HRRS-Festgabe für Gerhard Fezer zum 70 ... - hrr-strafrecht.de
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118<br />
Diethelm Klesczewski<br />
kann bei einer schlichten Unterordnung unter <strong>de</strong>n Gruppenwillen nicht<br />
ernsthaft davon die Re<strong>de</strong> sein, dass sie bei <strong>de</strong>njenigen, die später zu <strong>de</strong>n in<br />
Aussicht genommenen Taten schreiten, <strong>zum</strong> Ausschluss o<strong>de</strong>r erheblichen<br />
Vermin<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Schuldfähigkeit führt. 39 Daher beruht ein so verstan<strong>de</strong>ner<br />
Tatbestand <strong>de</strong>s § 129 StGB letztlich auf einer reinen Gefahrenpräsumtion.<br />
40 Die bloße Vermutung einer Gefahr steht aber einer realen Gefahr und<br />
damit einem Angriff auf ein frem<strong>de</strong>s Rechtsgut nicht gleich. Diese weite<br />
Auslegung <strong>de</strong>s § 129 StGB sprengt daher die Grenzen, die <strong>de</strong>r materielle<br />
Verbrechensbegriff <strong>de</strong>r Strafgewalt <strong>de</strong>s Staates setzt und macht zu<strong>de</strong>m die<br />
Norm unbestimmt. 41<br />
Die §§ 129 ff. StGB pönalisieren daher nicht eine Tat wegen <strong>de</strong>r ihr anhaften<strong>de</strong>n<br />
(abstrakten) Gefahr. Sie kriminalisieren vielmehr einen wegen seiner<br />
Absichten als gefährlich angesehenen Täter. Die §§ 129 ff. StGB wi<strong>de</strong>rsprechen<br />
daher <strong>de</strong>m Tatprinzip und haben als Gesinnungs<strong>strafrecht</strong> in einem<br />
Bürger<strong>strafrecht</strong> keinen Platz.<br />
3. Zur Entgrenzung <strong>de</strong>s prozessualen Tatbegriffs<br />
durch § 129 StGB<br />
Noch verheeren<strong>de</strong>r sind freilich die Konsequenzen, zu <strong>de</strong>nen die Anwendung<br />
<strong>de</strong>r §§ 129 ff. StGB im Strafprozess führt, wie unser Jubilar bereits vor<br />
etwa 20 Jahren aufzeigte. Das lässt sich gut anhand eines Falles veranschaulichen,<br />
<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r BGH im Jahre 1980 zu entschei<strong>de</strong>n hatte: 42<br />
39<br />
Von einer Enthemmung durch die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung<br />
spricht freilich: BGHSt. 49, 269, 271.<br />
40<br />
Zutreffend: U. Fieber, Die Verbrechensverabredung, § 30 Abs. 2, 3. Alt. StGB,<br />
Frankfurt/Main [u. a.] 2001, S. 179; S. 148 ff.; krit. zur Pönalisierung <strong>de</strong>s je<strong>de</strong>nfalls<br />
<strong>de</strong>s bloßen Grün<strong>de</strong>ns eines kriminellen Vereinigung auch W. Beck, Unrechtsbegründung<br />
und Vorfeldkriminalisierung, 1992, S. 206; zust. Köhler, AT<br />
(Fn. 14), S. 567.<br />
41<br />
An<strong>de</strong>rs: BVerfGE 17, 155, 165 ff.; OLG München, NJW 2007, 2786, 2789.<br />
42<br />
BGHSt 29, 288, 288 ff.; gebilligt von BVerfGE 56, 22, 27.