HRRS-Festgabe für Gerhard Fezer zum 70 ... - hrr-strafrecht.de
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120 Diethelm Klesczewski Dieser Zusammenhang zwischen dem materiell-rechtlichen und dem prozessualen Tatbegriff folgt aus der Struktur des reformierten Strafverfahrens: Gemäß § 200 StPO schildert die Anklage ein tatsächliches Geschehen und steckt damit den Rahmen der gerichtlichen Untersuchung ab, § 155 Abs. 1 StPO. Auf dieser Grundlage entsteht dann eine umfassende gerichtliche Kognitionspflicht des Gerichts. 46 Darin enthalten ist das Gebot, die angeklagte Tat vollständig zu erledigen. 47 Bei Idealkonkurrenz bedeutet dies: Das Gericht hat den angeklagten Sachverhalt unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu würdigen, selbst wenn dessen Voraussetzungen in der Anklage nur ansatzweise geschildert sind. 48 Da die Staatsanwaltschaft die Mitgliedschaft in der »RAF« auch für den Zeitraum des Anschlages angeklagt hatte, erstreckte sich das Urteil auch auf dieses Geschehen. Die Angeklagte hätte daher im späteren Verfahren nicht wegen Mordes verurteilt werden dürfen. So hat der BGH den Fall aber nicht entschieden. Er hat zwar Idealkonkurrenz angenommen, gleichwohl aber das Geschehen in zwei prozessuale Taten aufgespaltet und so den Strafklageverbrauch verneint. 49 b) Nun mag man diese Entscheidung aus Gründen materieller Strafgerechtigkeit für nachvollziehbar halten, schließlich war die Angeklagte ja im ersten Verfahren - objektiv betrachtet - »viel zu gut« davongekommen. Das Urteil führt aber dazu, dass bei Strafverfahren wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen bzw. terroristischen Vereinigung letztlich nie eine Rechtsfrie- 46 Fezer, in: Schmidt (Fn. 43), S. 127. 47 G. Fezer, Strafprozessrecht, 2. Aufl., München 1995, Fall 18 Rn.15 ff.; ders., in: Schmidt (Fn. 43), S. 127 f. 48 H. Krauth, Zum Umfang der Rechtskraftwirkung bei Verurteilung von Mitgliedern krimineller und terroristischer Vereinigungen, in: Strafverfahren im Rechtsstaat, Festschrift für Theodor Kleinknecht zum 75. Geburtstag am 18. August 1985, hrsg. v. K. H. Gössel [u. a.], München 1985, S. 215, 232. 49 BGHSt 29, 288, 296 f.
Tatbestandsbildung als Feinderklärung? 121 den schaffende Entscheidung möglich ist, und die Verurteilten daher permanent weitere Verfolgungen zu gewärtigen haben. Das widerspricht den Grundsätzen eines fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK). c) Mit dieser Feststellung hat freilich das Drama jedoch noch nicht sein Ende gefunden. Denn auch die Beibehaltung der bis 1980 herrschenden Rechtsprechung führt nicht zu rechtsstaatlich akzeptablen Ergebnissen, wie unser Jubilar eindringlich herausgearbeitet hat: 50 Wie dargestellt, erfasst § 129 StGB jedwede Betätigung für die Organisation. Sie ist weder zeitlich noch räumlich, weder durch die Art des Rechtsgutsangriffs, die Modalität der Ausführung oder Planung des Täters eingrenzbar. 51 Die allseitige Kognitionspflicht des Gerichts führt bei einem solchen Tatbestand dazu, dass das Gericht den angeklagten Sachverhalt nach allen Straftatbeständen hin zu untersuchen und abzuurteilen hätte. Es hat dabei zudem den Zusammenhang zu zeitlich vorhergehenden und nachfolgenden Handlungen im Auge zu behalten. 52 Das zwingt zu uferlosen Ermittlungen und steht damit ebenfalls dem endgültigen Abschluss des Verfahrens entgegen. 53 50 Fezer, in: Schmidt (Fn. 43), S. 132. 51 Fezer, in: Schmidt (Fn. 43), S. 133. 52 Fezer, in: Schmidt (Fn. 43), S. 133 f. 53 Fezer, in: Schmidt (Fn. 43), S. 134.
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<strong>Fezer</strong>, in: Schmidt (Fn. 43), S. 132.<br />
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