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Ingrid Norbu

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Manuskript stimmt nicht unbedingt mit dem Wortlaut der Sendung überein.<br />

Es darf nur zur Presse- und Hörerinformation verwendet<br />

und nicht vervielfältigt werden,<br />

auch nicht in Auszügen.<br />

Eine Verwendung des Manuskripts für Lehrzwecke<br />

sowie seine Vervielfältigung und Weitergabe als Lehrmaterial<br />

sind nur mit Zustimmung der Autorin/des Autors zulässig.<br />

hr2-Camino – Religionen auf dem Weg<br />

Kirchen im Kalten Krieg – Christen in Korea<br />

Von <strong>Ingrid</strong> <strong>Norbu</strong><br />

Sendedatum: 30.06.2013<br />

Sprecherin:<br />

die Autorin<br />

1. OV-Sprecher: Peter Rixen<br />

2. OV-Sprecher und Zitator: (ältere Stimme)<br />

Regie:<br />

Ralf Ebel


2<br />

1. Atmo: Musik: Benefizkonzert Heilandskirche Berlin-Moabit (377)<br />

1. O-Ton: Pfarrer Sungho Cho (588 The members of our churches are ..)<br />

1. OV-Sprecher<br />

Die Mitglieder unserer Kirchen beschäftigen sich intensiv mit Nordkorea. Sieben<br />

Berliner Kirchen engagieren sich in einem Hilfsprojekt. Einmal im Jahr spenden sie<br />

Geld und schicken es nach Nordkorea. (...we spend the money and send to NK.)<br />

2. O-Ton: Pfarrer Carsten Rostalsky (578)<br />

Ich fand das sehr bewegend, dass sich südkoreanische Christen und<br />

nordkoreanische Christen treffen und dass sie gemeinsam Gottesdienste feiern und<br />

auch ihren Wunsch nach Wiedervereinigung ausdrücken.<br />

3. O-Ton: Reverend Hun Jung Cho (617 Basicly Northkorea has no allowed..)<br />

2. OV-Sprecher<br />

In Nordkorea ist christliche Mission grundsätzlich nicht erlaubt. Wenn sich jemand<br />

dort zum Christentum bekennt, dann riskiert er etwas. (...They have a risk)<br />

Titelsprecherin:<br />

Kirchen im Kalten Krieg – Christen in Korea<br />

Eine Sendung von <strong>Ingrid</strong> <strong>Norbu</strong><br />

2. Atmo: Musik Chorprobe in der Heilandskirche, (544, 3:21, ab 28 singen)<br />

Autorin<br />

Auf einer staubig-grünen Insel zwischen Alt Moabit und Turmstraße erhebt sich die<br />

Heilandskirche. Ihr spitzer Turm, einer der höchsten Kirchtürme Berlins, ragt in den<br />

sonnigen Frühjahrshimmel. Am Sonntagnachmittag ist die neogotische Backsteinkirche<br />

für die Koreanische Gemeinde reserviert. Bevor der Gottesdienst beginnt,<br />

probt der Chor.<br />

2. Atmo: Hoch


3<br />

Autorin<br />

Das hohe Kirchenfenster über dem Altar, in dunklen Blau-, Grün- und Brauntönen,<br />

wirkt wie der kühle Gegensatz zum warmen Schein der Kerzen auf dem Altar, die<br />

Young-Ji Byun gerade anzündet. Die Gemeindeälteste, Jahrgang 1945, kurze, leicht<br />

graumelierte Haare, flotter Gang, ist immer eine der ersten hier. Sie stammt aus<br />

Deagu in Südkorea und lebt schon seit über 40 Jahren in Berlin – so wie viele<br />

Gemeindemitglieder. Young-Ji Byun kam als Krankenschwester nach<br />

Deutschland.1963 unterzeichneten die Bundesrepublik Deutschland und Südkorea<br />

ein Abkommen, das den Zuzug von Krankenschwestern und Bergleuten regelte. Vier<br />

