HRRS-Festgabe für Gerhard Fezer zum 70 ... - hrr-strafrecht.de

Das Recht des Angeklagten auf unentgeltlichen Beistand eines Verteidigers 11
c. Die einzelnen Beurteilungskriterien
Im Rahmen der Beurteilung, ob die »interests of justice« die Bestellung eines
unentgeltlichen Verteidigers erfordern, greift der EGMR auf verschiedene
Einzelkriterien zurück.
aa. Die Schwere der Straftat und das mögliche
Höchstmaß der drohenden Bestrafung
Eines der Kriterien zur Beurteilung des Vorliegens der »interests of justice«,
auf die der EGMR in seiner Rechtsprechung häufig als erstes Prüfungskriterium
abstellt – und zwar eingebettet in die übergeordnete Fragestellung
nach dem, was für den Beschuldigten im jeweiligen Verfahrensstadium auf
dem Spiel steht 23 – ist die Schwere der Straftat und das mögliche Höchstmaß
der Bestrafung.
Auch in Quaranta v. SWI begann der EGMR seine Prüfung mit diesem Kriterium:
»… In the first place, consideration should be given to the seriousness
of the offence of which Mr Quaranta was accused and the severity of
the sentence which he risked …«. 24
Dabei stellte der Gerichtshof klar, dass er sich an dem gesetzlich zulässigen
Höchstmaß der Strafe ausrichtet. Für nicht maßgebend hielt er hingegen
das Strafmaß, das das Gericht vermutlich aussprechen würde, da es sich
dabei um eine bloße Prognose handele, die einer gesetzlich zulässigen
23
Siehe dazu etwa Quaranta v. SWI, Serie A Nr. 205, § 33: « … In the present case,
free legal assistance should have been afforded by reason of the mere fact that
so much was at stake” und § 34: «However, the outcome of the trial was of considerable
importance for the applicant …”; ebenso Benham v. GB, Reports 1996-
III, § 60: «regard must be had to the severity of the penalty at stake”; Maxwell v.
GB, Serie A Nr. 300-C, § 41; vgl. zudem die weiteren Entscheidungen in Fn 26.
24
Quaranta v. SWI, Serie A Nr. 205, § 33.