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122 Diethelm Klesczewski 4. Zwischenergebnis Halten wir fest: a) Die §§ 129 ff. StGB pönalisieren nicht eine Tat. Sie kriminalisieren einen wegen seiner Einstellung als gefährlich angesehenen Täter. § 129 StGB widerspricht daher dem Tatprinzip und hat in einem Bürgerstrafrecht keinen Platz. b) Die §§ 129 ff. StGB entgrenzen den Gegenstand einer strafprozessualen Untersuchung und lassen sich in einem rechtsstaatlichen Verfahren nicht mehr bewältigen. Sie nähern ein Strafverfahren damit einem in polizeilichem Geiste geführten Inquisitionsprozess an. II. Feinderklärung und Strafrecht Lässt sich § 129 StGB damit als eine Feinderklärung verstehen? Ist er eine Erscheinungsform von Feindstrafrecht? Zu diesem Zwecke möchte ich auf das Theorem des Feindstrafrechts eingehen. Es findet seinen Vorläufer in der Feinderklärung des Römischen Rechts. 1. Die Erklärung zum Feind im Römischen Recht Die Feinderklärung findet ihren Ursprung im Römischen Recht: Zur Kompetenz des römischen Senats gehörte in Zeiten der entwickelten Republik auch die Erklärung zum Staatsfeind (hostis rei publicae). 54 Dies war eine Maßnahme, die der Senat in Fällen äußersten politischen Notstandes ergriff. Mit dieser Erklärung räumte der Senat den Konsuln und anderen Ma- 54 Die Entscheidung fiel durch senatus consultum ultimum; näher: Th. Mommsen, Römisches Staatsrecht, Dritter Band: Bürgerschaft und Senat, Zweite Abteilung, 4. Aufl., Tübingen 1952, S. 1240 ff.

Tatbestandsbildung als Feinderklärung? 123 gistraten gleichsam diktatorische Vollmachten ein. Der Senat griff zu dieser Maßnahme erst gegen Ende der Republik in den Zeiten beginnender sozialer Unruhen. Sicher belegt ist die Maßnahme erstmalig gegen Gaius Sempronius Gracchus im Jahre 121 v. Chr. 55 Durch die Erklärung des Kriegszustandes werden die bezeichneten Personen in die Lage eines Angehörigen einer fremden Macht versetzt und wie Landesverräter verfolgt. Von besonderer Bedeutung ist dabei nun, dass die Vollmacht gegen sie nicht auf die unmittelbare Gefahrenabwehr beschränkt war. Vielmehr ging man davon aus, dass der Landesverräter schon durch seine Tat das Bürgerrecht verliert und damit als Feind bestraft werden muss. 56 2. Die Adaption der Feinderklärung in der Neuzeit Einen ähnlichen Gedankengang finden wir auch in der Neuzeit bei Thomas Hobbes. Die Legitimation des Staates liegt bei ihm in der Überwindung des Naturzustandes. 57 Es entspricht daher dem natürlichen Gesetz, dass sich die Bürger untereinander zum Gehorsam gegenüber der staatlichen Autorität verpflichten. Hieraus leitet Hobbes die Unterscheidung zwischen dem gewöhnlichen Kriminellen und dem Feind her: »Vermöge des Vertrages, wodurch die einzelnen Bürger sich untereinander zum (…) Gehorsam (…) gegen den Staat (…) verpflichtet haben, sind sie auch verpflichtet, die einzelnen Gesetze des Staates zu beobachten; befasst doch jener Vertrag alle diese Gesetze in sich; es 55 W. Waldstein/J. M. Rainer, Römische Rechtsgeschichte, 10. Aufl., München 2005, § 16 Rn. 15 f. 56 Das sog. hostem iudicare: Paulus, Digesten, 4, 5, 5, 1. Zum Ganzen: Th. Mommsen, Römisches Strafrecht, Leipzig 1899, S. 256. 57 Th. Hobbes, Leviathan, 1651, 2. Teil, 17. Kap., zitiert nach der Reclam Ausgabe, Stuttgart 1970, S. 155.

Tatbestandsbildung als Fein<strong>de</strong>rklärung? 123<br />

gistraten gleichsam diktatorische Vollmachten ein. Der Senat griff zu dieser<br />

Maßnahme erst gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Republik in <strong>de</strong>n Zeiten beginnen<strong>de</strong>r sozialer<br />

Unruhen. Sicher belegt ist die Maßnahme erstmalig gegen Gaius Sempronius<br />

Gracchus im Jahre 121 v. Chr. 55<br />

Durch die Erklärung <strong>de</strong>s Kriegszustan<strong>de</strong>s wer<strong>de</strong>n die bezeichneten Personen<br />

in die Lage eines Angehörigen einer frem<strong>de</strong>n Macht versetzt und wie<br />

Lan<strong>de</strong>sverräter verfolgt. Von beson<strong>de</strong>rer Be<strong>de</strong>utung ist dabei nun, dass die<br />

Vollmacht gegen sie nicht auf die unmittelbare Gefahrenabwehr beschränkt<br />

war. Vielmehr ging man davon aus, dass <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sverräter schon durch<br />

seine Tat das Bürgerrecht verliert und damit als Feind bestraft wer<strong>de</strong>n<br />

muss. 56<br />

2. Die Adaption <strong>de</strong>r Fein<strong>de</strong>rklärung in <strong>de</strong>r Neuzeit<br />

Einen ähnlichen Gedankengang fin<strong>de</strong>n wir auch in <strong>de</strong>r Neuzeit bei Thomas<br />

Hobbes. Die Legitimation <strong>de</strong>s Staates liegt bei ihm in <strong>de</strong>r Überwindung <strong>de</strong>s<br />

Naturzustan<strong>de</strong>s. 57 Es entspricht daher <strong>de</strong>m natürlichen Gesetz, dass sich<br />

die Bürger untereinan<strong>de</strong>r <strong>zum</strong> Gehorsam gegenüber <strong>de</strong>r staatlichen Autorität<br />

verpflichten. Hieraus leitet Hobbes die Unterscheidung zwischen <strong>de</strong>m<br />

gewöhnlichen Kriminellen und <strong>de</strong>m Feind her:<br />

»Vermöge <strong>de</strong>s Vertrages, wodurch die einzelnen Bürger sich untereinan<strong>de</strong>r<br />

<strong>zum</strong> (…) Gehorsam (…) gegen <strong>de</strong>n Staat (…) verpflichtet haben,<br />

sind sie auch verpflichtet, die einzelnen Gesetze <strong>de</strong>s Staates zu<br />

beobachten; befasst doch jener Vertrag alle diese Gesetze in sich; es<br />

55<br />

W. Waldstein/J. M. Rainer, Römische Rechtsgeschichte, 10. Aufl., München 2005,<br />

§ 16 Rn. 15 f.<br />

56<br />

Das sog. hostem iudicare: Paulus, Digesten, 4, 5, 5, 1. Zum Ganzen: Th. Mommsen,<br />

Römisches Strafrecht, Leipzig 1899, S. 256.<br />

57<br />

Th. Hobbes, Leviathan, 1651, 2. Teil, 17. Kap., zitiert nach <strong>de</strong>r Reclam Ausgabe,<br />

Stuttgart 19<strong>70</strong>, S. 155.

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