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136 Frank Meyer In der Retrospektive verwundert es, dass die Bedeutung von Rechtsschutz im Ermittlungsverfahren lange Zeit nicht erkannt wurde. Die Aufmerksamkeit von Gesetzgeber, Justiz und Wissenschaft galt über Jahrzehnte ausschließlich dem Hauptverfahren. Rechtsverstöße im Ermittlungsverfahren waren nach Erledigung allenfalls unter dem Blickwinkel der Beweisverwertung relevant. Erst seit etwa 35 Jahren wird die Problematik des Rechtsschutzes gegen Zwangsmaßnahmen im Ermittlungsverfahren intensiver diskutiert. 25 Doch blieben die kritischen Stimmen im Schrifttum lange ungehört. Die Legitimation der herrschenden Gerichtspraxis durch die Entscheidungen des BVerfG schien die Rechtsentwicklung eingefroren zu haben. 26 Erst ein Umdenken im BVerfG vermochte es daher, der Rechtsfortbildung neue Impulse zu verleihen. Das BVerfG hatte die Betroffenen ursprünglich als einzig verbleibende Option bei richterlich angeordneten Zwangsmaßnahmen auf die Verfassungsbeschwerde verwiesen. Nachdem sich Beschwerdefälle häuften und eine neue Richterbank installiert war, begann Karlsruhe 1997 diese Verfassungsbeschwerden in zwei Grundsatzentscheidungen als Vehikel für den Vollzug einer dramatischen Kehrtwende zu nutzen. 27 Man befand, dass effektiver Rechtsschutz aus 19 IV GG auch bei richterlich angeordneten Zwangsmaßnahmen geboten sei. 28 Die Figur der prozessualen Überholung 25 Pionierarbeit hat hier Amelung, Rechtschutz gegen strafprozessuale Grundrechtseingriffe (1976), geleistet; auch Peters hat sich schon früh für eine Vereinheitlichung der Rechtswege eingesetzt, JR 1972, 300 ff.; JR 1973, 340 ff.; man beachte ferner die wichtigen Beiträge von Haffke, NJW 1974, 1983 ff., und Rieß/Thym, GA 1981, 189 ff. 26 Auch ein Referentenentwurf aus Jahr 1981 zur Vereinheitlichung und Verbesserung des Rechtsschutzes scheiterte; vgl. dazu bei Glaser, Der Rechtsschutz nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO (2008), S. 337 ff. 27 BVerfGE 96, 27 ff.; 96, 44 ff.; zustimmend Fezer JZ 1997, 1062; Roxin StV 1997, 654; Achenbach JuS 2000, 27. 28 BVerfGE 96, 27, 38 ff.; dazu Amelung JR 1997, 384 f.; Fezer JZ 1997, 1062 ff.; Rabe von Kühlewein NStZ 1998, 580. Eine Plenarentscheidung aus jüngerer Zeit

Die Fortsetzungsfeststellungsklage im Strafprozessrecht 137 wurde aufgegeben, weil materielle Grundrechtspositionen unabhängig von der Prozesslage und spezifischen innerprozessualen Rechten betroffen sein können. 29 Grundrechtseingriffe müssten aber durch ein Gericht als Kontrollorgan der Strafverfolgungsbehörden kontrollierbar sein. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Zwangsmaßnahme dürfe deshalb nicht allein unter Hinweis auf die Erledigung versagt werden. Jedenfalls wenn ein tief lässt allerdings Zweifel daran aufkommen, ob Art. 19 IV GG oder der allgemeine Justizgewährungsanspruch die passende normative Grundlage für den Rechtsschutz gegen Anordnungen des Richters ist, BVerfGE 107, 395. Das BVerfG erläutert dort, dass sich der allgemeine Justizgewährungsanspruch und die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG als dessen Spezialregelung im rechtsstaatlichen Kerngehalt nicht, wohl aber hinsichtlich ihrer Anwendungsbereiche unterscheiden. Das Plenum fügt konkretisierend hinzu, dass die einengende Auslegung des Begriffs der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG unter dem Aspekt der Rechtsstaatlichkeit jedenfalls dann keinen Bedenken unterliegt, wenn der allgemeine Justizgewährungsanspruch Rechtsschutz auch in den von Art. 19 Abs. 4 GG nicht erfassten Fällen ermöglicht, soweit dies rechtsstaatlich geboten ist. Denn diese Norm steht der Annahme nicht entgegen, dass der allgemeine Justizgewährungsanspruch Rechtsschutz unter zum Teil anderen tatbestandlichen Voraussetzungen garantiert, BVerfGE 107, 395. Der Justizgewährungsanspruch ermöglicht Rechtsschutz auch in weiteren Fällen, in denen dies rechtsstaatlich geboten ist. So liegt es bei der erstmaligen Verletzung von Verfahrensgrundrechten durch ein Gericht, BVerfGE 107, 395, 407. Die Verfahrensgrundrechte, insbesondere die des Art. 101 Abs. 1 und des Art. 103 Abs. 1 GG, sichern in Form eines grundrechtsgleichen Rechts die Einhaltung rechtsstaatlicher Mindeststandards. In einem Rechtsstaat gehört zu einer grundrechtlichen Garantie die Möglichkeit einer zumindest einmaligen gerichtlichen Kontrolle ihrer Einhaltung. Im Schrifttum war schon zuvor kritisiert worden, dass mit Art. 19 IV GG nicht die am besten geeignete Verfassungsnorm gewählt worden sei. Allerdings rekurrierten diese Stimmen nicht auf den allgemeinen Justizgewährungsanspruch. Zur verfassungsrechtlichen Verankerung der Rechtsfortbildung wäre nach Amelung/Wirth das Justizgrundrecht auf Gewährung rechtlichen Gehörs gem. Art. 103 GG effektiver, da Art. 19 IV GG sich auf das bestehende Rechtsbehelfssystem bezieht, aber den Gesetzgeber nicht an Korrekturen zum Nachteil der Betroffenen hindert Amelung/Wirth StV 2002, 161, 163. Auch Roxin hält diesen Aspekt für entscheidend, StV 1997, 654, 655; ebenso Krach Jura 2001, 737, 738, und Achenbach JuS 2000, 27, 30. 29 So schon Ellersiek, Die Beschwerde im Strafprozeß (1981), S. 59; ausführlich Glaser, Der Rechtsschutz nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO (2008), S. 216 ff.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage im Strafprozessrecht 137<br />

wur<strong>de</strong> aufgegeben, weil materielle Grundrechtspositionen unabhängig von<br />

