1 hr1 Sonntagsgedanken 2.6.2013 Ricarda Moufang, Frankfurt ...
1 hr1 Sonntagsgedanken 2.6.2013 Ricarda Moufang, Frankfurt ...
1 hr1 Sonntagsgedanken 2.6.2013 Ricarda Moufang, Frankfurt ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Dieses Manuskript stimmt nicht unbedingt mit dem Wortlaut der Sendung überein.<br />
Es darf nur zur Presse- und Hörerinformation verwendet<br />
und nicht vervielfältigt werden,<br />
auch nicht in Auszügen.<br />
Eine Verwendung des Manuskripts für Lehrzwecke<br />
sowie seine Vervielfältigung und Weitergabe als Lehrmaterial<br />
sind nur mit Zustimmung der Autorin/des Autors zulässig.<br />
<strong>hr1</strong> <strong>Sonntagsgedanken</strong> <strong>2.6.2013</strong><br />
<strong>Ricarda</strong> <strong>Moufang</strong>, <strong>Frankfurt</strong><br />
Zufall oder Plan?<br />
„Der Weltraum. Unendliche Weiten…“ - so begannen die Folgen der legendären<br />
Fernsehserie „Star Trek“ – Raumschiff Enterprise. Diese „unendlichen Weiten“ haben<br />
mich schon immer gefesselt. Als Jugendliche habe ich mir ein Fernrohr zugelegt und<br />
war sogar Mitglied in einem Verein von Hobbyastronomen. Mein Teleskop war klein,<br />
aber es ermöglichte tolle Ausblicke. Jupiters Farbenpracht. Die Ringe des Saturn.<br />
Die Mondkrater zum Greifen nah.<br />
Ich verbrachte halbe Nächte draußen. Und stellte dabei die typischen<br />
Menschheitsfragen: Woher kommt dieses riesige Universum? Wie kam es zur<br />
Entstehung unserer Erde? Und manchmal kam mir in all den wunderbaren<br />
Menschheitsfragen auch die ganz irdische Frage: Wieso bloß beschäftige ich mich<br />
gerade damit, statt mich um meine wirklich schlechte Mathenote zu kümmernß<br />
Nun denn, die großen Menschheitsfragen haben mich trotzdem länger beschäftigt als<br />
die Mathefrage, bis heute. Und vor allem diese ganz zentrale Frage: Ist das<br />
Universum ein Zufall? Diese Frage stellen sich bis heute viele Naturwissenschaftler,<br />
Philosophen und Theologen. Ist diese ganze Welt, in der ich lebe, zufällig entstanden<br />
– oder hat sich da jemand was bei gedacht? Und passieren die Dinge, die ich erlebe,<br />
nach irgendeinem Plan – oder ganz zufällig?<br />
Letzte Woche stieß ich beim Stöbern in der Stadtbibliothek auf einen Film von<br />
Stephen Hawking, dem genialen und schwerkranken englischen Physiker und<br />
Astronomen. Hawking erforscht die Anfänge unseres Universums. Er schreibt Bücher<br />
und macht Fernsehsendungen über das, was er herausfindet. Einer seiner Filme<br />
1
stellt die Forschungsergebnisse der beteiligten Naturwissenschaften vor – Physik,<br />
Chemie und natürlich Astronomie. Da wird erzählt, wie der russische Chemiker<br />
Mendelejev neue Elemente entdeckt hat. Es wird gezeigt, wie Madame Curie und<br />
Becquerel in Frankreich mit Uran und Radium experimentierten. Schließlich wird<br />
auch die Relativitätstheorie von Albert Einstein erklärt und wie sie die Forschung<br />
revolutioniert hat. All diese Erkenntnisse aus etlichen Jahrzehnten mühsamer Arbeit:<br />
Sie haben es Hawking und anderen Forschern erst ermöglicht, eine Vorstellung von<br />
der Entstehung der „unendlichen Weiten“ zu entwickeln.<br />
Unendliche Weiten. Und in diesen Weiten befinden sich wirbelnde Galaxien,<br />
Sonnensysteme, Planeten, eine Erde – Leben. Pflanzen, Tiere, und, on top, eine<br />
Spezies, die das alles erforscht – der homo sapiens. Ist das alles Zufall? Oder folgt<br />
es einem Plan?<br />
- Musik -<br />
Ist das Universum tatsächlich das Ergebnis eines großen Knalls und unendlich vieler<br />
