HRRS-Festgabe für Gerhard Fezer zum 70 ... - hrr-strafrecht.de
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104 Michael Kahlo / Benno Zabel dere Umstände eine solche Unterbrechung bewirken (können), jedoch nicht selbst thematisiert hat. Der Hinweis des BVerfG auf fehlende »Anhaltspunkte in äußeren Handlungen des Beschwerdeführers« verfängt beim Unterlassen gerade nicht. 41 Denn, wie gezeigt, kommt es im Rahmen der Unterlassungsstrafbarkeit vor allem darauf an, die (Sonder-)Pflicht nicht als getrennt von der tatbestandmäßigen Situation zu betrachten, sie vielmehr unmittelbar auf Konfliktwirklichkeit und damit auf das Verhalten des Täters zu beziehen. Ausschlaggebend kann deshalb auch nicht die zeitbedingte Quantifizierung eines äußeren Geschehens sein, entscheidend ist die qualitative Bestimmung des Tatverlaufs als Tatunrecht. Das folgt im Grunde schon aus dem Begriff der materiell-rechtlichen Tat, d.h. einer willensvermittelten (vorsätzlichen, leichtfertigen) und insofern zurechenbaren Gefährdung oder Verletzung strafrechtlich geschützter Freiheitsformen (Rechtsgüter). 42 Eine solche qualitative Bestimmung des Tatverlaufes scheint zumindest möglich, wenn sich die vorliegende Konstellation auf die Rechtsprechung zu den Straßenverkehrsdelikten übertragen ließe. 43 Bekanntlich geht die Rechtsprechung davon aus, dass die (unfallbedingte) Unterbrechung der Fahrt eine rechtserhebliche Zäsur darstellt und in der Regel zur Annahme einer weitere selbständigen Tat berechtigt, schließlich sei der Täter durch den Unfall »sowohl im äußeren Geschehen als auch in seiner geistigseelischen Verfassung vor eine neue Lage gestellt«. 44 Schaut man jedoch genauer hin so wird deutlich, dass die insoweit angesprochenen Tatverlaufs- 41 Vgl. unter C. II. 2. b) bb) am Ende. 42 Dazu Zabel (Fn. 21), S. 187 ff. und öfter. 43 Vgl. BGHSt 21, 203, 205; 23, 141, 144; 25, 72, 75; zur Annahme von Tatmehrheit zwischen der Trunkenheitsfahrt und dem unerlaubtem Entfernen vom Unfallort siehe OLG Celle JR 1982, 79. 44 BGH VRS 13, 122; allerdings sind die materiell-rechtlichen Konsequenzen vor allem in der Lit. nicht unumstritten vgl. hierzu nur LK-Rissing-van Saan, StGB, 11. Auflage, Stand 1.8.1998, Berlin (2003), Vor §§ 52 ff. Rn. 39; einen Überblick über den Streit- und Diskussionsstand liefert Schönke/ Schröder-Stree/Sternberg- Lieben, StGB, 27. Auflage, München (2007), Vor §§ 52 ff. Rn. 85.
Schuldgrundsatz und Strafklageverbrauch 105 strukturen schon wegen der Modalitätsdifferenz von Tun und Unterlassen nicht mit denen des hier vorliegenden Unterlassungs(dauer)delikts vergleichbar sind. D. h. wer sich nach einem anlässlich einer Trunkenheitsfahrt herbeigeführten Verkehrsunfall dazu entschließt, weiter zu fahren, muss zur Verwirklichung dieses Entschlusses aktiv tätig werden, also die äußere Situation durch eigenes Tun gestaltend verändern. Das aber muss der Unterlassungstäter gerade nicht, lässt er doch seine einmal getroffene Entscheidung nur weiterwirken und so dem äußeren Geschehen einfach seinen Lauf. Näher liegt es dagegen schon, eine »Zäsurwirkung« der letztinstanzlichen rechtskräftigen Entscheidung zu erwägen, 45 stellt diese (scil.: die strafgerichtliche Entscheidung) doch verbindlich und nunmehr unangreifbar fest, dass den Angeklagten tatsächlich die strafbewehrte rechtliche Verpflichtung traf, die von ihm verweigerte Entscheidung, hier Genehmigung der Ausreise von S, zu fällen und insoweit rechtsgutserhaltend tätig zu werden. Dennoch würde auch diese Begründung übersehen, dass die Entscheidung kontrovers, also als Resultat eines – trotz der Verpflichtung der staatlichen Organe der Strafrechtspflege auf Objektivität im Rahmen unseres reformierten Inquisitionsprozesses – antagonistisch geführten Prozessverfahrens zustande kommt, so dass von dem Angeklagten typischerweise und insbesondere im Rahmen rechtserheblichen Unterlassens nicht erwartet werden kann, sowohl sein äußeres Verhalten als auch seine eigene (innere) Überzeugung abzu- ändern. 46 45 Vgl. dazu bereits die Ausführungen unter Punkt IV. 46 Etwas anderes ließe sich nur vertreten, wenn man auf einen (rechtlich) fixierbaren Entfremdungsprozess und – dementsprechend – auf eine zeitlich fixierbare »Entkopplung« der Mutter-Kind-Beziehung abstellen könnte. Aber abgesehen davon, dass die (entwicklungs-) psychologischen Unwägbarkeiten strafrechtlich kaum zu beherrschen wären, müsste gezeigt werden, dass damit im Sinne von § 235 Abs. 2 Nr. 2 StGB von einem erneuten (und insofern andersgearteten) »Vorenthalten« die Rede sein kann.
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Näher liegt es dagegen schon, eine »Zäsurwirkung« <strong>de</strong>r letztinstanzlichen<br />
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traf, die von ihm verweigerte Entscheidung, hier Genehmigung <strong>de</strong>r Ausreise<br />
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Vgl. dazu bereits die Ausführungen unter Punkt IV.<br />
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Etwas an<strong>de</strong>res ließe sich nur vertreten, wenn man auf einen (rechtlich) fixierbaren<br />
Entfremdungsprozess und – <strong>de</strong>mentsprechend – auf eine zeitlich fixierbare<br />
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davon, dass die (entwicklungs-) psychologischen Unwägbarkeiten <strong>strafrecht</strong>lich<br />
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§ 235 Abs. 2 Nr. 2 StGB von einem erneuten (und insofern an<strong>de</strong>rsgearteten)<br />
»Vorenthalten« die Re<strong>de</strong> sein kann.