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BERICHTE<br />
MONTESA COTA 4RT 260 & RR<br />
Vorstellung und Fahrbericht der neuen Montesa COTA 4RT 260 und der neuen Montesa COTA 4RT<br />
Race Replica. Text: Hans Greiner, Fotos: Montesa-<strong>Honda</strong> S.A.U., Franz Kadlec (6).<br />
Samstagabend im Fahrerlager des Trial Grand Prix<br />
von Italien: Vor dem riesigen Zelt des Montesa-<br />
Aufliegers drängt sich eine Menschentraube um<br />
ein weiteres, kleineres Montesa-Zelt. Unter dessen<br />
knallroter Kuppel stehen zwei verhüllte neue Montesa<br />
COTA 4RT. Sie sind der Grund für den Menschenauflauf,<br />
denn <strong>Honda</strong>-Montesa hatte im Vorfeld des GP<br />
von Italien die Vorstellung der neuen Montesa COTA<br />
4RT und deren Wettbewerbsableger angekündigt. Im<br />
Gewühl der gewöhnlichen Zuschauer sind viele Topfahrer,<br />
Teammanager und Mechaniker anderer Marken<br />
auszumachen. Verständlich, denn wenn die Weltmeistermarke<br />
ein neues Modell ankündigt, dann macht das<br />
nicht nur Montesa-Fahrer neugierig.<br />
Nach den üblichen einleitenden Worten eines solchen<br />
Events, erbarmten sich Fujinami Takahisa und Toni<br />
Bou, die beiden Werksfahrer von <strong>Honda</strong>-Montesa, enthüllten<br />
die Maschinen und gaben sie endlich den neugierigen<br />
Blicken frei. Ich möchte an dieser Stelle versuchen,<br />
die Gesichtszüge der anwesenden Personen zu<br />
beschreiben: Zunächst weit geöffnete Augen bei leicht<br />
geöffnetem Mund, als Ausdruck der Begeisterung über<br />
die wirklich gelungene Optik der neuen Montesa, mit<br />
modernem Erscheinungsbild und dem Eindruck von<br />
etwas tatsächlich Neuem. Dann, bei den Einen rasch<br />
und den Anderen erst etwas später, der Übergang zu<br />
leicht zusammengekniffenen Augen mit gerunzelter<br />
Stirn und hervortretenden Augenbrauen bei aufeinandergedrückten<br />
Lippen, als<br />
Ausdruck der Erkenntnis,<br />
dass es sich bis auf Tank und<br />
Heckkotflügel offensichtlich<br />
um ein und dieselbe COTA<br />
4RT handelt als bisher.<br />
Nach diesen beiden weitgehend<br />
einheitlichen Blick-<br />
Einstellungen veränderten<br />
sich die Gesichtszüge der<br />
Personen sehr unterschiedlich,<br />
je nachdem, welcher<br />
Gesinnung die Person angehörte:<br />
Erleichterung bei den<br />
markenfremden Fahrern und<br />
Fans, und von Ernüchterung<br />
Fujinami & Bou enthüllen<br />
die neue COTA 4RT 260.<br />
über Enttäuschung bis hin zu Frustration bei den Montesa-Anhängern.<br />
Einige davon verließen sogar recht<br />
schnell desillusioniert den Ort des Geschehens.<br />
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BERICHTE<br />
Angesichts dieser Präsentation und der eher verhalten-begeisterten<br />
Stimmung unter den Montesa-Fans<br />
am Sonntag, war es schon sehr gut, dass gleich am<br />
Montag darauf der Fahrtest für die Presse anberaumt<br />
war. Denn die Mimik der Tester vor Ort – darunter ich<br />
selbst – ließ schnell erkennen, dass es keinen Grund zur<br />
Enttäuschung gibt. Hinter der aufgepeppten Fassade<br />
der neuen Montesa verbirgt sich nämlich doch erheblich<br />
mehr als nur die bisherige Technik. Die neue<br />
Montesa COTA 4RT 260 ist ein neues Trialmotorrad.<br />
Denn auch wenn sie keine komplette Neuentwicklung<br />
ist, sie fährt sich so – und sie fährt verdammt gut!<br />
Rekord-Weltmeister Toni Bou: „Ich bin überzeugt, dass<br />
jeder, der eine neue COTA besitzt, Freude daran hat“.<br />
ENTWICKLUNG<br />