Jahre später, 1967, gründeten koreanische Gastarbeiter und Studenten zunächst<br />

Bibelkreise, dann die Evangelische Koreanische Gemeinde in Berlin.<br />

4. O-Ton: Young-Ji Byun (591)<br />

Und damals war dann noch 1970 im Oktober ein koreanische Zentrum eingerichtet<br />

worden in Spandau. Da haben sie auch sehr viele Angebot. Da bin ich auch<br />

hingegangen und Aktivität habe ich auch alles mitgemacht. Da bin doch jede Woche<br />

in die Kirche gekommen. .. 1973 Oktober glaube bin ich doch entschieden, taufen<br />

lassen. Bin ich doch richtige Christen geworden.<br />

Autorin<br />

Seit 1976 ist die Heilandskirche Begegnungsstätte und Kulturzentrum, eine Art<br />

Muttergemeinde für alle Koreaner in Berlin. Christ zu sein ist für fast jeden hier noch<br />

eine junge "Errungenschaft". Die Mutter der Gemeindeältesten Young-Ji Byun war<br />

zwar auch schon Christin, da sie aber einen Buddhisten heiratete, durfte sie ihren<br />

Glauben nicht aktiv leben und an ihre Tochter weitergeben. Erst in Deutschland, auf<br />

der Suche nach gleichgesinnten Landsleuten, kam Young-Ji Byun dann mit anderen<br />

Christen in Kontakt. In letzter Zeit werden die Koreaner in Berlin häufig gefragt, ob<br />

sie sich Sorgen um die politische Krise in ihrer Heimat machen<br />

5. O-Ton: Young-Ji Byun (753)<br />

Ich mach schon Sorgen, aber wenn ich jetzt denn zu Hause meine Mutter noch rede,<br />

sie weiß überhaupt nicht, worum es jetzt geht. Ich glaube, die Südkoreaner sind alle<br />

der Meinung.<br />

Autorin


4<br />

Die meisten Südkoreaner bleiben angesichts der Drohungen aus Nordkorea<br />

gelassen. Seit der Teilung der Koreanischen Halbinsel 1945 und dem Koreakrieg sind<br />

Spannungen dort etwas Alltägliches. Nur werden sie von den Medien im Westen oft<br />

nicht wahr genommen.<br />

2. Atmo: hoch und leise weiter drunter<br />

Autorin<br />

Inzwischen ist auch Pfarrer Sungho Cho eingetroffen, der die Gemeinde seit fast drei<br />

Jahren betreut. Zur gegenwärtigen Krise will er nur so viel sagen:<br />

6. O-Ton: Pfarrer Sungho Cho (754 ab 14 All the world, all the people are..)<br />

1. OV-Sprecher<br />

Alle Welt fürchtet sich vor einem Krieg in Korea, aber ich glaube nicht, dass es dazu<br />

kommen wird. (...war will occur in Korea.)<br />

Autorin<br />

Der Pfarrer ist ein kleiner rundlicher Herr mit eckiger schwarzer Brille. Er kommt<br />

aus Seoul, der Hauptstadt Südkoreas.<br />

7. O-Ton: Pfarrer Sungho Cho (588 As a Korean I have deep wounded by the..)<br />

1. OV-Sprecher<br />

Als Koreaner schmerzt es mich sehr, dass unsere Nation geteilt ist, wie vielleicht<br />

alle meiner Landsleute. In Korea habe ich als Pastor eng mit der Bewegung zur<br />

Wiedervereinigung und der Versöhnung des Landes gearbeitet. Aber die Koreaner<br />

hier in Berlin sind noch engagierter. Ihnen liegen die Menschen in Nordkorea, vor<br />

allem aber das Wohlergehen der Kinder, sehr am Herzen. Wir sprechen in der<br />

Gemeinde oft über die Probleme dort. Nicht nur die Berliner sind engagiert. Auch<br />

Kirchen in Frankfurt, Stuttgart, Düsseldorf, Hamburg und anderen deutschen<br />

Städten beteiligen sich an einem Hilfsprojekt für Nordkorea. (... are engaged in the<br />

project.)


