HRRS-Festgabe für Gerhard Fezer zum 70 ... - hrr-strafrecht.de
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Ungehobene Schätze in <strong>de</strong>r Rechtsprechung <strong>de</strong>s EGMR <strong>für</strong> die Verteidigung? 41<br />
<strong>de</strong>utsche Recht nicht wirklich erklärte Abkehr von dieser Rechtsprechung<br />
erstaunt. Sie verstößt meines Erachtens min<strong>de</strong>stens in <strong>de</strong>m nun erreichten<br />
Ausmaß gegen Art. 13 EMRK. Der EGMR entnimmt Art. 13 EMRK seit<br />
neun Jahren die Pflicht <strong>de</strong>r Staaten, Verstöße gegen das Recht auf Verfahrensbeschleunigung<br />
entwe<strong>de</strong>r durch präventive Rechtsbehelfe o<strong>de</strong>r durch<br />
eine »angemessene Abhilfe« <strong>für</strong> geschehene Verletzungen wirksam zu kompensieren.<br />
66 Die Grundsatzentscheidung Kudla gg. Polen lässt <strong>de</strong>n Staaten in<br />
diesem Sinne zur Art und Weise <strong>de</strong>r Abhilfe damit zwar einen erheblichen<br />
Spielraum. Dies belegt aber nicht, dass ein Staat die Abhilfe im Strafverfahren<br />
in einer bloßen Feststellung aufgehen lassen dürfte. Die Rechtsprechung<br />
<strong>de</strong>s BGH wird auch nicht schon legitim, weil <strong>de</strong>r EGMR selbst in Einzelfällen<br />
von einer Entschädigung nach Art. 41 EMRK abgesehen hat. 67 Art. 41<br />
EMRK ist nicht mit einem nationalen Amtshaftungsanspruch gleichzusetzen.<br />
Nach Art. 41 EMRK steht schon das Ob <strong>de</strong>r Entschädigung im billigen<br />
Ermessen <strong>de</strong>s EGMR, <strong>de</strong>r hier als überlastetes Gericht <strong>für</strong> über 800.000.000<br />
Europäer judiziert. 68 Zu Art. 13 EMRK hat <strong>de</strong>r EGMR <strong>de</strong>n Staaten aber die<br />
Pflicht zur wirksamen Abhilfe auferlegt. 69 Der dominieren<strong>de</strong> Beweggrund<br />
<strong>de</strong>s EGMR war hier das Ziel seiner eigenen Entlastung. Das muss <strong>für</strong> das<br />
Strafverfahren nach 20 Jahren entsprechen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utscher Rechtspraxis ein<br />
Min<strong>de</strong>stmaß an staatlichem Rechtsfolgenausgleich be<strong>de</strong>uten. <strong>70</strong> Wenn <strong>de</strong>ut-<br />
66<br />
EGMR Kudla v. PL [GC], §§ 152 ff., NJW 2001, 2694; m.w.N. Meyer-La<strong>de</strong>wig<br />
(Fn. 4), Art. 13 Rn. 20a: angemessene Entschädigung als Min<strong>de</strong>stfor<strong>de</strong>rung.<br />
67<br />
Dieser Gedanke steht aber wohl hinter <strong>de</strong>r neuen Rechtsprechung, vgl. BGH JZ<br />
2008, 416, 419.<br />
68<br />
Vgl. Meyer-La<strong>de</strong>wig (Fn. 4), Art. 41 Rn. 21 m.w.N. Diese Auslegung dürfte sich<br />
im Wesentlichen durch die Son<strong>de</strong>rstellung <strong>de</strong>s EGMR begrün<strong>de</strong>n, die nationalen<br />
Gerichten bei <strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>s Art. 13 EMRK fehlt.<br />
69<br />
Vgl. abermals EGMR Kudla v. PL [GC], §§ 152 ff., 157 ff. NJW 2001, 2694 und<br />
letztlich über Art. 5 III EMRK verschärfend EGMR, Dzelili v. D, StV 2006, 474<br />
ff.<br />
<strong>70</strong><br />
Vgl. auch Grabenwarter (Fn. 7), § 24 Rn. 68, 175 f.: Angemessenheit hängt vom<br />
verletzten Recht ab. Die Entscheidung EGMR, Zullo v. IT [GC], 29.3.2006,