Zuletzt hatte <strong>Honda</strong>-Montesa im Jahr 2005 die Trialwelt<br />
auf den Kopf gestellt. Der Modellwechsel von der COTA<br />
315R zur COTA 4RT brachte einen neuen Alu-Rahmen<br />
und den im Trialmarkt revolutionären Viertaktmotor mit<br />
elektronischer Kraftstoffeinspritzung. Heute wissen wir,<br />
dass die Maschine die Begriffe Qualität, Zuverlässigkeit<br />
und nicht zuletzt Preisstabilität für Trialverhältnisse<br />
neu definierte. Doch neun Jahre sind eine lange Zeit.<br />
Eine Zeit, in der das japanisch-spanische Joint-Venture<br />
nur wenig Modellpflege betrieben hat und dadurch,<br />
nach guten Verkaufszahlen in den ersten Jahren, Saison<br />
für Saison Marktanteile verlieren ließ.<br />
Das soll sich nun mit dem Modellwechsel 2013 auf<br />
2014 wieder ändern. Dass es sich um eine neue COTA<br />
handelt, soll die „260“ in der Modellbezeichnung herausstellen.<br />
Und in der Tat entfallen die gravierendsten<br />
Änderungen des neuen Modells auf den Motor.<br />
Die Montesa COTA 4RT Race Replica im Werks-Design.<br />
MOTOR<br />
Mit jetzt 258,9 cm³ hat der Hubraum durch eine um<br />
1,5 mm größere Bohrung um 9,9 cm³ zugelegt. Sie<br />
beträgt jetzt 78 mm gegenüber zuvor 76,5 mm Bohrung.<br />
Der Hub sowie das Kompressionsverhältnis von<br />
54,2 mm und 10,5:1 sind identisch.<br />
An die Hubraumvergrößerung angepasst wurden<br />
die Steuerzeiten der Nockenwelle. Dabei war die Zielsetzung,<br />
in jeder Drehzahllage die Gasannahme zu verbessern.<br />
Einhergehend damit, wurde die ECU-Einheit,<br />
also die elektronische Steuereinheit der Einspritzanlage,<br />
mit neuen Einstellungen von Zündung und Einspritzung<br />
versehen.<br />
Diese Änderungen sollen sich in einem breiter nutzbaren<br />
Drehzahlband bemerkbar machen. Auch mit besserer<br />
Gasannahme in niedrigen Drehzahlen und mehr<br />
Drehmoment ab Drehzahlmitte bis hinauf in den Drehzahlbegrenzer.<br />
Der Motor soll sich dadurch elastischer<br />
fahren lassen als bisher und damit auch dem neuen<br />
No-Stop Reglement entgegen kommen.<br />
Ein weiteres Ziel der Entwickler war, die bauartbedingt<br />
höhere Motorbremse von Viertakt-Motoren<br />
zu verringern. Die <strong>Honda</strong>-Ingenieure haben hierfür ein<br />
System zur Dekompression der Gase im Kurbelgehäuse<br />
entwickelt. Es kommt in erster Linie beim Schließen des<br />
Gasdrehgriffes zur Geltung.<br />
Aufgrund all dieser Änderungen versprechen die <strong>Honda</strong>-Montesa-Techniker<br />
einen deutlichen Zuwachs an<br />
Traktion, vor allem bei rutschigen Bodenverhältnissen<br />
und eine unkritische Gasannahme beim Wechsel von<br />
Schiebe- auf Lastbetrieb. Überhaupt sind die <strong>Honda</strong>-<br />
Montesa-Ingenieure derart überzeugt vom perfekten<br />
Kompromiss des neuen Motorenlayouts mit 260 cm³,<br />
dass sie von Kits zur Vergrößerung des Hubraums<br />
ebenso abraten wie von Anpassungen am Mapping der<br />
PGM-FI Einspritzung. Dennoch passen bestehende<br />
Big-Bore Kits z.B. von Future oder S3 weiterhin auf den<br />
neuen Motor. Auch das programmierbare HRC-Kit für<br />
die Einspritzanlage wird es weiterhin als Extra geben.<br />
FAHRWERK<br />
In Sachen Rahmen und Schwinge hat sich von der<br />
250er zur 260er COTA 4RT nichts verändert. Beide<br />
Bauteile sind aus Aluminium, leicht, stabil und haben<br />
sich in der Vergangenheit bestens bewährt. Im Falle der<br />
260er Standardmaschine sind Rahmen und Schwinge<br />
Alu-Naturfarben, während sie an der Race Replica<br />