5<br />

Autorin<br />

Dann verabschiedet sich Pfarrer Sungho Cho.höflich. Ich muss mich auf die Predigt<br />

vorbereiten, flüstert er entschuldigend.<br />

Seit 1984 gibt es eine Vereinbarung der Evangelischen Kirche in Deutschland mit<br />

dem Nationalen Kirchenrat in Korea über den gegenseitigen Austausch von Pfarrern.<br />

Pfarrer Sungho Cho kam über das Missionswerks der Evangelischen Kirche in<br />

Berlin-Brandenburg in die Gemeinde.<br />

3. Atmo: Gesang der Jungen (568, 3:37)<br />

Autorin<br />

Noch während sich die Kirche füllt, treten ein paar junge Männer und Frauen an die<br />

Mikrophone vor dem Altarraum. 120 Mitglieder hat die Gemeinde, über die Hälfte<br />

kommen jeden Sonntag. Die Jungen beherrschen Deutsch fast wie ihre<br />

Muttersprache, viele der älteren dagegen haben Mühe, wie Lee Jeong-Bog, 72 Jahre<br />

alt, der vor 40 Jahren als Arbeiter nach Deutschland kam. Er spricht lieber<br />

Koreanisch.<br />

8. O-Ton: Lee Jeong-Bog (560 34 bis 1:20, Koreanisch)<br />

2. OV-Sprecher<br />

Anfangs, nach dem Koreakrieg waren wir sehr arm. Ich wuchs auf dem Land auf, im<br />

Dorf Séjong im Süden des Landes. Es muss 1958 gewesen sein, als eine Missionarin<br />

aus den USA zu uns kam. Ich wurde Christ und auch als ich drei Jahre später zum<br />

Militär kam, konnte ich sonntags zum Gottesdienst in eine nahe Gemeinde gehen. In<br />

Berlin konnte ich meinen Glauben festigen.<br />

4. Atmo: Chormusik in der Kirche (569, 3:58)<br />

Autorin<br />

Im 18. Jahrhundert verbreiteten katholische Priester, die am Hof des chinesischen<br />

Kaisers lebten, den christlichen Glauben in Korea. Die neue Religion konnte schnell


6<br />

Anhänger gewinnen, hatte sie doch auch westliches Wissen im Gepäck. Ein<br />

Jahrhundert später erschienen US-amerikanische Missionare evangelischer Kirchen<br />

auf der Koreanischen Halbinsel. Sie ließen Krankenhäuser bauen und sorgten vor<br />

allem für die Armen. Bis 1910, als Korea eine Kolonie Japans wurde, hatten sie<br />

schon über 800 Schulen gegründet. Der Protestantismus gewann viele Anhänger,<br />

besonders im Norden. Am Ende des Zweiten Weltkriegs lag der Christenanteil in<br />

Pjöngjang bei etwa 13 Prozent. "Jerusalem Koreas" wurde die Stadt genannt. Nach<br />

der Teilung Koreas 1945 und erst recht nach dem Ende des Koreakrieges 1953<br />

flohen die meisten Christen von dort nach Südkorea, oder sie kamen nach<br />

Deutschland in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Young-Bin Lie stammt aus<br />

Nordkorea. Sein Vater war evangelischer Pfarrer in der nordkoreanischen<br />

Hafenstadt Wonsan.<br />

9. O-Ton: Lie (364)<br />

Mein Vater sagte mir, ich habe in meinem ganzen Leben meine pastorale Arbeit für<br />

arme Bevölkerung des Volkes gemacht. Und nun Nordkorea ist ein sozialistisches<br />

Land geworden, wo diese arme Menschen selbst Herr dieses Landes geworden sind.<br />

Autorin<br />

Der heute 86-jährige Young-Bin Lie betreute lange eine evangelische Gemeinde in<br />

Frankfurt am Main. Zur Überwindung der Teilung, nach dem Vorbild innerdeutscher<br />

