HRRS-Festgabe für Gerhard Fezer zum 70 ... - hrr-strafrecht.de
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Schuldgrundsatz und Strafklageverbrauch 101<br />
aktives Tun) nichts an<strong>de</strong>res als ein reines »Gedankending«, also ein bloßes<br />
Nichts in <strong>de</strong>r realen Welt. Als Nichts in <strong>de</strong>r Realität kann sie jedoch keine<br />
echte Verletzungshandlung sein, also auch nicht schuldhaft Unrecht verwirklichen.<br />
33 Das gilt auch <strong>für</strong> die heute wohl vorherrschen<strong>de</strong> Auffassung,<br />
wonach unechte Unterlassungen und die durch sie vollzogenen Tatbestandsverwirklichungen<br />
»positiv« durch die Verletzung einer Rechtspflicht<br />
zur Erfolgsabwendung (Garantenpflicht) 34 gekennzeichnet sein sollen. Mit<br />
dieser Anfor<strong>de</strong>rung ist zwar ein zusätzlicher und wichtiger Schritt <strong>de</strong>r Legitimation<br />
unechter Unterlassungs<strong>de</strong>likte im Strafrecht geleistet, 35 aber warum<br />
und inwiefern ein lediglich abstrakt als »Pflichtverletzung« bestimmtes<br />
Verhalten ein »Töten«, »körperlich Misshan<strong>de</strong>ln« o<strong>de</strong>r, bezogen auf <strong>de</strong>n Fall,<br />
ein »Vorenthalten im Ausland« sein soll, ist damit nicht bereits erklärt. Eine<br />
solche Erklärung setzt gedanklich vielmehr notwendig voraus, dass die besagte<br />
(Son<strong>de</strong>r-)Pflicht nicht als von <strong>de</strong>r Wirklichkeit <strong>de</strong>s intersubjektiven Ver-<br />
Handlungslehre, die »Umkehrprinzips-Lösung« Armin Kaufmanns genannt sein,<br />
<strong>de</strong>rzufolge das Unterlassen das gera<strong>de</strong> Gegenteil <strong>de</strong>r Handlung sein soll, das<br />
sich in allen Erscheinungsformen (echtes und unechtes Unterlassen) in <strong>de</strong>r<br />
Missachtung eines Tätigkeitsgebotes erschöpfe, weshalb durch Unterlassen<br />
auch nicht <strong>de</strong>r Tatbestand eines Verletzungserfolgs<strong>de</strong>likts zu verwirklichen sei<br />
(Die Dogmatik <strong>de</strong>r Unterlassungs<strong>de</strong>likte, Göttingen (1959), S. 239 ff., insbes. S.<br />
241, 260 f.; S. 282 ff.); vgl. zur Kritik dieser Konzeptionen Kahlo, aaO., S. 253 ff.<br />
m.w.N.<br />
33<br />
Vgl. zur Kritik an Radbruchs Überlegungen schon Kahlo (wie Fn. 32), S. 29-31.<br />
34<br />
Vorgegeben durch die gesetzliche Vorschrift <strong>de</strong>s § 13 Abs. 1 StGB, wonach Unterlassungstäter<br />
nur sein kann, wer »rechtlich da<strong>für</strong> einzustehen hat, dass <strong>de</strong>r<br />
Erfolg nicht eintritt«; in diesen systematischen Kontext gehört auch die axiologische<br />
Unterlassungskonzeption Armin Kaufmanns, dazu nochmals Kahlo, aaO., S.<br />
253 ff.<br />
35<br />
Entwicklungsgeschichtlich wird diese Anfor<strong>de</strong>rung bekanntlich auf Naglers Beitrag<br />
zur »Problematik <strong>de</strong>r Begehung durch Unterlassung«, GS 111 (1938), S. 1<br />
ff., zurückgeführt; vgl. aber auch Gallas, Das Wesen <strong>de</strong>s <strong>strafrecht</strong>lichen Unterlassens<br />
und seine Stellung im System <strong>de</strong>r Verbrechenslehre, Berliner Habilitationsschrift<br />
von 1932, erstmals veröffentlicht in: <strong>de</strong>rs., Studien <strong>zum</strong> Unterlassungs<strong>de</strong>likt,<br />
Hei<strong>de</strong>lberg (1989), S. 1 ff, sowie <strong>de</strong>rs., Die Garantenpflicht <strong>de</strong>s Unterlassungstäters,<br />
aaO., S. 92.