schwarz sind.<br />
Neu sind die Fußrasten von S3 an beiden Maschinen,<br />
mit breiterer Auflagefläche und besserer Haftung als<br />
die bisherigen, verchromten Stahlrasten. Wobei an der<br />
Repsol-Version höherwertige Alu-Rasten montiert sind,<br />
die Standard COTA hingegen mit jenen aus Stahl auskommen<br />
muss. Beide können S3-typisch mittels Scheiben<br />
geringfügig in ihrer Position variiert werden.<br />
Der Vollständigkeit halber sollen an dieser Stelle auch<br />
das Hinterrad und die Reifen genannt werden, in dem<br />
sich die beiden Geschwister unterscheiden. Die „RR“<br />
hat die Hinterradfelge mit dem ausgefrästen Steg, wie<br />
die Werksmaschinen von Montesa, und steht auf Michelin-Reifen.<br />
Die Standard-Version hat hingegen die<br />
Hinterradfelge mit durchgehendem Steg und wird mit<br />
Dunlop-Reifen ausge liefert.<br />
Montesa COTA 4RT 260 mit gegenüber Kratzern unempfindlichen,<br />
alufarbenem Rahmen und Schwinge.<br />
FEDERELEMENTE<br />
Die bisher verbauten Federelemente von Showa bleiben<br />
nach dem Modellwechsel der Race Replica vorbehalten.<br />
Die Showa-Gabel mit 39 mm Standrohrdurchmesser<br />
ist in Federvorspannung, Zug- und Druckstufe<br />
einstellbar, das Showa-Federbein in Federvorspannung<br />
und Zugstufe.<br />
Die neue Montesa COTA 4RT in Standardausführung<br />
wird aus Kostengründen mit von anderen Trialmotorrädern<br />
bekannten Federelementen ausgestattet. Im<br />
Falle der Telegabel handelt es sich um eine 39er „Tech“,<br />
welche in Federvorspannung und Zugstufe einstellbar<br />
ist. Das Federbein ist von der Marke R16V und<br />
ebenfalls in Federvorspannung und Zugstufe einstellbar.<br />
Beides, Gabel und Federbein, sind unter Mitwirkung<br />
von Montesa-<strong>Honda</strong>-Testfahrer Amos Bilbao<br />
und Ingenieuren von Tech und R16V in mehrtägigen<br />
Abstimmungsfahrten auf verschiedenen Trialgeländen<br />
speziell auf die neue Montesa COTA 4RT 260 abgestimmt<br />
worden.<br />
BREMSEN & ARMATUREN<br />
Neu an beiden Modellen der Montesa COTA 4RT sind<br />
die Bremskomponenten und Armaturen. Sie stammen<br />
jetzt von Braktec und auffallend sind zunächst, durch<br />
ihre exponierte Lage am Lenker, die kompakteren Armaturen<br />
für die Vorderbremse und Kupplung. Auch die<br />
Die neuen Braktec-Armaturen für Bremse und Kupplung.<br />
MONTESA COTA 4RT 260 & RR<br />
Hydraulikschläuche sind nun dünner und konnten deshalb<br />
etwas enger am Fahrzeug verlegt werden.<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Die offensichtlichsten Änderungen an der neuen Montesa<br />
COTA 4RT sind der neu gestaltete Tank (mit 1,9 l<br />
Inhalt nur minimal kleiner als vorher) und der hintere<br />
Kotflügel. Und wenn man ehrlich ist, dann muss man<br />
auch dies als echten Fortschritt werten, schließlich ist<br />
Optik ein wichtiges Verkaufsargument. Gerade wenn<br />
sie so gelungen ist wie an der neuen Montesa. Aber<br />
besser fährt sie dadurch natürlich noch lange nicht.<br />
Doch es gibt bei genauer Betrachtung auch zahlreiche<br />
bedeutende technische Änderungen, welche sehr<br />
wohl zu einem besseren Fahrverhalten beitragen. Dazu<br />
zählen in erster Linie tiefgreifende Änderungen am<br />
Motor, aber auch die neuen Federelemente. Es ist also<br />
durchaus gerechtfertigt von Montesa-<strong>Honda</strong> von einem<br />
neuen Modell zu sprechen und nicht nur von einer<br />
Modellpflege. Denn insgesamt sind an der neuen COTA<br />
gegenüber der alten nicht weniger als 70 neue Komponenten<br />
