HRRS-Festgabe für Gerhard Fezer zum 70 ... - hrr-strafrecht.de

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12 Daniela Demko strengeren Bestrafung nicht im Wege stünde. Dem Einwand der Regierung, wonach aufgrund der Aktenlage keine Veranlassung bestand, davon auszugehen, dass das Strafgericht eine mehr als 18-monatige und damit den bedingten Strafvollzug ausschließende Freiheitsstrafe aussprechen würde, hielt der EGMR entgegen: »… The Court notes however that this was no more than an estimation; the imposition of a more severe sentence was not a legal impossibility. Under section 19 para. 1 of the Federal Misuse of Drugs Act, in conjunction with Article 36 of the Swiss Criminal Code, the maximum sentence was three years’ imprisonment …«. 25 Mit jenem Kriterium des dem Angeklagten drohenden höchstmöglichen Strafmaßes greift der EGMR nicht nur auf ein solches zurück, das die Person des Angeklagten in den Mittelpunkt seiner Prüfung rückt, indem er danach fragt, was gerade für den Angeklagten »auf dem Spiel steht«. 26 Vielmehr verdeutlicht(e) der EGMR in Quaranta v. SWI, aber auch in seiner nachfolgenden Rechtsprechung, dass ihm allein schon dieses Kriterium des gesetzlich zulässigen höchstmöglichen Strafmaßes genügt (hätte), um die »interests of justice« zu bejahen, womit er nicht nur klarstellt(e), dass bereits das alternative Vorliegen nur eines seiner Prüfungskriterien für die Annahme der »interests of justice« ausreichen kann, 27 sondern zudem das betonte, 25 Quaranta v. SWI, Serie A Nr. 205, § 33. 26 Siehe dazu Quaranta v. SWI, Serie A Nr. 205, §§ 33, 34; ebenso Benham v. GB, Reports 1996-III, § 60; Maxwell v. GB, Serie A Nr. 300-C, § 41; vgl. auch Boner v. GB, Serie A Nr. 300-B, § 41: «… Of even greater relevance, however, the applicant had been sentenced to eight years’ imprisonment. For Mr Boner therefore the issue at stake was an extremely important one …” und § 44: «… the importance of the issue at stake in view of the severity of the sentence …”; Granger v. GB, Serie A Nr. 174, § 47: «… Mr Granger had been convicted on indictment of perjury and sentenced to five years’ imprisonment. There can thus be no question as to the importance of what was at stake in the appeal …”. 27 Quaranta v. SWI, Serie A Nr. 205, § 33: bezogen auf das erste Beurteilungskriterium hieß es etwa «… by reason of the mere fact …”.

Das Recht des Angeklagten auf unentgeltlichen Beistand eines Verteidigers 13 was er auch in seiner nachfolgenden Rechtsprechung stetig hervorhob: Wenn dem Angeklagten eine Freiheitsstrafe droht, dann steht für diesen aus Sicht des Gerichtshofs so viel auf dem Spiel, dass allein schon aus diesem Grunde die Bestellung eines unentgeltlichen Verteidigers grundsätzlich erforderlich ist: 28 In der Entscheidung Quaranta v. SWI hieß es insofern: »… In the present case, free legal assistance should have been afforded by reason of the mere fact that so much was at stake …«. 29 Ebenso wiederholte der EGMR in der Entscheidung Benham v. GB, in der der Beschwerdeführer mit einer Höchstfreiheitsstrafe von 3 Monaten konfrontiert gewesen ist: »… The Court agrees with the Commission that where deprivation of liberty is at stake, the interests of justice in principle call for legal representation …«. 30 Spricht sich der EGMR daher für den Fall einer drohenden Freiheitsstrafe für die grundsätzlich bestehende Pflicht zur Verteidigerbestellung aus, so bedeutet dies aber nicht, dass im Falle einer »nur« drohenden Geldstrafe die Bestellung eines unentgeltlichen Verteidigers nicht notwendig ist. Denn nicht nur, dass der EGMR bei diesem Beurteilungskriterium danach fragt, »was für den Angeklagten auf dem Spiel steht« 31 und eine Geldstrafe für einen mittellosen Angeklagten insofern ebenso von Gewicht sein kann, ist für die zu fordernde Loslösung der Pflicht zur staatlichen Bestellung eines 28 Siehe auch Benham v. GB, Reports 1996-III, § 61; Boner v. GB, Serie A Nr. 300-B, §§ 41, 44; Granger v. GB, Serie A Nr. 174, § 47. 29 Quaranta v. SWI, Serie A Nr. 205, § 33. 30 Benham v. GB, Reports 1996-III, § 61. 31 Quaranta v. SWI, Serie A Nr. 205, §§ 33, 34; Benham v. GB, Reports 1996-III, § 60; Maxwell v. GB, Serie A Nr. 300-C, § 41; vgl. bereits die Rechtsprechungshinweise in den Fn. 23 und 26.

