HRRS-Festgabe für Gerhard Fezer zum 70 ... - hrr-strafrecht.de
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40 Karsten Gae<strong>de</strong><br />
vorgelegen haben soll. 61 Diese Praxis wi<strong>de</strong>rspricht <strong>de</strong>r Rechtsprechung <strong>de</strong>s<br />
EGMR. 62<br />
Nun sind aber lange keine Entscheidungen mehr aufgetreten, die diese<br />
Strategie anwen<strong>de</strong>n. Der BGH hat eine neue Vermeidungsstrategie ersonnen<br />
und wohl an die Stelle <strong>de</strong>r alten gesetzt: Seit <strong>de</strong>m Beschluss <strong>de</strong>s Großen<br />
Senats und <strong>de</strong>r von ihm bevorzugten Vollstreckungslösung hält es <strong>de</strong>r<br />
BGH nicht mehr zwingend <strong>für</strong> erfor<strong>de</strong>rlich, Verletzungen <strong>de</strong>s Rechts auf<br />
Verfahrensbeschleunigung stets durch einen Rechtsfolgenvorteil zu kompensieren.<br />
63 In Fällen »geringer Verfahrensverzögerungen« soll die Feststellung<br />
<strong>de</strong>r Verletzung im Urteil gleichsam als staatliche Entschuldigung genügen.<br />
Und eine Entscheidung <strong>de</strong>s 2. Strafsenats vom 13. Juni 2008 zeigt,<br />
wie weit dies führen kann: Der Senat hat eine Rechtsfolgenkompensation<br />
<strong>für</strong> entbehrlich betrachtet, obschon in <strong>de</strong>m Verfahren eine Verfahrensverzögerung<br />
von etwa einem Jahr aufgetreten ist, nur weil das Tatgericht in einem<br />
Halbsatz die lange Verfahrensdauer – wohlgemerkt nicht eine rechtswidrige<br />
Verzögerung – als Strafmil<strong>de</strong>rungsgrund allgemein erwähnt hat. 64<br />
Gut 20 Jahre wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Angeklagten immerhin ein zählbarer Ausgleich<br />
über die bloße Verletzungsfeststellung hinaus zugestan<strong>de</strong>n. 65 Die <strong>für</strong> das<br />
61<br />
Siehe z.B. BGH <strong>HRRS</strong> 2005 Nr. 726; BGH 5 StR 326/02, Beschl. v. 21. 8. 2002,<br />
<strong>HRRS</strong>, L 1. In diesen Fällen soll es offenbar hinzunehmen sein, dass ein Verfahren<br />
z.B. ein halbes Jahr grundlos länger geführt wor<strong>de</strong>n ist.<br />
62<br />
Dies fin<strong>de</strong>t sich bereits mehrfach ausgearbeitet, so dass ich dazu nicht ins dogmatische<br />
Detail gehen möchte; vgl. Demko <strong>HRRS</strong> 2005, 283, 292 ff.; Krehl/Eidam<br />
NStZ 2006, 1, 4; Grabenwarter (Fn. 7), § 24 Rn. 46; vgl. so auch schon Gae<strong>de</strong><br />
wistra 2004, 166, 171 ff.; ergänzend <strong>de</strong>rs. <strong>HRRS</strong> 2005, 377, 380 f.<br />
63<br />
BGH JZ 2008, 416, 421; insoweit wohl zust. Scheffler ZIS 2008, 269, 276, <strong>de</strong>r<br />
Art. 13 EMRK übersieht.<br />
64<br />
BGH <strong>HRRS</strong> 2008 Nr. 675 = 2 StR 200/08 vom 13. Juni 2008; zuvor bereits<br />
BGH <strong>HRRS</strong> 2008 Nr. 488 = 3 StR 36/08, Beschl. v. 11.03.2008: fünf Monate<br />
Verzögerung in <strong>de</strong>r Revision hinzunehmen.<br />
65<br />
Siehe im Rückblick etwa BGH NJW 2003, 2759 ff.; 2000, 748 ff.; BVerfG NStZ<br />
1997, 591.