<strong>de</strong>r Prozesslage und spezifischen innerprozessualen Rechten betroffen sein<br />

können. 29 Grundrechtseingriffe müssten aber durch ein Gericht als Kontrollorgan<br />

<strong>de</strong>r Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n kontrollierbar sein. Die Überprüfung<br />

<strong>de</strong>r Rechtmäßigkeit einer Zwangsmaßnahme dürfe <strong>de</strong>shalb nicht allein<br />

unter Hinweis auf die Erledigung versagt wer<strong>de</strong>n. Je<strong>de</strong>nfalls wenn ein tief<br />

lässt allerdings Zweifel daran aufkommen, ob Art. 19 IV GG o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r allgemeine<br />

Justizgewährungsanspruch die passen<strong>de</strong> normative Grundlage <strong>für</strong> <strong>de</strong>n<br />

Rechtsschutz gegen Anordnungen <strong>de</strong>s Richters ist, BVerfGE 107, 395. Das<br />

BVerfG erläutert dort, dass sich <strong>de</strong>r allgemeine Justizgewährungsanspruch und<br />

die Rechtsweggarantie <strong>de</strong>s Art. 19 Abs. 4 GG als <strong>de</strong>ssen Spezialregelung im<br />

rechtsstaatlichen Kerngehalt nicht, wohl aber hinsichtlich ihrer Anwendungsbereiche<br />

unterschei<strong>de</strong>n. Das Plenum fügt konkretisierend hinzu, dass die einengen<strong>de</strong><br />

Auslegung <strong>de</strong>s Begriffs <strong>de</strong>r öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG unter<br />

<strong>de</strong>m Aspekt <strong>de</strong>r Rechtsstaatlichkeit je<strong>de</strong>nfalls dann keinen Be<strong>de</strong>nken unterliegt,<br />

wenn <strong>de</strong>r allgemeine Justizgewährungsanspruch Rechtsschutz auch in <strong>de</strong>n<br />

von Art. 19 Abs. 4 GG nicht erfassten Fällen ermöglicht, soweit dies rechtsstaatlich<br />

geboten ist. Denn diese Norm steht <strong>de</strong>r Annahme nicht entgegen, dass<br />

<strong>de</strong>r allgemeine Justizgewährungsanspruch Rechtsschutz unter <strong>zum</strong> Teil an<strong>de</strong>ren<br />

tatbestandlichen Voraussetzungen garantiert, BVerfGE 107, 395. Der Justizgewährungsanspruch<br />

ermöglicht Rechtsschutz auch in weiteren Fällen, in <strong>de</strong>nen<br />

dies rechtsstaatlich geboten ist. So liegt es bei <strong>de</strong>r erstmaligen Verletzung von<br />

Verfahrensgrundrechten durch ein Gericht, BVerfGE 107, 395, 407. Die Verfahrensgrundrechte,<br />

insbeson<strong>de</strong>re die <strong>de</strong>s Art. 101 Abs. 1 und <strong>de</strong>s Art. 103 Abs. 1<br />

GG, sichern in Form eines grundrechtsgleichen Rechts die Einhaltung rechtsstaatlicher<br />

Min<strong>de</strong>ststandards. In einem Rechtsstaat gehört zu einer grundrechtlichen<br />

Garantie die Möglichkeit einer <strong>zum</strong>in<strong>de</strong>st einmaligen gerichtlichen Kontrolle<br />

ihrer Einhaltung. Im Schrifttum war schon zuvor kritisiert wor<strong>de</strong>n, dass<br />

mit Art. 19 IV GG nicht die am besten geeignete Verfassungsnorm gewählt<br />

wor<strong>de</strong>n sei. Allerdings rekurrierten diese Stimmen nicht auf <strong>de</strong>n allgemeinen<br />

Justizgewährungsanspruch. Zur verfassungsrechtlichen Verankerung <strong>de</strong>r<br />

Rechtsfortbildung wäre nach Amelung/Wirth das Justizgrundrecht auf Gewährung<br />

rechtlichen Gehörs gem. Art. 103 GG effektiver, da Art. 19 IV GG sich auf<br />

das bestehen<strong>de</strong> Rechtsbehelfssystem bezieht, aber <strong>de</strong>n Gesetzgeber nicht an<br />

Korrekturen <strong>zum</strong> Nachteil <strong>de</strong>r Betroffenen hin<strong>de</strong>rt Amelung/Wirth StV 2002,<br />

161, 163. Auch Roxin hält diesen Aspekt <strong>für</strong> entschei<strong>de</strong>nd, StV 1997, 654, 655;<br />

ebenso Krach Jura 2001, 737, 738, und Achenbach JuS 2000, 27, 30.<br />

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So schon Ellersiek, Die Beschwer<strong>de</strong> im Strafprozeß (1981), S. 59; ausführlich<br />

Glaser, Der Rechtsschutz nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO (2008), S. 216 ff.

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