Zufälle? Oder steckt doch ein Plan dahinter? Stephen Hawking und viele andere<br />
Wissenschaftler meinen: Es gibt zwar Naturgesetze, aber keinen Planer. Hawking<br />
glaubt nicht an Gott, schon gar nicht an einen Schöpfergott.<br />
Ich hingegen schon. Beim Anschauen des Films ertappte ich mich sogar dabei, wie<br />
ich mir Gott im weißen Kittel in einem riesigen Labor vorstellte. Dort entwickelte er<br />
Versuchsreihen, konstruierte verrückte Maschinen und baute Messgeräte – und<br />
schließlich: Puff! Der Urknall.<br />
Naja - ganz so war es wohl nicht. Trotzdem: Ich kann mir einfach nicht vorstellen,<br />
dass der Mensch ein reines Zufallsprodukt ist. Und die Erde ist für mich nicht nur ein<br />
blauer Planet unter vielen. Ja, vielleicht gibt es noch andere Planeten und andere<br />
Formen von Leben. Aber ich glaube, nur auf DIESEM Planeten Erde gibt es<br />
Menschen, die nach ihrer Herkunft fragen – und nach ihrer Rolle, nach ihrer<br />
Verantwortung auf diesem Planeten.<br />
2
Es gibt heute wieder mehr Forscher, die nicht an einen Zufall glauben..“ Albert<br />
Einstein selbst hat gesagt: „Gott würfelt nicht“. So viele Zufälle könne es unmöglich<br />
geben. Da stößt auch die Wahrscheinlichkeitsrechnung an ihre Grenzen.<br />
Also ich glaube an einen Plan Gottes für diese Welt – aber ein Gott, der alles bis ins<br />
Kleinste bestimmt, bis in die Atomkerne hinein: Das kann ich mir nicht vorstellen.<br />
Habe ich denn keinen freien Willen? Entscheide ich nicht selbst ganz oft über das,<br />
was in meinem Leben läuft?<br />
In Steven Hawkings Film sind atemberaubend schöne Animationen zu sehen. Sie<br />
zeigen den Tanz der vielen Teilchen in einem Atomkern, jeder Kern sieht selbst aus<br />
wie ein winziges Sonnensystem. Faszinierend, fast wie moderne Gemälde, sind auch<br />
die Spuren, die im berühmten Teilchenbeschleuniger CERN in der Schweiz<br />
fotografiert wurden. So etwas habe ich vorher noch nie gesehen. Bei solchen Bildern<br />
kann ich die Verfechter des so genannten „Intelligenten Designs“ ein bisschen<br />
verstehen. Ihre Anhänger vertreten in etwa die folgende These: Hinter dieser<br />
ungeheuren Vielfalt muss es einfach eine Art „obersten Ingenieur“ geben.<br />
Das klingt auch erst einmal einleuchtend. Aber für mich hat das Konzept einige<br />
Schönheitsfehler: Zum einen ist es naturwissenschaftlich nicht überprüfbar. Und<br />
dann finde ich es seltsam: Warum soll dieser oberste Ingenieur immer der christliche<br />
Schöpfergott sein? Das wird den vielen Nicht-Christen auf dieser Welt nicht gerecht.<br />
Und außerdem: sind die „intelligenten Designer“ die Nachfolger der Kreationisten, die<br />
die Evolution ablehnen und sie durch die biblische Schöpfungsgeschichte ersetzen<br />
wollten. Und das geht für mich gar nicht.<br />
Muss ich mich überhaupt entscheiden, wer recht hat - die Physik oder die Bibel?<br />
Lassen sich Naturwissenschaft und Gott nicht doch zusammen denken? So einfach<br />
ist die Frage nach dem Zufall nicht zu beantworten.<br />
- Musik -<br />
Wie viel in dieser Welt ist Zufall, wie viel ist Plan? Weder die Wissenschaftler noch<br />
die Theologen können das bislang beantworten. Bei ihren Forschungen kommen<br />
beide Disziplinen immer mehr weg von diesem „Entweder-oder“. Und ich merke,<br />
3
dass ich selbst auch ganz schön in diesem alles-oder-nichts-Denken drin stecke. Ich<br />
will WISSEN. Ich will SICHERHEIT. Da habe ich selbst noch einiges zu lernen.<br />
Beweisen lässt sich heute aber weder die eine noch die andere Argumentation – alle<br />
müssen mit dieser Unsicherheit leben. Das finde ich eigentlich gut. So kann sich<br />
