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Sonderheft Caritas in NRW - Caritasverband für das Bistum Aachen

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Sonderdruck<br />

Zeitschrift der Diözesan-<strong>Caritas</strong>verbände <strong>Aachen</strong>, Essen, Köln, Münster und Paderborn


Impressum<br />

Sonderdruck zur Kampagne<br />

„Hilfe! Mehr Zeit <strong>für</strong> Pflege!“ der Wohlfahrtsverbände<br />

<strong>in</strong> <strong>NRW</strong> vom 15. - 28. April 2013<br />

„<strong>Caritas</strong> <strong>in</strong> <strong>NRW</strong>“<br />

L<strong>in</strong>denstraße 178<br />

40233 Düsseldorf<br />

Telefon: 02 11 / 51 60 66-20<br />

Telefax: 02 11 / 51 60 66-25<br />

E-Mail: redaktion@caritas-nrw.de<br />

http://www.caritas-nrw.de<br />

Herausgeber: Diözesan-<strong>Caritas</strong>verbände von <strong>Aachen</strong>, Essen, Köln,<br />

Münster, Paderborn, vertreten durch Diözesan-<strong>Caritas</strong>direktor<br />

Andreas Meiwes, Essen<br />

Chefredakteur: Markus Lahrmann<br />

Redaktionssekretariat: Kev<strong>in</strong> Jandrey<br />

Layout: Alexander Schmid<br />

Druck: Bonifatius GmbH, Paderborn<br />

Gedruckt auf Bilderdruck-Papier, hergestellt aus 100% chlorfrei<br />

gebleichten Faserstoffen.


Vorwort<br />

Liebe Leser<strong>in</strong>, lieber Leser,<br />

viele Menschen, die pflegebedürftig werden, möchten<br />

gerne <strong>in</strong> ihrem vertrauten Zuhause wohnen bleiben und<br />

auch dort versorgt werden. Es s<strong>in</strong>d die ambulanten Pflegedienste,<br />

die <strong>das</strong> möglich machen. Doch genau diese<br />

ambulanten Pflegedienste stehen unter e<strong>in</strong>em enormen<br />

wirtschaftlichen Druck. Die F<strong>in</strong>anzierung ihrer Leistungen<br />

reicht nicht mehr aus.<br />

Ob Benz<strong>in</strong>- oder Personalkosten: Die Ausgaben der<br />

Pflegedienste s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den vergangenen Jahren erheblich<br />

gestiegen. Leider hat die Vergütung dieser Leistungen<br />

durch die Krankenkassen mit den Ausgaben<br />

nicht Schritt gehalten. Von 2002 bis 2012 stiegen die<br />

Kosten nachweislich um rund 20 Prozent. Die Vergütung<br />

durch die Krankenkassen wurde dagegen nur um<br />

knapp 7 Prozent angehoben. Die Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und<br />

Mitarbeiter unserer Sozialstationen müssen immer<br />

schneller werden. Zu leiden haben darunter die Patient<strong>in</strong>nen<br />

und Patienten. Bleibt alles so, wie es derzeit<br />

ist – so fahren die Pflegedienste schnurstracks <strong>in</strong> die roten<br />

Zahlen: Arbeitsverdichtung bei den Pflegekräften,<br />

noch engere Tourenplanung und weniger Zeit <strong>für</strong> die<br />

zu pflegenden Menschen s<strong>in</strong>d Folgen der chronischen<br />

Unterf<strong>in</strong>anzierung.<br />

In Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen gehören rund 930 ambulante<br />

Pflegedienste zur Freien Wohlfahrtspflege, darunter<br />

s<strong>in</strong>d rund 330 alle<strong>in</strong> von der <strong>Caritas</strong>. Unsere Pflegedienste<br />

versorgen fast die Hälfte der Pflegebedürftigen<br />

des Landes – <strong>das</strong> s<strong>in</strong>d 118 500 Menschen. Im Interesse<br />

dieser Patient<strong>in</strong>nen und Patienten setzen wir uns e<strong>in</strong><br />

<strong>für</strong> e<strong>in</strong>e auskömmliche Vergütung der Pflegeleistungen.<br />

Wir s<strong>in</strong>d geme<strong>in</strong>nützig, wir wollen nicht an der Pflege<br />

verdienen, sondern uns <strong>in</strong> der Pflege verdient machen.<br />

Die Landesarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft der Wohlfahrtsverbände<br />

macht mit der Kampagne „Hilfe! Mehr Zeit <strong>für</strong><br />

Pflege!“ auf die unbefriedigenden Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

der ambulanten Pflege aufmerksam. In e<strong>in</strong>er Zeit des<br />

zunehmenden Fachkräftemangels ist es wichtiger denn<br />

je, dem beruflichen Nachwuchs e<strong>in</strong> attraktives Arbeitsumfeld<br />

zu bieten. Mittelfristig geht es um die Versorgungssicherheit<br />

der Bevölkerung.<br />

In diesem Sonderdruck unserer Zeitschrift „<strong>Caritas</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>NRW</strong>“ f<strong>in</strong>den Sie Informationen, Analysen und Berichte<br />

zur aktuellen Situation <strong>in</strong> der ambulanten Krankenpflege.<br />

Dazu werden <strong>in</strong> Reportagen und Porträts Pflegekräfte<br />

vorgestellt, die <strong>in</strong> diesem Berufsfeld mit Herz<br />

und Engagement tätig s<strong>in</strong>d. Für sie und all die vielen, die<br />

diese schwere Arbeit tagtäglich tun, vor allem aber <strong>für</strong><br />

die Patient<strong>in</strong>nen und Patienten liegt es uns am Herzen,<br />

die Situation <strong>in</strong> der ambulanten Pflege zu verbessern.<br />

Wir fordern deshalb:<br />

c anzuerkennen, <strong>das</strong>s ambulante Dienste <strong>für</strong> <strong>das</strong> Geme<strong>in</strong>wohl<br />

e<strong>in</strong>e wichtige Arbeit leisten,<br />

c e<strong>in</strong>e angemessene Vergütung der Leistungen,<br />

c die Pflege von der wuchernden Bürokratie zu entlasten,<br />

c <strong>das</strong>s Kranken- und Pflegeversicherungen die Pflegeleistungen<br />

entsprechend den am e<strong>in</strong>zelnen Menschen<br />

erbrachten Leistungen bezahlen,<br />

c diese Arbeit zu unterstützen und wertzuschätzen.<br />

Burkard Schröders<br />

Diözesan-<strong>Caritas</strong>direktor <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Bistum</strong> <strong>Aachen</strong><br />

Andreas Meiwes<br />

Diözesan-<strong>Caritas</strong>direktor <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Bistum</strong> Essen<br />

Dr. Frank Johannes Hensel<br />

Diözesan-<strong>Caritas</strong>direktor <strong>für</strong> <strong>das</strong> Erzbistum Köln<br />

He<strong>in</strong>z-Josef Kessmann<br />

Diözesan-<strong>Caritas</strong>direktor <strong>für</strong> die Diözese Münster<br />

Josef Lüttig<br />

Diözesan-<strong>Caritas</strong>direktor <strong>für</strong> <strong>das</strong> Erzbistum Paderborn<br />

Sonderdruck aus caritas <strong>in</strong> <strong>NRW</strong> · 2/13 3


„Billig will ich?“<br />

Wer wünscht sich Discount-Mentalität <strong>in</strong> der ambulanten Pflege?<br />

Von Andreas Wittrahm<br />

Frust und Ärger <strong>in</strong> der ambulanten Pflege haben erheblich zugenommen. Die<br />

Kosten der ambulanten Dienste s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den vergangenen Jahren erheblich<br />

gestiegen, die Vergütungen der Leistungen durch die Krankenkassen jedoch<br />

nicht. Worum geht es? Welchen Stellenwert hat die ambulante Pflege <strong>in</strong>nerhalb<br />

der Gesellschaft? Und wie wird der Bedarf der zu Pflegenden <strong>in</strong> Zukunft<br />

gedeckt werden?<br />

Dr. Andreas Wittrahm ist<br />

Bereichsleiter Facharbeit<br />

und Sozialpolitik beim<br />

<strong>Caritas</strong>verband <strong>für</strong> <strong>das</strong><br />

<strong>Bistum</strong> <strong>Aachen</strong> und Honorarprofessor<br />

<strong>für</strong> Psychologie<br />

an der Katholischen<br />

Hochschule <strong>NRW</strong>,<br />

Abt. Köln.<br />

Ohne gute ambulante Pflege geht es nicht – nicht heute<br />

und nicht <strong>in</strong> der Zukunft. Pflegebedürftige Menschen<br />

möchten <strong>in</strong> der eigenen Häuslichkeit bleiben. In den<br />

überwiegenden Fällen ist <strong>das</strong> eigene Zuhause auch die<br />

beste Umgebung – wenn die Versorgung und Pflege gesichert<br />

s<strong>in</strong>d. Diese leisten bis heute immer noch überwiegend<br />

die Angehörigen. Aber <strong>das</strong> wird nicht so bleiben:<br />

Während die Zahl der Pflegebedürftigen <strong>in</strong>sgesamt<br />

<strong>in</strong> den vergangenen zehn Jahren (2001 bis 2011) um<br />

23 Prozent stieg, wuchs die Gruppe der ausschließlich<br />

durch Angehörige gepflegten Frauen und Männer nur<br />

um 18 Prozent. Entsprechend erhöhte sich die Zahl<br />

derer, die ambulante Pflege <strong>in</strong> Anspruch nahmen, im<br />

gleichen Zeitraum um e<strong>in</strong> Drittel.<br />

Die enorme Zunahme der E<strong>in</strong>- und Zweipersonenhaushalte<br />

legt nahe, <strong>das</strong>s Angehörige, wenn es sie überhaupt<br />

noch gibt, künftig viel weniger pflegen werden,<br />

weil sie nicht <strong>in</strong> der Nähe leben und aufgrund ihrer<br />

Berufstätigkeit ke<strong>in</strong>e Freiräume mehr haben. Die Zahl<br />

der Pflegebedürftigen aber wird deutlich zunehmen (bis<br />

2020 voraussichtlich erneut um 20 Prozent auf dann ca.<br />

3 Mio.) und damit der Bedarf an professioneller häuslicher<br />

Pflege. Folglich wird auch der Anteil der Pflegekosten<br />

am Sozialprodukt massiv zunehmen – es sei denn,<br />

man versucht, Pflege zu <strong>in</strong>dustrialisieren.<br />

Pflege lässt sich aber nicht rationalisieren, denn es geht<br />

um mehr als die Verrichtung von Handgriffen zur Sicherung<br />

von Körperhygiene, mediz<strong>in</strong>ische Verrichtungen<br />

und Ernährung. Zum<strong>in</strong>dest wenn <strong>das</strong> Leben unseren<br />

Vorstellungen von Humanität und Würde entsprechen<br />

soll. Pflege ist Begegnung und Kommunikation. Pflegebedürftige<br />

Menschen im hohen Alter s<strong>in</strong>d darauf angewiesen,<br />

<strong>das</strong>s die Pflegenden sich <strong>in</strong> ihr Erleben e<strong>in</strong>fühlen<br />

und darauf angemessen antworten können. Dass<br />

sie ihnen mit der täglichen selbstverständlichen Unterstützung<br />

Wertschätzung vermitteln. Wer alte Menschen<br />

angemessen pflegen will, muss <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Tun vermitteln<br />

können, <strong>das</strong>s er diese nicht als ständige Belastung,<br />

als Last betrachtet. Vielmehr br<strong>in</strong>gt der Pflegende die<br />

Kompetenz und die Möglichkeit mit, sich dem Bedürftigen<br />

als Nächstem zuzuwenden, se<strong>in</strong>e Nöte zu erkennen<br />

und ihm zu geben, was er braucht – nicht mehr, aber<br />

auch nicht weniger. In der Begegnung mit hochaltrigen,<br />

besonders mit dementen Menschen s<strong>in</strong>d Eile und<br />

Hektik Gift. Pflege braucht e<strong>in</strong>en langen Atem, ke<strong>in</strong>e<br />

Kurzatmigkeit.<br />

Die (ambulante) Pflege benötigt also Menschen, die<br />

etwas wollen und etwas können – und etwas kosten.<br />

Pflege vor Ort braucht Mitarbeiter(<strong>in</strong>nen), die Respekt<br />

vor den pflegebedürftigen alten Menschen, ihrer Lage<br />

und ihrer Lebensleistung aufbr<strong>in</strong>gen können. Daneben<br />

müssen sie Angehörige, soweit noch vorhanden,<br />

entlasten und anleiten. Nicht ohne Grund stimmen die<br />

Fachleute angesichts dieser Ansprüche weitgehend dar<strong>in</strong><br />

übere<strong>in</strong>, <strong>das</strong>s e<strong>in</strong> erheblicher Anteil der Pflege künftig<br />

von Menschen mit Hochschulabschluss zu leisten ist.<br />

Pflege-Anbieter konkurrieren also um junge Frauen<br />

und Männer mit Allgeme<strong>in</strong>- und Herzensbildung, mit<br />

Beobachtungsgabe und fe<strong>in</strong>motorischem Geschick, mit<br />

Organisations- und Kommunikationstalent, mit Belastbarkeit<br />

und der Fähigkeit, ihre Belastungen nicht an den<br />

Pflegebedürftigen auszulassen. Um solche Fachkräfte zu<br />

gew<strong>in</strong>nen und zu b<strong>in</strong>den, bedarf es e<strong>in</strong>es angemessenen<br />

Gehaltes und guter Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen. Dazu gehören<br />

ausreichend Zeit, sich um den Leib und die Seele der<br />

Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen zu kümmern,<br />

und Unterstützung <strong>für</strong> die Pflegenden mit Fortbildung<br />

und Supervision. Gesellschaftliche Anerkennung gehört<br />

ebenfalls dazu, öffentliche Aufmerksamkeit nicht nur<br />

dann, wenn etwas schiefgeht. Pflege ist e<strong>in</strong>e qualifizierte<br />

