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Studie Sozialvorschriften Baier - Hochschule Furtwangen

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Trends im Straßengüterverkehr: <strong>Sozialvorschriften</strong> - Probleme und Lösungsvorschläge<br />

Zwischenstand der<br />

<strong>Studie</strong> (April 2013)<br />

<strong>Hochschule</strong> <strong>Furtwangen</strong> University<br />

Prof. Dr. Ing. Jochen <strong>Baier</strong>


Inhaltsverzeichnis<br />

1 Einleitung ............................................................................................................................................... 1<br />

2 Aktueller Stand im Straßengüterverkehr ................................................................................................ 3<br />

3 Probleme mit den <strong>Sozialvorschriften</strong> ...................................................................................................... 5<br />

3.1 Allgemeine Probleme ......................................................................................................................... 5<br />

3.2 Lenk- und Ruhezeiten ........................................................................................................................ 6<br />

3.3 Nichtanwendung der Vorschriften / Kontrollen ................................................................................... 7<br />

3.4 Probleme im Markt Straßengüterverkehr ........................................................................................... 8<br />

4 Lösungsvorschläge .............................................................................................................................. 11<br />

4.1 Flexiblere Pausenregelungen .......................................................................................................... 11<br />

4.2 Tägliche Ruhezeit ............................................................................................................................ 11<br />

4.3 Wochenendruhezeiten ..................................................................................................................... 12<br />

4.4 Bestehende Regelungen flexibel anpassen ..................................................................................... 13<br />

4.5 Unternehmen / Disponenten zur Verantwortung ziehen / Kontrollen verschärfen ........................... 14<br />

4.6 Sonderregelungen für Heimfahrt ..................................................................................................... 14<br />

4.7 Vorschläge zum Thema europäischer Wettbewerb ......................................................................... 15<br />

5 Fazit und Ausblick ................................................................................................................................ 16<br />

Literaturverzeichnis ........................................................................................................................................ 18


V<br />

Vorwort<br />

Die vorliegende <strong>Studie</strong> wurde am Lehrstuhl Logistik und Supply Chain Management der <strong>Hochschule</strong> <strong>Furtwangen</strong><br />

University (HFU) von Prof. Dr. Ing. Jochen <strong>Baier</strong> erstellt. Das Lehr- und Forschungsangebot dieses Schwerpunktes<br />

bezieht sich auf die Logistikprozesse im Regelkreis aus Fahrer, Fahrzeug und Umwelt.<br />

Im Rahmen der <strong>Studie</strong> wurden im Eurotransportradio ET-Radio.de drei mehrstündige Sendungen zum Thema<br />

„Nachbesserung der Lenk- und Ruhezeiten“ ausgestrahlt. Die Hörer wurden dazu aufgerufen ihre Meinungen und<br />

Vorschläge per E-Mail an den Radiosender und an den Lehrstuhl Logistik und Supply Chain Management der<br />

<strong>Hochschule</strong> <strong>Furtwangen</strong> University zu schicken oder auch direkt per Telefon live während den jeweiligen Radiosendungen<br />

ein entsprechendes Feedback zu den <strong>Sozialvorschriften</strong> abzugeben und Ideen zu diskutieren. Die<br />

Basis dieser <strong>Studie</strong> stellt die Auswertung der 133 Rückmeldungen dar, die seitens der Berufskraftfahrer abgegeben<br />

wurden.<br />

An dieser Stelle gilt den Berufskraftfahrern ein ganz besonderer Dank für die Verfassung und Abgabe der Rückmeldungen<br />

und der damit verbundenen Unterstützung dieser <strong>Studie</strong>. Dank auch dem Eurotransportradio für die<br />

Zusammenarbeit und die Aufnahme der 3 Sendungen zum Thema <strong>Sozialvorschriften</strong> ins Programm, wodurch<br />

eine Vielzahl von Kraftfahrern direkt erreicht werden konnte.<br />

<strong>Furtwangen</strong>, Februar 2013


VI<br />

Zusammenfassung<br />

Die am 11.04.2007 in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr. 561/2006, welche Regelungen für die Lenk-, Ruheund<br />

Fahrtunterbrechungszeiten sowie Vorschriften zu Haftung von Verkehrsunternehmen und Überwachung /<br />

Sanktionen enthält, wurde mit dem Ziel eingeführt, die Arbeitsbedingungen der Berufskraftfahrer sowie die Sicherheit<br />

im Straßenverkehr zu verbessern und die Wettbewerbsbedingungen zwischen Binnenverkehrsträgern zu<br />

harmonisieren. Dies sollte durch klare und einfache Vorschriften gewährleistet werden, „die sowohl vom Straßenverkehrsgewerbe<br />

als auch den Vollzugsbehörden leichter zu verstehen, auszulegen und anzuwenden sind“. (vgl.<br />

Verordnung (EG) Nr. 561/2006)<br />

Der vorliegenden <strong>Studie</strong> lässt sich entnehmen, dass die geplanten Ziele nur teilweise erreicht wurden und die<br />

eingeführten Vorschriften im Alltag der Berufskraftfahrer zu Problemen unterschiedlichster Art führen. So sind die<br />

starren Lenk- und Ruhezeiten beispielsweise Ursache dafür, dass viele Fahrer am Wochenende ihr Zuhause<br />

nicht erreichen, da sie die erlaubte Lenkzeit bereits aufgebraucht haben und dann (eventuell nur kurz) vor der<br />

Heimat eine erneute Ruhepause einlegen müssen. Weiter werden die Vorschriften von den Fahrern alles andere<br />

als einfach und leicht verständlich empfunden – oft wissen nicht einmal die Arbeitgeber und Disponenten ausreichend<br />

über die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 Bescheid. Die Rückmeldungen zeigen, dass das Wohl der Fahrer<br />

bei den <strong>Sozialvorschriften</strong> oft zu kurz kommt und sich vor allem die Lenk- und Pausenzeitenregelungen als zu<br />

starr und unflexibel erweisen. Die Fahrer wünschen sich hier mehr Spielraum. Neben Problemen im Markt „Straßengüterverkehr“<br />

wie ungleichen Wettbewerbsbedingungen in Europa, niedrigen Löhnen oder der Tatsache,<br />

dass die Fahrer oft selbst Be- und Entladen, müssen wurde auch Kritik daran geübt, dass für Verstöße gegen die<br />

gesetzlichen Vorschriften, die ihm Rahmen von Kontrollen festgestellt werden, oft nur die Fahrer mit Punkten und<br />

