HRRS-Festgabe für Gerhard Fezer zum 70 ... - hrr-strafrecht.de
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200<br />
Frank Meyer<br />
Dieser Einklang mit <strong>de</strong>r Entwicklungsdynamik <strong>de</strong>r Verrechtsstaatlichung ist<br />
vorliegend auch <strong>de</strong>shalb wichtig, weil er die Nützlichkeit und Rechtfertigung<br />
von Anleihen und Bezugnahmen auf das öffentliche Recht, wie in dieser<br />
Untersuchung geschehen, belegt.<br />
Die beschriebene rechtsstaatliche Tradition hat aber zugleich nachteilige<br />
Nebenwirkungen gezeigt. Bei aller Rechtsstaatlichkeit ist mit Zippelius an<strong>zum</strong>erken,<br />
dass Gedanken unveräußerlicher Menschenrechte in <strong>de</strong>r älteren<br />
<strong>de</strong>utschen Staatstheorie sehr viel schwieriger aufzuspüren sind als in <strong>de</strong>r<br />
angelsächsischen Tradition. 248 Zurückzuführen ist dies auf das <strong>de</strong>utsche<br />
Verfassungsverständnis und <strong>de</strong>n Ursprung <strong>de</strong>s Rechtsstaatsprinzips. Das<br />
<strong>de</strong>utsche evolutionäre Verfassungskonzept zielte nicht auf die Neubegründung<br />
von Herrschaft ab, son<strong>de</strong>rn auf die Formung und Begrenzung bereits<br />
bestehen<strong>de</strong>r Herrschaft durch Verrechtlichung. 249 Evolutionäre Verfassungen<br />
konstituieren kein neues Gemeinwesen, son<strong>de</strong>rn stellen ein System von<br />
Beschränkungen <strong>de</strong>r etablierten souveränen (hier: <strong>für</strong>stlichen) Macht dar.<br />
Die Verrechtlichung <strong>de</strong>s Herrschaftsapparats und Rechtsschutz im Deutschland<br />
<strong>de</strong>s 18. und 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts fungierte als Kompensation <strong>für</strong> fehlen<strong>de</strong><br />
Volkssouveränität. Diese historische Dimension lässt die beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung<br />
<strong>de</strong>s Rechtsstaatsbegriffs <strong>für</strong> die <strong>de</strong>utsche Verfassungsentwicklung klar<br />
hervortreten. Der Begriff ist als staatseingrenzen<strong>de</strong>s Programm an <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong><br />
vom 18. <strong>zum</strong> 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt entstan<strong>de</strong>n. 250 Durch ihn wird das Recht<br />
<strong>zum</strong> primären Ordnungsmedium zur Gestaltung <strong>de</strong>s Lebens. Es umfasst<br />
dabei konsequent sowohl die Begrenzung als auch die Gewährleistung<br />
staatlichen Han<strong>de</strong>lns, um dadurch Menschenwür<strong>de</strong>, Freiheit, Gerechtigkeit<br />
und Rechtssicherheit gegenüber <strong>de</strong>r Staatsgewalt und im Verhältnis <strong>de</strong>r In-<br />
248<br />
Zippelius, Kleine <strong>de</strong>utsche Verfassungsgeschichte, 2. Aufl. (1995), S. 108; ausführlich<br />
Grimm, Die Zukunft <strong>de</strong>r Verfassung (1991), S. 79, 81, 86 f., 87 f., 92 ff.<br />
249<br />
Grimm, Die Zukunft <strong>de</strong>r Verfassung (1991), S. 109 ff., 159 ff.<br />
250<br />
Schmidt-Aßmann, HdStR, Bd. II, 3. Aufl. (2004), § 26 Rn. 13 ff.