HRRS-Festgabe für Gerhard Fezer zum 70 ... - hrr-strafrecht.de

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198 Frank Meyer richterlichen Kontrolle zu entziehen versuchen. 240 Dies geschah zunächst durch Ausbau und Vereinheitlichung des Rechtswegs zur nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit im Konzert mit einer Absenkung der Anforderungen an den Nachweis eines Rechtsschutzbedürfnisses. In einem zweiten Schritt wurde dann auch die Kontrolldichte richterlicher Entscheidungen reguliert und die zur nachträglichen Überprüfung berufenen Gerichte verpflichtet, die Voraussetzungen des Exekutivakts vollständig eigenverantwortlich nachzuprüfen. 241 Insbesondere sei die vollumfängliche gerichtliche Kontrolle der Annahme von »Gefahr im Verzug« verfassungsrechtlich geboten. 242 Hierbei handele es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der den Strafverfolgungsbehörden keine unüberprüfbaren Entscheidungsspielräume überlasse. 243 Um eine umfassende und eigenständige nachträgliche gerichtliche Überprüfung der Anordnungsvoraussetzungen zu ermöglichen, führte das BVerfG zudem über Art. 19 IV GG Dokumentations- und Begründungspflichten ein. Sowohl Ergebnis, Begründung als auch die tatsächlichen Grundlagen der »Eil«-Entscheidung müssen in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Durchsuchungsmaß- 240 Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes hat spezifische Vorwirkungen auf die Gestaltung des Ermittlungsverfahrens, Rabe von Kühlewein JR 2007, 517, 518 – im Einzelnen: Strafverfolgungsbehörden müssen regelmäßig versuchen, eine Anordnung des Ermittlungsrichters zu erlangen. Zur Annahme von Gefahr im Verzug müssen im Einzelfall Tatsachen vorliegen, die eine Gefährdung des Untersuchungserfolgs belegen. Diese Tatsachen sind von der anordnenden Stelle zu dokumentieren. Die Entscheidung ist zu begründen. Tatsachen und Begründung unterliegen der uneingeschränkten nachträglichen richterlichen Kontrolle gem. 304 oder 98 II 2 StPO. 241 Das Problem der Kontrolldichte berührt insofern den Schutzbereich des Art. 19 IV GG, dazu ausführlich Rabe von Kühlewein JR 2007, 517 ff. 242 BVerfGE 103, 142, 156 ff. Zur Sicherung des Richtervorbehalts, dessen Schutz in der Praxis der Strafverfolgung höchst unzureichend ist, hat das BVerfG angemahnt, dass der Begriff »Gefahr im Verzug« in Art. 13 Abs. 2 GG eng auszulegen sei. Die richterliche Anordnung müsse die Regel bleiben. 243 BVerfGE 103, 142, 158.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage im Strafprozessrecht 199 nahme in den Ermittlungsakten dargelegt werden. 244 Bei Inanspruchnahme einer originär gerichtlichen Eingriffsbefugnis durch die Exekutive erstrecke sich das Gebot effektiven Rechtsschutzes deshalb nach einer neueren Entscheidung auch auf die Kontrolle der Dokumentations- und Begründungspflichten der anordnenden Stelle. 245 Das BVerfG betont damit die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde. Es will weg vom ausschließlichen Verweis der Betroffenen auf die außerordentliche Korrektur im Wege der Verfassungsbeschwerde, den es wegen BVerfGE 43, 329, 343 selbst zu verantworten hatte, und drängt auf eine Zurückverlagerung des Schwerpunkts der Kontrolltätigkeit auf die Fachgerichte. 246 Es obliege zuvörderst den Fachgerichten, die Grundrechte zu wahren und durchzusetzen. 247 Die Funktionenteilung zwischen der Fach- und Verfassungsgerichtsbarkeit lasse es nicht zu, dass ein Beschwerdeführer, der durch eine erledigte Zwangsmaßnahme im Schutzbereich eines individuellen Grundrechts betroffen ist, erst und nur im Wege der Verfassungsbeschwerde effektiven Grundrechtsschutz einfordern kann. Das BVerfG erzwingt damit einen Standard gerichtlicher Kontrolle von Ermittlungsmaßnahmen, wie sie im Polizeirecht gang und gäbe ist. Die zusätzliche Stärkung der Fortsetzungsfeststellungsklage im Strafprozessrecht durch eine eigenständige Fallgruppe der Typizität läge mithin voll im Trend. 244 Die verfassungsrechtlich gebotene volle gerichtliche Kontrolle der Annahme von »Gefahr im Verzug« ist in der Praxis nur möglich, wenn die handelnden Behörden die Grundlagen ihrer Entscheidung hinreichend dokumentieren. So muss zeitnah dargelegt werden, aufgrund welcher Umstände der handelnde Beamte die Gefahr eines Beweismittelverlusts angenommen hat, BVerfG NJW 2001, 1121, 1124. Die Strafverfolgungsbehörden müssen nunmehr die Umstände aktenmäßig festhalten, um eine effektive Prüfung, ob tatsächlich Gefahr im Verzug vorlag, zu ermöglichen. 245 BVerfG JR 2007, 516 = HRRS 2007 Nr. 200. 246 Diese Konsequenz sieht Achenbach JuS 2000, 27, 31. 247 vgl. BVerfGE 47, 182, 190; 49, 252, 258; 63, 77, 79; 73, 322, 327; 94, 166, 213.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage im Strafprozessrecht 199<br />