Bußgeldern bestraft werden. Die derzeitigen Regelungen zu Lenk- und Ruhezeiten bringen die Berufskraftfahrer<br />

und Berufskraftfahrerinnen oftmals in die Situation, dass der eigene Biorhythmus nicht ausgeglichen ist. Ruhepausen<br />

sind nicht abhängig von den menschlichen Bedürfnissen, sondern von den zahlreichen Prozessen, welche<br />

auf diese Berufsgruppe einwirken. Als Beispiel sei hier die in der Branche bekannte Rampenproblematik<br />

genannt.


VII<br />

Gleichzeitig sind seitens der Fahrer zahlreiche Lösungsvorschläge zu den genannten Problemen eingegangen,<br />

die ebenfalls in die <strong>Studie</strong> mit aufgenommen wurden. Diese reichen von dem Wunsch, die Wochenendruhezeit<br />

auf 60 Stunden zu verlängern bis hin zu Ausnahmeregelungen für die Heimfahrt. Ebenfalls wurde gefordert, eine<br />

Verkürzung der Wochenendruhezeit abzuschaffen, die täglichen Ruhezeiten auf 11 Stunden festzuschreiben und<br />

die Arbeitgeber bzw. Disponenten bei Strafen stärker zu integrieren. Vielen Rückmeldungen war zu entnehmen,<br />

dass auch eine starre Aufteilung des 24-Stunden Zeitraums in 12 Stunden Arbeitszeit und 12 Stunden Ruhezeit<br />

große Zustimmung finden würde. Andere Ideen waren u.a. ein EU-weit einheitliches Arbeitszeitgesetz oder ein<br />

Be- und Entladeverbot für die Fahrer.


1 Einleitung<br />

Vorschriften für die zeitliche Regelung von Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer im Güter- und Personenverkehr gibt es<br />

nicht erst seit in Kraft treten der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 am 11.04.2007. Bereits in der zweiten Hälfte des 20.<br />

Jahrhunderts wurden durch den starken Wachstum des Personen- und Güterverkehrs Gesetze erforderlich, um die<br />

Fahrer vor Überlastungen durch zu lange Lenkzeiten zu schützen. Zwischen 1959 und 1962 wurde das AETR geschaffen,<br />

(frz. Accord Européen sur les Transports Routiers, deutsch: „Europäisches Übereinkommen über die Arbeit<br />

des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals“), welches in der Bundesrepublik Deutschland in<br />

seiner ursprünglichen Fassung am 05.01.1976 in Kraft trat und bis heute gilt. 1 Das AETR wurde seit seiner Einführung<br />

immer wieder verbessert und weiterentwickelt, so dass heute alle EG-Staaten sowie Albanien, Andorra, Armenien,<br />

Aserbaidschan, Bosnien und Herzegowina, Kasachstan, Kroatien, Liechtenstein, Mazedonien, Moldawien,<br />

Montenegro, Norwegen, Russische Föderation, San Marino, Schweiz, Serbien, Türkei, Turkmenistan, Ukraine, Usbekistan<br />

und Weißrussland zu den Mitgliedern des Abkommens zählen.<br />

Als Basis der Verordnung Nr. 561/2006 gilt die schon 1969 eingeführte Verordnung (EWG) Nr. 543/69 des Rates<br />

vom 25.03.1969 über die Harmonisierung bestimmter <strong>Sozialvorschriften</strong> im Straßenverkehr. 2<br />

Es gibt also bereits seit über 40 Jahren Gesetze zur Regelung der Lenk- und Ruhezeiten, die durch weitere nationale<br />

Vorschriften, wie dem Fahrpersonalgesetz, der Fahrpersonalverordnung oder dem Arbeitszeitgesetz ergänzt werden.<br />

1 vgl. http://beck-online.beck.de/default.aspx?bcid=Y-100-G-AETR<br />

2 vgl. http://eur-law.eu/DE/Verordnung-EWG-Nr-543-69-Rates-25-Marz,14367,d und vgl. <strong>Sozialvorschriften</strong> im Straßenverkehr,<br />

Industrie- und Handelskammer Stuttgart, Götz Bopp, 3. Auflage, Juni 2010, S. 6


2<br />

Beabsichtigt war durch die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 einfachere und klarere Vorschriften einzuführen, um eine<br />

wirksamere und einheitliche Durchsetzung mit Hilfe des digitalen Tachographen zu ermöglichen. Ebenfalls wollte<br />

man eine Wettbewerbsharmonisierung im Straßenverkehrsgewerbe sowie bessere Arbeitsbedingungen für die Fahrer<br />

und die Sicherheit auf den Straßen erreichen.<br />

Dass diese Ziele bis heute nur bedingt erreicht wurden und es an vielen Stellen Verbesserungsbedarf und Änderungswünsche<br />

seitens der Fahrer gibt, zeigen die im Rahmen dieser <strong>Studie</strong> ausgewerteten Rückmeldungen der<br />

Berufskraftfahrer.


