Gesellschaft Nachrichten für Mitglieder ... - Goetheanum
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4 | Jahresbericht 2012/2013<br />
| Anthroposophie weltweit Nr. 3/13<br />
ó Freie Hochschule <strong>für</strong> Geisteswissenschaft<br />
Allgemeine Anthroposophische Sektion<br />
Gemeinsamer Entschluss <strong>für</strong> das Werk Rudolf Steiners<br />
In den letzten Jahren ist eine stille, aber konsequente Zusammenarbeit zwischen der Rudolf-<br />
Steiner-Nachlassverwaltung und der Allgemeinen Anthroposophischen <strong>Gesellschaft</strong> gewachsen.<br />
In dieser Zusammenarbeit steht nun ein neuer und entscheidender Schritt bevor –<br />
eine Skizze der Entwicklung in den letzten 50 Jahren soll seine Tragweite verdeutlichen.<br />
Die Rudolf-Steiner-Nachlassverwaltung<br />
bekam von Marie Steiner nach ihrem<br />
Tod 1948 sämtliche ihr von Rudolf Steiner<br />
testierten Rechte und Pflichten <strong>für</strong> seinen<br />
literarischen und künstlerischen Nachlass<br />
übertragen. Die Konzeption einer Gesamtausgabe<br />
sowie die Begründung des ‹Vereins<br />
zur Verwaltung des literarischen und<br />
künstlerischen Nachlasses von Dr. Rudolf<br />
Steiner, Dornach› fielen in ihre letzten Lebensjahre.<br />
Sie formulierte den heute noch<br />
gültigen Auftrag <strong>für</strong> den Nachlassverein<br />
im Übereignungsvertrag vom 1. Dezember<br />
1947 klar und deutlich:<br />
«Die <strong>Mitglieder</strong> des<br />
Vereins der Nachlass-<br />
Verwaltung haben<br />
darüber zu wachen,<br />
dass die Herausgabe<br />
des Werkes von Rudolf<br />
Steiner nach Möglichkeit<br />
und bestem Wissen<br />
und Gewissen in<br />
dessen Sinn erfolgt, dass namentlich auch<br />
kein Raubbau an den geistigen Inhalten<br />
getrieben wird, und dass Rudolf Steiners<br />
Werk mit seinem Namen verbunden<br />
bleibt.»<br />
Differenzen über die Orientierung der<br />
Anthroposophischen <strong>Gesellschaft</strong> hatten<br />
dazu geführt, dass Marie Steiner die Verantwortung<br />
<strong>für</strong> das nachgelassene Werk<br />
Rudolf Steiners nicht in die Hände ihrer<br />
Vorstandskollegen legte, sondern in die eines<br />
ihr vertrauten Mitarbeiterkreises. Viele<br />
<strong>Mitglieder</strong>, die ihre Auffassungen teilten,<br />
schlossen sich 1948 in der ‹Anthroposophischen<br />
Vereinigung in der Schweiz› (AVS)<br />
zusammen, darunter auch Gruppen in<br />
Deutschland und Österreich.<br />
Herausgabe der Gesamtausgabe ab 1954<br />
Trotz mehrerer Vermittlungsversuche<br />
nahm seit den 1950er-Jahren die Entfremdung<br />
zwischen der AVS und der Anthroposophischen<br />
<strong>Gesellschaft</strong> zu, während die<br />
Nachlassverwaltung wie auf einer Insel<br />
auf dem Dornacher Hügel im Rudolf-Steiner-Archiv<br />
mit der Sichtung und Bearbeitung<br />
des Nachlasses begann. 1954 startete<br />
sie mit der Herausgabe der Gesamtausgabe,<br />
die bald in dem 1956 eigens gegründeten<br />
Rudolf-Steiner-Verlag erschien. Ein<br />
kaum überschaubarer editorischer und<br />
konservatorischer Auftrag – Manuskripte,<br />
tausende Vortragsnachschriften unterschiedlichster<br />
Qualität, Notizzettel und<br />
-hefte, Briefe, Skizzen, Entwürfe, Modelle<br />
und Wandtafelzeichnungen –, geringe Mittel,<br />
kaum fachlich qualifizierte Mitarbeitende<br />
und hoher Zeitdruck (die gesetzliche<br />
Urheberrechts-Schutzfrist endete ursprünglich<br />
30 Jahre nach dem Tod des Autors,<br />
wurde dann auf 50, später auf 70 Jahre<br />
verlängert) waren die Gegebenheiten, die<br />
die Nachlass verwaltung zu meistern hatte.<br />
Die Früchte ihrer Arbeit wurden in der<br />
wachsenden anthroposophischen Bewegung<br />
geschätzt, am <strong>Goetheanum</strong> aber<br />