verbaut. So reagiert zum Beispiel auch der Bewegungssensor<br />
zur automatischen Zündunterbrechung<br />
jetzt bereits nach sieben Sekunden (vorher 9), wenn<br />
das Motorrad in einer Lage von über 65° Neigungswinkel<br />
verharrt. Dadurch sollen Motorschäden nach einem<br />
Sturz noch effektiver vermieden werden.<br />
Moderne, gelungene Formgebung des neuen Tanks.<br />
6 7
BERICHTE<br />
MONTESA COTA 4RT 260 & RR<br />
FAHRTEST<br />
Doch grau ist alle Theorie. Wir wollen dem Bericht nun<br />
mehr Farbe verpassen und uns in der Praxis mit der<br />
neuen COTA 4RT auseinandersetzen. Dazu bekamen<br />
wir, wie bereits erwähnt, direkt am Montag nach dem<br />
WM-Lauf in Italien an selber Stelle die Gelegenheit. Je<br />
zwei Montesa COTA 4RT 260 und Montesa COTA 4RT<br />
Race Replica standen den insgesamt 16 Pressevertretern<br />
zur Verfügung. Jeder durfte mit jeweils einem der<br />
beiden Modelle 30 Minuten fahren. Zwei Profifotografen<br />
sorgten für die hier gezeigten Fotos.<br />
Bevor die Journalisten allerdings selbst in die Rasten<br />
steigen durften, demonstrierten Toni Bou und Fuji nami<br />
Takahisa auf eben den selben Maschinen, wie ich sie<br />
später fahren sollte, die Leistungsfähigkeit der neuen<br />
COTA 4RT. Und ich sage nur „Holla, die Waldfee“, denn<br />
die beiden haben es so richtig fliegen lassen! Drei<br />
Meter Sprünge von Fels zu Fels, mannshohe 180°<br />
Sprungwenden und Toni glänzte wieder mit Hinterrad-<br />
Hüpf-Akrobatik vom Feinsten. Da wollte man gar nicht<br />
so recht glauben, dass die beiden nicht auf ihren<br />
Werksgeräten fuhren. Doch so oft man auch nachsah,<br />
es waren einfach „nur“ die Serienmaschinen, welche<br />
auch ich später fuhr und die im September so an die<br />
Händler ausgeliefert werden. Mit diesen Serienmotorrädern<br />
fuhren Toni und Fuji dann schließlich sogar die<br />
beiden letzten Sektionen 11 und 12 des WM-Laufes<br />
am Tag zuvor. Und das hörte sich weder gequält an<br />
noch sah es so aus, die beiden fuhren die alles andere<br />
als leichten Sektionen hingegen eher locker.<br />
Während ich die Darbietungen der Werksfahrer fasziniert<br />
verfolgte und immer noch nicht recht glauben<br />
konnte, was Toni mit der Standard 4RT 260 alles anstellte,<br />
wurde mir nochmals die echt gelungene Gestaltung<br />
von Tank, Sitzbank und Kotflügel bewusst. Es<br />
ist schon erstaunlich, wie die moderne Optik von Tank<br />
und Heckkotflügel der ganzen Maschine ein neues<br />
Erscheinungsbild gibt. Ich denke, es dürfte kaum jemanden<br />
geben, dem das neue Design nicht erheblich<br />
besser gefällt.<br />
Dann war endlich auch ich an der Reihe. Von den ersten<br />
Metern an fühlte ich gleich dem Motor auf den<br />
Zahn, denn was ich zuvor bei den Profis gesehen hatte,<br />
wäre meiner Einschätzung nach mit der alten COTA<br />
4RT nicht machbar gewesen. Und in der Tat geht das<br />
Aggregat ganz anders zur Sache als das der bisherigen<br />
4RT. Es ist geradezu spritzig, so dass man herrlich am<br />
Gas zupfen kann und die Maschine dabei jedes Mal ein<br />
Stück nach vorne schnellt. Auch legt es jetzt schneller<br />
an Drehzahlen zu, drückt die Montesa selbst im dritten<br />
Gang noch kraftvoll vorwärts und strebt leichtfüßig<br />
in hohe Drehzahlregionen. Kaum zu glauben, dass der<br />
Motor von außen aussieht wie der alte, denn vom<br />
Fahreindruck ist er definitiv um Welten anders.<br />
So enttäuschend die Eckdaten des neuen Motors<br />