Aktueller Stand im Straßengüterverkehr<br />

3<br />

2 Aktueller Stand im Straßengüterverkehr<br />

Güterverkehr und Logistik stellen ein Kernstück einer funktionierenden Ökonomie dar. Unternehmer in Handel und<br />

Gewerbe sind von zuverlässigen Transporten abhängig. Eine große Anzahl der Beschäftigten im Industriesektor ist<br />

direkt oder indirekt von einem funktionstüchtigen Logistiksystem abhängig. Bürger bestellen verschiedene Artikel im<br />

Internet und erwarten kurze Zeit später bereits die Lieferung. Wird nicht binnen kürzester Zeit geliefert, wird der Verkäufer<br />

mit einer negativen Bewertung „bestraft“.<br />

Durch die beständige Alterung der Gesellschaft entstehen neue Mobilitätsbedürfnisse, somit können im Logistiksektor<br />

neue Märkte erschlossen und eine besondere Verkehrswirtschaft entwickelt werden. Unternehmen profitieren<br />

selbstverständlich von dem steigenden Bedarf an Transportleistungen. Dienstleister im Bereich Logistik und Güterverkehr<br />

werden nicht von gesellschaftlichen Veränderungen und dem demografischen Wandel verschont: Durch den<br />

wachsenden Bedarf an Transporten steigt auch die Nachfrage nach qualifiziertem Personal. Bereits heute hat der<br />

Sektor der Güterverkehrslogistik große Schwierigkeiten, gut ausgebildete Fachkräfte zu rekrutieren. Diese Problematik<br />

wird sich in den folgenden Jahrzehnten weiter verschärfen. Eine bedeutende Rolle nimmt zudem der technische<br />

Fortschritt ein. Fortschreitende Innovationen und wachsender Wettbewerb lassen die Qualifikationsanforderungen an<br />

die Fahrer der modernen Fahrzeuge ansteigen.<br />

Wie hat ein modernes Güterkraftsystem in der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union auszusehen?<br />

Im Idealfall werden Güter kostengünstig, schnell, umweltfreundlich und leise transportiert: Dies ist keine leicht<br />

zu lösende Aufgabe. Die Frage, die es hierbei ebenfalls zu berücksichtigen gilt: Was bedeutet dies für die Berufskraftfahrer<br />

selbst? Jede politische Entscheidung oder wirtschaftlicher Anspruch in diesem Gewerbe bedeutet eine<br />

Veränderung für den Fahrer selbst, sei es das umweltfreundliche Fahren oder ein Überholverbot für LKWs. Entscheidungen<br />

werden dabei oft über die Köpfe der Fahrer hinweg gefällt, obwohl diese unmittelbar davon betroffen<br />

sind.


3 Probleme mit den <strong>Sozialvorschriften</strong><br />

Bezüglich der im Jahre 2006 eingeführten Verordnung (EG) Nr. 561/2006 und der darin enthaltenen Vorschriften zu<br />

den Lenk- und Ruhezeiten, Fahrtunterbrechungen, Haftung von Verkehrsunternehmen und Überwachung / Sanktionen<br />

ergeben sich im Alltag der Berufskraftfahrer eine Vielzahl von Problemen, die in den nachfolgenden Abschnitten<br />

behandelt werden.<br />

3.1 Allgemeine Probleme<br />

Vielen Fahrern sind die vorliegenden <strong>Sozialvorschriften</strong> insgesamt zu starr und zu unflexibel, was zugleich als wesentliches<br />

Hauptproblem angesehen wird. Ein Ziel der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 war, die Vorschriften über die<br />

Lenkzeiten klarer und einfacher zu gestalten, was nicht gelungen zu sein scheint. In etlichen der ausgewerteten<br />

Rückmeldungen kam deutlich zum Ausdruck, dass die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 nur schwer zu<br />

verstehen und zudem viel zu komplex sind. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass Fahrer, Unternehmen und Disponenten<br />

nur unzureichend über die <strong>Sozialvorschriften</strong> Bescheid wissen, was wiederum dazu führt, dass die geltenden<br />

Vorschriften in der Praxis oft nicht eingehalten oder umgesetzt werden (können). Teilweise gilt es bei den Fahrer<br />

und Fahrerinnen sogar als widersprüchlich empfundene Regelungen in der Verordnung: Beispielsweise bei einer<br />

Verkürzung der täglichen Ruhezeit von 11 auf 9 Stunden ist keine Ausgleichspflicht vorgesehen, wohingegen eine<br />

Verkürzung der wöchentlichen Ruhezeit ausgeglichen werden muss.<br />

Viele Fahrer fühlen sich durch die geltenden Vorschriften im Vergleich zu anderen Berufsgruppen ungleich behandelt.<br />

So wird z.B. nicht beanstandet, dass Geschäftsleute im Pkw oft für deren geschäftliche Termine mehrere hundert<br />

Kilometer zurücklegen und sich an keine Lenkzeit halten müssen, wohingegen der Berufskraftfahrer bei der<br />

kleinsten Lenkzeitüberschreitung bestraft wird. Auch anderen Berufsgruppen wie z.B. Notärzten ist es erlaubt 24-<br />

Stunden-Schichten zu haben.


6<br />

3.2 Lenk- und Ruhezeiten<br />

In der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des europäischen Parlaments und des Rats vom 15. März 2006 zur Harmonisierung<br />

bestimmter <strong>Sozialvorschriften</strong> im Straßenverkehr befinden sich die Vorschriften für Lenk- und Ruhezeiten<br />

sowie für Fahrtunterbrechungen in Kapitel II, Artikel 6-9. Demnach müssen die Fahrer beispielsweise alle viereinhalb<br />

Stunden eine 45 minütige Pause einlegen und dürfen maximal neun Stunden am Tag am Lenkrad sitzen. Zwei Mal<br />

pro Woche dürfen hier auch zehn Stunden als Lenkzeit eingetragen sein. Ebenso müssen am Tag mindestens elf<br />

Stunden Ruhezeit eingehalten werden, wobei diese bis zu dreimal pro Woche auf neun Stunden ohne Ausgleichspflicht<br />

gekürzt werden darf.<br />

In über 23% aller eingegangenen Rückmeldungen wurde geäußert, dass diese Regelungen bezüglich der Lenk- und<br />

Ruhezeiten sowie der Pausenzeiten zu unflexibel und zu starr seien, da der Straßenverkehr nicht einfach nach Fahrplan<br />

mit minutengenauen Abrechnungen organisiert werden kann. Staus, Reparaturen, ungünstige Wetterbedingungen<br />

oder Krankheit des Fahrers sind nicht planbar, weshalb diese unflexiblen und starren Regelungen der Verordnung<br />

(EG) Nr. 561/2006 den Fahrern und Fahrerinnen den Berufsalltag oft massiv erschweren.<br />

