HRRS-Festgabe für Gerhard Fezer zum 70 ... - hrr-strafrecht.de
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74 André Graumann eine fair-trial-bedingt verfassungskonforme Anwendung des einfachen Rechts verstehen müssen. Denn bislang ist noch nie begründet worden – und dies dürfte auch kaum gelingen –, dass die vom 4. Strafsenat entwickelte Bindung des Gerichts an eine Strafobergrenze mit den eben genannten Vorschriften vollständig zu vereinbaren sein soll. Wenn das Gericht eine Strafobergrenze zusagt, dann ist es nach der Rechtsprechung des BGH in der Urteilsberatung bei der Strafzumessung nach oben hin eingeschränkt. Der einzige Unterschied zur Zusage einer konkreten Strafhöhe ist damit, dass die Vorwegnahme der richterlichen Entscheidungsfindung und die Beschränkung bei der Strafzumessung nur in eine Richtung hin erfolgen. Der Große Senat für Strafsachen hat daher völlig richtig ausgeführt, dass auch die verbindliche Zusage einer Strafobergrenze »mit § 261 StPO nur schwer in Einklang zu bringen ist«. 45 Noch viel deutlicher wird dies mit Blick auf die Folge einer unzulässigen Nichteinhaltung der Absprache durch das Gericht: Nach Zurückverweisung durch das Revisionsgericht ist der neue Tatrichter nicht etwa aufgrund des Verschlechterungsverbots nur an die vom ersten Tatrichter verhängte Strafhöhe gebunden, sondern aus Fairnessgründen sogar an die unzulässig überschrittene Strafobergrenze! 46 Diese Bindung an die Strafmaßerklärung eines anderen Gerichts, die in einem erheblichen Widerspruch zu dem tatrichterlichen Spielraum bei der Strafzumessung steht, lässt sich zweifellos nicht durch eine bloße Auslegung einfach-gesetzlicher Vorschriften herbeiführen. Es zeigt sich daher, dass die Lösung des Problems der gescheiterten Absprache stets mit dem einfachen Recht kollidiert, weil dieses schon die Verständigung als solche schlicht nicht kennt und deshalb erst recht keine Rechte des Angeklagten bei der Nichteinhaltung der Zusage eines Strafverfolgungsorgans vorsieht. Die Rechtsprechung gerät zwangsläufig an die 45 BGHSt – Großer Senat – 50, 40, 51. 46 Vgl. BGH StV 2004, 471, 472; BGHSt 52, 165, Rn. 21.
Die Absprache über die Nichtverfolgung einer Tat gemäß § 154 StPO 75 eingangs erwähnten Grenzen, kann sich im Bereich des Vertrauensschutzes des Angeklagten aber immerhin auf höherrangige verfassungsrechtliche Grundsätze stützen. Auch die in BGHSt 37, 10 gewählte Strafzumessungslösung findet ja im materiellen Strafzumessungsrecht keine Grundlage, sondern dient einzig und allein dem gesetzlich nicht vorgesehenen Ausgleich eines fair-trial- Verstoßes, der mit den für die Strafzumessung maßgeblichen Umständen in keinem Zusammenhang steht. Der 3. Strafsenat stellt denn vorliegend auch auf Besonderheiten des Falles ab, die nach seiner Auffassung eine Einhaltung der Höchststrafenzusage auch unter Einbeziehung der Tat 3 ermöglichten. Dabei führt er vor allem die Bedeutung der erzieherischen Gesichtspunkte für die Bemessung der Jugendstrafe an. 47 Im Erwachsenenstrafverfahren wäre eine Einhaltung der Strafobergrenze jedenfalls nur schwerlich mit den strafzumessungsrechtlichen Grundsätzen zu vereinbaren gewesen. Nach der BGH-Rechtsprechung wird die Strafe oftmals die – hier für die Taten 1 und 2 angegebene – Strafobergrenze erreichen müssen. 48 Dann verbleibt aber kein Spielraum mehr, um in eine Gesamtfreiheitsstrafe auch noch die Tat 3 einbeziehen zu können, deren Bedeutung im Sinne von § 154 StPO von geringerem Gewicht sein mag, aber nicht bei Null liegen wird. Zu den vom Senat angeführten Besonderheiten zählte vorliegend auch, dass das an der Absprache beteiligte Gericht selbst über die Tat 3 zu befinden hatte und insofern eine Verfahrensverbindung vornehmen konnte. Diese Lösung stößt also spätestens bei dem Bruch der Zusage der Staatsanwaltschaft, die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens gemäß § 154 Abs. 1 StPO vorzunehmen, an ihre Grenzen. Auch dies zählte vorliegend zum Inhalt der Verständigung, weil gegen A und seine Mitangeklagten noch weite- 47 BGHSt 52, 165, Rn. 20. 48 BGHSt 43, 195, 208.
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74 André Graumann<br />
eine fair-trial-bedingt verfassungskonforme Anwendung <strong>de</strong>s einfachen<br />
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und dies dürfte auch kaum gelingen –, dass die vom 4. Strafsenat entwickelte<br />
Bindung <strong>de</strong>s Gerichts an eine Strafobergrenze mit <strong>de</strong>n eben genannten<br />
Vorschriften vollständig zu vereinbaren sein soll. Wenn das Gericht eine<br />
Strafobergrenze zusagt, dann ist es nach <strong>de</strong>r Rechtsprechung <strong>de</strong>s BGH in<br />
<strong>de</strong>r Urteilsberatung bei <strong>de</strong>r Straf<strong>zum</strong>essung nach oben hin eingeschränkt.<br />
Der einzige Unterschied zur Zusage einer konkreten Strafhöhe ist damit,<br />
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bei <strong>de</strong>r Straf<strong>zum</strong>essung nur in eine Richtung hin erfolgen.<br />
Der Große Senat <strong>für</strong> Strafsachen hat daher völlig richtig ausgeführt, dass<br />
auch die verbindliche Zusage einer Strafobergrenze »mit § 261 StPO nur<br />
schwer in Einklang zu bringen ist«. 45 Noch viel <strong>de</strong>utlicher wird dies mit<br />
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neue Tatrichter nicht etwa aufgrund <strong>de</strong>s Verschlechterungsverbots nur an<br />
die vom ersten Tatrichter verhängte Strafhöhe gebun<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn aus Fairnessgrün<strong>de</strong>n<br />
sogar an die unzulässig überschrittene Strafobergrenze! 46 Diese<br />
Bindung an die Strafmaßerklärung eines an<strong>de</strong>ren Gerichts, die in einem<br />
erheblichen Wi<strong>de</strong>rspruch zu <strong>de</strong>m tatrichterlichen Spielraum bei <strong>de</strong>r Straf<strong>zum</strong>essung<br />
steht, lässt sich zweifellos nicht durch eine bloße Auslegung<br />
einfach-gesetzlicher Vorschriften herbeiführen.<br />
Es zeigt sich daher, dass die Lösung <strong>de</strong>s Problems <strong>de</strong>r gescheiterten Absprache<br />
stets mit <strong>de</strong>m einfachen Recht kollidiert, weil dieses schon die Verständigung<br />
als solche schlicht nicht kennt und <strong>de</strong>shalb erst recht keine<br />
Rechte <strong>de</strong>s Angeklagten bei <strong>de</strong>r Nichteinhaltung <strong>de</strong>r Zusage eines Strafverfolgungsorgans<br />
vorsieht. Die Rechtsprechung gerät zwangsläufig an die<br />
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BGHSt – Großer Senat – 50, 40, 51.<br />
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Vgl. BGH StV 2004, 471, 472; BGHSt 52, 165, Rn. 21.