Dienstleistung, die ihren Preis hat.<br />

Wer <strong>in</strong> diesen Tagen <strong>für</strong> die Freie Wohlfahrtspflege mit<br />

den Kranken- und Pflegekassen verhandelt, gew<strong>in</strong>nt<br />

den E<strong>in</strong>druck, er bewege sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er anderen Realität<br />

als die Kostenträger. Die zuletzt angebotenen Stundenvergütungen<br />

<strong>für</strong> die neuen zeitbezogenen Pflegeleistungen<br />

reichen kaum aus, den Mitarbeiter(<strong>in</strong>ne)n e<strong>in</strong><br />

Taschengeld zu zahlen. Weisen die Träger der Pflegedienste<br />

auf die tariflich vere<strong>in</strong>barten Vergütungen h<strong>in</strong>,<br />

4<br />

Sonderdruck aus caritas <strong>in</strong> <strong>NRW</strong> · 2/13


erhalten sie den H<strong>in</strong>weis, sie sollten ihre Erlössituation<br />

durch weitere Rationalisierungen, d. h. durch quantitative<br />

Erhöhung der Pflegeleistungen pro Zeite<strong>in</strong>heit,<br />

optimieren. Wer erwartet, <strong>das</strong>s sich Kostenträger als<br />

Sachwalter der Interessen der Versicherten und Steuerzahler<br />

geme<strong>in</strong>sam mit den Anbietern um faire Bed<strong>in</strong>gungen<br />

zur guten Realisierung der gesetzlich zugesicherten<br />

Pflegeleistungen bemühen, wird enttäuscht.<br />

Der Preis – bzw. se<strong>in</strong>e Deckelung oder gar Reduzierung<br />

– sche<strong>in</strong>t <strong>das</strong> e<strong>in</strong>zig gültige Kriterium.<br />

Es ist kaum vorstellbar, <strong>das</strong>s die Kostenträger böswillig<br />

e<strong>in</strong>e derart preisfixierte Verhandlungsstrategie verfolgen.<br />

Sie handeln im E<strong>in</strong>klang mit e<strong>in</strong>er gesellschaftlichen<br />

Grundstimmung, die den Niedrigpreis zum obersten<br />

Gebot erklärt. Zugleich geben sich die Versicherten<br />

– und <strong>das</strong> s<strong>in</strong>d wir alle – ebenso wie die politisch<br />

Verantwortlichen überrascht, wenn die Qualität nicht<br />

mehr stimmen kann und die Pflegenden mit ihrer Kraft<br />

am Ende s<strong>in</strong>d. Der Bedarf an guter Pflege wird unabd<strong>in</strong>gbar<br />

steigen. Gute Pflege bedarf guter Qualifikation,<br />

ausreichend Zeit und Pflege der Pflegenden. Das wird<br />

den gesamtgesellschaftlichen Aufwand deutlich erhöhen.<br />

Jeder Bürger wird se<strong>in</strong>en Beitrag dazu leisten müssen,<br />

unabhängig von der Art des F<strong>in</strong>anzierungssystems.<br />

Es ist Zeit, dies den Menschen deutlich zu sagen und<br />

politisch <strong>für</strong> die entsprechenden E<strong>in</strong>nahmen zu sorgen.<br />

Es ist notwendig, <strong>das</strong>s die Versicherten ihren Versicherungen<br />

klarmachen, <strong>das</strong>s sie Qualität der Pflege wünschen<br />

und da<strong>für</strong> zu zahlen bereit s<strong>in</strong>d. Jetzt ist gerade<br />

noch Zeit, <strong>in</strong> der ambulanten Pflege umzusteuern – h<strong>in</strong><br />

zu mehr Zeit <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e Pflege von Mensch zu Mensch. b<br />

ambulante Pflege braucht<br />

› mehr Zeit fÜr menSchen und<br />

› e<strong>in</strong>e angemeSSene VergÜtung!<br />

Foto: KNA-Bild<br />

Sonderdruck aus caritas <strong>in</strong> <strong>NRW</strong> · 2/13 5


Arbeitsplatz <strong>Caritas</strong><br />

In e<strong>in</strong>er Serie stellen<br />

wir Menschen vor,<br />

die bei der <strong>Caritas</strong><br />

arbeiten.<br />

Heute:<br />

Schemsi<br />

<strong>Caritas</strong>-Sozialstation<br />

Lippstadt<br />

Helga Ape möchte<br />

auf den E<strong>in</strong>satz von<br />

Pfleger Schemsi nicht<br />

mehr verzichten: „Er<br />

ist so nett zu uns, er ist<br />

e<strong>in</strong> Guter.“<br />

Foto: <strong>Caritas</strong><br />

„E<strong>in</strong> Guter“<br />

Shemsi ist arabisch und heißt „die Sonne“: Wie<br />

recht die Eheleute <strong>in</strong> Prist<strong>in</strong>a/Kosovo hatten, die<br />

ihren Sohn vor 48 Jahren Shemsi Sadriu nannten,<br />

werden viele Senior<strong>in</strong>nen und Senioren <strong>in</strong> Lippstadt<br />

bestätigen.<br />

Wenn Pfleger Schemsi (so steht es auf se<strong>in</strong>em Namensschildchen)<br />

von der <strong>Caritas</strong>-Sozialstation Lippstadt <strong>in</strong><br />

der Tür steht, geht e<strong>in</strong> Strahlen über ihre Züge. So wie<br />

bei Helga Ape. „Pfleger Schemsi möchte ich nicht mehr<br />

missen. Er ist so nett zu uns“, erklärt die 80-Jährige. Ihr<br />

Mann fügt e<strong>in</strong>fach h<strong>in</strong>zu: „Er ist e<strong>in</strong> Guter.“ E<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er<br />

Akzent verrät, <strong>das</strong>s die Wiege des Altenpflegers, der<br />

seit 1995 bei der <strong>Caritas</strong> arbeitet, nicht <strong>in</strong> Deutschland<br />

stand. Doch <strong>für</strong> die Klienten ist <strong>das</strong> ke<strong>in</strong> Problem. Eher<br />

im Gegenteil: „Sie f<strong>in</strong>den <strong>das</strong> putzig.“<br />

Bis dah<strong>in</strong> war es e<strong>in</strong> langer Weg <strong>für</strong> den heute dreifachen<br />

Familienvater. Geboren <strong>in</strong> Jugoslawien, machte<br />

der Kosovo-Albaner muslimischen Glaubens <strong>das</strong> Abitur,<br />

absolvierte die Militärzeit und hatte schon sieben<br />

Semester Mediz<strong>in</strong>studium h<strong>in</strong>ter sich, als die politischen<br />

Umwälzungen se<strong>in</strong> Leben veränderten. Per Unterschrift<br />

sollte jeder Student den neuen Staat Serbien anerkennen.<br />

Wer <strong>das</strong> nicht wollte, musste die Universität<br />

verlassen. „Und ich wollte nicht, es war doch e<strong>in</strong><br />

richtiger Nationalkrieg.“ Die Ereignisse überstürzten<br />

sich. E<strong>in</strong> alarmierender Brief, der den angehenden Mediz<strong>in</strong>er<br />

zu e<strong>in</strong>em Gespräch bei der Behörde e<strong>in</strong>lud, bewirkte<br />

<strong>das</strong> genaue Gegenteil: „Wir wussten doch, die<br />

brauchten Mediz<strong>in</strong>er <strong>für</strong> die Front.“ Der junge Shemsi<br />

packte e<strong>in</strong>en Koffer, nahm den nächsten Bus und verließ<br />

fluchtartig <strong>das</strong> Land. Zurück blieben se<strong>in</strong>e Eltern<br />

und se<strong>in</strong>e fünf Geschwister. „Gelandet b<strong>in</strong> ich <strong>in</strong> Dortmund,<br />

da war ich 27 Jahre alt.“ Aus dem ersehnten Asyl<br />

wurde zunächst nur e<strong>in</strong>e Duldung. Der junge Mann<br />

wurde nach Erwitte geschickt. „Von da kam ich zur<br />

<strong>Caritas</strong> nach Soest und lernte Herrn Kuhnert kennen“,<br />

er<strong>in</strong>nert sich der 48-Jährige. „Er hat sich sehr <strong>für</strong> mich<br />

engagiert und <strong>für</strong> mich e<strong>in</strong>e Arbeitserlaubnis erwirkt.“<br />

Nach e<strong>in</strong>er sechsmonatigen Ausbildung am Stadtkrankenhaus<br />

Soest zum Krankenpflegehelfer folgten drei<br />

Jahre am ESTA-Bildungswerk: „Diese Ausbildung zum<br />

Altenpfleger habe ich mit der Note 1,3 abgeschlossen.“<br />

Als dann die <strong>Caritas</strong> Soest auch zusagte, den Altenpfleger<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong> unbefristetes Arbeitsverhältnis zu übernehmen,<br />

folgte die Aufenthaltsgenehmigung. Im Jahr<br />

2006 erhielt Pfleger Schemsi auch den deutschen Pass.<br />

Die häusliche Krankenpflege ist se<strong>in</strong> Metier: „Angefangen<br />

habe ich mit 800 DM“, erklärt Pfleger Schemsi.<br />

Sechs bis sieben Patienten, je nach Bedarf, versorgt er<br />

pro Tag. Diskrim<strong>in</strong>ierung? „Die habe ich nie erlebt, es<br />

ist alles normal, und ich fühle mich wohl bei me<strong>in</strong>er<br />

Arbeit.“ Wohl fühlen sich auch die Patienten, die die<br />

liebe- und respektvolle Art von Pfleger Schemsi sehr<br />

schätzen. Manchmal gibt es <strong>das</strong> sogar schriftlich. „Fröhlichkeit<br />

und Freude bei der Arbeit“ wurde ihm im Brief<br />

e<strong>in</strong>es dankbaren Angehörigen attestiert. Aufgrund se<strong>in</strong>er<br />

Herkunft hilft Pfleger Schemsi auch über Sprachbarrieren:<br />

„Ich kann Deutsch, Albanisch und Serbokroatisch.<br />

Da konnte ich beim Amtsgericht, hier bei<br />

der <strong>Caritas</strong> und auch im Krankenhaus übersetzen.“<br />

Den Kontakt zur Familie im 2 500 Kilometer entfernten<br />

Prist<strong>in</strong>a hat Pfleger Schemsi nicht verloren.<br />

Doch se<strong>in</strong>e Heimat hat er <strong>in</strong> Lippstadt gefunden.<br />

Hier hat er im Jahr 2000 se<strong>in</strong>e Frau, e<strong>in</strong>e angehende<br />

Erzieher<strong>in</strong>, geheiratet, hier lebt <strong>das</strong> Ehepaar mit<br />

se<strong>in</strong>en drei K<strong>in</strong>dern.<br />

Gabriele Dräger<br />

6<br />

Sonderdruck aus caritas <strong>in</strong> <strong>NRW</strong> · 2/13


Kommentar<br />

Manchmal wundere ich mich, <strong>das</strong>s sie noch antreten …<br />

„Manchmal wundere ich mich, <strong>das</strong>s sie morgens<br />

noch zum Dienst antreten.“ Die Aussage e<strong>in</strong>es Altenhilfe-Verantwortlichen<br />

aus e<strong>in</strong>em örtlichen <strong>Caritas</strong>verband<br />

geht mir immer noch nach. Mit „sie“ s<strong>in</strong>d<br />

se<strong>in</strong>e Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter <strong>in</strong> der ambulanten<br />

und stationären Pflege geme<strong>in</strong>t. Mit „manchmal“<br />

die Tage, an denen am Vorabend <strong>in</strong> den Medien<br />

wieder auf die Pflege im Allgeme<strong>in</strong>en oder auf die<br />

Mitarbeiter im Besonderen e<strong>in</strong>gedroschen wird.<br />

Beispiele? Die nationale Antifolterkommission will unbed<strong>in</strong>gt<br />

auch Pflegeheime kontrollieren und verlangt<br />

da<strong>für</strong> mehr Stellen und mehr Geld. Nichts gegen notwendige<br />

Transparenz im Pflegealltag, aber der Begriff<br />

„Folter“ suggeriert Schreckliches. Um nicht falsch verstanden<br />

zu werden: Gewalt hat <strong>in</strong> der Pflege nichts zu<br />

suchen und darf niemals toleriert werden. Altenheime<br />

aber generell unter Folterverdacht zu stellen ist e<strong>in</strong>e<br />

Diffamierung aller E<strong>in</strong>richtungen und Dienste.<br />

Hart am Rande e<strong>in</strong>er Diffamierung schrammte auch<br />

<strong>das</strong> WDR-Magaz<strong>in</strong> Westpol am 10. Februar vorbei.<br />

„Denn e<strong>in</strong>es ist klar“, beschloss der Moderator e<strong>in</strong>en<br />

Beitrag, „<strong>in</strong> kirchlichen E<strong>in</strong>richtungen arbeiten derzeit<br />

nicht unbed<strong>in</strong>gt die besten Mitarbeiter – sondern die,<br />

die der Kirche passen …“ Wie wirken solche Sätze<br />

auf Menschen, die sich am nächsten Morgen wieder<br />

Schwerstpflegebedürftigen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Altenheim zuwenden?<br />