Die Ruhezeiten von 11 Stunden bzw. 9 h werden als zu kurz angesehen und sind Grund für häufige Übermüdung.<br />

Auch die Wochenendruhezeit erscheint vielen zu kurz, wobei vor allem die Abfahrt am Sonntagabend um 22 Uhr als<br />

kritisch gewertet wird, da man dort nicht ausgeschlafen ist.<br />

Die Aufteilung der 45 Minutenpause in eine Pause von exakt 15 Minuten und dann eine weitere Pause von 30 Minuten<br />

ist ebenfalls sehr unflexibel. Gewünscht wird sich hier mehr Spielraum für den Fahrer, der entscheiden möchte<br />

ob z.B. die Pause 20 Minuten und dann weitere 25 Minuten oder 3 mal 15 Minuten betragen soll.<br />

Andere geschilderte Fälle lassen erkennen, dass in bestimmten Bereichen die starren Lenkzeiten und Lenkzeitunterbrechungen<br />

nur sehr schwer einzuhalten sind. So soll im Folgenden einige der genannten Beispiele konkret beschrieben<br />

werden:<br />

<br />

<br />

Auf Baustellen kann der Arbeitsbetrieb (üblicherweise 7:00 – 12:00 Uhr und 13:00 – 17:00 Uhr) nicht ruhen,<br />

nur weil der Fahrer wegen einiger Minuten eine Lenkzeitpause von 45 Minuten einlegen muss. Geringe<br />

Lenkzeitüberschreitungen von wenigen Minuten sind oft nicht zu vermeiden.<br />

Auch Fahrer die im Ausland unterwegs sind, beispielsweise zuerst mit der Fähre von Deutschland nach<br />

Finnland oder Norwegen und dann dort weiter auf der Straße berichten, dass die Einhaltung der Lenk- und


Probleme mit den <strong>Sozialvorschriften</strong><br />

7<br />

<br />

Ruhezeiten nur schwer möglich ist, da in skandinavischen Ländern witterungsbedingt nicht jeder Parkplatz<br />

angefahren werden kann.<br />

Die Abfertigung beim Zoll oder an einer Rampe nimmt oft eine nicht planbare Zeit in Anspruch. Dies hat<br />

eine direkte Konsequenz auf die Weiterfahrt und die damit verbundene Lenk- und Ruhezeit.<br />

Auch bei der wöchentlichen Lenkzeit von maximal 56 Stunden kommt es zu Schwierigkeiten, da diese wöchentliche<br />

Lenkzeit oft nicht gleich der wöchentlichen Arbeitszeit entspricht. Über 50% der Fahrerarbeiten mehr als 50 h in der<br />

Woche, ca. ein Drittel arbeitet sogar mehr als 60 h. 3 Den Rückmeldungen ist zu entnehmen, dass viele Fahrer mit<br />

diesen langen Arbeitszeiten nicht zufrieden sind und die Lenk- und Ruhezeiten sich nur schwer bzw. gar nicht mit<br />

dem geltenden Arbeitszeitgesetz vereinbaren lassen. So kommt es häufig zu „15 h Schichten“, obwohl laut Arbeitszeitgesetz<br />

eine tägliche Stundenzahl von 10 nicht überschritten werden darf – eine Übermüdung seitens der Fahrer<br />

ist vorprogrammiert.<br />

In den gesamten Rückmeldungen wird am zweithäufigsten das Problem angesprochen, dass die Fahrer am Ende<br />

der Woche nicht mehr genügend Lenkzeit zur Verfügung haben, um ihren Heimatort und damit ihre Familie zu erreichen.<br />

Oft muss aufgrund der gesetzlichen Vorgaben, mehr oder weniger unmittelbar vor der Heimat angehalten und<br />

nochmals eine Ruhepause eingelegt werden. Im schlimmsten Fall hat der Fahrer vielleicht sogar das ganze Wochenende<br />

auf einem Parkplatz zu verbringen. Dies führt zu einer hohen Frustration der Fahrer, die das Wochenende<br />

dann nicht mit Ihren Familien und Kindern verbringen können.<br />

3.3 Nichtanwendung der Vorschriften / Kontrollen<br />

Ob der Fahrer die Lenk- und Ruhezeiten gemäß der geltenden Verordnung einhält, wird mit Hilfe des digitalen Tachographen<br />

auf Knopfdruck festgestellt. Die Daten über die geleisteten Lenk- und Ruhezeiten werden in diesem<br />

Gerät gespeichert und müssen für die vorangegangenen 28 Kalendertage mitgeführt werden. Wenn der Fahrer<br />

gegen die Vorschriften verstößt und dies im Rahmen einer entsprechenden Kontrolle entdeckt wird, dann kann nicht<br />

nur er sondern auch sein Arbeitgeber mit einem Bußgeld bestraft werden.<br />

3 vgl. <strong>Studie</strong> Prof. Dr. Ing. Jochen <strong>Baier</strong>, Trends im Straßengüterverkehr, März 2012, S. 8


8<br />

Die Berufskraftfahrer sind auch in diesem Bereich tagtäglich mit weiteren Problemen konfrontiert. In etlichen Rückmeldungen<br />

kam zum Ausdruck, dass die Bußgelder letztendlich vom Fahrer selbst bezahlt werden müssen und nicht<br />

von Disponenten oder dem Arbeitgeber übernommen werden. Kommt es zur Vergabe von Punkten in Flensburg<br />

werden auch diese alleine dem Fahrer zu Lasten gelegt. Oft ist es zudem so, dass die Fahrer Verstöße nur schwierig<br />

vermeiden können, da seitens der Unternehmen und Disponenten eine viel zu straffe Tourenplanung vorgenommen<br />

wird und die Fahrer deshalb großem Druck ausgesetzt sind. In einer weiteren von Prof. Dr. Ing. <strong>Baier</strong> durchgeführten<br />