von der Papierform her gesehen erscheinen – 10 cm³<br />
Hubraumvergrößerung sind ja wirklich nicht viel – umso<br />
überraschender zeigt er sich in Natura. Und ich<br />
muss zugeben, dass sich trotz – oder gerade wegen –<br />
der verhaltenen Begeisterung, mit der ich auf die<br />
neue Montesa stieg, ein regelrechtes Wow-Gefühl bei<br />
mir einstellte. Es ist ohne Zweifel ein leistungsstarker<br />
Der neue, fantastische Motor macht aus der<br />
neuen COTA 4RT ein komplett neues Motorrad.<br />
Motor, dessen Beschleunigungsvermögen an Stufen im<br />
Vergleich zu Zweitakt-Motoren niemals nur 260 cm³<br />
vermuten lassen würde. So dreht er bei gezogener<br />
Kupplung vor Stufen extrem schnell hoch und lässt das<br />
Vorderrad der Montesa beim Einrücken der Kupplung<br />
vehement nach oben schnellen. Auch Doppelstufen, an<br />
denen schnelle, knackige Gasstöße erforderlich sind,<br />
lassen sich mit diesem Antrieb perfekt fahren.<br />
Von der Leistungscharakteristik hat er mit dem vorigen<br />
Motor nichts mehr gemeinsam. So muss man dem<br />
neuen Motor deutlich mehr Leistungsausbeute attestieren,<br />
als man ihm das von den technischen Daten<br />
zutrauen würde. Trotz des für einen Viertaktmotor nur<br />
verhältnismäßig geringen Hubraums von 260 cm³, hat<br />
der Antrieb der neuen 4RT eine Leistungsfähigkeit,<br />
welche das der meisten Fahrer bei weitem übersteigt.<br />
Was Toni und Fuji im Rahmen dieser Präsentation mit<br />
der neuen Montesa gezeigt haben, lässt jedenfalls<br />
vermuten, dass man selbst WM-Läufe im Serientrimm<br />
damit bestreiten könnte.<br />
Nachdem ich also meine anfänglichen Zweifel an der<br />
bloßen Power des Motors selbst weggefahren hatte,<br />
nahm ich mir die Zeit, dem Kraftwerk weiter auf den<br />
Nerv zu fühlen. Am neuen Antrieb fühlt sich selbst das<br />
Kicken anders an: der Kickstarter lässt sich jetzt leichter<br />
runter treten. Ein angenehmer Nebeneffekt der<br />
automatischen Dekompression des Kurbelgehäuses.<br />
Doch die neue COTA springt auch besser an. Selbst<br />
nachdem man sie abgewürgt hat – was nicht leicht ist<br />
– oder sie nach einem Sturz auf der Seite lag, sprang<br />
sie oft schon auf den ersten Tritt an. Das konnte ich<br />
nicht nur selbst erfahren, sondern auch bei den anderen<br />
Testfahrern beobachten.<br />
Maßgeblich für das komplett neue Fahrgefühl der<br />
Montesa COTA 4RT 260 ist die extrem geringe Motorbremse.<br />
Sie ist zwar stärker als bei Zweitaktmotoren,<br />
aber nicht mehr sehr viel. Das macht sich in zweierlei<br />
Dingen äußerst positiv bemerkbar. Erstens fühlt sich<br />
dadurch das gesamte Motorrad in allen Fahrsituationen<br />
einiges leichter an als bisher. Und Zweitens ist nun<br />
kaum mehr eine Umgewöhnung für bisherige Zweitaktfahrer<br />
beim Umstieg auf eine neue COTA erforderlich.<br />
Dieser Motor kann am Gasgriff gefahren werden<br />
wie ein Zweitakter, ist dabei aber wesentlich präziser<br />
steuerbar. Gerade die Gasannahme nach Gaswechseln<br />
ist nochmals sanfter als an der alten 4RT, was ebenfalls<br />
der geringeren Motorbremse zuzuschreiben ist.<br />
Nachdem ich insgesamt eine ganze Stunde auf der<br />
neuen Montesa gefahren war, von Kehren über Stufen<br />
bis zu Bachdurchfahrten im Schottland-Stil, muss ich<br />
sagen, dass mich der neue Motor echt beeindruckt<br />
hat. Zunächst nur von der Leistung und Spritzigkeit,<br />
doch er gibt dem Fahrer auch eine ausgezeichnete<br />
Rück mel dung über das, was am Hinterrad passiert und<br />
