HRRS-Festgabe für Gerhard Fezer zum 70 ... - hrr-strafrecht.de
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Tatbestandsbildung als Fein<strong>de</strong>rklärung? 113<br />
jekt <strong>für</strong> frem<strong>de</strong> Willkür. 16 Hierdurch ist nicht nur das Opfer in seinem elementaren<br />
Selbstwert, seiner Rechtsfähigkeit, getroffen, hierdurch ist auch<br />
unser auf die Menschenwür<strong>de</strong> verpflichtetes Gemeinwesen aufgerufen, sich<br />
schützend vor das Opfer zu stellen (Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG). Gehört es <strong>zum</strong><br />
Wesen <strong>de</strong>s Verbrechens, ein Angriff auf frem<strong>de</strong> Rechtsfähigkeit zu sein 17 ,<br />
dann reicht es freilich nicht aus, das Opfer bloß materiell schadlos zu stellen.<br />
Aus <strong>de</strong>r Schutzpflicht <strong>de</strong>s Staates folgt vielmehr, dass er <strong>de</strong>rart elementare<br />
Rechtsbrüche durch Zufügung einer Rechtseinbuße zu ta<strong>de</strong>ln, d. h. zu<br />
bestrafen hat. 18 Er stellt damit <strong>de</strong>n Respekt vor <strong>de</strong>r Rechtsfähigkeit <strong>de</strong>s Opfers<br />
wie<strong>de</strong>r her.<br />
Schon an dieser Stelle lässt sich fragen, ob das Strafrecht nicht je<strong>de</strong>n Verbrecher<br />
als »Feind« ansieht, wenn es ihn als <strong>de</strong>njenigen versteht, <strong>de</strong>r sich<br />
schlechthin gegen die Rechtsordnung auflehnt, und ihn ggf. mit Freiheitsstrafe<br />
von <strong>de</strong>r Gesellschaft mit an<strong>de</strong>ren ausschließt. In <strong>de</strong>r Tat haben Rousseau<br />
19 und Fichte 20 dies so gesehen. Doch das wäre voreilig. Niemand kann<br />
die ganze Welt vernichten. Vielmehr greift eine Straftat immer bestimmte<br />
Rechtsgüter an und stellt daher Rechtsfähigkeit – wie Hegel es zeigt 21 - immer<br />
auch nur in bestimmter Hinsicht in Frage, anerkennt sie aber im Übrigen.<br />
Wer etwa einen an<strong>de</strong>ren bestiehlt, <strong>de</strong>r negiert gewiss das Eigentum<br />
<strong>de</strong>s Opfers, missachtet aber nicht zugleich auch <strong>de</strong>ssen Körperintegrität. 22<br />
Nicht zuletzt lässt eine in sich gefestigte Zivilgesellschaft Opfern Zuwen-<br />
16<br />
Vgl. D. Klesczewski, Strafrecht. Allgemeiner Teil, Bonn 2008, Rn. 13 ff.<br />
17<br />
Köhler, AT (Fn. 14), S. 23; daran anschließend: Klesczewski, AT (Fn. 16), Rn. 13.<br />
18<br />
BVerfGE 39, 1, 46 f.<br />
19<br />
J.-J. Rousseau, Du Contrat social, 1762, Zweites Buch, 5. Kap., zitiert nach <strong>de</strong>r<br />
von R. Derathé herausgegebenen Ausgabe, Paris 1964, S. 198 f.<br />
20<br />
J. G. Fichte, Grundlagen <strong>de</strong>s Naturrechts nach Prinzipien <strong>de</strong>r Wissenschaftslehre,<br />
1796, § 20, hrsg. v. J. H. Fichte, Berlin 1971, Band III, S. 260.<br />
21<br />
Hegel, Rechtsphilosophie (Fn. 11), § 96, Bd. 7, S. 183 f.<br />
22<br />
D. Klesczewski, GA 2000, 257, 264 f.