Auf Menschen, die sich als Mitarbeiter<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>es<br />

ambulanten <strong>Caritas</strong>-Pflegedienstes <strong>in</strong> den Berufsverkehr<br />

stürzen oder auf stockdunklen Feldwegen unterwegs<br />

s<strong>in</strong>d, damit Patienten zu Hause lebenswichtiges<br />

Insul<strong>in</strong> erhalten oder auch nur den morgendlichen Toilettengang<br />

erledigen können? Die „Angepassten“ und<br />

„Mittelmäßigen“ riskieren <strong>für</strong> ihren Job manchmal sogar<br />

ihr Leben. Ich fahre häufig an e<strong>in</strong>er Stelle vorbei,<br />

an der e<strong>in</strong>e Mitarbeiter<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Caritas</strong>-Sozialstation<br />

auf eisglatter Straße tödlich verunglückte.<br />

Überhaupt der Pflegeberuf. Pflegen – kann <strong>das</strong> nicht<br />

jeder? Neulich habe ich e<strong>in</strong>en alten Werbefilm aus den<br />

50er-Jahren gesehen: Statt Fabrikarbeit sollten sich damals<br />

junge Mädchen <strong>für</strong> die Pflege entscheiden. Die Begründung:<br />

„Du bist zu etwas Höherem berufen.“ Und<br />

heute? Wenn e<strong>in</strong>e Drogeriemarkt-Kette pleitegeht oder<br />

es zu viele Stahlwerke gibt, kommt aus der Politik der<br />

Tipp <strong>für</strong> die von Arbeitslosigkeit Bedrohten: Geht doch<br />

<strong>in</strong> die Pflege!<br />

Das Image der Pflege <strong>in</strong> dieser Gesellschaft ist eng<br />

mit der Frage gekoppelt, was dieser Gesellschaft e<strong>in</strong>e<br />

menschenwürdige Pflege, <strong>in</strong>sbesondere im ambulanten<br />

Bereich, wert ist. Wenn man letztlich jeden auf die<br />

Pflegetour schicken kann, dann ist es natürlich logisch,<br />

was die Kassen <strong>für</strong> diese Leistungen zu zahlen bereit<br />

s<strong>in</strong>d. Jede Autowerkstatt würde mit diesen Sätzen <strong>in</strong><br />

W<strong>in</strong>deseile pleitegehen. Träger, die wie die <strong>Caritas</strong> ihre<br />

Pflegekräfte nach Tariflohn bezahlen wollen, müssen<br />

betriebswirtschaftliche Klimmzüge h<strong>in</strong>legen, um rote<br />

Zahlen zu vermeiden. Viele Dienste stehen so am wirtschaftlichen<br />

Limit.<br />

In manchen Dörfern Ostwestfalens oder des Sauerlandes<br />

ist die <strong>Caritas</strong> der letzte verbliebene Pflegedienst.<br />

Wie lange <strong>das</strong> noch wirtschaftlich gut geht? Ich weiß<br />

es nicht. Aber immerh<strong>in</strong> ist jeder Pflegehandgriff auf<br />

Verlangen der Kassen gut dokumentiert. Dar<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d wir<br />

wirklich spitze <strong>in</strong> Deutschland.<br />

Und die Politik? Alle Versuche, <strong>das</strong> Pflegethema zu e<strong>in</strong>em<br />

„Megathema“ <strong>in</strong> unserer alternden Gesellschaft<br />

zu machen, s<strong>in</strong>d bislang fehlgeschlagen. So kratzte jede<br />

Pflegereform bislang nur an der Oberfläche: hier e<strong>in</strong><br />

paar Euro mehr <strong>für</strong> Demenzkranke, da e<strong>in</strong>e Auszeit <strong>für</strong><br />

Berufstätige, die ihre alten Eltern pflegen wollen (was<br />

sich bekanntlich als Flop erwies). Bei der ambulanten<br />

Pflege ist der Politik bislang nichts e<strong>in</strong>gefallen. Dabei<br />

soll „ambulant vor stationär“ gelten. Wie <strong>das</strong> gehen soll,<br />

wenn man den Diensten nicht mal steigende Spritkosten<br />

bezahlt, bleibt e<strong>in</strong> Rätsel.<br />

Wann versteht Politik endlich, <strong>das</strong>s es beim Thema Pflege<br />

<strong>in</strong> wenigen Jahren richtig eng wird. Denn die Frage<br />

ist nicht mehr alle<strong>in</strong>, w i e e<strong>in</strong>e menschenwürdige<br />

Pflege aussehen soll und was sie kosten darf. Die Frage<br />

ist längst: W e r soll uns e<strong>in</strong>mal pflegen? Ich treffe immer<br />

mehr Trägervertreter, die darauf ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige<br />

Antwort mehr haben.<br />

Josef Lüttig ist Diözesan-<br />

<strong>Caritas</strong>direktor <strong>für</strong> <strong>das</strong><br />

Erzbistum Paderborn und<br />

Mitherausgeber von<br />

„<strong>Caritas</strong> <strong>in</strong> <strong>NRW</strong>“.<br />

Sonderdruck aus caritas <strong>in</strong> <strong>NRW</strong> · 2/13 7


Familie<br />

Nicht akzeptabel<br />

Fünf Thesen zur aktuellen Situation und zur Zukunft der<br />

häuslichen Krankenpflege<br />

Von Eric Lanzrath<br />

1. Die Vergütungen <strong>in</strong> der häuslichen Krankenpflege<br />

s<strong>in</strong>d nicht mehr akzeptabel. Die angemessene<br />

Honorierung der Pflegekräfte wird zunehmend unmöglich,<br />

weil die Ref<strong>in</strong>anzierung durch die Kassen<br />

nicht reicht. Tariflohnsteigerungen (AVR-<strong>Caritas</strong>)<br />

und höhere Betriebskosten („teures Benz<strong>in</strong>“) werden<br />

von den Kassen nicht anerkannt.<br />

Eric Lanzrath ist Geschäftsführer<br />

der Gesellschaft<br />

<strong>für</strong> Pflegesatzverhandlungen<br />

caritativer<br />

Dienste und E<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>in</strong> der Diözese Münster.<br />

Er verhandelt regelmäßig<br />

mit den Kassen.<br />

In den letzten Jahren ist die Schere zwischen der Lohnentwicklung<br />

und den Preisen, die mit den Krankenkassen<br />

verhandelt werden können, immer weiter ause<strong>in</strong>andergegangen.<br />

Während Lohn- und Sachkosten<br />

<strong>in</strong> den letzten 15 Jahren <strong>in</strong> unseren Diensten um über<br />

27 Prozent gestiegen s<strong>in</strong>d, konnten <strong>für</strong> die häusliche<br />

Krankenpflege gerade e<strong>in</strong>mal knapp sieben Prozent an<br />

Preissteigerungen verhandelt werden.<br />

Die Folge ist e<strong>in</strong>e immer stärkere Arbeitsverdichtung,<br />

die sich <strong>in</strong> immer engeren Pflegezeiten niederschlägt.<br />

Tarifb<strong>in</strong>dungen <strong>in</strong>teressieren dabei überhaupt nicht.<br />

Die Krankenkassen verweisen darauf, <strong>das</strong>s private Anbieter,<br />

die aber oftmals nicht tarifgebunden s<strong>in</strong>d, zu den<br />

gleichen Preisen arbeiten. Demnach müsse man auch<br />

der <strong>Caritas</strong> nicht mehr zahlen.<br />

Das ist kurzsichtig und umso fragwürdiger, als gerade<br />

die Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter der <strong>Caritas</strong> mit<br />

ihren Lohnsteigerungen über Jahre h<strong>in</strong>weg zu höheren<br />

Krankenkassene<strong>in</strong>nahmen beigetragen haben.<br />

Die Kassen profitieren von e<strong>in</strong>er angemessenen Lohnentwicklung<br />

im Bereich der Pflege. Jeder Prozentpunkt<br />

Lohnerhöhung führt zu steigenden Krankenkassene<strong>in</strong>nahmen.<br />

Wenn es aber darum geht, <strong>das</strong>s die Leistungen<br />

der Pflegekräfte angemessen bezahlt werden, <strong>in</strong>teressiert<br />

dieser Zusammenhang nicht mehr.<br />

Man kann nicht e<strong>in</strong>erseits <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e angemessene Entlohnung<br />

von Pflegekräften e<strong>in</strong>treten, die e<strong>in</strong>e anspruchsvolle<br />

und wichtige Arbeit leisten, und andererseits ihre<br />

Leistungen nicht honorieren.<br />

2. Die Pflegekräfte s<strong>in</strong>d zu e<strong>in</strong>er Pflege im M<strong>in</strong>utentakt<br />

gezwungen, um die Wirtschaftlichkeit des<br />

Pflegedienstes nicht zu gefährden. Die Patienten<br />

brauchen jedoch mehr menschliche Zuwendung,<br />

die Zeit kostet, aber nicht honoriert wird.<br />

Wenn die Vergütung <strong>in</strong> der Pflege nicht mit der Lohnentwicklung<br />

Schritt hält, hat e<strong>in</strong> Pflegedienst nur e<strong>in</strong>e<br />

Möglichkeit: Er muss <strong>in</strong> der gleichen Zeit mehr Leistungen<br />

erbr<strong>in</strong>gen.<br />

Über die letzten Jahre h<strong>in</strong>weg mussten die <strong>Caritas</strong>-Sozialstationen<br />

und andere tarifgebundene Pflegedienste<br />

so mit immer engeren Zeitvorgaben arbeiten, um<br />

die Wirtschaftlichkeit ihrer Dienste zu sichern. Das ist<br />

weder im S<strong>in</strong>ne der <strong>Caritas</strong> noch der Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

und Mitarbeiter <strong>in</strong> der Pflege.<br />

Das ist vor allem nicht im S<strong>in</strong>ne der Patient<strong>in</strong>nen und<br />

Patienten. Denn es bleibt <strong>in</strong> der Tat immer seltener Zeit,<br />

sich außerhalb der Pflege auch e<strong>in</strong>mal wenige M<strong>in</strong>uten<br />

dem Patienten zuzuwenden, e<strong>in</strong> paar Worte zu wechseln.<br />

Der zeitliche Rahmen, um mite<strong>in</strong>ander zu reden, bleibt<br />

so <strong>in</strong> der Regel auf den re<strong>in</strong>en Pflegee<strong>in</strong>satz beschränkt.<br />

Viele ältere Menschen wünschen sich hier mehr Zeit<br />

<strong>für</strong> sich und beklagen die „Pflege im M<strong>in</strong>utentakt“. Das<br />

s<strong>in</strong>d alles Auswirkungen der Entwicklungen der letzten<br />

Jahre, die die Dienste zu immer schnellerem Arbeiten<br />

zw<strong>in</strong>gen.<br />

8<br />

Sonderdruck aus caritas <strong>in</strong> <strong>NRW</strong> · 2/13


Mehrere Wochen lang protestierten<br />

im vergangenen<br />

Herbst im Kreis Paderborn<br />

Mitarbeiter(<strong>in</strong>nen) von<br />

privaten Pflegediensten und<br />

<strong>Caritas</strong>-Sozialstationen<br />

geme<strong>in</strong>sam gegen die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

<strong>in</strong> der<br />

ambulanten Pflege.<br />

Foto: <strong>Caritas</strong>verband Paderborn,<br />

Karl-Mart<strong>in</strong> Flüter<br />

3. Die Anforderungen an e<strong>in</strong>e gute Pflege werden zunehmend<br />

höher, Dokumentations- und Nachweispflichten<br />

nehmen zu. Diese Arbeit muss – wenn<br />

sie vorgeschrieben ist – auch bezahlt werden.<br />

Durch die viele Zeit, die mittlerweile <strong>für</strong> Bürokratie<br />

aufgewendet werden muss, verknappt sich die Zeit <strong>in</strong><br />

der Pflege zusätzlich. Das reicht von der Dokumentation<br />

der Pflegeleistungen vor Ort, Telefonaten mit Ärzten<br />

bis zu immer häufiger auftretenden Anforderungen von<br />

Unterlagen durch die Krankenkassen.<br />

Viele Pflegedienste beklagen, <strong>das</strong>s Krankenkassen beispielsweise<br />

bei bestimmten Verordnungen von Krankenpflege<br />

fast regelmäßig Unterlagen aus der Pflegedokumentation<br />

anfordern. Die Krankenkassen machen<br />

die Genehmigung der Verordnung von der Übersendung<br />

dieser Unterlagen abhängig. Erfolgt sie nicht,<br />

wird die ärztliche Verordnung nicht genehmigt, und<br />

der Dienst kann die Leistungen nicht abrechnen.<br />

Für die Übersendung dieser Unterlagen zahlt die Krankenkasse<br />

aber ke<strong>in</strong>en Cent. Seit Jahren fordern die Pflegedienste,<br />

<strong>das</strong>s diese zusätzlichen Leistungen bezahlt<br />

werden. Wahrsche<strong>in</strong>lich würden auch weniger Unterlagen<br />

e<strong>in</strong>gefordert werden, wenn diese Arbeit nicht<br />

e<strong>in</strong>seitig unentgeltlich vom Pflegedienst zu leisten wäre.<br />

Aber von Seiten der Krankenkassen besteht hierzu<br />

ke<strong>in</strong>erlei Bereitschaft.<br />

Das Problem ohneh<strong>in</strong> schon knapper Zeitreserven<br />

wird durch überbordende bürokratische Anforderungen<br />

noch weiter verschärft.<br />

4. E<strong>in</strong>e Grundversorgung mit ambulanten Pflegedienstleistungen<br />

muss auch <strong>für</strong> Menschen mit hohem<br />

Pflegeaufwand oder Pflegebedürftige <strong>in</strong> entlegenen<br />

ländlichen Gebieten gewährleistet se<strong>in</strong>.<br />

Die derzeitige Vergütungsstruktur lässt <strong>das</strong> nicht<br />

mehr zu.<br />

Der Preis <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e Leistung <strong>in</strong> der häuslichen Krankenpflege<br />

ist unabhängig davon, ob e<strong>in</strong> Patient mit hohem<br />

oder ger<strong>in</strong>gem Zeitaufwand gepflegt werden muss.<br />

Auch der Wohnort des Patienten und damit die Entfernung<br />

zum Pflegedienst spielen ke<strong>in</strong>e Rolle.<br />

Grundsätzlich wäre dagegen nichts e<strong>in</strong>zuwenden, wenn<br />

die Vergütungen <strong>für</strong> die Pflegedienste <strong>in</strong>sgesamt auskömmlich<br />

wären. Wenn aber knapp kalkuliert werden<br />

muss, kann <strong>das</strong> zum Problem werden.<br />

<strong>Caritas</strong>dienste berichten, <strong>das</strong>s gerade Patienten mit<br />

hohem Zeitaufwand bei der Pflege oder e<strong>in</strong>er weiten<br />

Anfahrtsstrecke zunehmend ke<strong>in</strong>e Pflegedienste mehr c<br />

Sonderdruck aus caritas <strong>in</strong> <strong>NRW</strong> · 2/13 9


Familie<br />

Mit Demonstrationen <strong>in</strong><br />

aller Öffentlichkeit machen<br />

die Pflegedienste auf<br />

<strong>das</strong> skandalöse Verhalten<br />

der Kassen und die Konsequenzen<br />

<strong>für</strong> alle Versicherten<br />

aufmerksam.<br />

Foto: <strong>Caritas</strong>verband<br />

Paderborn, Karl-Mart<strong>in</strong><br />

Flüter<br />

c<br />

f<strong>in</strong>den. Oft heißt es dann, <strong>das</strong>s der entsprechende Pflegedienst<br />

ke<strong>in</strong>e Kapazitäten mehr freihabe. Auch wenn<br />

man privaten Pflegediensten ke<strong>in</strong>eswegs pauschal unterstellen<br />

kann, <strong>das</strong>s sie diese Patienten grundsätzlich<br />

ablehnen, fällt doch auf, <strong>das</strong>s die Versorgung <strong>in</strong> entlegenen<br />