<strong>Studie</strong> ergab eine Umfrage, dass 17% der Fahrer nur selten die Lenk- und Ruhezeiten einhalten können, 11% schaffen<br />

dies gelegentlich und nur 19% sind dazu immer in der Lage. 4<br />

Vielfach wurde bemängelt, dass die Unternehmen seitens der Gewerbeaufsichtsämter zu wenig kontrolliert würden<br />

und die Geldstrafen zu gering seien, um bei den Arbeitgebern die gewünschte Wirkung zu zeigen. Auch die Willkür<br />

der kontrollierenden Ordnungsbeamten sorgt bei den Fahrern für Unmut, da bei Verstößen die Strafe scheinbar von<br />

der Laune des Kontrolleurs abhängen kann. Vergibt der eine lediglich eine Ermahnung erhält man bei einem anderen<br />

für den gleichen Verstoß ein Bußgeld.<br />

Problematisch werden auch die unterschiedlichen Regelungen bezüglich des Strafmaßes innerhalb der EU gesehen:<br />

Verstöße die in einem Land begangen wurden werden bei einer Kontrolle in einem anderen Land sofort sanktioniert,<br />

mit dem Problem, dass die Bußgeldsätze innerhalb der EU nicht einheitlich sind. Diese Tatsache wird von vielen<br />

Fahrern und Fahrerrinnen als sehr unfair angesehen.<br />

3.4 Probleme im Markt Straßengüterverkehr<br />

Der Konkurrenzkampf findet aufgrund des ähnlichen Leistungsangebots hauptsächlich im Preissegment statt. Alle<br />

Unternehmer verfolgen aus diesem Grund das Ziel der größtmöglichen Kostenminimierung. Durch die Europäisierung<br />

hat sich der Druck vor allem seitens der Ost-Erweiterung verschärft. Die Berufskraftfahrer und Berufskraftfahrerinnen<br />

sind in ihrer Branche der entsprechend sehr hohen Wettbewerbsintensität und einem spürbaren Kostendruck<br />

ausgesetzt. Effizienzsteigerungen gehen oft zu Lasten der Lastkraftwagenführer. Diese Entwicklung erfordert<br />

einen ambitionierteren Einsatz und viel Flexibilität, Fahrer haben häufiger wechselnde Routen und längere Arbeitszeiten.<br />

4 vgl. <strong>Studie</strong> Prof. Dr. Ing. Jochen <strong>Baier</strong>, Trends im Straßengüterverkehr, März 2012, S. 7


Probleme mit den <strong>Sozialvorschriften</strong><br />

9<br />

Auch das Problem der ungleichen Wettbewerbsbedingungen in Europa wurde in einigen Rückmeldungen angesprochen,<br />

wobei die sehr niedrigen Löhne der Berufskraftfahrer ein großer Kritikpunkt sind. 29% der Berufskraftfahrer<br />

verdienen weniger als 1500 EUR pro Monat, 37% gaben an zwischen 1500 und 2000 EUR zu erhalten. 5<br />

In etlichen Rückmeldungen wurde auch beanstandet, dass immer öfters die Fahrer das Be- und Entladen durchzuführen<br />

haben. Hintergrund könnte eventuell eine kontinuierliche Personaleinsparung des Auftraggebers sein. Zahlreiche<br />

Fahrer berichten, dass sie zum Teil mehrere Stunden pro Tag damit beschäftigt sind den Lkw zu beladen bzw.<br />

zu entladen.<br />

Die Vergabe von Zeitfenster für die Ladetermine scheint oft nicht effizient organisiert zu sein. So muss beispielsweise<br />

bereits bei der Beladung ein Zeitfenster für eine Rückladung gebucht werden, obwohl das Fahrzeug eventuell<br />

noch nicht einmal fertig für die Hinfahrt beladen wurde. In der praktischen Anwendung dieses Schedulings dürfen<br />

keine Umstände wie zum Beispiel Stau, Nebel oder Umleitungen eintreten, da sonst das vergebene Zeitfenster nicht<br />

eingehalten werden kann. Eine dynamische Anpassung der Zeitfenster an die jeweilige Situation ist nicht implementiert.<br />

Auch angesprochen wurde die schlechte Parkplatzsituation für Lkw. Bemängelt wurde, dass es nicht nur zu wenig<br />

Parkplätze gibt, sondern auch, dass die vorhandenen Parkplätze sich nur in den wenigsten Fällen für die Nacht eignen,<br />

da die Kabinen mit der Front zur Fahrbahn stehen müssen oder keine Einteilung in Fahrzeugkategorien (z.B.<br />

Fahrzeuge mit Kühlaggregat) stattfindet. Auch die Tatsache, dass zahlreiche Fahrer bei Fahrzeugen ohne Standklimaanlage<br />

den Motor kontinuierlich laufen lassen ist nicht nur aus Umweltgesichtspunkten kritisch zu bewerten.<br />

5 vgl. <strong>Studie</strong> Prof. Dr. Ing. Jochen <strong>Baier</strong>, Trends im Straßengüterverkehr, März 2012, S. 17


4 Lösungsvorschläge<br />

Im Rahmen der <strong>Studie</strong> wurden die Berufskraftfahrer nicht nur aufgefordert sich über Probleme hinsichtlich der <strong>Sozialvorschriften</strong><br />

zu äußern, sondern zugleich auch gebeten, Lösungs- und Verbesserungsvorschläge zu nennen. In<br />

den nachfolgenden Abschnitten wird beschrieben, wie denkbare Änderungen und Verbesserungen aussehen könnten.<br />

4.1 Flexiblere Pausenregelungen<br />

Nach 4,5 Stunden Lenkzeit muss eine Lenkzeitunterbrechung von mindestens 45 Minuten eingelegt werden, welche<br />

in 2 Abschnitte aufteilbar ist (1. Abschnitt mindestens 15 Minuten, 2. Abschnitt mindestens 30 Minuten). Hinsichtlich<br />

dieser Regelung wird sich seitens der Fahrer mehr Flexibilität gewünscht.<br />

Vorgeschlagen wurde, die Aufteilung der 45 Minuten in das Ermessen des Fahrers zu legen. Somit kann dieser<br />

selbst entscheiden, ob er beispielsweise zuerst 20 Minuten Pause macht, gefolgt von weiteren 25 Minuten oder ob er<br />

