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138 Frank Meyer greifender Grundrechtseingriff vorliegt, dessen direkte Belastung nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt ist, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung vorgesehenen Instanz kaum erlangen kann, müsse die Möglichkeit einer nachträglichen Überprüfung eröffnet werden. Bereits diese Erweiterung nachträglichen deklaratorischen Rechtschutzes gegen erledigte Zwangsmaßnahmen war ein großer verfassungsrechtlicher Durchbruch, doch ging das BVerfG noch einen Schritt weiter. Es forderte die Fachgerichte nachdrücklich auf, bei der Durchführung solcher Feststellungsverfahren eine einheitliche Linie zu finden und übersichtliche Zuständigkeitsregeln zu schaffen. 30 Dieses über ein Jahrhundert währende Defizit ist unter maßgeblicher Beteiligung des BVerfG in der letzten Dekade durch die Fachgerichte energisch aufgegriffen worden. 31 Vor allem dem BGH ist es zuzuschreiben, dass die Schaffung eines sachdienlichen, umfassenden Kontrollsystems gelungen ist 32 und eine eklatante Rechtsschutzlücke im Ermittlungsverfahren geschlossen werden konnte. 33 Zwar findet sich immer noch keine § 113 I 4 VwGO entsprechende zentrale Vorschrift in der Strafprozessordnung, doch 30 BVerfGE 96, 44, 49 ff.; Schroth StV 1999, 117. 31 Vgl. BGHSt 44, 171, 174 f.; LG Hildesheim wistra 2007, 399, 400 – tief greifender Eingriff bei Durchsuchung von Geschäftsräumen ohne Typizität. 32 Siehe Darstellung der Entwicklung bei Amelung, BGH-FG (2000), S. 911 ff.; Malek/Wohlers, Zwangsmaßnahmen und Grundrechtseingriffe im Ermittlungsverfahren, 2. Aufl. (2001), Rn. 117 ff. 33 Laser NStZ 2000, 120, 124. Eine weiterhin ungelöstes Problem ist der (vorbeugende) Rechtsschutz gegen das Ermittlungsverfahren als solches, SK-Wohlers, Fn. 2, § 160 Rn. 98; nach h. M. gibt es keinen Rechtschutz gegen Einleitung und Durchführung des Ermittlungsverfahren, Rieß, FS Geerds (1995), S. 501, 502 ff.; OLG Frankfurt NStZ-RR 2008, 78 – Einleitung und Lenkung des Ermittlungsverfahrens seien keine Justiverwaltungsakte, sondern Prozesshandlungen. Im Widerspruch zu Art. 19 IV GG stünde diese Einordnung nicht, da es sich nur um ein vorbereitendes Verfahren handelt. Als Ausnahme werden nur schlechthin unhaltbare Erwägungen, also objektiv willkürliches Verhalten der Staatsanwaltschaft, anerkannt; a. A. Kölbel JR 2006, 322 ff., der Rechtsschutz gegen das Ermittlungsverfahren in erheblich größerem Umfang zulassen will.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage im Strafprozessrecht 139 sind dem Betroffenen trotz des Fehlens einer solchen ausdrücklichen spezifischen Regelung Rechtsbehelfe erwachsen, deren Funktion in toto der Fortsetzungsfeststellungsklage in der VwGO entspricht. Gerhard Fezer hat die Evolution der Fortsetzungsfeststellungsklage im Strafprozessrecht von Beginn an konstruktiv-kritisch begleitet. Schon früh findet sich in seinen Schriften eine Betonung der selbstständigen Bedeutung des Ermittlungsverfahrens neben der gerichtlichen Hauptverhandlung und der Notwendigkeit gerichtlicher Kontrolle der Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaften. 34 Die Schwere der Eingriffe bei Zwangsmaßnahmen verlange nach umfassendem Rechtsschutz. Er rügte deshalb alsbald sowohl die Rechtswegzersplitterung infolge der unübersichtlichen und uneinheitlichen Gewährung von Rechtsbehelfen gegen erledigte Zwangsmaßnahmen 35 als auch die Verweigerung nachträglichen Rechtsschutzes gegen richterliche Anordnungen. Auch diese müssten gem. §§ 304 ff. StPO überprüfbar sein. 36 Die Figur »prozessualer Überholung« sei in ihrer Anwendung auf Zwangsmaßnahmen nicht zu rechtfertigen. Man dürfe nicht den Fehler begehen, die Anordnung solcher Eingriffe mit Entscheidungen gleichzusetzen, die ausschließlich innerprozessuale Wirkungen haben. 37 Die Auswirkungen von Zwangsmaßnahmen auf ihre Adressaten gingen materiell weit über die Gestaltung der formellen Prozesslage hinaus, 38 weshalb die Beeinträchtigung auch nicht allein aufgrund des Fortgangs des Prozesses fortfallen kann. 39 Die Verwerfung der Rechtsfigur der prozessualen Überholung durch 34 Fezer, GS Schröder (1978), S. 407,410 f., 412 f. 35 Fezer Jura 1982, 18, 19. 36 Fezer Jura 1982, 126, 138. 37 Fezer Jura 1982, 126, 134. 38 Fezer Jura 1982, 126, 135; ebenso Amelung, Rechtsschutz gegen strafprozessuale Grundrechtseingriffe (1976), S. 55 f. 39 So auch Bornmann, Die Struktur der strafprozessualen Beschwerde (2008), S. 161 f.