Geme<strong>in</strong>den und Bauerschaften häufig ausschließlich<br />

durch Dienste der <strong>Caritas</strong> oder anderer Wohlfahrtsverbände<br />

erfolgt.<br />

Hier wächst auf Dauer die Gefahr, <strong>das</strong>s ganze Räume<br />

von e<strong>in</strong>er funktionierenden pflegerischen Versorgung<br />

abgeschnitten werden, schlicht, weil sich ihre Versorgung<br />

nicht rechnet. Das darf nicht passieren. In E<strong>in</strong>zelfällen<br />

reagieren Kassen bereits mit E<strong>in</strong>zelabsprachen,<br />

um e<strong>in</strong>e Versorgung sicherzustellen.<br />

In e<strong>in</strong>em funktionierenden System, <strong>das</strong> die Arbeit der<br />

Pflegenden und die Nöte der Patienten wertschätzt,<br />

dürften solche Fälle jedoch gar nicht erst aufkommen.<br />

5. Wirtschaftlicher Druck ist kurzsichtig, wenn schon<br />

mittelfristig Fachkräftemangel droht.<br />

In der Tat wird hier kurzsichtig agiert. Der Pflegeberuf<br />

ist e<strong>in</strong> wertvoller Beruf. Menschen ergreifen ihn, weil<br />

sie e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n <strong>in</strong> ihrer Tätigkeit f<strong>in</strong>den und weil sie <strong>in</strong><br />

ihrer Arbeit erfahren, <strong>das</strong>s sie anderen Menschen helfen<br />

können. Diese qualifizierte Arbeit muss auch angemessen<br />

entlohnt werden.<br />

Schlimm wäre es, wenn Pflegekräfte ihrem Beruf den<br />

Rücken kehrten, weil sie sich nicht mehr mit ihrer Tätigkeit<br />

identifizieren können, weil zunehmende Arbeitsverdichtung<br />

und mangelnde Anerkennung den Beruf<br />

unattraktiv machen.<br />

Wir werden <strong>in</strong> den nächsten Jahren e<strong>in</strong>en deutlichen<br />

Zuwachs an Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeitern <strong>in</strong> der<br />

Pflege benötigen, um dem steigenden Pflegebedarf e<strong>in</strong>er<br />

alternden Gesellschaft zu begegnen.<br />

Diese Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter müssen sicher<br />

se<strong>in</strong>, <strong>das</strong>s die Gesellschaft ihre Leistungen wertschätzt<br />

und anerkennt. Alles, was den Pflegeberuf attraktiv<br />

macht, nutzt der Gesellschaft, alles, was ihn unattraktiv<br />

macht, schadet ihr.<br />

E<strong>in</strong>e alternde Gesellschaft erfordert mehr Pflege, und<br />

mehr Pflege erfordert auch mehr Geld. Hierüber muss<br />

sich die Gesellschaft klar werden, und hierzu muss sie<br />

„Ja“ sagen. Das s<strong>in</strong>d wir sowohl den zu pflegenden Menschen<br />

als auch den Pflegekräften schuldig.<br />

Wenn die Krankenkassen kurzfristig Geld sparen, <strong>in</strong>dem<br />

sie den wirtschaftlichen Druck auf die Pflegedienste<br />

immer weiter erhöhen, müssen sie sich klar darüber<br />

se<strong>in</strong>, <strong>das</strong>s sie damit bereits mittelfristig ihren eigenen<br />

Versicherten schaden. Denn diese s<strong>in</strong>d darauf angewiesen,<br />

<strong>das</strong>s auch <strong>in</strong> fünf oder zehn Jahren Menschen mit<br />

Überzeugung und Freude den Pflegeberuf ergreifen. b<br />

10<br />

Sonderdruck aus caritas <strong>in</strong> <strong>NRW</strong> · 2/13


Statement<br />

Statement<br />

Olaf Wittemann,<br />

Vorsitzender der Dienstnehmerseite <strong>in</strong> der<br />

Regionalkommission <strong>NRW</strong><br />

Gerechter Lohn <strong>für</strong><br />

wichtige Arbeit<br />

Im sogenannten „Dritten Weg“ der <strong>Caritas</strong> arbeiten Dienstnehmer-<br />

und Dienstgebervertreter <strong>in</strong> paritätisch besetzten Kommissionen<br />

zusammen, um angemessene Arbeits- und Vergütungsbed<strong>in</strong>gungen<br />

<strong>für</strong> die Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter zu f<strong>in</strong>den.<br />

Es liegt <strong>in</strong> der Natur der Sache, <strong>das</strong>s man dabei nicht immer e<strong>in</strong>er<br />

Me<strong>in</strong>ung ist. Jede Seite muss <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie und hauptsächlich die<br />

Interessen ihrer eigenen Seite vertreten, und so stehen <strong>für</strong> uns die<br />

Interessen der Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen an erster Stelle.<br />

Wor<strong>in</strong> wir uns aber von den Dienstgebern nicht unterscheiden, ist die<br />

Überzeugung, <strong>das</strong>s die Arbeit der Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter<br />

<strong>in</strong> der Pflege e<strong>in</strong>e hohe gesellschaftliche Anerkennung und Wertschätzung<br />

erfahren sollte. Diese muss sich auch <strong>in</strong> attraktiven Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />

und e<strong>in</strong>em angemessenen Gehalt niederschlagen.<br />

Wenn wir dann sehen, <strong>das</strong>s die Krankenkassen <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen<br />

seit Jahren weniger als die Hälfte der tatsächlichen Gehaltsanstiege<br />

bei der Ref<strong>in</strong>anzierung der Träger berücksichtigt haben,<br />

wird uns angst und bange. Denn im Zweifel führt die wirtschaftliche<br />

Unterdeckung dazu, <strong>das</strong>s die Arbeit <strong>in</strong> der ambulanten Pflege<br />

immer schneller erfolgen muss und die Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen<br />

unter immer größerem Druck arbeiten müssen. Während die Krankenkassen<br />

derzeit auf Milliardenüberschüssen sitzen, verschlechtern<br />

sich gleichzeitig die Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen der Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und<br />

Mitarbeiter massiv.<br />

Wir brauchen motivierte und gut entlohnte Pflegekräfte. Die Krankenkassen<br />

müssen die Arbeit dieser Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter<br />

anerkennen. Und <strong>das</strong> bedeutet, <strong>das</strong>s die Gehälter, die bei der<br />

<strong>Caritas</strong> gezahlt werden, auch bei den Ref<strong>in</strong>anzierungen der Träger<br />

zu berücksichtigen s<strong>in</strong>d. Unsere Träger brauchen verlässliche politische<br />

und wirtschaftliche Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und e<strong>in</strong>e Kostenerstattung,<br />

die die tatsächlichen Personalkosten der Betreuung und<br />

Pflege alter Menschen berücksichtigt. Niemand kann Interesse an<br />

e<strong>in</strong>em Lohndump<strong>in</strong>g haben, an dessen Ende frustrierte Pflegekräfte<br />

und e<strong>in</strong>e zunehmend schlechtere Versorgung der pflegebedürftigen<br />

Menschen stehen.<br />

Norbert Altmann,<br />

Vorsitzender der Dienstgeberseite<br />

der Regionalkommission <strong>NRW</strong><br />

Anerkennung<br />

wettbewerbsfähiger<br />

Löhne<br />

Die Regionalkommission Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen ist vergleichbar<br />

mit e<strong>in</strong>er Tarifkommission, <strong>in</strong> der Dienstgeber- und Dienstnehmervertreter<br />

partnerschaftlich die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen <strong>für</strong><br />

die Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter der <strong>Caritas</strong> festlegen. Zu<br />

den E<strong>in</strong>richtungen der <strong>Caritas</strong> <strong>in</strong> <strong>NRW</strong> gehören auch rund<br />

400 Pflegedienste mit etwa 15 000 Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und<br />

Mitarbeitern.<br />

Das geme<strong>in</strong>same Ziel von Dienstgebern und Dienstnehmern ist,<br />

die Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter an der allgeme<strong>in</strong>en Lohnund<br />

E<strong>in</strong>kommensentwicklung zu beteiligen. Gleichzeitig müssen<br />

die Gehaltsstrukturen wettbewerbsfähig se<strong>in</strong>, d. h., es muss<br />

möglich se<strong>in</strong>, die Personalkosten über die Vergütungen auch zu<br />

ref<strong>in</strong>anzieren.<br />

Seit Jahren müssen wir feststellen, <strong>das</strong>s die Gehaltsstrukturen<br />

der <strong>Caritas</strong> die Krankenkassen <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen nicht <strong>in</strong>teressieren.<br />

Seit Jahren klafft e<strong>in</strong>e riesige Lücke zwischen den<br />

Personalkostensteigerungen und der Entwicklung der Preise <strong>in</strong><br />

der häuslichen Krankenpflege. Während die Personalkosten <strong>in</strong><br />

den letzten zehn Jahren im Schnitt um zwei Prozent angestiegen<br />

s<strong>in</strong>d, wurden die Vergütungen im gleichen Zeitraum um weniger<br />

als e<strong>in</strong> Prozent pro Jahr angepasst.<br />

Das führt zwangsläufig dazu, <strong>das</strong>s die Arbeit immer mehr verdichtet<br />

wird, <strong>das</strong>s unsere Mitarbeiter immer schneller arbeiten müssen.<br />

Wenn man aber auf Dauer e<strong>in</strong>e tragfähige ambulante Infrastruktur<br />

möchte, muss man den Pflegeberuf attraktiv machen.<br />

Noch werden 70 Prozent aller pflegebedürftigen Menschen zu<br />

Hause gepflegt, zu e<strong>in</strong>em erheblichen Teil mit Unterstützung von<br />

professionellen Pflegediensten, gerade auch der <strong>Caritas</strong>. Dies wird<br />

dauerhaft aber nur möglich se<strong>in</strong>, wenn man langfristig Frauen<br />

und Männer f<strong>in</strong>det, die Freude an e<strong>in</strong>er Tätigkeit <strong>in</strong> der Pflege<br />

haben und bereit s<strong>in</strong>d, diese hoch qualifiziert und mit hoher Empathie<br />

zu leisten.<br />

Dann müssen die Kassen aber auch akzeptieren, <strong>das</strong>s die Pflegekräfte<br />

<strong>in</strong> der <strong>Caritas</strong> angemessen entlohnt werden.<br />

Sonderdruck aus caritas <strong>in</strong> <strong>NRW</strong> · 2/13 11


Familie<br />

Streng getaktet<br />

Katr<strong>in</strong> Piorunek<br />

Fotos: Lukas<br />

Christian Lukas ist<br />

freier Journalist <strong>in</strong> Witten<br />

(Ruhr).<br />

Auf Dienstfahrt mit e<strong>in</strong>er ambulanten Altenpfleger<strong>in</strong><br />

Von Christian Lukas<br />

Offiziell beg<strong>in</strong>nt Katr<strong>in</strong> Pioruneks Arbeitstag um 6 Uhr. Tatsächlich ist die gelernte<br />

Altenpfleger<strong>in</strong> und Palliativschwester um diese Zeit längst unterwegs auf den<br />

Straßen von Witten. Das E<strong>in</strong>satzgebiet der 44-jährigen Mitarbeiter<strong>in</strong> des<br />

Pflegedienstes der <strong>Caritas</strong> ist der Stadtteil Heven. E<strong>in</strong> durchmischter Stadtteil mit<br />

schönen, kle<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>familienhäusern, Genossenschaftshäusern, Hochhäusern.<br />

„Natürlich gibt es immer e<strong>in</strong> nettes Wort <strong>für</strong> me<strong>in</strong>e Patienten“,<br />

erzählt sie auf dem Weg zum ersten E<strong>in</strong>satz.<br />

Es schneit. Nur wenige Autos s<strong>in</strong>d auf den Hevener<br />

Straßen unterwegs. „Für manche Patienten b<strong>in</strong> ich der<br />

e<strong>in</strong>zige Besuch am Tag. Aber der Mediz<strong>in</strong>ische Dienst<br />

gibt die Zeit vor, die ich <strong>für</strong> me<strong>in</strong>e Tätigkeit aufbr<strong>in</strong>gen<br />

darf. Jede M<strong>in</strong>ute mehr wird beanstandet. Und Zeit <strong>für</strong><br />

nette Worte ist nicht vorgesehen.“ Ebenso wenig andere<br />

Freundlichkeiten. „Ich hatte e<strong>in</strong>e bettlägerige Patient<strong>in</strong>“,<br />

er<strong>in</strong>nert sie sich, „die bekam e<strong>in</strong>e neue Matratze<br />

und kam mit der nicht zurecht. Ich habe ihr dann von<br />

daheim e<strong>in</strong>e Decke als Unterlage mitgebracht. Danach<br />

g<strong>in</strong>g es ihr besser. Bis der Mediz<strong>in</strong>ische Dienst kam, die<br />

