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64 André Graumann IV. Die Rechtsfolgen einer (nicht eingehaltenen) Verständigung über die Nichtverfolgung einer Tat gemäß § 154 StPO 1. Die rechtliche Durchsetzbarkeit der Bindungswirkung: Unterschiedliche Behandlung von Urteils- und Nichtverfolgungsabsprache? Hinsichtlich der Urteilsabsprache ist die Linie der Rechtsprechung seit BGHSt 43, 195 klar: Grundsätzlich ist das Gericht an seine Zusage, bei Ablegung eines Geständnisses eine bestimmte Strafobergrenze nicht zu überschreiten, gebunden. Zu den Grundsätzen des fairen Verfahrens zähle, dass sich das Gericht nicht in Widerspruch zu eigenen früheren Erklärungen setzen darf, auf die ein Verfahrensbeteiligter vertraut hat. 26 Die von dem Gericht geschaffene Vertrauenslage verbiete ihm, von seiner früheren Erklärung abzuweichen. Überschreitet das Gericht ohne rechtfertigenden Grund die von ihm zugesagte Strafobergrenze, kann der Angeklagte dies als einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens mit der Revision rügen. 27 Die Folge zeigt der 3. Strafsenat in der vorliegenden Entscheidung auf 28 : Das Revisionsgericht – und bei einer Zurückverweisung der neue Tatrichter – haben ebenfalls die Höchststrafenzusage zu beachten. Das Revisionsgericht vermag sogar selbst auf die angegebene Strafobergrenze zu erkennen, wenn es ausschließen kann, dass ein neuer Tatrichter zu einer niedrigeren Strafe gelangen könnte. Bei der Nichtverfolgungs- oder Prozessumfangsabsprache darf hingegen noch als ungeklärt angesehen werden, was der Angeklagten eigentlich aus 26 BGHSt 43, 195, 210. 27 BGHSt 45, 227, 228; StV 2004, 471f. 28 BGHSt 52, 165, Rn. 21f.

Die Absprache über die Nichtverfolgung einer Tat gemäß § 154 StPO 65 einer Zusage, die sich auf die Anwendung von § 154 StPO bezieht, rechtlich herleiten kann. In seiner bereits erwähnten Entscheidung aus dem Jahre 1990 hat der 3. Strafsenat ausgeführt, die »Zusage« der Staatsanwaltschaft, eine bestimmte Tat nicht zu verfolgen, wenn der Beschuldigte in einer anderen Sache unter Hinnahme einer empfindlichen Strafe ein Rechtsmittel zurücknimmt, begründe kein Verfahrenshindernis. 29 Werde die Tat unter Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens dennoch angeklagt, stelle dies aufgrund des geschaffenen Vertrauenstatbestandes aber einen wesentlichen Strafmilderungsgrund dar. Es fragt sich, ob angesichts der »Verfahrensordnung« des BGH für Absprachen, deren Grundlage in BGHSt 43, 195 geschaffen wurde, künftig an dieser früheren Rechtsprechung festgehalten werden kann. Auch der 3. Strafsenat dürfte sich diese Frage gestellt haben, wenn er das Festhalten an BGHSt 37, 10 mehrfach durch den Hinweis auf besondere Einzelfallumstände relativiert. 30 Man muss sich nur vor Augen halten, wie sehr sich die Bewertung der Urteilsabsprache durch den BGH gewandelt hat: Bis 1997 waren für die Rechtsprechung zwei frühe Entscheidungen des 2. Strafsenats maßgeblich, wonach eine gerichtliche Angabe zum Strafmaß für den Fall eines Geständnisses keine Bindung des Gerichts bewirken konnte. 31 Auch ein daraufhin abgelegtes Geständnis sei ohne Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verwertbar. Jedoch gebiete der von dem Gericht geschaffene Vertrauenstatbestand einen Hinweis an den Angeklagten, wenn das Gericht die angegebene Strafhöhe überschreiten wolle. 29 BGHSt 37, 10, 13f. 30 BGHSt 52, 165, Rn. 17, 18, 20. 31 BGHSt 36, 210; 38, 102.

Die Absprache über die Nichtverfolgung einer Tat gemäß § 154 StPO 65<br />

einer Zusage, die sich auf die Anwendung von § 154 StPO bezieht, rechtlich<br />

herleiten kann.<br />

In seiner bereits erwähnten Entscheidung aus <strong>de</strong>m Jahre 1990 hat <strong>de</strong>r 3.<br />

Strafsenat ausgeführt, die »Zusage« <strong>de</strong>r Staatsanwaltschaft, eine bestimmte<br />

Tat nicht zu verfolgen, wenn <strong>de</strong>r Beschuldigte in einer an<strong>de</strong>ren Sache unter<br />

Hinnahme einer empfindlichen Strafe ein Rechtsmittel zurücknimmt, begrün<strong>de</strong><br />

kein Verfahrenshin<strong>de</strong>rnis. 29 Wer<strong>de</strong> die Tat unter Verstoß gegen <strong>de</strong>n<br />

Grundsatz <strong>de</strong>s fairen Verfahrens <strong>de</strong>nnoch angeklagt, stelle dies aufgrund<br />

<strong>de</strong>s geschaffenen Vertrauenstatbestan<strong>de</strong>s aber einen wesentlichen Strafmil<strong>de</strong>rungsgrund<br />

dar.<br />

Es fragt sich, ob angesichts <strong>de</strong>r »Verfahrensordnung« <strong>de</strong>s BGH <strong>für</strong> Absprachen,<br />

<strong>de</strong>ren Grundlage in BGHSt 43, 195 geschaffen wur<strong>de</strong>, künftig an dieser<br />

früheren Rechtsprechung festgehalten wer<strong>de</strong>n kann. Auch <strong>de</strong>r 3. Strafsenat<br />

dürfte sich diese Frage gestellt haben, wenn er das Festhalten an<br />

BGHSt 37, 10 mehrfach durch <strong>de</strong>n Hinweis auf beson<strong>de</strong>re Einzelfallumstän<strong>de</strong><br />

relativiert. 30<br />

Man muss sich nur vor Augen halten, wie sehr sich die Bewertung <strong>de</strong>r Urteilsabsprache<br />

durch <strong>de</strong>n BGH gewan<strong>de</strong>lt hat: Bis 1997 waren <strong>für</strong> die<br />

Rechtsprechung zwei frühe Entscheidungen <strong>de</strong>s 2. Strafsenats maßgeblich,<br />

wonach eine gerichtliche Angabe <strong>zum</strong> Strafmaß <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Fall eines Geständnisses<br />

keine Bindung <strong>de</strong>s Gerichts bewirken konnte. 31 Auch ein daraufhin<br />

abgelegtes Geständnis sei ohne Verstoß gegen <strong>de</strong>n Grundsatz <strong>de</strong>s fairen<br />

Verfahrens verwertbar. Jedoch gebiete <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>m Gericht geschaffene Vertrauenstatbestand<br />

einen Hinweis an <strong>de</strong>n Angeklagten, wenn das Gericht die<br />

angegebene Strafhöhe überschreiten wolle.<br />

29<br />

BGHSt 37, 10, 13f.<br />

30<br />

BGHSt 52, 165, Rn. 17, 18, 20.<br />

31<br />

BGHSt 36, 210; 38, 102.

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