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2 Daniela Demko »allein durch die Verpflichtung der staatlichen Strafverfolgungsorgane, nach den Grundsätzen der Objektivität, Wahrheit und Gerechtigkeit zu »verfahren«, der notwendige Schutz des Beschuldigten nicht gewährleistet … Der Beschuldigte selbst kann nicht oder nicht effektiv genug kontrollieren, ob die Strafverfolgungsbehörden sich an ihre gesetzlichen Rechte und Pflichten halten …« 2 An diesen Gedanken anknüpfend, ist der vorliegende Beitrag der zweiten, in Art. 6 III c EMRK aufgestellten Voraussetzung für das Recht des Angeklagten auf unentgeltlichen Verteidigerbeistand, dem Erfordernis der »interests of justice« gewidmet. Nachgegangen wird der Frage, was der EGMR unter diesem Begriff versteht, welche Beurteilungskriterien er zur Konkretisierung dieses Begriffs in seiner bisherigen Rechtsprechung entwickelt hat und in welcher Weise sich das vom EGMR dem Begriff der »interests of justice« zugrunde gelegte Bedeutungsverständnis in den von ihm herangezogenen einzelne Kriterien widerspiegelt. Zur Beantwortung jener Fragen wird auf verschiedene, zum unentgeltlichen Verteidigerbeistand ergangene Entscheidungen des EGMR zurückgegriffen, wobei insbesondere die Entscheidungen Quaranta v. SWI und R.D. v. PL hervorzuheben, aber auch die Entscheidungen Benham v. GB, Boner v. GB, Maxwell v. GB und S.C. v. GB zu nennen sind. Ausgehend von der Entscheidung Quaranta v. SWI, anhand der die Prüfungsreihenfolge und Argumentationsweise des EGMR exemplarisch aufgezeigt werden soll, wird unter Einbezug der eben genannten, anderen Entscheidungen des EGMR dargelegt, in welcher Weise das Erfordernis der »interests of justice« Eingang in die ständige Spruchpraxis des EGMR gefunden hat. 2 Fezer, Strafprozessrecht, 2. Aufl. (1995), Fall 4 Rn. 1 (Herv. d. Verf.) mit weiteren Ausführungen.

Das Recht des Angeklagten auf unentgeltlichen Beistand eines Verteidigers 3 II. Das Erfordernis der »interests of justice« in der Rechtsprechung des EGMR Der Frage, in welchem Sinne der in Art. 6 III c EMRK verwendete Begriff der »interests of justice« zu verstehen ist und welche Kriterien zur Beurteilung des Vorliegens jenes Erfordernisses heranzuziehen sind, ging der EGMR in einer Vielzahl von Entscheidungen nach, zu denen auch die Leitentscheidung Quaranta v. SWI 3 gehörte. Die in Quaranta v. SWI aufgestellten Überlegungen und Beurteilungskriterien wurden nachfolgend vom EGMR in ständiger Rechtsprechung aufgegriffen und entsprechend des jeweils zu beurteilenden Einzelfalles konkretisierend weitergeformt. 4 Dabei zeigte sich nicht nur bereits in Quaranta v. SWI, sondern mit zunehmender Deutlichkeit insbesondere in der fortlaufenden Spruchpraxis, welches Grundverständnis der EGMR mit dem Erfordernis der »interests of justice« verbindet: jenes Grundverständnis, das dem Begriff der »interests of justice« insgesamt seine eigentliche Prägung vermittelt und aus dem heraus auch die einzelnen, vom EGMR entwickelten Kriterien zur Beurteilung des Vorliegens der »interests of justice« zu interpretieren sind. 3 Quaranta v. SWI, Serie A Nr. 205. 4 Siehe etwa zum unentgeltlichen Verteidigerbeistand im Rechtsmittelverfahren Granger v. GB, Serie A Nr. 174; Maxwell v. GB, Serie A Nr. 300-C; Boner v. GB, Serie A Nr. 300-B; siehe zudem Vacher v. France, Reports 1996-VI; R.D. v. Poland, 18.12.2001, Nr. 29692/96 and 34612/97; S.C. v. GB, Reports 2004-IV; zudem bereits die Entscheidungen Artico v. Italy, Serie A Nr. 37; Benham v. GB, Reports 1996-III; vgl. auch Padalov v. Bulgaria, 10.8.2006, Nr. 54784/00; zu diesen und weiteren Entscheidungen vgl. aus dem deutschen Schrifttum z.B. die Darstellungen bei Esser, Fn. 1, S. 474 ff; Gaede, Fairness als Teilhabe – Das Recht auf konkrete und wirksame Teilhabe durch Verteidigung gemäß Art. 6 EMRK, 2007, S. 264 ff. und S. 564 ff.; Spaniol, Fn. 1, insbesondere S. 70 ff.; Gollwitzer, Menschenrechte im Strafverfahren, MRK und IPBPR, 2005, Art. 6 MRK/Art. 14 IPBPR, N 201 ff.