bringt die Befehle am Gasgriff sehr direkt auf den<br />
Boden. Herausragend am neuen Motor der Montesa<br />
COTA 4RT 260 ist seine effektive Verbindung von<br />
ein facher Fahrbarkeit und guter Beherrschbarkeit bei<br />
dennoch sehr hoher Agilität und Leistungsfähigkeit.<br />
Während die Motoren der beiden Modelle 260 und<br />
Race Replica weiterhin identisch sind, gab es für mich<br />
bei der Testfahrt noch die Unterschiede der neuen Federelemente<br />
der Standard COTA gegenüber der Race<br />
Replica mit den bekannten Showa-Komponenten her-<br />
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BERICHTE<br />
MONTESA COTA 4RT 260 & RR<br />
Technische Daten Montesa COTA 4RT 260<br />
(Werksangaben ohne Homologations-Kit)<br />
10<br />
Motor<br />
Typ:<br />
flüssigkeitsgekühlter Einzylinder<br />
Viertakt<br />
Ventile:<br />
4, SOHC<br />
Hubraum:<br />
258,9 cm³<br />
Bohrung x Hub: 78 x 54,2 mm<br />
Verdichtungsverhältnis: 10.5 : 1<br />
Leerlaufdrehzahl: 1,800 min-1<br />
Motoröl:<br />
0.6 Liter<br />
Getriebeöl:<br />
0.57 Liter<br />
Gemischaufbereitung: Elektronische Kraftstoffeinspritzung<br />
PGM-FI<br />
Drosselklappe: 28 mm<br />
Luftfilter:<br />
Urethane Schaumstofffilter, nass<br />
Tankinhalt:<br />
1,9 Liter<br />
Zündung:<br />
Elektronisch kontrollierter,<br />
digitaler Transistor<br />
Zündzeitpunkt: 27° BTDC (Idle) ~ 45° BTDC<br />
(10,000 min-1)<br />
Zündkerze:<br />
CR6EH-9 (NGK)<br />
Starter:<br />
Kickstart<br />
Kupplung:<br />
Mehrscheiben im Ölbad<br />
Kupplungsbetätigung: Hydraulisch<br />
Getriebe:<br />
5 Gänge<br />
Primärantrieb: 3.166 (57/18)<br />
Getriebeabstufung: 1st: 2.800 (42/15)<br />
2ª: 2.384 (31/13)<br />
3ª: 2.000 (30/15)<br />
4ª: 1.272 (28/22)<br />
5ª: 0.814 (22/27)<br />
Sekundärantrieb: 4.100 (41/10)<br />
Endantrieb: Kette #520<br />
Fahrwerk<br />
Typ:<br />
Aluminium Twin Spar in Diamantform<br />
Dimensionen: (L×W×H) 2016 × 830 × 1130 mm<br />
Radstand:<br />
1321 mm<br />
Lenkkopfwinkel: 23°<br />
Nachlauf:<br />
63 mm<br />
Sitzhöhe:<br />
650 mm<br />
Fußrastenhöhe: 390 mm<br />
Bodenfreiheit: 335 mm<br />
Trockengewicht: 73 kg<br />
Gabel:<br />
TECH 39 mm Cartridge-Telegabel,<br />
175 mm Federweg, Vorspannung<br />
und Zugstufe einstellbar.<br />
Federbein:<br />
R16V Pro-Link, 170 mm Federweg,<br />
Vorspannung und Zugstufe<br />
einstellbar.<br />
Räder:<br />
Drahtspeichenräder mit Aluminiumfelgen<br />
Vorderrad: 21 × 1.60<br />
Hinterrad:<br />
18 × MT2.15<br />
Vorderreifen: 2.75–21 (Dunlop) Schlauchtyp<br />
Hinterreifen: 4.00–18 (Dunlop) Schlauchlos<br />
Luftdruck vorn: 39 – 44 kPa (0,39 – 0,44 Bar)<br />
Luftdruck hinten: 29 – 34 kPa (0,29 – 0,34 Bar)<br />
Bremsen:<br />
Hydraulische Scheibenbremsen,<br />
4-Kolbenzangen,<br />
Sintermetall-Bremsbeläge<br />
Vorderradbremse: 185 × 3.5 mm<br />
Hinterradbremse: 150 × 2.5 mm<br />
Toni Bou<br />
auszufahren. Und die sind alles andere als nur minimal.<br />
Das Showa-Federbein und insbesondere die Gabel gefallen<br />
wie bisher mit tollem Ansprechverhalten und sehr<br />
weicher, harmonischer Funktion über den gesamten<br />
Federweg. Sänftenartig schwebt die „RR“ damit durch<br />
das Gelände, über Wurzeln und durch Bachbetten.<br />
Die Standard COTA hingegen mit der Tech-Gabel und<br />
dem R16V-Stoßdämpfer gibt sich burschikos und härter,<br />
Gabel und Federbein passen aber gut zusammen.<br />
Sie verhelfen der Standard 4RT zu einem „frecheren“<br />
Fahrverhalten. Gerade jüngeren Fahrern wird das besser<br />
