HRRS-Festgabe für Gerhard Fezer zum 70 ... - hrr-strafrecht.de
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68 André Graumann 2. Grundsätzlich kein Verfahrenshindernis als Folge des Fairnessverstoßes? Das entscheidende Argument des 3. Strafsenats für eine abweichende Lösung ist wie schon in der im Urteil zitierten Entscheidung BGHSt 37, 10 der Verweis darauf, dass eine Verletzung des fair-trial-Prinzips in aller Regel kein Verfahrenshindernis nach sich zieht. 36 Ein Fairnessverstoß könne ein Verfahrenshindernis nur dann begründen, wenn keine Möglichkeit bestehe, diesen Verstoß durch strafprozessuale Maßnahmen und/oder die Ausschöpfung materiellrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten auf der Rechtsfolgenseite so weit auszugleichen, dass sich das Verfahren insgesamt noch als fair erweist. Jedenfalls für die hier gegebene besondere Fallkonstellation sei daran festzuhalten, dass die nicht eingehaltene Zusage der Staatsanwaltschaft lediglich einen wesentlichen Strafmilderungsgrund begründe. Für eine solche Argumentation lässt sich deren Übereinstimmung mit der Rechtsprechung zu anderen Verletzungen des Fairnessgrundsatzes anführen. So haben etwa eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung oder die staatliche Provokation der Tat durch Lockspitzel bislang nach ständiger Rechtsprechung in der Regel kein Verfahrenshindernis zur Folge. 37 Die Verletzung des fair-trial-Prinzips findet vielmehr auf der Strafzumessungs- oder Strafvollstreckungsebene oder bei der Frage nach einem Beweisverwertungsverbot Berücksichtigung. Dies hat gute Gründe für sich: Rechtsverletzungen der Strafverfolgungsorgane führen im deutschen Strafverfahren nicht – etwa aus Disziplinierungserwägungen – zu einem Abbruch des Verfahrens. Die Rechtsfolge einer Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens hat sich vielmehr an dessen 36 BGHSt 52, 165, Rn. 17f. 37 Vgl. nur BGHSt 45, 321; 46, 159. Vgl. aber zur Notwendigkeit, die Strafzumessungslösung des BGH bei der unzulässigen Tatprovokation auf der Grundlage der neueren Rechtsprechung des EGMR zugunsten eines Verfahrenshindernisses aufzugeben Gaede/Buermeyer HRRS 2008, 279, 285f.
Die Absprache über die Nichtverfolgung einer Tat gemäß § 154 StPO 69 Schutzzweck zu orientieren. Dieser besteht in der Einhaltung rechtsstaatlicher Garantien und der korrespondierenden – verfassungsrechtlichen – subjektiven Rechte des Beschuldigten. Auf eine Verletzung des Fairnessprinzips ist daher prozess- oder materiell-rechtlich so zu reagieren, dass der Verstoß geheilt und das subjektive Recht des Beschuldigten gewahrt wird. Konsequent hält die Rechtsprechung ein Verfahrenshindernis in diesen Fällen daher – nur – dann für möglich, wenn es keine Ausgleichsmöglichkeit gibt, durch die die Fairnesswidrigkeit des Gesamtverfahrens beseitigt werden kann. Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, dass sich Rechtsverletzungen im Strafverfahren auch innerhalb dieses Verfahrens heilen lassen und der Beschuldigte deshalb nicht dessen folgenlose Beendigung verlangen kann. Nun weist aber die rechtswidrig nicht eingehaltene Absprache über die Nichtverfolgung einer Tat gemäß § 154 StPO nach dem Wandel der BGH- Rechtsprechung im Jahre 1997 eine entscheidende Besonderheit auf, die sie von anderen fair-trial-Verletzungen abhebt: Der Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens besteht hier nicht lediglich in einer fehlerhaften Verfahrenshandlung, die im Verfahren korrigiert werden kann – vielmehr stellt die Fortführung des Verfahrens als solche, und damit das Verfahren selbst, den Fairnessverstoß dar. 38 Dies bringt der 3. Strafsenat deutlich zum Ausdruck, wenn er davon spricht, dass die Staatsanwaltschaft ihre Zusage unter Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens nicht eingehalten habe und das Gericht aus Gründen der Fairness im Falle einer Antragstel- 38 Damit soll nicht in Abrede gestellt werden, dass auch andere Fairnessverstöße eine nicht mehr zu heilende Rechtswidrigkeit des Gesamtverfahrens begründen können, vgl. zur entsprechenden Argumentation bei der unzulässigen Tatprovokation Sinner/Kreuzer StV 2000, 114, 116f.; Esser, Auf dem Weg zu einem europäischen Strafverfahrensrecht (2002), S. 175ff.; Gaede/Buermeyer HRRS 2008, 279, 285f. Eine Besonderheit besteht vorliegend aber darüber hinaus darin, dass auch der BGH gerade die Tatsache, dass überhaupt ein Strafverfahren (weiter-)betrieben wird, als eine Verletzung des Fairnessgrundsatzes einstuft.
