HRRS-Festgabe für Gerhard Fezer zum 70 ... - hrr-strafrecht.de
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50 Karsten Gae<strong>de</strong><br />
ge unabhängiger Taktik geht, muss die staatliche Rechtspflege han<strong>de</strong>ln,<br />
wenn sie Art. 6 I, III lit. c EMRK nicht verletzen will. 101<br />
Dass hier ein Problem besteht, ist auch so neu nicht. 102 So tritt etwa Meyer-<br />
Goßner im Anschluss an die Entscheidung <strong>de</strong>s EGMR im Fall Czekalla gg.<br />
Portugal nun da<strong>für</strong> ein, eine Wie<strong>de</strong>reinsetzung von Amts wegen zu gewähren,<br />
wenn <strong>de</strong>m Angeklagten durch einen ein<strong>de</strong>utigen Formfehler <strong>de</strong>s Verteidigers<br />
ein Rechtsmittel verloren geht. 103 Warum dies etwa in einem Fall nicht<br />
gelten sollte, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Kern <strong>de</strong>s Rechtsmittels in einer Verfahrensrüge<br />
liegt, mit <strong>de</strong>r (materiell) eine Verletzung <strong>de</strong>s Art. 6 EMRK gerügt wird, ist<br />
<strong>für</strong> mich nicht überzeugend zu begrün<strong>de</strong>n. 104 Die auch vom EGMR hoch<br />
geschätzte Unabhängigkeit <strong>de</strong>r Verteidigung ist etwa dann kein Gegenargument,<br />
wenn wegen eines gesetzlichen Formerfor<strong>de</strong>rnisses (§ 344 II 2<br />
StPO!) gar keine Unabhängigkeit bestehen konnte. 105 Gänzlich unpraktikabel<br />
scheint ein weitgehen<strong>de</strong>rer Schutz auch nicht zu sein: Die Rechtsprechung<br />
<strong>de</strong>s EGMR führt in <strong>de</strong>r Schweiz bereits heute dazu, dass unzurei-<br />
101<br />
EGMR, Czekalla v. PO, Rep. 2002-VIII, §§ 59 ff.; vgl. auch die entsprechen<strong>de</strong><br />
For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Europäischen Kommission in KOM(2004) 328 endg., S. 14 f .<br />
und Art. 4 II; näher zu allem m.w.N. Gae<strong>de</strong> (Fn. 5), S. 857 ff.<br />
102<br />
Zum Beispiel hat Weigend bereits 2000 gefragt, ob <strong>de</strong>r Staat nicht darauf achten<br />
müsse, dass <strong>de</strong>r Verteidiger auch tatsächlich in <strong>de</strong>r Lage ist, seiner Aufgabe<br />
nachzukommen (StV 2000, 384, 385); vgl. auch SK-Wohlers, 38. Lfg. 2004, Vor<br />
§ 137 Rn. 81 ff.; Neuhaus StV 2002, 43 ff.; Demko <strong>HRRS</strong> 2006, 250 ff.; zusf. Gae<strong>de</strong><br />
<strong>HRRS</strong> 2007, 402, 411 ff. Grundlegend sind Arbeiten von Stephan Barton, zu seiner<br />
Haltung aktuell Barton, Einführung in die Strafverteidigung (2007), § 4 Rn.<br />
80 ff.<br />
103<br />
Meyer-Goßner (Fn. 14), § 338 Rn. 41: analog § 45 II 2 StPO.<br />
104<br />
Besorgnisse, an<strong>de</strong>renfalls wür<strong>de</strong>n die Form- und Fristerfor<strong>de</strong>rnisse gegen das<br />
Gesetz aufgeweicht, könnten nicht durchgreifen, <strong>de</strong>nn das konventionskonform<br />
zu interpretieren<strong>de</strong> Gesetz will <strong>de</strong>m Angeklagten zugleich – verfassungsrechtlich<br />
verbürgt – die Revision effektiv gewähren. Min<strong>de</strong>stens <strong>de</strong>m Gesetzgeber stün<strong>de</strong>n<br />
an<strong>de</strong>re Regelungsmo<strong>de</strong>lle offen, um die Verteidiger zur Einhaltung <strong>de</strong>r Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
anzuhalten: Der Rechtsverlust <strong>de</strong>s Angeklagten ist nicht <strong>de</strong>r einzige<br />
wohl aber <strong>de</strong>r schlechteste Weg, die Erfor<strong>de</strong>rnisse durchzusetzen.<br />
105<br />
Vgl. <strong>zum</strong> Prinzip etwa EGMR, Czekalla v. PO, Rep. 2002-VIII, §§ 59 ff.