gefallen, fährt sich die Montesa damit doch direkter<br />
und fühlt sich tatsächlich auch leichter an. Die Progression<br />
nimmt aber unvermittelter zu und man ist im<br />
Vergleich zur Showa bestückten Race Replica nicht so<br />
sicher im Gelände unterwegs.<br />
Insgesamt würde ich sagen, gewinnt die Standard<br />
Montesa an Agilität durch die Abkehr von den Showa-<br />
Komponenten. Die Race Replica wiederum fährt sich<br />
im direkten Vergleich dazu unbeschwerter, souveräner<br />
und nicht zuletzt auch schonender, also ermüdungsfreier<br />
dank Showa.<br />
Erst ganz zum Schluss meiner beiden Testfahrten widmete<br />
ich meine Aufmerksamkeit den neuen Armaturen<br />
von Bremse und Kupplung. Was wiederum bedeutet,<br />
dass sie mir bis dahin nicht aufgefallen waren. Ich<br />
werte das als positiv, denn es heißt, dass die Bremsen<br />
ordentlich zubeißen und dennoch gut dosierbar sind.<br />
Auch die Kupplung gab mir keinen Grund zur Klage.<br />
Die Hebel liegen gut in den Fingern und sind von der<br />
Fujinami Takahisa<br />
Form „AJP“-like. Den Druckpunkt würde ich als exakter<br />
und nicht so „matschig“ bezeichnen als bei den<br />
bisherigen AJP-Armaturen der Montesa. Die kleineren,<br />
sechseckigen Braktec-Armaturen am S3 „World Race“-<br />
Lenker sind also nicht nur optisch ein Gewinn, sondern<br />
auch in der Bedienung.<br />
DIE FARBIGE PRAXIS<br />
Es ist richtig, dass die neue Montesa zu weiten Teilen<br />
die Alte geblieben ist. Aber, ist das schlecht? Ich meine<br />
nein, denn „gleich geblieben“ bedeutet im Falle der<br />
COTA 4RT nur in einem Punkt etwas Negatives: dem<br />
Gewicht. In allen anderen Belangen bedeutet es hochwertig,<br />
robust, zuverlässig, problemlos und nicht zuletzt<br />
auch wertstabil. Das sind auch an einem Trialmotorrad<br />
alles positive Eigenschaften, welche wiederum<br />
eine hohe Produktqualität wiederspiegeln.<br />
Und auch wenn man der neuen Montesa von außen<br />
nicht viel vom Neuen ansieht, so ist sie eben doch ein<br />
neues Motorrad. Denn in Sachen Leistungsentfaltung<br />
des Viertaktmotors hat sie nicht mehr viel mit dem alten<br />
Modell gemeinsam. Wie sehr sie sich damit wieder<br />
ins Rennen auf dem Trialmarkt bringt, kann nur beurteilen,<br />
wer die Gelegenheit hatte sie im Trial gelände<br />
ausgiebig testen zu können.<br />
Ganz entscheidend ist dabei nicht zuletzt auch der<br />
Preis der neuen Montesa COTA. Wir dürfen ihn hier leider<br />
noch nicht veröffentlichen, doch er liegt im Bereich<br />
aktueller Zweitakt-Trialmaschinen. Und mit einem solch<br />
erheblichen Preisvorteil gegenüber der alten COTA 4RT<br />
Nur äußerlich ein alter Bekannter: Neuer Serienmotor<br />
der COTA 4RT 260 und Race Replika mit 258,9 cm 3 .<br />
Das Fujigas-Bike: Kupplungsgeber links mit Leitung, die<br />
rechte Motorseite ohne Leitung mit neuem Seitendeckel.<br />
Der Motor von Toni Bou´s Maschine: Kupplungsgeber<br />
auch links, aber Leitung rechts am Serien-Seitendeckel.<br />
11
BERICHTE<br />
250, dürfte meiner Einschätzung nach<br />
die neue COTA 4RT 260 wieder sehr<br />
weit oben in der Käufergunst der Trialfahrer<br />
liegen.<br />
Allein von der neuen „Race Replica“<br />
hätte man mehr erwarten können als<br />
nur andere Federelemente. Ein paar<br />
cm³ mehr Hubraum hätten es für<br />
ein Replika-Modell der Weltmeistermaschine<br />
schon sein müssen. Selbst<br />
wenn das von der Leistung nicht notwendig<br />
ist, aus Marketing Sicht wäre<br />
es unbedingt erforderlich gewesen.<br />
