HRRS-Festgabe für Gerhard Fezer zum 70 ... - hrr-strafrecht.de
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Ungehobene Schätze in <strong>de</strong>r Rechtsprechung <strong>de</strong>s EGMR <strong>für</strong> die Verteidigung? 49<br />
Auch auf die Gefahr hin, als praxisfern zu erscheinen, möchte ich diesen<br />
status quo als handgreifliche prozessuale Unfairness bezeichnen. Es ist unaufrichtig,<br />
<strong>de</strong>m Angeklagten die Revision zu geben und sie ihm dann durch<br />
Anfor<strong>de</strong>rungen wie<strong>de</strong>r zu nehmen, <strong>de</strong>ren Erfüllung <strong>de</strong>r Angeklagte praktisch<br />
nicht hinreichend gewährleisten kann. Hier wird bislang allein einer<br />
scheinbar übermächtigen Funktionalität das Wort gere<strong>de</strong>t. Die Revision<br />
droht darüber zunehmend zu einem Etikettenschwin<strong>de</strong>l zu wer<strong>de</strong>n. 97 Je<strong>de</strong>nfalls<br />
<strong>für</strong> Fälle, in <strong>de</strong>nen übertriebene Obliegenheiten <strong>de</strong>r Verteidigung<br />
und/o<strong>de</strong>r Versäumnisse <strong>de</strong>s Verteidigers Rechte <strong>de</strong>s Art. 6 EMRK vereiteln,<br />
sprechen die Ansätze <strong>de</strong>s EGMR <strong>für</strong> eine Einschränkung dieser Rechtslage.<br />
98 Zwar erkennt auch <strong>de</strong>r EGMR prinzipiell höhere Darlegungslasten bei<br />
Rechtsmitteln an. 99 Dennoch müssen die Staaten <strong>für</strong> eine tatsächlich effektive<br />
Verteidigung auch bei Rechtsmitteln einstehen. 100 Wenn offensichtlich<br />
wird, dass <strong>de</strong>r Verteidigerbeistand unwirksam ist und es nicht um eine Fra-<br />
2008, 2320 m. Anm. Meyer-Mews im Vergleich mit Staroszczyk v. PL, NJW 2008,<br />
2317.<br />
97<br />
Vgl. schon allgemein <strong>zum</strong> Verteidiger Wach, Binding-FG (1914), S. 1, 34: »Man<br />
erklärt die Verteidigung <strong>für</strong> ,notwendig’; aber ob <strong>de</strong>r mit ihr Betraute das zu ihr<br />
Notwendige tut, darum kümmert man sich nicht; da mag sich <strong>de</strong>r Beschuldigte<br />
regen.«<br />
98<br />
Vgl. schon Barton, Min<strong>de</strong>ststandards <strong>de</strong>r Strafverteidigung (1994), passim, S. 61<br />
ff.; SK-Wohlers, 38. Lfg. 2004, Vor § 137 Rn. 81 ff.; näher <strong>zum</strong> Ganzen schon<br />
m.w.N. Gae<strong>de</strong> <strong>HRRS</strong> 2007, 402 (407 ff.).<br />
99<br />
Speziell die Auslegung <strong>de</strong>s § 344 Abs. 2 Satz StPO hat er bislang nicht durchschlagend<br />
beanstan<strong>de</strong>t, diese aber bereits als »anything but easy to comply with«<br />
bezeichnet, vgl. EGMR, Paljic v. D, NJOZ 2008, 1098 ff., §§ 42 ff., 51 ff. Der Fall<br />
wies die Beson<strong>de</strong>rheit auf, dass es sich bereits um die zweite Revision han<strong>de</strong>lte.<br />
Der EGMR setzte zu<strong>de</strong>m voraus, dass es zuvor Ansätze <strong>für</strong> das Formerfor<strong>de</strong>rnis<br />
gab und ging inhaltlich auch auf das Urteil ein. Der Aspekt <strong>de</strong>r Anwaltszurechnung<br />
wird nicht problematisiert. Das Urteil erging insoweit per incuriam.<br />
100<br />
EGMR, Czekalla v. PO, Rep. 2002-VIII, §§ 59 ff. = NJW 2003, 1229; Sannino v.<br />
IT, 27.4.2006, §§ 47 ff.