Decke beanstandete und mir e<strong>in</strong>en Riesenärger machte.“<br />

Warum, <strong>das</strong> kann die Altenpfleger<strong>in</strong> nicht erklären:<br />

„In den Vorgaben stand eben, die Patient<strong>in</strong> müsse<br />

auf e<strong>in</strong>er Matratze liegen.“ Weiter kommentiert Katr<strong>in</strong><br />

Piorunek den Vorfall nicht.<br />

Der erste Weg führt die Altenpfleger<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Wohnung<br />

e<strong>in</strong>er <strong>in</strong> die Jahre gekommenen Lebensgeme<strong>in</strong>schaft.<br />

Die Frau ist 77. „Warum ich hier liege? Och, mir war<br />

heute e<strong>in</strong>fach danach.“ Ihren Humor hat sie nicht verloren,<br />

dann aber erzählt sie von ihrem Schlaganfall vor<br />

sieben Jahren. Katr<strong>in</strong> kennt sie länger. Sie hat bereits<br />

ihre Mutter über Jahre h<strong>in</strong>weg gepflegt. Kaum war diese<br />

verstorben, wurde die Tochter zum Pflegefall. Ihr Lebensgefährte<br />

kann ihr nicht helfen. Katr<strong>in</strong> Piorunek<br />

wäscht <strong>das</strong> Gesicht, wechselt die W<strong>in</strong>del, lässt Ur<strong>in</strong> ablaufen,<br />

wechselt ihr <strong>das</strong> Nachthemd. Und dokumentiert<br />

ihre Arbeit. Ordnung muss se<strong>in</strong>. Sie wird im Laufe des<br />

Tages noch 13 weitere Mal ihre Arbeit dokumentieren.<br />

Es geht wieder raus <strong>in</strong> den Schnee, <strong>in</strong>s Auto. Wenige<br />

M<strong>in</strong>uten später <strong>das</strong> nächste Haus. Der Mann, e<strong>in</strong> Pensionär<br />

im fortgeschrittenen Alter, braucht Hilfe bei der<br />

Dosierung se<strong>in</strong>er Tabletten. Drei M<strong>in</strong>uten dauert es,<br />

se<strong>in</strong>e Medikation zusammenzustellen. „Bis morgen“,<br />

sagt Katr<strong>in</strong>, und schon geht es weiter. In den Schnee,<br />

<strong>in</strong>s Auto, raus aus dem Auto, <strong>in</strong>s nächste Haus.<br />

Die alte Dame hat sich die Schulter gebrochen, leidet<br />

an Diabetes, braucht e<strong>in</strong>e Spritze. „Gebrochen habe ich<br />

mir den Knochen auf dem Weg zum Arzt“, klagt sie. Sie<br />

ist schwer auf den Be<strong>in</strong>en. Aber e<strong>in</strong>e Pflegestufe hat sie<br />

12<br />

Sonderdruck aus caritas <strong>in</strong> <strong>NRW</strong> · 2/13


nicht. Manchmal bräuchte sie schon mehr Hilfe, jede<br />

Stufe stellt <strong>für</strong> sie <strong>in</strong>zwischen e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>dernis dar. Doch<br />

sie ist noch mobil. Sie mag Katr<strong>in</strong>, sie ist ihr e<strong>in</strong>ziger<br />

Besuch heute. Aber schon ist Katr<strong>in</strong> Piorunek auf dem<br />

Weg zur nächsten Patient<strong>in</strong>. Um 6.46 Uhr betritt sie die<br />

Wohnung e<strong>in</strong>er 79-jährigen Witwe. „Ich b<strong>in</strong> froh, <strong>das</strong>s<br />

ich Katr<strong>in</strong> habe, ohne sie wäre ich arm dran“, erzählt sie,<br />

und dann sprudelt es aus ihr raus: Der Sohn starb vor<br />

vier Jahren plötzlich und unerwartet, ihr Mann vor drei,<br />

die Enkeltochter zieht nun zum Studium nach Münster.<br />

Sie selbst hatte e<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>terwand<strong>in</strong>farkt. Es tut gut, e<strong>in</strong>fach<br />

reden zu können. Katr<strong>in</strong> zieht ihr Stützstrümpfe<br />

über, nach sechs M<strong>in</strong>uten ist sie schon wieder unterwegs.<br />

Wilhelm Kogelheide, ihr nächster Patient, war Stahlformer,<br />

Obermeister. „Die Arbeit hat me<strong>in</strong>e Knochen<br />

kaputt gemacht“, erzählt er. Und nun, mit fast 83, hat<br />

er Probleme. E<strong>in</strong>e Lungenembolie hätte ihn fast umgebracht,<br />

„die Pumpe schlägt nicht richtig“, sagt er, e<strong>in</strong>e<br />

Prostata-OP hat er h<strong>in</strong>ter sich, und er ist Diabetiker.<br />

Auf die Frage nach se<strong>in</strong>er Pflegestufe lacht er. „Pflegestufe?<br />

So etwas habe ich nicht.“<br />

Zeitüberschreitung penibel dokumentieren<br />

Wanda Ziehlke hat Pflegestufe 1. 95 ist sie, leidet an<br />

Park<strong>in</strong>son, ist geistig aber topfit. Katr<strong>in</strong> hilft ihr auf die<br />

Toilette. „Es ist die Zeit, die fehlt“, erzählt sie. Manchmal<br />

braucht sie <strong>für</strong> die Morgentoilette mehr Zeit, als<br />

der Mediz<strong>in</strong>ische Dienst festschreibt: „Aber was soll ich<br />

denn machen?“, fragt die charmante Dame, die viele<br />

Jahre <strong>in</strong> England gearbeitet hat, nachdenklich.<br />

7.39 Uhr. Nur e<strong>in</strong> paar Häuser weiter lebt e<strong>in</strong> Ehepaar<br />

<strong>in</strong> den Achtzigern. E<strong>in</strong> unvorhergesehener Fall:<br />

Eigentlich steht Stomaversorgung auf dem Plan. Die<br />

Frau aber hat Probleme mit ihrem künstlichen Darmausgang.<br />

Doch will nicht darüber sprechen, um niemandem<br />

zur Last zu fallen. Ihr Mann ist bl<strong>in</strong>d. Katr<strong>in</strong> versorgt<br />

ihn mit Augentropfen, dann greift sie zum Telefon,<br />

klärt die Angelegenheit mit dem Arzt, leitet weitere<br />

Schritte e<strong>in</strong> – und muss auf den Punkt dokumentieren,<br />

warum sie <strong>das</strong> vorgegebene Zeitpensum um fast e<strong>in</strong>e<br />

Viertelstunde überschritten hat.<br />

Und auch bei Kazim Deniz kommt es zu e<strong>in</strong>em Problem.<br />

Der 59-jährige Hevener hatte e<strong>in</strong>en Schlaganfall.<br />

„Eigentlich geht es mir gut“, sagt er bescheiden. Nur er<br />

ist Diabetiker und kann sich se<strong>in</strong>e Insul<strong>in</strong>spritze nicht<br />

selbst verabreichen. Die rechte Hand ist taub. Doch<br />

beim Test stellt sich heraus – er ist vollkommen unterzuckert.<br />

„Würde ich ihm jetzt e<strong>in</strong>e Spritze geben, würde<br />

se<strong>in</strong> Kreislauf versagen“, erläutert Katr<strong>in</strong> Piorunek.<br />

8.22 Uhr: Ihre nächste Patient<strong>in</strong> ist vergleichsweise jung,<br />

47. Asthma, Sarkoidose, e<strong>in</strong>e Lungenembolie, Rheuma<br />

s<strong>in</strong>d nur e<strong>in</strong>ige ihrer Leiden. Sie verbr<strong>in</strong>gt viel Zeit im<br />

Bett. Katr<strong>in</strong> hilft ihr, Stützstrümpfe anzuziehen. „Die<br />

Anstrengung würde mich auf Stunden aus dem Verkehr<br />

ziehen“, erklärt sie. An der Tür steht e<strong>in</strong> koffergroßes<br />

Sauerstoffgerät. „Ich hatte e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es, tolles Gerät, mit<br />

dem ich nach langer Zeit wieder Spaziergänge machen<br />

konnte“, berichtet die Patient<strong>in</strong>. „Aber <strong>das</strong> wurde mir<br />

nicht weiter bewilligt, weil es zu teuer war.“ Spaziergänge<br />

seien ihr Freizeitvergnügen, hieß es weiter – und<br />

somit nicht von der Solidargeme<strong>in</strong>schft zu f<strong>in</strong>anzieren.<br />

So spielt sich ihr Leben vorwiegend <strong>in</strong> ihrem Schlafzimmer<br />

ab.<br />

c<br />

Kazim Deniz ist Diabetiker,<br />

und nach e<strong>in</strong>em Schlaganfall<br />

kann er weder se<strong>in</strong>en<br />

Zuckerspiegel selbst messen<br />

noch sich selbst e<strong>in</strong>e Spritze<br />

verabreichen.<br />

Katr<strong>in</strong> Piorunek hilft<br />

Wilhelm Kogelheide, die<br />

Stützstrümpfe überzuziehen.<br />

Nach e<strong>in</strong>em Herzstillstand<br />

und e<strong>in</strong>er Lungenembolie<br />

braucht der Rentner<br />

e<strong>in</strong>e helfende Hand.<br />

Sonderdruck aus caritas <strong>in</strong> <strong>NRW</strong> · 2/13 13


Familie<br />

c<br />

Und weiter geht es: Zwei Patienten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Haus. E<strong>in</strong>mal<br />

muss Katr<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Mann Medikamente verabreichen<br />

und Blutdruck messen (drei M<strong>in</strong>uten), dann muss<br />

sie e<strong>in</strong>e Witwe duschen, ihre Medikamente e<strong>in</strong>stellen.<br />

Sie kann schlecht laufen, leidet an Epilepsie sowie diversen<br />

„Kle<strong>in</strong>igkeiten“ und ist 100 Prozent schwerbeschädigt.<br />

„Aber ich habe nur Pflegestufe 1“, sagt die 70-Jährige,<br />

die nach e<strong>in</strong>em Treppensturz und e<strong>in</strong>em Krankenhausaufenthalt<br />

zeitweise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er betreuten WG lebte.<br />

Die aber musste sie wieder verlassen, doch ohne Katr<strong>in</strong><br />

Piorunek kann sie sich nicht e<strong>in</strong>mal alle<strong>in</strong> waschen.<br />

Es geht zur ersten Patient<strong>in</strong> zurück, die noch e<strong>in</strong>mal<br />

gewendet werden muss (drei M<strong>in</strong>uten), bevor die letzte<br />

Etappe auf dem Plan steht: Klara Lübben ist 62 und<br />

lebt mit ihrer schwerstbeh<strong>in</strong>derten 29-jährigen Tochter<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Genossenschaftshaus. „E<strong>in</strong>mal die Woche<br />

schaut Katr<strong>in</strong> mit ihrem professionellen Blick nach dem<br />

Rechten“, erzählt sie. Ihre Tochter muss künstlich ernährt<br />

werden. Stündlich. W<strong>in</strong>deln müssen gewechselt<br />

werden, Medikamente verabreicht werden. Klara Lübben<br />

macht all dies alle<strong>in</strong>. „Ich b<strong>in</strong> gesund, und ich trage<br />

die Verantwortung <strong>für</strong> me<strong>in</strong>e Tochter“, sagt die Witwe<br />

und fügt bescheiden h<strong>in</strong>zu: „Es gibt Menschen, die dr<strong>in</strong>gender<br />

e<strong>in</strong>e helfende Hand brauchen als ich.“<br />

An sich ist Katr<strong>in</strong> Piorunek nun fertig mit ihrer Morgenschicht.<br />

Doch auf dem Weg <strong>in</strong> die Stadt macht sie<br />

noch e<strong>in</strong>mal bei Kazim Deniz halt, prüft noch e<strong>in</strong>mal<br />

se<strong>in</strong>en Zuckerspiegel und lächelt. „Alles wieder <strong>in</strong> Ordnung“,<br />

sagt sie und trägt dies auch <strong>in</strong> die Dokumentation<br />

e<strong>in</strong>. Bezahlt wird diese Kontrolle dem Pflegedienst<br />

nicht. Vorgesehen ist e<strong>in</strong> Besuch bei dem Patienten, <strong>das</strong><br />

Prüfresultat spielt dabei ke<strong>in</strong>e Rolle. b<br />

E<strong>in</strong> konkreter Vorschlag zur Entbürokratisierung der Pflege<br />

Bisher:<br />

Auf den ,,Verordnungen häuslicher Krankenpflege“<br />

trägt der Arzt die <strong>für</strong> den Patienten notwendigen Leistungen<br />

häuslicher Krankenpflege e<strong>in</strong>. Auf der Rückseite<br />

verlangen die Krankenkassen von den Pflegediensten,<br />

die Leistungen zu übertragen und die Erklärung, die<br />

Leistungen zu erbr<strong>in</strong>gen, zu unterschreiben und abzustempeln.<br />

