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124 Diethelm Klesczewski ist daher klar, dass der Bürger, der sich von dem allgemeinen Gehorsamsvertrag lossagt, sich gleichzeitig von allen Gesetzen lossagt. (…) Dieses Verbrechen wird Majestätsverletzung oder Hochverrat genannt.« Es hat eine besondere Qualität: »Das Vergehen (…) enthält 58 eine Verletzung des natürlichen und nicht des Staatsgesetzes. Denn die Verbindlichkeit zum Gehorsam gegen den Staat, auf dem die Kraft des Staatsgesetzes beruht, geht allen Staatsgesetzen voraus …« 59 Daraus schließt Hobbes dann: »Hieraus erhellt, dass die Aufrührer, Verräter und alle andern des Hochverrats Überführten nicht nach den Gesetzen des Staates, sondern nach den natürlichen bestraft werden; d. h. man straft sie, nicht weil sie schlechte Bürger, sondern weil sie Staatsfeinde sind (…).« 60 3. Das Theorem des Feindstrafrechts An diese Unterscheidung knüpft nun Günter Jakobs mit seinem Theorem des Feindstrafrechts an. 61 a) Ausgangspunkt ist für ihn: »Zweck des Rechtsstaats ist (…) wirkliche Geltung eines Rechts, das Freiheit ermöglicht.« 62 Wenn seine Normen die Gestalt einer Gesellschaft wirklich bestimmen sollen, muss normgemäßes 58 Th. Hobbes, De Cive, 1642, 14. Kap., 20. Abschnitt, zitiert nach Grundzüge der Philosophie. Zweiter und dritter Teil: Lehre vom Menschen und Bürger. Deutsch herausgegeben von Max Frischeisen-Köhler, Leipzig 1918, S. 239 f. 59 Hobbes, De Cive (Fn. 58), 14. Kap., 21. Abschnitt, Grundzüge II/III, S. 240. 60 Hobbes, De Cive (Fn. 58), 14. Kap., 22. Abschnitt, Grundzüge II/III, S. 240 f. 61 G. Jakobs, Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht, in: Foundations and Limits of Criminal Law and Criminal Procedure. Gedächtnisschrift Prof. Fu-Tseng-Hung, hrsg. v. Yu-hsiu Hsu, Taipei 2003, S. 41 - 61 = HRRS 2004, 88 - 95. Die Anknüpfung an Hobbes findet sich dort: HRRS 2004, 88, 90 f., vgl. w. Jakobs, ZStW 117 (2005), 839 ff.; ders: HHRS 2006, 289 ff. 62 G. Jakobs, ZStW 117 (2005), 839, 841.

Tatbestandsbildung als Feinderklärung? 125 Verhalten in der Hauptsache wirklich erwartbar sein. Es reicht nicht aus, dass man weiß, im Recht zu sein. Niemand geht nachts durch einen Park, wenn er damit rechnen muss dort ausgeraubt zu werden. 63 Zur Wiederherstellung der Normgeltung genügt es daher nicht, dem Rechtsbruch nur mit Strafe zu widersprechen. Vielmehr bedarf die Erwartbarkeit der Normtreue anderer – darin liegt m. E. ein bedenkenswerter Gedanke von Jakobs - auch einer gewissen kognitiven Untermauerung. Diese bezieht sich auch auf die Bereitwilligkeit des Täters, sich in seinem Verhalten an Recht und Unrecht zu orientieren. 64 Enttäuscht er diese Erwartung personalen Verhaltens dauerhaft, dann schwindet bei anderen die Bereitschaft, ihn als Person anzuerkennen. Wer sich durch seine Haltung oder durch seine Einbindung in eine Organisation vermutlich dauerhaft, zumindest aber entschieden vom Recht abgewandt hat, den erklärt die Gesellschaft zu ihrem Feind und bekämpft ihn als Gefahr. Symptome für ein solches Strafrecht sind daher: die Vorverlagerung der Strafbarkeit in den Bereich der Vorbereitung, die Umfunktionierung der Strafe zu einem Instrument der Gefahrenabwehr und die Aufhebung der Prozesssubjektsstellung des Beschuldigten im Strafverfahren. 65 Legt man diese Maßstäbe an die oben dargestellte Anwendung der §§ 129 ff. StGB im Strafprozess an, so lässt sich kaum bestreiten, dass sie deutliche Züge eines Feindstrafrechts tragen. b) Damit ist natürlich noch nicht ausgemacht, ob diese Art von Feindstrafrecht auch legitim ist. Unabhängig von der Möglichkeit, dieses Theorem (wie bisher hier) zur Beschreibung bestimmter rechtstatsächlicher Phäno- 63 G. Jakobs, HRRS 2004, 88, 91. 64 Ibid. 65 Jakobs, HRRS 2004, S. 88, 92.