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Daniela Demko<br />

»allein durch die Verpflichtung <strong>de</strong>r staatlichen Strafverfolgungsorgane,<br />

nach <strong>de</strong>n Grundsätzen <strong>de</strong>r Objektivität, Wahrheit und Gerechtigkeit<br />

zu »verfahren«, <strong>de</strong>r notwendige Schutz <strong>de</strong>s Beschuldigten nicht<br />

gewährleistet … Der Beschuldigte selbst kann nicht o<strong>de</strong>r nicht effektiv genug<br />

kontrollieren, ob die Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n sich an ihre gesetzlichen<br />

Rechte und Pflichten halten …« 2<br />

An diesen Gedanken anknüpfend, ist <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong> Beitrag <strong>de</strong>r zweiten,<br />

in Art. 6 III c EMRK aufgestellten Voraussetzung <strong>für</strong> das Recht <strong>de</strong>s Angeklagten<br />

auf unentgeltlichen Verteidigerbeistand, <strong>de</strong>m Erfor<strong>de</strong>rnis <strong>de</strong>r »interests<br />

of justice« gewidmet. Nachgegangen wird <strong>de</strong>r Frage, was <strong>de</strong>r EGMR unter<br />

diesem Begriff versteht, welche Beurteilungskriterien er zur Konkretisierung<br />

dieses Begriffs in seiner bisherigen Rechtsprechung entwickelt hat und<br />

in welcher Weise sich das vom EGMR <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>r »interests of justice«<br />

zugrun<strong>de</strong> gelegte Be<strong>de</strong>utungsverständnis in <strong>de</strong>n von ihm herangezogenen<br />

einzelne Kriterien wi<strong>de</strong>rspiegelt.<br />

Zur Beantwortung jener Fragen wird auf verschie<strong>de</strong>ne, <strong>zum</strong> unentgeltlichen<br />

Verteidigerbeistand ergangene Entscheidungen <strong>de</strong>s EGMR zurückgegriffen,<br />

wobei insbeson<strong>de</strong>re die Entscheidungen Quaranta v. SWI und R.D. v. PL hervorzuheben,<br />

aber auch die Entscheidungen Benham v. GB, Boner v. GB, Maxwell<br />

v. GB und S.C. v. GB zu nennen sind. Ausgehend von <strong>de</strong>r Entscheidung<br />

Quaranta v. SWI, anhand <strong>de</strong>r die Prüfungsreihenfolge und Argumentationsweise<br />

<strong>de</strong>s EGMR exemplarisch aufgezeigt wer<strong>de</strong>n soll, wird unter Einbezug<br />

<strong>de</strong>r eben genannten, an<strong>de</strong>ren Entscheidungen <strong>de</strong>s EGMR dargelegt, in welcher<br />

Weise das Erfor<strong>de</strong>rnis <strong>de</strong>r »interests of justice« Eingang in die ständige<br />

Spruchpraxis <strong>de</strong>s EGMR gefun<strong>de</strong>n hat.<br />

2<br />

<strong>Fezer</strong>, Strafprozessrecht, 2. Aufl. (1995), Fall 4 Rn. 1 (Herv. d. Verf.) mit weiteren<br />

Ausführungen.

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