Weiterh<strong>in</strong> muss der Patient die Rückseite der<br />

Verordnung ebenfalls unterzeichnen. Er macht damit<br />

deutlich, <strong>das</strong>s der Pflegedienst die ärztlich verordneten<br />

Leistungen durchführt.<br />

Da Pflegedienste die ärztlich verordneten Leistungen<br />

nicht eigenmächtig verändern dürfen, stellt sich doch<br />

die Frage, warum überhaupt e<strong>in</strong>e Übertragung der Leistungen<br />

auf die Rückseite notwendig bzw. s<strong>in</strong>nvoll ist.<br />

Unsere Lösung: der Stempel ,,wie verordnet“<br />

Vorteil <strong>für</strong> den Pflegedienst: ke<strong>in</strong>e unnötigen Übertragungen,<br />

d. h. Zeitersparnis. Vorteil <strong>für</strong> die Krankenkassen:<br />

ke<strong>in</strong>e Kontrolle und ke<strong>in</strong> Vergleichen durch die<br />

Krankenkassenmitarbeiter notwendig, d. h. Zeitersparnis.<br />

Die Bürokratiekosten <strong>für</strong> Anträge zur häuslichen<br />

Krankenpflege liegen bei jährlich 54 Mio. Euro <strong>in</strong><br />

Deutschland, so <strong>das</strong> Statistische Bundesamt.<br />

Schade, <strong>das</strong>s e<strong>in</strong>ige Krankenkassen vom Stempel irritiert<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Schade, <strong>das</strong>s e<strong>in</strong>ige Mitarbeiter der AOK Nord-West,<br />

Regionaldirektion Meschede, der Me<strong>in</strong>ung s<strong>in</strong>d, <strong>das</strong>s<br />

<strong>das</strong> so nicht gehe.<br />

Es ist durch <strong>das</strong> Statistische Bundesamt im Frühjahr<br />

2012 festgestellt worden, <strong>das</strong>s <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ,,normal“ großen<br />

Pflegestation mit 60 Patienten rechnerisch 2,3 Vollzeitkräfte<br />

mit Verwaltungsaufwand und Pflegedokumentation<br />

beschäftigt s<strong>in</strong>d.<br />

Wenn man nicht mit kle<strong>in</strong>en Schritten anfängt …<br />

Peter Wawrik, Geschäftsführer der <strong>Caritas</strong> Alten- und Krankenhilfe<br />

im Kreis Soest<br />

Nachtrag:<br />

Inzwischen dulden die Kassen diese Praxis der <strong>Caritas</strong><br />

im Kreis Soest. Diese spart durch die kle<strong>in</strong>e Änderung<br />

die Stundenzahl von rechnerisch drei Wochen Arbeitszeit<br />

e<strong>in</strong>er Mitarbeiter<strong>in</strong> im Jahr. Die Ersparnisse der<br />

Krankenkassen durch Wegfall von Kontrolle und Vergleichen<br />

liegen <strong>in</strong> vergleichbaren Dimensionen.<br />

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Sonderdruck aus caritas <strong>in</strong> <strong>NRW</strong> · 2/13


Foto: KNA-Bild<br />

Schöne Worte s<strong>in</strong>d zu wenig<br />

Wie e<strong>in</strong> Geschäftsführer e<strong>in</strong>es ambulanten<br />

Pflegedienstes die Praxis erlebt<br />

Von Hartmut Claes<br />

Vor Jahren, als die Krankenkassen sich dem freien<br />

Markt öffneten, hatte ich „schlechte Risiken“ als<br />

Unwort des Jahres vorgeschlagen. Damals gierten<br />

die Kassen nach jungen, gesunden und damit kostengünstigen<br />

Mitgliedern. Alte Menschen waren da<br />

weniger gefragt. Heute erlebe ich, <strong>das</strong>s aufgrund des<br />

Kostendrucks auch <strong>in</strong> der ambulanten Krankenpflege<br />

e<strong>in</strong>e Selektion vorgenommen wird.<br />

Multimorbide, alle<strong>in</strong>stehende oder demente Patienten<br />

laufen Gefahr, auf der Strecke zu bleiben. Bei e<strong>in</strong>er<br />

160 kg schweren Patient<strong>in</strong> ist <strong>das</strong> Anziehen von Stützstrümpfen<br />

nicht nur zeit<strong>in</strong>tensiv, sondern körperlich<br />

anstrengend. H<strong>in</strong>zu kommt, <strong>das</strong>s trotz zusätzlich erbrachter<br />

Leistungen wie Wundversorgung oder Medikamentengabe<br />

nur e<strong>in</strong>e Behandlungspflege abgerechnet<br />

werden darf.<br />

So mancher Geschäftsführer wird sich fragen, ob er <strong>für</strong><br />

9,20 Euro bei e<strong>in</strong>em 40-m<strong>in</strong>ütigen E<strong>in</strong>satz die Bandscheiben<br />

se<strong>in</strong>er Krankenschwestern ru<strong>in</strong>iert. E<strong>in</strong> anderer<br />

Patient ist bettlägerig und e<strong>in</strong>sam. Im W<strong>in</strong>ter bekam<br />

er Besuch von Trunkenbolden, die se<strong>in</strong>e Wohnung als<br />

Wärmestube <strong>für</strong> Tr<strong>in</strong>kgelage missbrauchten. Mehrfach<br />

wurden unsere Schwestern angepöbelt und angefasst.<br />

Wer will es verantworten, <strong>in</strong> solch e<strong>in</strong>em Haushalt <strong>das</strong><br />

wertvolle Personal <strong>für</strong> 9,20 Euro zu verheizen?<br />

E<strong>in</strong>e Patient<strong>in</strong> im Krankenhaus wünschte sich, zum<br />

Sterben nach Hause entlassen zu werden. Der Tod<br />

war nur noch e<strong>in</strong>e Frage von Tagen oder gar Stunden.<br />

Für <strong>das</strong> Anlegen e<strong>in</strong>er neuen Patientenakte werden bis<br />

zu 40 Formulare ausgefüllt. Die Patient<strong>in</strong> starb gleich<br />

beim allerersten E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> den Armen unserer Palliativschwester.<br />

Egal, ob e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger oder e<strong>in</strong>tausend<br />

E<strong>in</strong>sätze, die 40 Formulare müssen dennoch ausgefüllt<br />

werden. Re<strong>in</strong> wirtschaftlich denkende Geschäftsführer<br />

werden bei e<strong>in</strong>er so prognostizierten Lebenserwartung<br />

die Versorgung ablehnen.<br />

Politiker ducken sich gerne weg, weil Vergütungsverhandlungen<br />

die Sache der beiden Partner Krankenkasse<br />

und Pflegedienst s<strong>in</strong>d. Partnerschaftliches Verhalten erleben<br />

wir schon lange nicht mehr. Die Kassen diktieren,<br />

die Pflegedienste schlucken. Wenn die Politik möchte,<br />

<strong>das</strong>s die drei oben genannten Patienten auch weiterh<strong>in</strong><br />

versorgt werden, reichen ständige Lippenbekenntnisse<br />

„ambulant vor stationär“ nicht aus. Dann gilt <strong>das</strong> alte<br />

<strong>Caritas</strong>-Motto: „Schöne Worte s<strong>in</strong>d zu wenig.“ Wir<br />

brauchen tatkräftige Politiker, die sich zeigen und nicht<br />

verstecken. b<br />

Hartmut Claes ist <strong>Caritas</strong>-<br />

Geschäftsführer <strong>in</strong> Witten<br />

(Ruhr). 60 Mitarbeiter<br />

mit 22 Dienstfahrzeugen<br />

versorgen dort <strong>in</strong> der<br />

ambulanten Pflege rund<br />

250 Patienten.<br />

Sonderdruck aus caritas <strong>in</strong> <strong>NRW</strong> · 2/13 15


Blickpunkt<br />

Bald knallt’s<br />

Foto: Kle<strong>in</strong>ebrahm<br />

Die Situation <strong>in</strong> der ambulanten Pflege spitzt sich zu –<br />

e<strong>in</strong>e Umfrage unter Fachleuten<br />

gut geht es dem Menschen, wenn er sie nicht braucht. Wehe aber, er<br />

braucht sie – und sie kommt nicht. geme<strong>in</strong>t ist die Pflege, genauer: die<br />

ambulante Pflege, also die Pflegekraft aus der Sozialstation <strong>in</strong> der Nachbarschaft.<br />

Wer selbst pflegebedürftig ist oder e<strong>in</strong>en nahen Angehörigen hat,<br />

der zu Hause versorgt und gepflegt werden möchte, der ist dankbar, wenn<br />

e<strong>in</strong>e Fachkraft kommt. E<strong>in</strong>e Pfleger<strong>in</strong>, die nicht nur die nötigen Handgriffe<br />

beherrscht, sondern auch Zeit <strong>für</strong> e<strong>in</strong> paar aufmunternde Worte hat. Und den<br />

Blick <strong>für</strong> <strong>das</strong> Drumherum.<br />

Doch da<strong>für</strong> ist ke<strong>in</strong>e Zeit. Der Druck auf die ambulanten Pflegedienste<br />

wächst und wächst und wächst. Die Ref<strong>in</strong>anzierung steht immer mehr auf<br />

wackligen Be<strong>in</strong>en. Die Verhandlungen mit den Krankenkassen gestalten<br />

sich zäh, und die Ergebnisse waren bereits <strong>in</strong> der Vergangenheit unauskömmlich.<br />

gleichzeitig besteht nach wie vor hoher Bedarf an ambulanten<br />

Pflegedienstleistungen, immer mehr Menschen möchten im Alter möglichst<br />

lange zu Hause leben bleiben und dabei angemessen versorgt werden.<br />

H<strong>in</strong>zu kommt: Der Fachkräftemangel spitzt sich zu. Die Konkurrenz zu den<br />

privaten Anbietern, die häufig nicht <strong>in</strong> der Weise tarifgebunden s<strong>in</strong>d wie<br />

die <strong>Caritas</strong>-Pflegedienste, erschwert die Situation, ohne <strong>das</strong>s man hier von<br />

Marktwirtschaft zugunsten des Patienten sprechen kann.<br />

Peter Wawrik ist Vorstandsvorsitzender<br />

des <strong>Caritas</strong>verbandes <strong>für</strong><br />

den Kreis Soest und Vorsitzender<br />

der Diözesan-Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

Altenhilfe im Erzbistum<br />

Paderborn.<br />

Schwester Britta kommt nicht mehr<br />

Die Situation der ambulanten Pflege vor Ort ist sehr<br />

verschieden. Im Erzbistum Paderborn gibt es ganze Regionen,<br />

<strong>in</strong> denen nur noch die Wohlfahrtspflege übrig<br />

geblieben ist. In größeren Städten und Ballungsbereichen<br />

gibt es dagegen e<strong>in</strong>e hohe Verdichtung von privaten<br />

und Wohlfahrtspflegediensten.<br />

Es wird erwartet, <strong>das</strong>s eigentlich <strong>in</strong>nerhalb kürzester<br />

Zeit, sozusagen auf Zuruf (oft <strong>in</strong>nerhalb von e<strong>in</strong>er bis<br />

drei Stunden), die Pflegedienste aktiv werden und die<br />

pflegerische Versorgung übernehmen, als wenn Mitarbeiter<br />

auf Wartestühlen sitzen und warten, <strong>das</strong>s e<strong>in</strong>e<br />

Arztpraxis, e<strong>in</strong> Krankenhaus oder Angehörige anrufen.<br />

Aufgrund des Fachkräftemangels und der schlechten<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen bei der Vergütung der häuslichen<br />

Krankenpflege gehen private Pflegedienste immer häufiger<br />

dazu über, Patienten mit hohem Pflegeaufwand<br />

oder mit weiter Anfahrtsstrecke nicht mehr zu versorgen.<br />

Seitens der Wohlfahrt wird dies bisher eher noch<br />

nicht praktiziert. Hier wird über den Weg von „E<strong>in</strong>zelvere<strong>in</strong>barungen“<br />

und „Leistungsabrechnung nach<br />

Fachleistungsstunden“ versucht, den hohen zeitlichen<br />

Aufwand wegen der Wegstrecke oder die Pflegezeit ref<strong>in</strong>anziert<br />

zu erhalten.<br />

Schleichend und mit wenig Öffentlichkeit werden heute<br />

schon Menschen auf entlegenen Dörfern oder mit hohem<br />

Pflegeaufwand nicht mehr oder nicht mehr selbstverständlich<br />

übernommen und gepflegt. In E<strong>in</strong>zelfällen<br />

f<strong>in</strong>den E<strong>in</strong>zelabsprachen über Fachleistungsstunden<br />

mit Krankenkassen statt, die verstanden haben, <strong>das</strong>s sie<br />

<strong>für</strong> ihre Mitglieder entsprechende Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

zur Versorgung klären müssen. Krankenkassen und<br />

Ärzte müssen heute schon mehrere Dienste anrufen,<br />

um e<strong>in</strong>en Pflegedienst zu f<strong>in</strong>den, der e<strong>in</strong>e freie Kapazität<br />

hat oder bereit ist, den E<strong>in</strong>satz zu übernehmen.<br />

16 caritas Sonderdruck <strong>in</strong> <strong>NRW</strong> aus · 4/12 caritas <strong>in</strong> <strong>NRW</strong> · 2/13


Pflege im Pauschaltakt<br />

Marion Peters ist Abteilungsleiter<strong>in</strong> Gesundheit<br />

und Pflege beim <strong>Caritas</strong>verband <strong>für</strong> die<br />

Region He<strong>in</strong>sberg e.V. und stellvertretende<br />

Vorsitzende der Diözesan-Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

Pflege und Alter im <strong>Bistum</strong> <strong>Aachen</strong>.<br />

Markus Kampl<strong>in</strong>g ist<br />

Geschäftsführer der<br />

Katholischen Pflegehilfe<br />

Essen.<br />

Krankes System<br />

der Leistungsabrechnung<br />

Die Behandlungspflege (§ 37 SGB V)<br />

wird heutzutage nach Leistungsgruppen<br />

abgerechnet – unabhängig von der<br />

Anzahl der verordneten Leistungen.<br />

Das bedeutet <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Beispiel:<br />

