HRRS-Festgabe für Gerhard Fezer zum 70 ... - hrr-strafrecht.de
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28 Karsten Gae<strong>de</strong><br />
wirksame Menschenrechte im Strafverfahren zu gewährleisten. Beschäftigt<br />
man sich näher mit <strong>de</strong>n tatsächlichen Be<strong>de</strong>utungen dieser Auslegungsmaxime,<br />
zeigt sich folgen<strong>de</strong>s: Bei <strong>de</strong>r Auslegung <strong>de</strong>s Schutzbereichs von Konventionsrechten<br />
besteht <strong>de</strong>r EGMR darauf, dass die Rechte <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Einzelnen<br />
tatsächlich durchsetzbar und nicht nur auf <strong>de</strong>m Papier eröffnet waren. 20<br />
So genügt es nicht, wenn ein Verteidiger <strong>de</strong>m Angeklagten ein faires Verfahren<br />
sichern sollte, dieser Verteidiger aber offensichtlich die Rechte <strong>de</strong>s<br />
Angeklagten gar nicht wahrnimmt. 21 Die Gerichte o<strong>de</strong>r Staatsanwaltschaften<br />
treffen dann positive Pflichten, auf die effektive Wahrnehmung <strong>de</strong>r Verteidigungsrechte<br />
hinzuwirken. Mehr noch wirkt die Auslegungsmaxime<br />
darauf hin, Rechte nicht durch vermeintlich notwendige Einschränkungen<br />
vorschnell preiszugeben. Hier<strong>für</strong> kann die Entscheidung Van Mechelen gg.<br />
Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong> als Beispiel stehen. In ihr hat <strong>de</strong>r EGMR eine spezifisch fallbezogene<br />
Begründung von Rechtseinschränkungen beim Konfrontationsrecht<br />
gefor<strong>de</strong>rt. 22 Darüber hinaus ist <strong>de</strong>r EGMR bereit, Rechte anzuerkennen, die<br />
im Wortlaut <strong>de</strong>s Art. 6 EMRK zwar nicht genannt sind, sich jedoch als notwendige<br />
Vervollständigung <strong>de</strong>r genannten Rechte darstellen. Als wichtigstes<br />
Beispiel darf die Anerkennung <strong>de</strong>r europäischen Selbstbelastungsfreiheit<br />
gelten. 23<br />
Schließlich ist festzustellen, dass die Ableitungen <strong>de</strong>s EGMR nicht notwendig<br />
bei abstrakten Aussagen halt machen. Auch vor <strong>de</strong>m Hintergrund <strong>de</strong>r<br />
Subsidiarität ist sehr wohl zu verzeichnen, dass <strong>de</strong>r EGMR Urteile im De-<br />
20<br />
Siehe z.B. EGMR, Vau<strong>de</strong>lle v. FRA, Rep. 2001-I, §§ 52 ff.; Brennan v. GB, Rep.<br />
2001-X, §§ 58 ff.; näher m.w.N. Gae<strong>de</strong> (Fn. 5), S. 106 ff., 116 ff.<br />
21<br />
Z.B. EGMR, Artico v. IT, Nr. 37, §§ 33 ff.; näher Gae<strong>de</strong> (Fn. 5), S. 271 ff., 856 ff.<br />
22<br />
EGMR, Van Mechelen u.a. v. NL, Rep. 1997-III, §§ 56 ff.; BGer <strong>HRRS</strong> 2008 Nr.<br />
824; als weiteres Beispiel <strong>zum</strong> Verzicht Schöps v. D, Rep. 2001-I, §§ 47 ff.; näher<br />
erneut Gae<strong>de</strong> (Fn. 5), S. 111 ff., 710 ff.<br />
23<br />
Vgl. neben Jalloh etwa EGMR, Franke v. FRA, Nr. 256-B, §§ 41, 44; Villiger,<br />
Handbuch EMRK, 2. Aufl. (1999), Rn. 502; zu weiteren Beispielen Gae<strong>de</strong> (Fn.<br />
5), S. 112 ff., 290 ff. (312 ff. zu nemo tenetur), 644 ff.