3 mal 15 Minuten Lenkzeitunterbrechung einlegen möchte. Es wurde auch der Wunsch geäußert, die Pausenzeit von<br />

mindestens 45 Minuten auf mindestens 60 Minuten zu verlängern, um mehr Zeit für die persönliche Erholung zu<br />

bekommen.<br />

4.2 Tägliche Ruhezeit<br />

Die tägliche regelmäßige Ruhezeit beträgt mindestens 11 Stunden innerhalb von 24 Stunden wobei eine dreimalige<br />

wöchentliche Verkürzung auf mindestens 9 Stunden ohne Ausgleichspflicht möglich ist. Wie in dem jüngst veröffent-


12<br />

lichen Stressreport der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin bekannt gegeben wurde, ist es in der<br />

Arbeitswissenschaft allgemein, dass es einen deutlichen Zusammenhang zwischen langen Arbeitszeiten, psychischer<br />

Belastung und gesundheitlichen Beschwerden gibt. 6 In diesem Kontext darf das hohe Alter der Berufskraftfahrer<br />

nicht vernachlässigt werden: Derzeit beträgt das Durchschnittsalter der Fahrer in Deutschland 44 Jahre, Tendenz<br />

steigend. Mit zunehmendem Alter steigt gleichzeitig das Bedürfnis an längeren Ruhephasen. Daher ist es nicht verwunderlich,<br />

dass den Rückmeldungen zu entnehmen war, dass die Ruhezeitenverkürzung seitens der Fahrer nicht<br />

als wünschenswert angesehen wird.<br />

Als Verbesserung des Regelwerks wurde beispielsweise eine Verlängerung der Ruhezeiten um jeweils eine Stunde<br />

auf 12 Stunden und 10 Stunden Vorgeschlagen oder alternativ die Ruhezeiten auf 11 Stunden festzuschreiben, ohne<br />

die Möglichkeit der Verkürzung. Ebenfalls wurde der Vorschlag gemacht, die Ruhezeiten lediglich 2 Mal pro Woche<br />

oder sogar nur ein Mal pro Woche verkürzen zu dürfen. Im Falle der Möglichkeit einer Ruhezeitenverkürzung sollte<br />

diese zumindest zu einem späteren Zeitpunkt wieder nachgeholt werden müssen.<br />

Seitens der Mehrzahl von Fahrern und Fahrerinnen kam jedoch der Vorschlag, eine feste Aufteilung der täglichen<br />

Arbeitszeiten einzuführen, d.h. ohne Verkürzungsmöglichkeiten oder Ausnahmen. Dies hätte den Vorteil, dass die<br />

Regelungen leicht verständlich und einfach zu kontrollieren wären. Gefordert wurde mehrfach eine 12/12-Aufteilung,<br />

d.h. 12 Stunden Arbeit mit flexiblen Pausen, sowie darauffolgend 12 Stunden Ruhezeit. Auch 13 Stunden Arbeit und<br />

11 Stunden Ruhezeit oder 10 Stunden Arbeitszeit mit 14 Stunden Ruhezeit wurden vorgeschlagen, wenn gleich<br />

allerdings von nur wenigen Fahrern.<br />

Die derzeitigen Vorschriften erschweren zum einen die Kontrolle der eigenen Lenk- und Ruhezeit für die Fahrer, zum<br />

anderen hat die aktuelle Regelung einen negativen Einfluss auf den Biorhythmus des Berufskraftfahrers bzw. der<br />

Berufskraftfahrerin. Insofern könnte eine allgemeine und einheitliche Verlängerung der täglichen Ruhezeit auf 12<br />

Stunden eine sinnvolle Lösung darstellen. 7<br />

4.3 Wochenendruhezeiten<br />

Die wöchentliche Ruhezeit beträgt regelmäßig 45 Stunden, wobei unter bestimmten Voraussetzungen eine Verkürzung<br />

auf 24 Stunden möglich ist. D.h. durch eine gleichwertige Ruhepause kann die verkürzte Ruhepause ausgegli-<br />

6 Quelle: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: http://www.baua.de/de/Publikationen/Fachbeitraege/Gd68.pdf<br />

7 Die regelmäßige tägliche Ruhezeit kann auch heute bereits 12 Stunden betragen, sie muss dann in zwei Teilen genommen<br />

werden, wobei der erste Teil einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens 3 Stunden und der zweite Teil einen ununterbrochenen<br />

Zeitraum von mindestens 9 Stunden umfassen muss;


chen werden, die ohne Unterbrechung vor dem Ende der 3. Folgewoche erfolgt sein muss. Seitens der Fahrer wurde<br />

mehrfach der Wunsch geäußert, die Wochenendruhezeit zu verlängern. Als Verlängerungszeit wurden beispielsweise<br />

48 Stunden oder aber auch 60 Stunden genannt. Die Wochenend-Ruhezeitenverkürzung sollte ganz abgeschafft<br />

werden. Vorschläge wie eine Anwendung der Arbeitszeiten in Industrie und Verwaltung, d.h. keine Ruhezeit zu definieren,<br />

sondern eine Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche für Lkw-Fahrer wurde ebenfalls mehrfach gewünscht.<br />

Um eine Verträglichkeit von Familie und Beruf im Straßengüterverkehr zu ermöglichen, sind die genannten Vorschläge<br />

zum Teil als diskussionswürdig zu sehen 8 . Eine Verlängerung der wöchentlichen Ruhezeit würde positive<br />

Effekte bei der Motivation der Berufskraftfahrer nach sich ziehen.<br />

Hinsichtlich der Abfahrtszeit ab Sonntag 22.00 Uhr wurde der Vorschlag gemacht, diese auf frühestens Montagmorgen<br />

um 05.00 Uhr zu verlegen. Auch dies zeigt einen unumstrittenen Vorteil für die Familie und Beruf, der Fahrer<br />

bzw. die Fahrerin kann mehr Zeit mit der Familie verbringen und montags ausgeschlafen mit der Arbeit beginnen.<br />