Das Recht <strong>de</strong>s Angeklagten auf unentgeltlichen Beistand eines Verteidigers 13<br />

was er auch in seiner nachfolgen<strong>de</strong>n Rechtsprechung stetig hervorhob:<br />

Wenn <strong>de</strong>m Angeklagten eine Freiheitsstrafe droht, dann steht <strong>für</strong> diesen<br />

aus Sicht <strong>de</strong>s Gerichtshofs so viel auf <strong>de</strong>m Spiel, dass allein schon aus diesem<br />

Grun<strong>de</strong> die Bestellung eines unentgeltlichen Verteidigers grundsätzlich<br />

erfor<strong>de</strong>rlich ist: 28<br />

In <strong>de</strong>r Entscheidung Quaranta v. SWI hieß es insofern:<br />

»… In the present case, free legal assistance should have been affor<strong>de</strong>d<br />

by reason of the mere fact that so much was at stake …«. 29<br />

Ebenso wie<strong>de</strong>rholte <strong>de</strong>r EGMR in <strong>de</strong>r Entscheidung Benham v. GB, in <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Beschwer<strong>de</strong>führer mit einer Höchstfreiheitsstrafe von 3 Monaten konfrontiert<br />

gewesen ist:<br />

»… The Court agrees with the Commission that where <strong>de</strong>privation of<br />

liberty is at stake, the interests of justice in principle call for legal representation<br />

…«. 30<br />

Spricht sich <strong>de</strong>r EGMR daher <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Fall einer drohen<strong>de</strong>n Freiheitsstrafe<br />

<strong>für</strong> die grundsätzlich bestehen<strong>de</strong> Pflicht zur Verteidigerbestellung aus, so<br />

be<strong>de</strong>utet dies aber nicht, dass im Falle einer »nur« drohen<strong>de</strong>n Geldstrafe die<br />

Bestellung eines unentgeltlichen Verteidigers nicht notwendig ist. Denn<br />

nicht nur, dass <strong>de</strong>r EGMR bei diesem Beurteilungskriterium danach fragt,<br />

»was <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Angeklagten auf <strong>de</strong>m Spiel steht« 31 und eine Geldstrafe <strong>für</strong><br />

einen mittellosen Angeklagten insofern ebenso von Gewicht sein kann, ist<br />

<strong>für</strong> die zu for<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Loslösung <strong>de</strong>r Pflicht zur staatlichen Bestellung eines<br />

28<br />

Siehe auch Benham v. GB, Reports 1996-III, § 61; Boner v. GB, Serie A Nr. 300-B,<br />

§§ 41, 44; Granger v. GB, Serie A Nr. 174, § 47.<br />

29<br />

Quaranta v. SWI, Serie A Nr. 205, § 33.<br />

30<br />

Benham v. GB, Reports 1996-III, § 61.<br />

31<br />

Quaranta v. SWI, Serie A Nr. 205, §§ 33, 34; Benham v. GB, Reports 1996-III,<br />

§ 60; Maxwell v. GB, Serie A Nr. 300-C, § 41; vgl. bereits die Rechtsprechungshinweise<br />

in <strong>de</strong>n Fn. 23 und 26.

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