Verschreibt der Hausarzt e<strong>in</strong>em Patienten<br />

e<strong>in</strong>e Blutzuckermessung, kann<br />

der Pflegedienst da<strong>für</strong> 8,94 Euro abrechnen.<br />

Verschreibt er ihm aber Blutzuckermessung<br />

und zusätzlich Medikamentengabe<br />

und <strong>das</strong> Anziehen der<br />

Kompressionsstrümpfe, kann der Pflegedienst<br />

auch nur 8,94 Euro abrechnen,<br />

da alle drei Leistungen zu e<strong>in</strong>er Gruppe<br />

gehören. Also – e<strong>in</strong> Mehrfaches an<br />

Zeitaufwand. Und <strong>das</strong>s diese Zusatzbelastung<br />

ohne f<strong>in</strong>anziellen Ausgleich <strong>für</strong><br />

den Pflegedienst betriebswirtschaftlich<br />

nicht aufgehen kann – <strong>das</strong> sieht wohl<br />

jeder e<strong>in</strong> …<br />

Wir arbeiten nach Pauschalsystemen. Wer länger als pauschal vorgesehen<br />

pflegt, fährt <strong>in</strong> die Unterdeckung und gefährdet den Dienst. Das<br />

eigentlich attraktive Arbeitsfeld <strong>für</strong> Pflegefachkräfte <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>s-zu<br />

e<strong>in</strong>s-Betreuung wird unter solch e<strong>in</strong>em Zeitdiktat um se<strong>in</strong>en Reiz gebracht.<br />

Bürokratie und Prüfungen, von der Politik unter dem Aspekt<br />

des Schutzes entwickelt, tragen zur Belastung bei. Dabei müssten<br />

zwischenmenschliche Betreuung und Pflege durch unsere Gesellschaft<br />

gewürdigt werden, auch <strong>in</strong> der Ref<strong>in</strong>anzierung.<br />

Die hohen Ansprüche, die Kassen und Gesetzgeber vorgeben, werden<br />

bei der f<strong>in</strong>anziellen Vergütung ebenfalls nicht berücksichtigt.<br />

Insbesondere bei Leistungen nach SGB V wird der Organisationsaufwand<br />

immer höher, da <strong>das</strong> Verordnungs- und Genehmigungsverfahren<br />

immer komplizierter wird. Hier werden durch den Pflegedienst<br />

Aufgaben übernommen, die nicht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Zuständigkeit fallen, wie<br />

zum Beispiel:<br />

• <strong>das</strong> E<strong>in</strong>holen der Verordnung vom Arzt,<br />

• die Anleitung der Arzthelfer<strong>in</strong>nen beim <strong>in</strong>haltlich richtigen Ausfüllen<br />

der Verordnungen,<br />

• die Klärung der verordneten Leistungen durch den Arzt, wenn<br />

von der Krankenkasse anders als verordnet genehmigt wird. Hier<br />

erfolgt lediglich e<strong>in</strong>e Information der Kasse an den Kunden, Arzt<br />

und Pflegedienst. E<strong>in</strong>e Sicherstellung der durch den Arzt verordneten<br />

Leistung erfolgt durch die Krankenkasse nicht.<br />

Seit Jahren führen die Verhandlungen zu den Vergütungen und den<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen zu ke<strong>in</strong>em akzeptablen Resultat. Der Weg <strong>in</strong><br />

die Schiedsstelle ist langwierig und aufwendig.<br />

Die Schiedsperson hat im Herbst letzten Jahres <strong>in</strong> Anlehnung an die<br />

Grundlohnsummensteigerung e<strong>in</strong>e Erhöhung der Vergütungen um<br />

1,98 Prozent entschieden. Bei AVR-Tarifsteigerungen vom Sommer<br />

2012 bis Sommer 2013 <strong>in</strong> Höhe von 5,3 Prozent ist <strong>das</strong> nicht akzeptabel.<br />

Auch e<strong>in</strong>zelne Leistungen <strong>in</strong> der Wundversorgung können mit<br />

Vergütungen von 9,53 Euro oder 12,33 Euro nicht kostendeckend<br />

erbracht werden. Die Dienste haben ke<strong>in</strong>e rechtlichen Möglichkeiten,<br />

mehr zu erreichen.<br />

Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen!<br />

Der Wunsch vieler Menschen, im Alter so lange wie möglich <strong>in</strong> der<br />

eigenen Wohnung zu bleiben und im Bedarfsfall Leistungen ambulanter<br />

Pflegedienste <strong>in</strong> Anspruch zu nehmen, ist nur zu verständlich.<br />

Und er deckt sich – gerade im H<strong>in</strong>blick auf die demografische<br />

Entwicklung – mit der Vorgabe von Politik und Krankenkassen, die<br />

gleichlautend „ambulant vor stationär“ fordern.<br />

Um also dem verständlichen Wunsch der Menschen, der Politik und<br />

der Kassen Rechnung tragen zu können, müssen die Pflegedienste<br />

<strong>in</strong> die Lage versetzt werden, ihre Arbeit zu auskömmlichen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

zu tun. Dazu gehört unter anderem, <strong>das</strong>s die Mitarbeiter<br />

angemessen entlohnt werden.<br />

Gerade im Bereich der Pflege sche<strong>in</strong>en aber die sonst üblichen Gesetze<br />

der Wirtschaft auf den Kopf gestellt zu se<strong>in</strong>: Seit Jahren wird<br />

allerorten über die mangelnde Zahl gut ausgebildeter Pflegefachkräfte<br />

geklagt, aber e<strong>in</strong>e entsprechend gute Bezahlung, um den Beruf<br />

attraktiv zu machen, kann von den Pflegeunternehmen nicht geleistet<br />

werden, da es ke<strong>in</strong>e ausreichende Ref<strong>in</strong>anzierung seitens der<br />

Krankenkassen gibt.<br />

Die Ausgaben <strong>für</strong> die ambulante Pflege liegen bei 3,16 Mrd. Euro<br />

im Jahr. Das s<strong>in</strong>d gerade e<strong>in</strong>mal 2,14 Prozent der Gesamtausgaben<br />

der Kassen <strong>in</strong> Höhe von 168,74 Mrd. Euro. Die f<strong>in</strong>anziell gut ausgestatteten<br />

Krankenkassen haben derzeit die ausreichende F<strong>in</strong>anzierung<br />

der Pflegedienste nicht im Blick (auch nicht im H<strong>in</strong>blick auf die<br />

Kompensierung von Kosten im stationären Bereich).<br />

Die Anforderungen an e<strong>in</strong>e gute Pflege werden dagegen immer höher:<br />

Dokumentations- und Nachweispflichten nehmen immer mehr<br />

Zeit der Pflegekräfte <strong>in</strong> Anspruch. Aber: Diese Arbeit muss – wenn<br />

sie „on top“ kommt – auch „on top“ bezahlt werden. Und dabei ist<br />

es wie sonst auch im Leben – wer die Musik bestellt, muss sie auch<br />

bezahlen. In diesem Fall Krankenkassen, die <strong>das</strong> Geld ja von den<br />

Versicherten bereits e<strong>in</strong>gezogen haben.<br />

c<br />

Sonderdruck aus caritas <strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>NRW</strong> · 2/13 · 4/12 17


Blickpunkt<br />

c<br />

Die Belastungsgrenze ist erreicht<br />

Norbert Kallen ist Vorsitzender des <strong>Caritas</strong>verbandes<br />

Rhe<strong>in</strong>-Kreis Neuss e.V. und Vorsitzender der<br />

Diözesan-Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Altenhilfe und<br />

Pflege im Erzbistum Köln.<br />

Unterversorgung auf dem Land<br />

Detlev Becker (Dipl.-Betriebswirt, Supervisor<br />

[MSc]) ist seit 1995 Geschäftsführer des <strong>Caritas</strong>verbandes<br />

Tecklenburger Land e.V. und der <strong>Caritas</strong>-Altenhilfe<br />

Tecklenburger Land GmbH sowie<br />

Mitglied im Vorstand der Diözesan-Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

<strong>für</strong> ambulante Pflegedienste im <strong>Bistum</strong><br />

Münster und Mitglied im Vorstand der Geschäftsstelle<br />

<strong>für</strong> Pflegesatzverhandlungen im <strong>Bistum</strong><br />

Münster. Foto: privat<br />

In den letzten Jahren haben die Träger der ambulanten Pflege auf<br />

den Kostendruck reagiert. Die Organisation wurde verändert, die<br />

Arbeit verdichtet. Doch die Kassen geben e<strong>in</strong> unheilvolles Signal:<br />

Der Preis <strong>für</strong> e<strong>in</strong> Produkt oder e<strong>in</strong>e Dienstleistung drückt immer e<strong>in</strong>e<br />

Wertschätzung aus. Zurzeit signalisieren die Kassen <strong>in</strong> <strong>NRW</strong> (aber<br />

nicht nur hier), <strong>das</strong>s ihnen die Arbeit der Pflegekräfte wenig wert ist.<br />

Tarifsteigerungen <strong>in</strong> den letzten drei Jahren, die allgeme<strong>in</strong> <strong>in</strong> Wissenschaft<br />

und Politik begrüßt worden s<strong>in</strong>d, werden nicht anerkannt.<br />

Allgeme<strong>in</strong>e Kostensteigerungen z. B. <strong>für</strong> die Fahrzeuge, auf die e<strong>in</strong>e<br />

ambulante Pflege zw<strong>in</strong>gend angewiesen ist, werden vom Tisch gefegt.<br />

Wie sollen dr<strong>in</strong>gend benötigte Fachkräfte <strong>für</strong> die ambulante Pflege<br />

geworben werden, wenn die gerechtfertigten Ansprüche der Mitarbeiter<br />

mit Füßen getreten werden? Fatal!<br />

Demütig <strong>das</strong> Diktat der Kassen anzuerkennen führt mittelfristig <strong>in</strong><br />

den Ru<strong>in</strong>. Die Arbeit der Pflegekräfte weiter zu verdichten ist kaum<br />

mehr möglich. Die Belastungsgrenze der Mitarbeiter ist erreicht.<br />

Wie sieht die Zukunft aus, wenn die Kassen sich <strong>in</strong> den Vergütungsverhandlungen<br />

nicht bewegen? Kann man drohen, die Pflege vorübergehend<br />

e<strong>in</strong>zustellen? Pflegebedürftige Menschen als Druckmittel<br />

nutzen? Was im Bahn- und Luftverkehr noch zähneknirschend<br />

h<strong>in</strong>genommen wird, verbietet sich bei kranken und pflegebedürftigen<br />

Menschen, die <strong>in</strong> aller Regel auf fremde Hilfe angewiesen s<strong>in</strong>d.<br />

An der Qualität zu sparen? Toleriert der Patient <strong>das</strong>, nachdem <strong>in</strong><br />

der Öffentlichkeit gerade die Qualität <strong>in</strong> der Pflege kritisiert und<br />

Verbesserungen e<strong>in</strong>gefordert werden?<br />

Nehmen die Politik, die zuständigen M<strong>in</strong>isterien, die Aufsichtsbehörden<br />

<strong>das</strong> Problem wahr? Oder ducken sie sich weg, weil nichts<br />

unpopulärer ist als steigende Kosten im Gesundheitsbereich? Wie<br />

denken die von den Versicherten gewählten Vertreter <strong>in</strong> den Aufsichtsgremien<br />

der Kassen? Wissen sie um die Probleme?<br />

Ändert sich <strong>in</strong> der Politik, die die gesetzlichen Voraussetzungen <strong>für</strong><br />

Vergütungen setzt, nichts, ändern die Kassen <strong>in</strong> den Verhandlungen<br />

nicht die Strategie, <strong>für</strong> weniger Geld mehr Leistungen zu erhalten,<br />

werden sich schleichend – nicht nur katholische – Träger aus der<br />

ambulanten Pflege zurückziehen. Die Kassen werden schon wissen,<br />

wie sie dann den Sicherstellungsauftrag erfüllen können, zum<strong>in</strong>dest<br />

<strong>in</strong> der Theorie.<br />

Konkurrenz leitet sich aus dem late<strong>in</strong>ischen Wort „Concurrere“ ab.<br />

Übersetzen lässt sich <strong>das</strong> mit „um die Wette laufen“.<br />

So stellte sich der Markt <strong>für</strong> ambulante Pflegeanbieter über viele<br />

Jahre nach der E<strong>in</strong>führung der Pflegeversicherung dar. Als größte<br />

Wachstumsbranche <strong>in</strong> der Bundesrepublik warben die Pflegedienste<br />

mit Leistungsversprechen um ihre Patienten und deren Angehörige.<br />

Diese konnten jetzt aus e<strong>in</strong>er Vielzahl von Anbietern aussuchen.<br />

Gerade die Alten- und Krankenpflegedienste der <strong>Caritas</strong> haben dadurch<br />

e<strong>in</strong>en enormen Wachstumsschub erfahren. Aus der Tradition<br />

der Geme<strong>in</strong>dekrankenschwester kommend und mit e<strong>in</strong>em dem Patienten<br />

und Beschäftigten zugewandten christlichen Leitbild, s<strong>in</strong>d<br />

wir heute gefragter denn je.<br />

Aktuell vollzieht sich e<strong>in</strong> Wechsel vom Nachfrager- zum Anbietermarkt.<br />

Denn Fachkräfte zu gew<strong>in</strong>nen wird immer schwieriger. Wo gestern<br />

der Patient den Pflegeanbieter ausgesucht hat, wählt heute der<br />

Mitarbeiter se<strong>in</strong>en zukünftigen Dienstgeber. Dieser wiederum kann<br />

nur so viele Patienten versorgen, wie er Mitarbeiter f<strong>in</strong>det. Inzwischen<br />

droht e<strong>in</strong>e spürbare Unterversorgung im ambulanten Bereich.<br />

