Zunächst kann die Instandhaltung durch Verringerung des Wartungsaufwandes <strong>und</strong> der Wartungshäufigkeit<br />
effizienter gestaltet werden. Fehler können bereits im frühen Stadium erkannt<br />
werden. So lassen sich Instandsetzungs- <strong>und</strong> Reparaturarbeiten längerfristig planen <strong>und</strong> mit<br />
der Betriebsführung abstimmen.<br />
Die neuen Methoden der Fehlerfrüherkennung ermöglichen es, Fehler <strong>und</strong> Unregelmäßigkeiten<br />
aufzufinden, die dem Betriebspersonal bisher nicht zugänglich waren. Hierdurch wird<br />
das Feedback beschleunigt, was insbesondere bei neuen Geräten positive Rückwirkungen auf<br />
den Fertigungs- <strong>und</strong> Qualitätssicherungsprozess hat.<br />
Die in der Datenbank gespeicherten Informationen können für eine effiziente Ersatzteilstrategie<br />
genutzt werden. Hieraus ergeben sich Hinweise, welche Ersatzteile in welchen Mengen<br />
herzustellen <strong>und</strong> zu lagern sind. In vielen Fällen wird dann die Lagerung von einigen typischen<br />
Ersatzmodulen sinnvoller sein als die Lagerung von vielen verschiedenen einzelnen<br />
Ersatzteilen. Daher wird die gr<strong>und</strong>sätzliche Auslegung der Geräte so zu modifizieren sein,<br />
dass wenige Baugruppen <strong>und</strong> Module mit einfachen Schnittstellen vorhanden sind.<br />
Will man eine auf die gesamte Lebensdauer des Betriebsmittels bezogene Wirtschaftlichkeitsanalyse<br />
vornehmen, so sind die Lebensdauerkosten zu betrachten. Lebensdauerkosten (Life<br />
Cycle Costs-LCC) sind die Summe aller heutigen <strong>und</strong> zukünftigen Kosten, die während der<br />
erwarteten Lebensdauer eines Betriebsmittels auftreten. Sie setzen sich aus folgenden Kostenelementen<br />
zusammen:<br />
LCC = CI + CP + CR + CO + OC + CD<br />
CI Kosten für Installation <strong>und</strong> Beschaffung<br />
CP Kosten für geplante Instandhaltung<br />
CR Kosten für Reparatur- <strong>und</strong> Instandsetzungsmaßnahmen<br />
CO allgemeine Betriebskosten<br />
OC Ausfallkosten<br />
CD Kosten für Verschrottung <strong>und</strong> Entsorgung.<br />
In Tabelle <strong>13.</strong>7.1 ist abgeschätzt, welchen Einfluss moderne, intelligente Sek<strong>und</strong>ärsysteme<br />
auf die einzelnen Kostenelemente haben.<br />
181
Art der Kosten<br />
Einfluss auf Lebensdauerkosten<br />
(LCC)<br />
CI Beschaffung<br />
Installation<br />
+<br />
-<br />
CP -<br />
CR -<br />
CO 0<br />
OC -<br />
CD 0<br />
Lebensdauer +<br />
+ Anstieg 0 neutral - Verringerung Tabelle <strong>13.</strong>7.1<br />
Eine deutliche Reduzierung wird bei den Instandhaltungskosten <strong>und</strong> den Ausfallkosten erwartet.<br />
Den höheren Beschaffungskosten stehen geringe Kosten für Installation entgegen.<br />
Insgesamt sind geringere Lebensdauerkosten als bisher zu erwarten.<br />
Über die bereits dargestellten Einflüsse auf Instandhaltung <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzliche Auslegung hinaus<br />
können On-line-<strong>Monitoring</strong> <strong>und</strong> <strong>Diagnose</strong> noch weitergehende Auswirkungen auf die<br />
Systemtechnik haben. Zunächst lässt sich die Verfügbarkeit der Betriebsmittel durch die Zustandsinformationen<br />
<strong>und</strong> die Fehlerfrüherkennung deutlich verbessern. Unvorhergesehene<br />
Ausfälle werden nur noch selten auftreten.<br />
Notwendige Instandsetzungsarbeiten sind vorhersehbar <strong>und</strong> planbar <strong>und</strong> können somit mit<br />
den Anforderungen der Betriebsführung koordiniert werden.<br />
Die ständige Auswertung des Zustandes der Betriebsmittel führt zu umfangreichen Informationen<br />
über Verschleiß- <strong>und</strong> Alterungsprozesse. Zusammen mit den weiteren <strong>Betriebserfahrungen</strong><br />
<strong>und</strong> den Ergebnissen von Material- <strong>und</strong> Bauteilprüfungen ergeben sich hieraus<br />
belastbare Kriterien für eine Beurteilung der im Netz installierten Betriebsmittel.<br />
Datenbanksysteme können helfen, all diese Informationen zu sammeln <strong>und</strong> auszuwerten. Dies<br />
schafft die Basis für eine zuverlässige Lebensdauerabschätzung <strong>und</strong> ermöglicht ggf. eine Lebensdauerverlängerung.<br />
Die Kenntnisse können aber nicht nur verwendet werden, um Kriterien für die Ertüchtigung<br />
<strong>und</strong> Erneuerung zu erarbeiten. Sie können auch für weitere systemtechnische Überlegungen<br />
genutzt werden. So ist beispielsweise bei der gr<strong>und</strong>sätzlichen Auslegung von Hochspannungsschaltanlagen<br />
die Zahl der Sammelschienen <strong>und</strong> die Notwendigkeit einer Umgehungsschiene<br />
unter Berücksichtigung der Fehlerraten <strong>und</strong> der Nichtverfügbarkeit moderner Leistungsschalter<br />
zu prüfen. Bei GIS-Anlagen haben solche Überlegungen bereits zu einer besonderen<br />
Anlagenvariante mit einem Bypasstrennschalter geführt. Dieser ermöglicht, ein Sammelschienensystem<br />
sowohl als Hauptsammelschiene als auch als Umgehungsschiene zu verwenden.<br />
Insgesamt werden durch die zusätzlichen Informationen <strong>und</strong> Erkenntnisse eine stärkere Auslastung<br />
<strong>und</strong> ein wirtschaftlicherer Betrieb der Netze möglich sein.<br />
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