nahme in <strong>de</strong>n Ermittlungsakten dargelegt wer<strong>de</strong>n. 244 Bei Inanspruchnahme<br />

einer originär gerichtlichen Eingriffsbefugnis durch die Exekutive erstrecke<br />

sich das Gebot effektiven Rechtsschutzes <strong>de</strong>shalb nach einer neueren Entscheidung<br />

auch auf die Kontrolle <strong>de</strong>r Dokumentations- und Begründungspflichten<br />

<strong>de</strong>r anordnen<strong>de</strong>n Stelle. 245<br />

Das BVerfG betont damit die Subsidiarität <strong>de</strong>r Verfassungsbeschwer<strong>de</strong>. Es<br />

will weg vom ausschließlichen Verweis <strong>de</strong>r Betroffenen auf die außeror<strong>de</strong>ntliche<br />

Korrektur im Wege <strong>de</strong>r Verfassungsbeschwer<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n es wegen<br />

BVerfGE 43, 329, 343 selbst zu verantworten hatte, und drängt auf eine Zurückverlagerung<br />

<strong>de</strong>s Schwerpunkts <strong>de</strong>r Kontrolltätigkeit auf die Fachgerichte.<br />

246 Es obliege zuvör<strong>de</strong>rst <strong>de</strong>n Fachgerichten, die Grundrechte zu wahren<br />

und durchzusetzen. 247 Die Funktionenteilung zwischen <strong>de</strong>r Fach- und Verfassungsgerichtsbarkeit<br />

lasse es nicht zu, dass ein Beschwer<strong>de</strong>führer, <strong>de</strong>r<br />

durch eine erledigte Zwangsmaßnahme im Schutzbereich eines individuellen<br />

Grundrechts betroffen ist, erst und nur im Wege <strong>de</strong>r Verfassungsbeschwer<strong>de</strong><br />

effektiven Grundrechtsschutz einfor<strong>de</strong>rn kann.<br />

Das BVerfG erzwingt damit einen Standard gerichtlicher Kontrolle von Ermittlungsmaßnahmen,<br />

wie sie im Polizeirecht gang und gäbe ist. Die zusätzliche<br />

Stärkung <strong>de</strong>r Fortsetzungsfeststellungsklage im Strafprozessrecht<br />

durch eine eigenständige Fallgruppe <strong>de</strong>r Typizität läge mithin voll im Trend.<br />

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Die verfassungsrechtlich gebotene volle gerichtliche Kontrolle <strong>de</strong>r Annahme<br />

von »Gefahr im Verzug« ist in <strong>de</strong>r Praxis nur möglich, wenn die han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong>n<br />

die Grundlagen ihrer Entscheidung hinreichend dokumentieren. So<br />

muss zeitnah dargelegt wer<strong>de</strong>n, aufgrund welcher Umstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> Beamte<br />

die Gefahr eines Beweismittelverlusts angenommen hat, BVerfG NJW<br />

2001, 1121, 1124. Die Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n müssen nunmehr die Umstän<strong>de</strong><br />

aktenmäßig festhalten, um eine effektive Prüfung, ob tatsächlich Gefahr<br />

im Verzug vorlag, zu ermöglichen.<br />

245<br />

BVerfG JR 2007, 516 = <strong>HRRS</strong> 2007 Nr. 200.<br />

246<br />

Diese Konsequenz sieht Achenbach JuS 2000, 27, 31.<br />

247<br />

vgl. BVerfGE 47, 182, 190; 49, 252, 258; 63, 77, 79; 73, 322, 327; 94, 166, 213.

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