HRRS-Festgabe für Gerhard Fezer zum 70 ... - hrr-strafrecht.de

22 Karsten Gaede
Der Verfasser dieser Zeilen hofft, sich mit einem lediglich überblicksartigen
Vortrag in die Reihe der Gratulanten einreihen zu dürfen. Sinn dieses Vortrages
war es, realistisch aufzuzeigen, weshalb und zu welchen Fragenkreisen
die Rechtsprechung des EGMR die deutsche Prozessrealität über bereits
viel diskutierte Themen hinaus befruchten kann. 2 Diese Befruchtung
müsste sich mit dem Anliegen Fezers treffen, das Verfahrensgerechtigkeit
tragende deutsche Strafprozessrecht zu bewahren und fortzuentwickeln.
Diese Annahme erscheint nicht grundlos, stellt sich doch die Rechtsprechung
des EGMR nicht stets aber doch hinreichend oft als »Appell von außen«
dar, den in der deutschen StPO etwa im Beweisantragsrecht mustergültig
ausgeprägten Geist konkreter und wirksamer Verteidigungsrechte
nicht verkümmern zu lassen.
II. Einleitung und Überblick
Nicht selten trifft man auf die Erwartung, dass die EMRK den deutschen
Strafprozess weiterhin zunehmend beeinflussen werde. Bei Staatsanwälten
und Richtern mischt sich in diese Erwartung oft die Sorge, ob deutsche
Rechtsprechungsstandards, die Effizienz sichern, denn auch in Straßburg
bestehen werden. Bei strafverteidigenden Rechtsanwälten drückt sich in
dieser Erwartung eine Hoffnung aus: Der EGMR möge die Gewichte durch
kräftige Interventionen zugunsten der Bürgerrechte verschieben! All diese
Erwartungen sind keine deutsche Eigenheit und nicht nur für Staaten mit
jungen Demokratien verständlich. Als die EMRK 1998 in Großbritannien in
Form des Human Rights Act inkorporiert wurde, findet sich in einem Urteil
des House of Lords folgende Feststellung. Gefasst heißt es bei Lord Slynn of
2
Der Vortrag wurde auf dem 1. Kölner Menschenrechtstag am 6. September
2008 gehalten, der vorwiegend von Rechtsanwälten und von einigen Richtern
besucht wurde. Die Vortragsform wurde bewusst beibehalten. Für diese Publikation
wurden einige wenige Ergänzungen vorgenommen.