Tatbestandsbildung als Fein<strong>de</strong>rklärung? 125<br />

Verhalten in <strong>de</strong>r Hauptsache wirklich erwartbar sein. Es reicht nicht aus,<br />

dass man weiß, im Recht zu sein. Niemand geht nachts durch einen Park,<br />

wenn er damit rechnen muss dort ausgeraubt zu wer<strong>de</strong>n. 63 Zur Wie<strong>de</strong>rherstellung<br />

<strong>de</strong>r Normgeltung genügt es daher nicht, <strong>de</strong>m Rechtsbruch nur mit<br />

Strafe zu wi<strong>de</strong>rsprechen. Vielmehr bedarf die Erwartbarkeit <strong>de</strong>r Normtreue<br />

an<strong>de</strong>rer – darin liegt m. E. ein be<strong>de</strong>nkenswerter Gedanke von Jakobs - auch<br />

einer gewissen kognitiven Untermauerung. Diese bezieht sich auch auf die<br />

Bereitwilligkeit <strong>de</strong>s Täters, sich in seinem Verhalten an Recht und Unrecht<br />

zu orientieren. 64 Enttäuscht er diese Erwartung personalen Verhaltens dauerhaft,<br />

dann schwin<strong>de</strong>t bei an<strong>de</strong>ren die Bereitschaft, ihn als Person anzuerkennen.<br />

Wer sich durch seine Haltung o<strong>de</strong>r durch seine Einbindung in eine<br />

Organisation vermutlich dauerhaft, <strong>zum</strong>in<strong>de</strong>st aber entschie<strong>de</strong>n vom Recht<br />

abgewandt hat, <strong>de</strong>n erklärt die Gesellschaft zu ihrem Feind und bekämpft<br />

ihn als Gefahr. Symptome <strong>für</strong> ein solches Strafrecht sind daher: die Vorverlagerung<br />

<strong>de</strong>r Strafbarkeit in <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r Vorbereitung, die Umfunktionierung<br />

<strong>de</strong>r Strafe zu einem Instrument <strong>de</strong>r Gefahrenabwehr und die Aufhebung<br />

<strong>de</strong>r Prozesssubjektsstellung <strong>de</strong>s Beschuldigten im Strafverfahren. 65<br />

Legt man diese Maßstäbe an die oben dargestellte Anwendung <strong>de</strong>r §§ 129<br />

ff. StGB im Strafprozess an, so lässt sich kaum bestreiten, dass sie <strong>de</strong>utliche<br />

Züge eines Feind<strong>strafrecht</strong>s tragen.<br />

b) Damit ist natürlich noch nicht ausgemacht, ob diese Art von Feind<strong>strafrecht</strong><br />

auch legitim ist. Unabhängig von <strong>de</strong>r Möglichkeit, dieses Theorem<br />

(wie bisher hier) zur Beschreibung bestimmter rechtstatsächlicher Phäno-<br />

63<br />

G. Jakobs, <strong>HRRS</strong> 2004, 88, 91.<br />

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Ibid.<br />

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Jakobs, <strong>HRRS</strong> 2004, S. 88, 92.

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