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2. Grundsätzlich kein Verfahrenshin<strong>de</strong>rnis als Folge <strong>de</strong>s<br />
Fairnessverstoßes?<br />
Das entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Argument <strong>de</strong>s 3. Strafsenats <strong>für</strong> eine abweichen<strong>de</strong> Lösung<br />
ist wie schon in <strong>de</strong>r im Urteil zitierten Entscheidung BGHSt 37, 10<br />
<strong>de</strong>r Verweis darauf, dass eine Verletzung <strong>de</strong>s fair-trial-Prinzips in aller Regel<br />
kein Verfahrenshin<strong>de</strong>rnis nach sich zieht. 36 Ein Fairnessverstoß könne ein<br />
Verfahrenshin<strong>de</strong>rnis nur dann begrün<strong>de</strong>n, wenn keine Möglichkeit bestehe,<br />
diesen Verstoß durch strafprozessuale Maßnahmen und/o<strong>de</strong>r die Ausschöpfung<br />
materiellrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten auf <strong>de</strong>r Rechtsfolgenseite<br />
so weit auszugleichen, dass sich das Verfahren insgesamt noch als fair<br />
erweist. Je<strong>de</strong>nfalls <strong>für</strong> die hier gegebene beson<strong>de</strong>re Fallkonstellation sei<br />
daran festzuhalten, dass die nicht eingehaltene Zusage <strong>de</strong>r Staatsanwaltschaft<br />
lediglich einen wesentlichen Strafmil<strong>de</strong>rungsgrund begrün<strong>de</strong>.<br />
Für eine solche Argumentation lässt sich <strong>de</strong>ren Übereinstimmung mit <strong>de</strong>r<br />
Rechtsprechung zu an<strong>de</strong>ren Verletzungen <strong>de</strong>s Fairnessgrundsatzes anführen.<br />
So haben etwa eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung o<strong>de</strong>r<br />
die staatliche Provokation <strong>de</strong>r Tat durch Lockspitzel bislang nach ständiger<br />
Rechtsprechung in <strong>de</strong>r Regel kein Verfahrenshin<strong>de</strong>rnis zur Folge. 37 Die Verletzung<br />
<strong>de</strong>s fair-trial-Prinzips fin<strong>de</strong>t vielmehr auf <strong>de</strong>r Straf<strong>zum</strong>essungs- o<strong>de</strong>r<br />
Strafvollstreckungsebene o<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r Frage nach einem Beweisverwertungsverbot<br />
Berücksichtigung.<br />
Dies hat gute Grün<strong>de</strong> <strong>für</strong> sich: Rechtsverletzungen <strong>de</strong>r Strafverfolgungsorgane<br />
führen im <strong>de</strong>utschen Strafverfahren nicht – etwa aus Disziplinierungserwägungen<br />
– zu einem Abbruch <strong>de</strong>s Verfahrens. Die Rechtsfolge einer Verletzung<br />
<strong>de</strong>s Grundsatzes <strong>de</strong>s fairen Verfahrens hat sich vielmehr an <strong>de</strong>ssen<br />
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BGHSt 52, 165, Rn. 17f.<br />
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Vgl. nur BGHSt 45, 321; 46, 159. Vgl. aber zur Notwendigkeit, die Straf<strong>zum</strong>essungslösung<br />
<strong>de</strong>s BGH bei <strong>de</strong>r unzulässigen Tatprovokation auf <strong>de</strong>r Grundlage<br />
<strong>de</strong>r neueren Rechtsprechung <strong>de</strong>s EGMR zugunsten eines Verfahrenshin<strong>de</strong>rnisses<br />
aufzugeben Gae<strong>de</strong>/Buermeyer <strong>HRRS</strong> 2008, 279, 285f.