Vor allem ländliche Regionen mit wenigen Anbietern und langen<br />

Anfahrten zum Patienten s<strong>in</strong>d betroffen. Trotz unseres christlichen<br />

Leitbilds ist es auch <strong>für</strong> unsere Dienste nicht e<strong>in</strong>fach, Auszubildende<br />

und Pflegefachkräfte zu gew<strong>in</strong>nen. Die Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen ersche<strong>in</strong>en<br />

wenig attraktiv. Die physische und psychische Belastung<br />

ist oft hoch. Sie wird noch steigen, weil immer mehr demenziell und<br />

psychisch erkrankte Patienten zu versorgen s<strong>in</strong>d.<br />

Es fehlt öffentliche Wertschätzung, auch <strong>in</strong> den Medien. Wenig förderlich<br />

ist auch die ständige Diskussion um Lohnsummensteigerungen<br />

und Ref<strong>in</strong>anzierung.<br />

Hier muss Politik e<strong>in</strong>greifen und den Begriff der Pflegebedürftigkeit<br />

neu gestalten und die B<strong>in</strong>dung der Ref<strong>in</strong>anzierung an die Grundlohnsummensteigerung<br />

abschaffen. Ansonsten ist zu be<strong>für</strong>chten, <strong>das</strong>s<br />

e<strong>in</strong>e flächendeckende Versorgung mit ambulanten Pflegeleistungen<br />

zukünftig nicht sicherzustellen ist. b<br />

Foto: Lahrmann<br />

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caritas Sonderdruck <strong>in</strong> <strong>NRW</strong> aus · 4/12 caritas <strong>in</strong> <strong>NRW</strong> · 2/13


Arbeitsplatz <strong>Caritas</strong><br />

Pflegemarathon<br />

im M<strong>in</strong>utentakt<br />

In e<strong>in</strong>er Serie stellen<br />

wir Menschen vor,<br />

die bei der <strong>Caritas</strong><br />

arbeiten.<br />

Heute:<br />

Schwester Christiane geht zügig die Treppenstufen<br />

hoch, drei Stockwerke, bis ganz unters Dach. Die Wohnungstür<br />

steht offen, der Patient weiß Bescheid: Viel<br />

Zeit bleibt nicht. Christiane Gossmann grüßt freundlich<br />

und nimmt dann die Medikamentenschachtel <strong>in</strong> die<br />

Hand: die Tabletten <strong>für</strong> den Tag. Die beiden reden noch<br />

zwei, drei Sätze mite<strong>in</strong>ander, wie zwei alte Bekannte,<br />

die wissen, <strong>das</strong>s der andere es eilig hat.<br />

Dann s<strong>in</strong>d die fünf M<strong>in</strong>uten, die dieser E<strong>in</strong>satz dauern<br />

darf, erreicht. Der Weg die Treppen runter zum Auto<br />

überschreitet schon <strong>das</strong> Limit, <strong>das</strong> <strong>das</strong> Pflegemodul<br />

vorgibt. Erst im Auto nimmt Christiane Gossmann e<strong>in</strong><br />

Smartphone und drückt e<strong>in</strong>e Taste: E<strong>in</strong>satz beendet.<br />

Onl<strong>in</strong>e geht diese Mitteilung an die Zentrale der <strong>Caritas</strong>-Sozialstation<br />

St. Hildegard <strong>in</strong> Salzkotten. Dort wird<br />

sie später <strong>für</strong> die Abrechnung ausgewertet. Zwölfmal<br />

wird Christiane Gossmann an diesem Morgen diesen<br />

Ablauf wiederholen, und jedes Mal muss sie dabei genau<br />

auf die Zeit achten.<br />

Der Arbeitsalltag von Christiane Gossmann hat um<br />

6.00 Uhr begonnen, wie immer mit der Betreuung e<strong>in</strong>es<br />

Ehepaares, <strong>für</strong> <strong>das</strong> sie auch <strong>das</strong> Frühstück zubereitet. Elf<br />

weitere Patienten folgen – alle mit unterschiedlichem<br />

Pflegebedarf. Von der Portversorgung über die Wundbehandlung,<br />

von der Körperwäsche bis zum Überziehen<br />

der Kompressionsstrümpfe ist alles dabei. E<strong>in</strong> anstrengender<br />

Pflegemarathon mit e<strong>in</strong>em strikten Zeitplan im<br />

M<strong>in</strong>utentakt. Trotzdem: Die Krankenschwester wird alle<br />

Patienten mit gleichbleibender Freundlichkeit behandeln.<br />

„So viel Zeit muss se<strong>in</strong>, sonst könnte ich diese<br />

Arbeit nicht durchhalten“, sagt sie.<br />

Christiane Gossmann ist Krankenschwester. Die ambulante<br />

Pflege ist <strong>für</strong> sie genau <strong>das</strong> Richtige. „Man ist se<strong>in</strong><br />

eigener Chef“, sagt sie. Seit 19 Jahren arbeitet sie <strong>in</strong> der<br />

häuslichen Pflege <strong>für</strong> den <strong>Caritas</strong>verband Büren. Ihre<br />

Tour ist e<strong>in</strong>e von 16, die die Pflegekräfte der <strong>Caritas</strong>-<br />

Sozialstation St. Hildegard jeden Morgen <strong>in</strong> Salzkotten<br />

und Umgebung fahren. Salzkotten und der kle<strong>in</strong>e Nachbarort<br />

Upsprunge s<strong>in</strong>d <strong>das</strong> E<strong>in</strong>satzgebiet von Christiane<br />

Gossmann, dort s<strong>in</strong>d sie und ihr kle<strong>in</strong>es <strong>Caritas</strong>-Auto<br />

e<strong>in</strong> vertrautes Bild. Etwa 30 Kilometer legt sie auf e<strong>in</strong>er<br />

normalen Tour zurück. Am Wochenende oder wenn sie<br />

abends den Bereich e<strong>in</strong>er Kolleg<strong>in</strong> übernimmt, können<br />

es auch 100 Kilometer werden.<br />

Nächste Station ist e<strong>in</strong> Bauernhof. E<strong>in</strong>e „Teilwaschung“<br />

steht an, 15 M<strong>in</strong>uten s<strong>in</strong>d da<strong>für</strong> vorgesehen. Auch <strong>das</strong><br />

kann zeitlich nur gel<strong>in</strong>gen, wenn die Patient<strong>in</strong> mitmacht.<br />

In diesem Fall ist <strong>das</strong> so, weil sich die beiden gut kennen.<br />

Seit zwei Jahren kommt Christiane Gossmann. „Alle<strong>in</strong>e<br />

schaffe ich es nicht“, sagt die Frau.<br />

Beim nächsten Halt liegt die Patient<strong>in</strong> im Bett, als die<br />

<strong>Caritas</strong>-Mitarbeiter<strong>in</strong> die Wohnung betritt. Der Ehemann<br />

ist schon seit 6.00 Uhr wach. „Bis abends um<br />

11.00 Uhr b<strong>in</strong> ich auf den Be<strong>in</strong>en, um me<strong>in</strong>er Frau zu<br />

helfen“, sagt er. „Aber wenn wir ke<strong>in</strong>e Unterstützung<br />

hätten, müsste sie <strong>in</strong>s Altenheim.“ Sie bezieht Leistungen<br />

nach Pflegestufe II, damit ist die tägliche Grundpflege<br />

abgedeckt. Seit Jahren unterstützt Christiane<br />

Gossmann <strong>das</strong> Ehepaar.<br />

„Man muss <strong>das</strong> mit<br />

Überzeugung machen“<br />

Doch schon geht es weiter. Fünf Pflegen s<strong>in</strong>d es noch bis<br />

zum Ende der Tour gegen 11.00 Uhr. Feierabend ist<br />

auch dann noch nicht, denn kurz darauf beg<strong>in</strong>nt an<br />

diesem Tag der Mittagsdienst, den Christiane Gossmann<br />

mehrmals im Monat übernimmt. Auch am<br />

kommenden Wochenende wird sie Dienst haben.<br />

Zwei freie Tage h<strong>in</strong>tere<strong>in</strong>ander kann Christiane<br />

Gossmann nur alle 14 Tage genießen. Anstrengend<br />

ist ihr Beruf, gibt sie zu. Wenn da nur nicht der Zeitdruck<br />

wäre. „Man muss <strong>das</strong> mit Überzeugung machen“,<br />

sagt sie, „anders geht es nicht.“<br />

Protokoll und Foto: Karl-Mart<strong>in</strong> Flüter<br />

Christiane<br />

gossmann<br />

<strong>Caritas</strong>-Sozialstation<br />

St. Hildegard,<br />

Salzkotten<br />

Christiane Gossmann<br />

und ihr kle<strong>in</strong>es<br />

<strong>Caritas</strong>-Auto<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Salzkotten<br />

und Upsprunge gut<br />

bekannt.<br />

Foto: Lahrmann<br />

Sonderdruck aus caritas <strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>NRW</strong> · 2/13 · 1/13 19<br />

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Familie<br />

Hilfe!<br />

Mehr Zeit <strong>für</strong> Pflege! – Die Kampagne<br />

Die Qualität der ambulanten Pflege <strong>in</strong> Deutschland ist bedroht. Unsere Pflegekräfte<br />

können sich <strong>für</strong> ihre Patient<strong>in</strong>nen und Patienten kaum mehr die eigentlich<br />

nötige Zeit nehmen. Denn während alles andere deutlich teurer geworden<br />

ist, haben die Krankenkassen die Vergütungssätze <strong>für</strong> die ambulante Pflege <strong>in</strong><br />

den letzten zehn Jahren nur m<strong>in</strong>imal erhöht. Kostensteigerungen durch höhere<br />

Löhne und Sachkosten können von den Pflegediensten schon längst nicht mehr<br />

aufgefangen werden. Auch der bürokratische Aufwand verschl<strong>in</strong>gt immer mehr<br />

wertvolle Zeit. Die Folge: Der zeitliche Druck auf die Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und<br />

Mitarbeiter steigt ständig.<br />

Zeitdruck geht zulasten der Menschen<br />

Nicht selten müssen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er vierstündigen Pflegedienst-<br />

Tour 16 und mehr Menschen versorgt werden, vor zehn<br />

Jahren waren es noch zwei bis drei Menschen weniger.<br />

Nur e<strong>in</strong> Beispiel: Für <strong>das</strong> Setzen e<strong>in</strong>er Insul<strong>in</strong>spritze<br />

und e<strong>in</strong>en Verbandswechsel hat e<strong>in</strong>e Pflegekraft gerade<br />

e<strong>in</strong>mal zwölf M<strong>in</strong>uten Zeit, Anfahrt und Dokumentations-<br />

und Schreibarbeiten <strong>in</strong>begriffen. Den steigenden<br />

Druck spüren auch die Patient<strong>in</strong>nen und Patienten. Sie<br />

haben <strong>das</strong> Gefühl, <strong>das</strong>s die Pflegekraft schon wieder<br />

weg ist, bevor sie richtig bei ihnen angekommen ist, <strong>das</strong>s<br />

sie mehr Zeit mit Formularen verbr<strong>in</strong>gt als mit ihnen.<br />

Für <strong>in</strong>dividuelle Bedürfnisse bleibt immer weniger Zeit.<br />

Außerdem fallen überlastete Pflegekräfte immer wieder<br />

aus, wodurch die vertraute Pflegekraft durch e<strong>in</strong>e<br />

fremde ersetzt werden muss.<br />

<strong>NRW</strong> braucht die Freie Wohlfahrtspflege<br />

Die meisten Menschen möchten auch dann zu Hause<br />

bleiben, wenn sie pflegebedürftig werden. Pflegedienste<br />

machen <strong>das</strong> möglich. In Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen gehören<br />

rund 930 ambulante Pflegedienste zur Freien Wohlfahrtspflege.<br />

Sie versorgen fast die Hälfte der Pflegebedürftigen<br />

des Landes – <strong>das</strong> s<strong>in</strong>d 118 500 Menschen.<br />

Doch die Pflegedienste s<strong>in</strong>d auf e<strong>in</strong>e auskömmliche Vergütung<br />

der Pflegeleistungen angewiesen. Nur dann können<br />

sie genügend Mitarbeiter(<strong>in</strong>nen) beschäftigen und<br />

diese angemessen bezahlen. Und nur dann haben sie<br />

die Zeit <strong>für</strong> ihre Patient<strong>in</strong>nen und Patienten, die nötig<br />

ist. So viel sollten pflegebedürftige Menschen unserer<br />

Gesellschaft wert se<strong>in</strong>!<br />

Wir fordern:<br />

Reale Kostensteigerung (2002-2012): 20 Prozent<br />

Anhebung der Vergütung <strong>in</strong> der ambulanten Pflege<br />

(2002-2012): 7 Prozent<br />

c Wir fordern mehr Zeit <strong>für</strong> Menschen und e<strong>in</strong>e<br />

Anhebung der Vergütung der Leistungen durch<br />

die Kassen um 13 Prozent!<br />

ambulante Pflege braucht<br />

› mehr Zeit fÜr menSchen und<br />

› e<strong>in</strong>e angemeSSene VergÜtung!<br />

Kampagnen-Website: www.hilfe-fuer-pflege.de<br />

Mehr Informationen: Monika van Vlodrop, <strong>Caritas</strong>verband <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Bistum</strong> <strong>Aachen</strong>,<br />

Kapitelstr. 3, 52066 <strong>Aachen</strong>, 02 41 / 4 31-2 25, mvvlodrop@caritas-ac.de<br />

Zentrales Aktionsbüro: c/o Diakonie RWL, Lenaustr. 41, 40470 Düsseldorf,<br />

02 11 / 63 98-2 14, <strong>in</strong>fo@hilfe-fuer-pflege.de<br />

20<br />

Sonderdruck aus caritas <strong>in</strong> <strong>NRW</strong> · 2/13

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