keine Seite als allwissend aufspielen. Auch ich nicht in diesem kleinen Radiobeitrag.<br />
Für mich ist klar: Ich glaube fest an eine Instanz als Ursache des Universums. Und<br />
nicht nur das – ich glaube, dass sich diese Instanz, die ich Gott nenne, tatsächlich<br />
den Menschen auf diesem kleinen Planeten zu erkennen gegeben hat. Und ich gehe<br />
NOCH weiter: Gott hat uns und die Erde auch nicht nur als privates Spielzeug zu<br />
seinem Zeitvertreib geschaffen. Sondern er liebt uns und hat uns mit unglaublichen<br />
Möglichkeiten ausgestattet, GEMEINSAM mit Ihm dieses Leben zu gestalten. Ja, es<br />
gibt Naturkatastrophen, ja, es gibt Unglück, Bosheit und Krankheit und ja – es gibt<br />
auch den Tod. Aber trotz alledem bleibt bei mir - und bei vielen Menschen - das<br />
Gefühl: Mein Leben hat ein Ziel. Gott meint es gut mit mir. Und mit allen Menschen.<br />
Doch ich kann mich auch irren. Es ist möglich, dass das alles Projektionen sind und<br />
dass ich nur für eine winzige Sekunde existiere - in einem sich endlos<br />
ausdehnendem All. Aber ich finde diese winzige Sekunde ziemlich großartig!<br />
Stephen Hawking und viele andere sind sich sehr sicher, dass es eine solche Instanz<br />
nicht gibt. Doch auch sie können sich irren und z.B. nach dem Tod eine ganz andere<br />
Erfahrung machen.<br />
„Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“. (Genesis 1,1.) Das ist der allererste Satz in<br />
der Bibel. Im Anfang schuf Gott also – den Himmel. Im Anfang war - der Urknall. Ist<br />
es völlig abwegig, Gott als Urheber dieser explodierenden Ur-Energie zu sehen? Für<br />
mich gibt es heute keinen Widerspruch mehr zwischen Gott und der Evolution. Kein<br />
Mensch wird ernsthaft den 7-Tage-Schöpfungsmythos der Genesis als<br />
wissenschaftlich wahr verteidigen. Aber es dauert lange, bis man diese alten Bilder<br />
von Gott wirklich loslassen kann. Wir müssen es trotzdem tun. Deus semper magis,<br />
heißt es – Gott ist immer größer als das, was wir uns unter ihm vorstellen. Wenn Gott<br />
uns so gewollt hat, wie wir sind – dann will er auch, dass wir diese kindlichen Bilder<br />
4
loslassen, dann will er, dass wir erwachsen werden, dass wir die Naturgesetze<br />
entdecken – und ihn IN diesen Naturgesetzen erkennen.<br />
Ich als Gott-Gläubige weiß ja auch längst nicht alles: Ich kann Gott nicht beweisen,<br />
ich weiß nicht, wie er ist, das große Geheimnis! Und Stephen Hawking, trotz seines<br />
Genies, weiß auch nicht alles: Woher der Urknall – und wozu hat es ihn gegeben?<br />
Immerhin sagt auch die Physik: Alles in dieser Welt besteht aus dieser<br />
ursprünglichen Energie des Urknalls – das finde ich eine klasse Vorstellung. Die<br />
Birke vor meinem Fenster, die Amsel in den Zweigen, mein klopfendes Herz und die<br />
vielen Fragen in meinem Kopf – all das besteht aus dieser Energie des Anfangs.<br />
Alles, was ich sehe, besteht aus Atomen. Wenigstens das steht inzwischen fest.<br />
Mein Teleskop habe ich inzwischen an einen sternenbegeisterten Schüler verkauft.<br />
Die Faszination der „unendlichen Weiten“ ist geblieben. Und so kreisen wir weiter auf<br />
diesem Planeten um unsere Sonne, in einer fantastischen Galaxie, in einem<br />
Universum, das ein Rätsel bleibt. Ich finde das alles ungeheuer spannend. Und ich<br />
kann ganz gut damit leben, dass manches im Leben rätselhaft bleibt. Oder auch: ein<br />
himmlisches Geheimnis. Vielleicht lüftet es sich für mich irgendwann mal, wenn ich<br />
bei Gott bin. Darauf baue ich.<br />
1418 Wörter<br />
5