So aber, fehlt weiterhin eine echte<br />
Montesa COTA 4RT „Toni Bou Replica“<br />
mit 313 cm³, Doppelzündung, voll einstellbarem<br />
Federbein und 70 kg Gewicht<br />
fahrfertig, wie eben die echten<br />
Werksmaschinen.<br />
Fazit<br />
Die neue 260er bringt sich in erster<br />
Linie mit ihrem neuen Motor und dessen<br />
genialer Performance sowie ihrem<br />
günstigen Preis zurück in die erste Liga<br />
der Trialmaschinen. Legt man die Begriffe<br />
Qualität und Wirtschaftlichkeit<br />
mit in die Waag schale einer Kaufentscheidung<br />
eines Trialmotorrades, dann<br />
ist die neue Montesa COTA 4RT 260<br />
also wieder ganz vorn dabei. <<br />
MONTESA UND TRIAL<br />
Die spanische Marke hat ihren Ursprung<br />
im Jahr 1945. Ihr Durchbruch zum nationalen<br />
Marktführer gelang 1962 mit<br />
dem beliebten Modell „Impala“. Der<br />
wirtschaftliche Erfolg ließ Montesa in<br />
neue Disziplinen expandieren, so betrat<br />
man den Off Road-Markt. Zunächst 1967<br />
mit der „250 Trial“, später dann auch<br />
mit Motocross- und Enduro-Motorrädern.<br />
Der Fortschritt lag damals in der<br />
Spezialisierung und somit der Abkehr<br />
von den großvolumigen und schweren<br />
Englischen-Viertakt-Trialmaschinen, deren<br />
Konstruktion auf Straßenmaschinen<br />
basierten, hin zu kleinen und leichten,<br />
speziell für den Trialsport ent wickelten,<br />
reinen Sportgeräten. Weitere bedeutende<br />
Modelle in der Geschichte von Montesa<br />
waren die Cota 247, und Cota 348.<br />
Auf der Cota 349 holte der Schwede<br />
Ulf Karlson 1980 den ersten WM-Titel im<br />
Trial für Montesa.<br />
Parallel dazu begann <strong>Honda</strong> sich für<br />
den damals schnell wachsenden Trialmarkt<br />
zu interessieren. Von Anfang an<br />
bevorzugten die Japaner allerdings den<br />
Viertaktmotor. Sie wurden mit dem Belgier<br />
Eddie Lejeune und der <strong>Honda</strong> RTL<br />
260 in den Jahren 1982 bis 1984 dreimal<br />
in Folge Weltmeister.<br />
Während dieser Zeit begann die Zusammenarbeit<br />
zwischen <strong>Honda</strong> und<br />
Montesa, genauer gesagt 1983. 1986<br />
wurde dann die Montesa <strong>Honda</strong> S.A.<br />
gegründet und im Montesa Werk wurden<br />
fortan <strong>Honda</strong>s produziert. Die Montesa<br />
Cota 311 war dann auch die letzte<br />
„pure“ Montesa, denn 1994 begann die<br />
Zusammenarbeit auch im Trialbereich<br />
Früchte zu tragen und man präsentierte<br />
mit der Montesa Cota 314R das erste gemeinsam<br />
entwickelte Trialmodell. Wirklich<br />
erfolgreich wurde jedoch erst die<br />
1997 angebotene Montesa Cota 315R,<br />
welche als Prototyp mit Marc Colomer<br />
1996 schon vor Markteinführung Weltmeister<br />
geworden war. Unter Dougie<br />
Lampkin holte die Maschine in den Jahren<br />
2000 bis 2003 vier weitere WM-Titel<br />
und mit Fujinami Takahisa 2004 ihren<br />
letzten.<br />
Die für das Jahr 2006 angekündigte<br />
Einführung der Euro3-Abgasnorm für<br />
Trialmaschinen, ließ <strong>Honda</strong>-Montesa erneut<br />
den Schritt zum Viertaktmotor gehen.<br />
Ende 2004 wurde die revolutionäre<br />
Montesa COTA 4RT 250 mit Vierventil-<br />
Viertakt-Motor und elektronischer Kraftstoffeinspritzung<br />
präsentiert, welche ab<br />
2005 sehr gut verkauft wurde. Seit 2007<br />
hat die Maschine ununterbrochen die<br />
Outdoor-WM unter dem Spanier Toni<br />
Bou gewonnen und ist damit die erfolgreichste<br />
Trialmaschine aller Zeiten.<br />
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