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Frank Meyer<br />

greifen<strong>de</strong>r Grundrechtseingriff vorliegt, <strong>de</strong>ssen direkte Belastung nach <strong>de</strong>m<br />

typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt ist, in welcher<br />

<strong>de</strong>r Betroffene eine gerichtliche Entscheidung in <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Prozessordnung<br />

vorgesehenen Instanz kaum erlangen kann, müsse die Möglichkeit<br />

einer nachträglichen Überprüfung eröffnet wer<strong>de</strong>n. Bereits diese Erweiterung<br />

nachträglichen <strong>de</strong>klaratorischen Rechtschutzes gegen erledigte<br />

Zwangsmaßnahmen war ein großer verfassungsrechtlicher Durchbruch,<br />

doch ging das BVerfG noch einen Schritt weiter. Es for<strong>de</strong>rte die Fachgerichte<br />

nachdrücklich auf, bei <strong>de</strong>r Durchführung solcher Feststellungsverfahren eine<br />

einheitliche Linie zu fin<strong>de</strong>n und übersichtliche Zuständigkeitsregeln zu<br />

schaffen. 30 Dieses über ein Jahrhun<strong>de</strong>rt währen<strong>de</strong> Defizit ist unter maßgeblicher<br />

Beteiligung <strong>de</strong>s BVerfG in <strong>de</strong>r letzten Deka<strong>de</strong> durch die Fachgerichte<br />

energisch aufgegriffen wor<strong>de</strong>n. 31 Vor allem <strong>de</strong>m BGH ist es zuzuschreiben,<br />

dass die Schaffung eines sachdienlichen, umfassen<strong>de</strong>n Kontrollsystems gelungen<br />

ist 32 und eine eklatante Rechtsschutzlücke im Ermittlungsverfahren<br />

geschlossen wer<strong>de</strong>n konnte. 33 Zwar fin<strong>de</strong>t sich immer noch keine § 113 I 4<br />

VwGO entsprechen<strong>de</strong> zentrale Vorschrift in <strong>de</strong>r Strafprozessordnung, doch<br />

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BVerfGE 96, 44, 49 ff.; Schroth StV 1999, 117.<br />

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Vgl. BGHSt 44, 171, 174 f.; LG Hil<strong>de</strong>sheim wistra 2007, 399, 400 – tief greifen<strong>de</strong>r<br />

Eingriff bei Durchsuchung von Geschäftsräumen ohne Typizität.<br />

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Siehe Darstellung <strong>de</strong>r Entwicklung bei Amelung, BGH-FG (2000), S. 911 ff.; Malek/Wohlers,<br />

Zwangsmaßnahmen und Grundrechtseingriffe im Ermittlungsverfahren,<br />

2. Aufl. (2001), Rn. 117 ff.<br />

33<br />

Laser NStZ 2000, 120, 124. Eine weiterhin ungelöstes Problem ist <strong>de</strong>r (vorbeugen<strong>de</strong>)<br />

Rechtsschutz gegen das Ermittlungsverfahren als solches, SK-Wohlers,<br />

Fn. 2, § 160 Rn. 98; nach h. M. gibt es keinen Rechtschutz gegen Einleitung<br />

und Durchführung <strong>de</strong>s Ermittlungsverfahren, Rieß, FS Geerds (1995), S. 501,<br />

502 ff.; OLG Frankfurt NStZ-RR 2008, 78 – Einleitung und Lenkung <strong>de</strong>s Ermittlungsverfahrens<br />

seien keine Justiverwaltungsakte, son<strong>de</strong>rn Prozesshandlungen.<br />

Im Wi<strong>de</strong>rspruch zu Art. 19 IV GG stün<strong>de</strong> diese Einordnung nicht, da es<br />

sich nur um ein vorbereiten<strong>de</strong>s Verfahren han<strong>de</strong>lt. Als Ausnahme wer<strong>de</strong>n nur<br />

schlechthin unhaltbare Erwägungen, also objektiv willkürliches Verhalten <strong>de</strong>r<br />

Staatsanwaltschaft, anerkannt; a. A. Kölbel JR 2006, 322 ff., <strong>de</strong>r Rechtsschutz<br />

gegen das Ermittlungsverfahren in erheblich größerem Umfang zulassen will.

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