Unter Berücksichtigung der Bedienzeiten an den Rampen würde dieser Vorschlag sogar die gesamten Logistikprozesse<br />

besser planbar machen. In einigen Rückmeldungen wurde sogar die Forderung laut ein Wochenendfahrverbot<br />

einzuführen und es zur Pflicht zu machen, dass die Fahrer ihre Ruhepause am Wochenende zu Hause verbringen.<br />

Dieser Vorschlag ist jedoch mit vielen Prozessen, insbesondere im Handel und bei den Packetdiensten, nicht umsetzbar.<br />

Eine weitere Idee war, ein monatliches Stundenkontingent für den Fahrer (von z.B. 180 h) festzulegen, welches<br />

nicht überschritten werden darf.<br />

4.4 Bestehende Regelungen flexibel anpassen<br />

Entgegen den im vorangegangenen Abschnitt gemachten Vorschlägen die Lenk- und Ruhezeiten in fixe Abschnitte<br />

einzuteilen, wurde in einer Vielzahl an Rückmeldungen der Wunsch geäußert, die derzeit geltenden Regeln mit mehr<br />

Flexibilität zu gestalten und somit an die Bedürfnisse der Fahrer anzupassen. Ziel hierbei ist die Schaffung eines<br />

größeren Toleranzbereichs. Möglich wäre beispielsweise die Lenkzeiten in flexiblere Blöcke aufzuteilen, so dass ein<br />

erster Block mit 3 Stunden ein zweiter mit 5 Stunden, 2 mal 5 Stunden oder eventuell auch 3 mal 3 Stunden gefahren<br />

werden dürfte.<br />

8 Siehe auch die parallele <strong>Studie</strong> „Familie und Beruf im Straßengüterverkehr“


14<br />

Eine weitere Ideen war die Vorschriften aus den in Kapitel 3.2 geschilderten Problemen hinsichtlich der Lenk- und<br />

Ruhezeiten im internationalen Transportverkehr an diese unterschiedlichen Arbeitsbedingungen (Nahverkehr, Fernverkehr,<br />

internationaler Fernverkehr) anzupassen.<br />

4.5 Unternehmen / Disponenten zur Verantwortung ziehen / Kontrollen verschärfen<br />

Im Falle von Kontrollen und der damit verbundenen Strafen, sei es in Form von Bußgeldern oder Punkten, werden<br />

diese oft alleine vom Fahrer getragen. Hier sind sich die Fahrer einig, dass sowohl die Disponenten als auch die<br />

Arbeitgeber stärker in die Pflicht genommen und bei den Strafen mit herangezogen werden müssen 9 , so dass der<br />

Fahrer straffrei bleibt. Ebenfalls halten viele Fahrer stärkere Kontrollen durch das Amt für Arbeitsschutz in den Betrieben<br />

hinsichtlich der Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes für unabdingbar. Eine Anhebung der Geldstrafen könnte<br />

dazu beitragen, dass sich Arbeitgeber noch besser bemühen sich an das Arbeitszeitgesetz halten.<br />

Besonders die Verhängung von Strafen für Lenkzeitüberschreitungen die im Minutenbereich liegen wurden kritisiert.<br />

Hier wird mehr Toleranz gewünscht und gefordert, dass es keine Minutenbestrafungen mehr gibt. Außerdem sollten<br />

die Kontrollen lediglich von Fachpolizisten bzw. speziell geschulten Polizisten bzw. dem BAG durchgeführt werden.<br />

Der Rückmeldung eines Fahrers konnte der Wunsch entnommen werden, dass der Fahrer bei einer Selbstanzeige<br />

straffrei bleibt, da die Fahrer oft nur aufgrund des hohen Drucks von Arbeitgebern und Disponenten Verstöße begehen.<br />

Aufgrund der Komplexität der Verordnung (EG) Nr. 561/2006des Rates vom 15. März 2006 wäre es sinnvoll, Pflichtlehrgänge<br />

für Arbeitgeber und Disponenten einführen, da diese oft weniger Bescheid wissen als die Fahrer selbst.<br />

4.6 Sonderregelungen für Heimfahrt<br />

In Kapitel 3.2 wurde auf das Problem der Heimfahrt eingegangen. Viele Fahrer müssen kurz vor Erreichen des Zuhauses<br />

aufgrund fehlender Lenkzeiten nochmals eine Ruhepause einlegen und können deshalb nicht rechtzeitig<br />

bzw. überhaupt nicht bei ihrer Familie sein.<br />

9 Artikel 10 (3) der EU VO 561/2006 sieht dies eigentlich schon vor: Das Verkehrsunternehmen haftet für Verstöße von Fahrern<br />

des Unternehmens, selbst wenn der Verstoß im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates oder eines Drittstaates begangen<br />

wurde. Fraglich scheint jedoch die Umsetzung seitens der Vollzugsbeamten!


Lösungsvorschläge diesbezüglich waren beispielsweise, dass die Fahrer eine Lenkzeitverlängerung für die Heimfahrt<br />

erhalten oder eine Ausnahmeregelung für die Heimfahrt eingeführt wird. Ein Fahrer schlägt vor, dass jeder<br />

Fahrer 3 Stunden zusätzlich auf ein „Heimfahrtskonto“ erhält, die nicht dem Disponenten als zusätzlich Zeit zur<br />

Frachtbeförderung genutzt werden dürfen. Die Heimatadresse könnte vor Fahrtantritt festgelegt und die Einhaltung<br />

damit per GPS kontrolliert werden. Ein anderer Fahrer schlug eine straffreie Zone von 30 Minuten pro Tag vor die<br />

dazu benutzt werden könnte, den Parkplatz oder das Zuhause zu erreichen. 10<br />

4.7 Vorschläge zum Thema europäischer Wettbewerb<br />

Die EU VO 561/2006 sollte europaweit zur Anwendung kommen und somit etwaige national abweichende Vorschriften<br />

wie z.B. einheitlich geregelten Arbeitszeiten oder auch ein europaweit abgestimmter und einheitlicher Bußgeldkatalog<br />

wurde vorgeschlagen. Die Schaffung von gleichen und fairen Wettbewerbsbedingungen innerhalb der EU, auch<br />

in punkto Aus- und Weiterbildung, ist ein Anliegen der Berufskraftfahrer und Berufskraftfahrerinnen. .<br />