wurden die Bücher Rudolf Steiners ignoriert,<br />
ihr Verkauf untersagt. Erst der 1968<br />
leidenschaftlich umstrittene ‹Bücherbeschluss›<br />
erkennt die Edition der Werke Rudolf<br />
Steiners durch die Nachlassverwaltung<br />
an, und eine langsame Annäherung<br />
setzt ein.<br />
Intensivere Zusammenarbeit<br />
In den 1990er-Jahren beginnt eine intensivere<br />
Zusammenarbeit zwischen dem<br />
Rudolf-Steiner-Archiv und der Dokumen tation<br />
am <strong>Goetheanum</strong> (Archiv, Bibliothek,<br />
Kunstsammlung): Verträge regeln den<br />
Umgang mit dem künstlerischen Werk Rudolf<br />
Steiners, das vor allem im <strong>Goetheanum</strong><br />
beheimatet ist, und ein Dokumentenund<br />
Dienstleistungs-Austausch wird<br />
selbstverständlich. In der ‹Arbeitsgemeinschaft<br />
Archiv und Geschichte› verbindet<br />
heute eine gemeinsame inhaltliche Arbeit<br />
und regelmäßiger Informationsaustausch<br />
Mitarbeitende aus Dornacher und Arlesheimer<br />
Archiven, Instituten und Sektionen<br />
der Hochschule. Zudem wird das Rudolf-<br />
Steiner-Archiv seit den 1990er-Jahren von<br />
der Anthroposophischen <strong>Gesellschaft</strong> in<br />
der Schweiz institutionell und finanziell<br />
gefördert.<br />
Schließlich begann in den letzten Jahren<br />
zwischen der Nachlassverwaltung und<br />
dem Vorstand am <strong>Goetheanum</strong> – bald erweitert<br />
um Teilnehmer aus dem Vorstand<br />
der Anthroposophischen <strong>Gesellschaft</strong> in<br />
Deutschland und dem Bund der Freien<br />
Waldorfschulen in Deutschland – eine regelmäßige<br />
Verständigung im Hinblick auf<br />
die Lage des Werkes Rudolf Steiners in der<br />
Öffentlichkeit. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit<br />
wurde deutlich, dass die Edition<br />
der noch ausstehenden, bearbeitungsintensiven<br />
Vortragsnachschriften – nicht<br />
zuletzt zur Geschichte der Anthroposophischen<br />
<strong>Gesellschaft</strong> – der auf etwa 340 Bände<br />
angewachsenen Gesamtausgabe nicht<br />
mehr allein von der Nachlassverwaltung<br />
getragen werden kann. Das unter der Leitung<br />
von Walter Kugler <strong>für</strong> die Steiner-Forschung<br />
und -Ausstellungen<br />
in aller<br />
Welt zu einem Zentrum<br />
gewordene<br />
Rudolf-Steiner-Archiv<br />
musste vor zwei<br />
Jahren seine Arbeit<br />
erheblich beschränken,<br />
ja selbst die weitere<br />
elementare,<br />
aber aufwendige Grundsicherung der<br />
wertvollen Bestände stand in Frage.<br />
Fonds Kulturerbe Rudolf Steiner<br />
Vor diesem Hintergrund haben sich die<br />
Nachlassverwaltung, die Allgemeine Anthroposophische<br />
<strong>Gesellschaft</strong> und die Anthroposophischen<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en in<br />
Deutschland und in der Schweiz vorgenommen,<br />
die Pflichten gegenüber dem<br />
Werk Rudolf Steiners als eine gemeinsame<br />
Aufgabe aufzugreifen. Mit dem ‹Fonds Kulturerbe<br />
Rudolf Steiners› wollen sie sich ab<br />
2013 gemeinsam <strong>für</strong> die finanzielle Grundsicherung<br />
des Rudolf-Steiner-Archivs und<br />
der Dokumentation am <strong>Goetheanum</strong> einsetzen.<br />
Die historisch gewachsenen Rechte<br />
sollen dabei ebenso respektiert werden<br />
wie die gegliederten Verantwortungen<br />
und Auf gabenbereiche in den beiden Arbeitszusammenhängen.<br />
Künftig steht der<br />
Trägerkreis des Fonds allen Institutionen<br />
und Personen offen, die das Werk Rudolf<br />
Steiners unterstützen wollen..<br />
Damit wird es hoffentlich gelingen,<br />
weiterhin eine sachgemäße Erhaltung,<br />
Erschließung und Vertretung des nachgelassenen<br />
Werkes Rudolf Steiners zu ermöglichen.<br />
| Bodo von Plato, Vorstand am<br />
<strong>Goetheanum</strong>