Da sich viele Fahrer immer mehr zum Be- und Entladen eingesetzt werden, obwohl dies nicht zu deren Aufgabenbereich<br />

gehört, wäre insoweit ein gesetzliches Be- und Entladeverbot für Fahrer notwendig.<br />

10 Artikel 12: Sofern die Sicherheit im Straßenverkehr nicht gefährdet wird, kann der Fahrer von den Artikeln 6 bis 9 abweichen,<br />

um einen geeigneten Halteplatz zu erreichen, soweit dies erforderlich ist, um die Sicherheit von Personen, des Fahrzeugs<br />

oder seiner Ladung zu gewährleisten. Der Fahrer hat Art und Grund dieser Abweichung spätestens bei Erreichen des geeigneten<br />

Halteplatzes handschriftlich auf dem Schaublatt des Kontrollgeräts oder einem Ausdruck aus dem Kontrollgerät oder im<br />

Arbeitszeitplan zu vermerken.


16<br />

5 Fazit und Ausblick<br />

Die in der <strong>Studie</strong> geschilderten Probleme sowie die Tatsache, dass aufgrund des wachsenden Bedarfs an<br />

Transporten die Nachfrage nach qualifizierten Berufskraftfahrern in Zukunft erheblich steigen wird, macht deutlich,<br />

dass es äußerst wichtig ist die bestehenden <strong>Sozialvorschriften</strong> entsprechend nachzubessern. Immerhin finden<br />

über 45% der Berufskraftfahrer ihren Job als belastend, davon 8,23% sogar als sehr belastend und ganze<br />

38,74% würden ihren Beruf jungen Menschen nicht weiterempfehlen. 11<br />

Unter den derzeitigen Voraussetzungen scheint es eher schwierig, die zukünftige Jugend für diesen Beruf zu<br />

begeistern und somit Nachwuchsfahrer für die Branche zu finden. Bereits jetzt mangelt es der Logistik an Fachkräften.<br />

Ein weiterer Umstand der die Situation verschärfen wird ist jener, dass „in den nächsten zehn Jahren<br />

rund 30 Prozent des Fahrerpersonals die Altersgrenze erreicht. Jährlich scheiden also etwa 30.000 Lkw-Fahrer<br />

aus dem Berufsleben aus. 12 Für die Wirtschaft wird es eventuell zu erheblichen Problemen kommen, da gleichzeitig<br />

mit steigendem Güterverkehr gerechnet wird. 13 Es ist also äußerst wichtig, den Beruf für junge Menschen<br />

attraktiver zu machen und die Arbeitsbedingungen für die derzeit im Beruf befindlichen Kraftfahrer zu verbessern.<br />

Deshalb sind entsprechende Änderungen der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 unabdingbar.<br />

Die aus den 133 Nennungen der teilnehmenden Berufskraftfahrer und Berufskraftfahrerinnen ergeben sich zahlreiche<br />

Problembeschreibungen und auch bereits davon abgeleitete Lösungsvorschläge. Um zu überprüfen, ob<br />

die hier beschriebenen Probleme repräsentativ für die gesamte Berufsgruppe stehen sollte im nächsten Schritt<br />

11 vgl. Trends im Straßengüterverkehr – Aktueller Status und Meinungen der Berufskraftfahrer in Deutschland, Prof. Dr. Ing.<br />

Jochen <strong>Baier</strong>, März 2012, S. 4, 18<br />

12 vgl. http://www.transportrecht-goldenstein.de/berufskraftfahrer-gefaehrlicher-mangel-an-fachkraeften.html<br />

13 Siehe <strong>Studie</strong> von BGL.


eine breit angelegte Umfrage geplant und durchgeführt werden. Im Rahmen dieser könnten die mit dieser <strong>Studie</strong><br />

vorliegenden Lösungsvorschläge hinsichtlich einer breiten Zustimmung in der Berufsgruppe abgefragt werden.<br />

Die Grundgesamtheit der zu befragenden Fahrer und Fahrerinnen sollte mindestens 1000 sein. Als Plattform<br />

bieten sich hierzu Events der Branche an, z.B. dem Truck Grand Prix oder sog. Trucker- Treffen etc., direkte<br />

Interviews an LKW- Ratsanlagen und Autohöfen sowie die Nutzung der neue Medien für eine online- Umfrage.


18<br />

Literaturverzeichnis<br />

Trends im Straßengüterverkehr – Aktueller Status und Meinungen der Berufskraftfahrer in Deutschland, Prof.<br />

Dr. Ing. Jochen <strong>Baier</strong>, März 2012<br />

Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des europäischen Rates vom 15. März 2006<br />

<strong>Sozialvorschriften</strong> im Straßenverkehr, Industrie- und Handelskammer Stuttgart, Götz Bopp, 3. Auflage, Juni 2010<br />

Verordnung (EWG) Nr. 543/69 des Rates vom 25. März 1969 über die Harmonisierung bestimmter <strong>Sozialvorschriften</strong><br />

im Straßenverkehr, vgl. http://eur-law.eu/DE/Verordnung-EWG-Nr-543-69-Rates-25-Marz,14367,d<br />

Europäisches Übereinkommen über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals<br />

(AETR), vgl. http://beck-online.beck.de/default.aspx?bcid=Y-100-G-AETR<br />

<strong>Sozialvorschriften</strong> im Straßenverkehr, Bayrischers Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz,<br />

Januar 2008, vgl. http://www.verwaltung.bayern.de/egovportlets/xview/Anlage/3912729/<strong>Sozialvorschriften</strong>imStraenverkehr.pdf<br />

Fachkräftemangel in der Logistikbranche - Mangel an Nachwuchs; Colditz, Hans-Peter,<br />

http://www.eurotransport.de/news/fachkraeftemangel-in-der-logistikbranche-287870.html<br />

<strong>Studie</strong> warnt vor Nachwuchsmangel bei Fernfahrern; http://www.verkehrsrundschau.de/studie-warnt-vornachwuchsmangel-bei-fernfahrern-1153586.html

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