Annäherungspolitik, begann Pfarrer Young-Bin Lie Ende der 1970er Jahre eine<br />

Initiative zur Aussöhnung zwischen Christen aus Nord- und Südkorea. Besonders die<br />

evangelischen Kirchen wurden nach der Teilung Koreas im totalitären Norden als<br />

Agenten des Feindes, der USA, angesehen. Zwei Jahre lang schrieb Pfarrerr Lie<br />

immer wieder Briefe nach Nordkorea, um das Vertrauen der Führung zu gewinnen.<br />

Er kritisierte darin den christlichen Antikommunismus, bekannte sich zur<br />

Befreiungstheologie Lateinamerikas und übermittelte Informationen über den Dialog<br />

zwischen Marxisten und Christen im damals noch geteilten Europa. Dann war es<br />

soweit: Nach fasst 30 Jahren durfte er wieder in sein Geburtsland reisen.<br />

10. O-Ton: Lie (366)


7<br />

Als wir nach Nordkorea zum ersten Mal kamen, das war 81, da waren etwa 2000<br />

Christen zurückgeblieben, während früher 150 000 Christen waren. Nachdem wir<br />

drei Jahre diese Versöhnungsarbeit weiter getrieben haben, wurde dort Kirche erst<br />

wieder aufgebaut, sogar zwei Kirchen. (368) Ökumenische Rat der Kirchen, Genf, hat<br />

84 nordkoreanische Kirchen zu Gespräch eingeladen und mit südkoreanischen<br />

Kirchenvertretern zusammengeführt.<br />

5. Atmo: Musik vor Jucheturm in Pjöngjang<br />

Autorin<br />

Statt Kirchtürmen ragt heute zwischen menschenleeren Plätzen und<br />

Monumentalbauten ein 170 Meter hoher Turm mit einer leuchtend roten Flamme in<br />

den Himmel. Der Juche-Turm ist das Wahrzeichen der nordkoreanischen Hauptstadt<br />

Pjöngjang. Symbol der Staatsideologie mit einer fast gottähnlichen Verehrung der<br />

Kim-Familie. Am Rande der Stadt ist auf einer Giebelspitze ein fadendünnes Kreuz<br />

zu erkennen. Nur wer weiß, wo sie steht, wird die turmlose kleine Bongsu – Kirche in<br />

dem Meer von Plattenbauten überhaupt entdecken. Hier fanden jedoch schon<br />

historische Begegnungen zwischen nord- und südkoreanischen Christen statt.<br />

Ranghohe Vertreter der EKD, der Evangelischen Kirche in Deutschland, trafen dort<br />

auf Mitglieder des "Korean Christian Federation", abgekürzt KCF. Der Christenbund<br />

Koreas ist die offizielle Organisation evangelischer Christen in Nordkorea. Im Jahr<br />

2005 war auch der Neuberliner Lee Jeong-Bog dabei.<br />

11. O-Ton: Lee Jeong-Bog (555 ab 5 bis 40, Koreanisch)<br />

2. OV-Sprecher<br />

Wir waren sieben Tage da, u. a. auch beim Muttertagsgottesdienst. Wir haben die<br />

Bongsu und die Chilkop Gemeinde besucht und wurden wie Ehrengäste behandelt,<br />

die in der ersten Reihe sitzen. (556 20 bis 38) Die Atmosphäre war sehr gut. Ich hatte<br />

während des Gottesdienstes nicht den Eindruck, dass nur die Form gewahrt wurde<br />

oder alles nur Schau war. (557 8 bis 41) Wir hatten erst einmal nur Kontakt mit dem<br />

Gruppenleiter, der eine theologische Ausbildung hat und sehr aufgeschlossen war,<br />

nicht mit Gemeindemitgliedern. Vielleicht hätten wir Fragen stellen können, aber es<br />

gab keine Gelegenheit dazu.


8<br />

Autorin<br />

Anfangs fürchtete sich Lee Jeong-Bog vor Feindseligkeiten der Nordkoreaner, denn<br />

der Koreakrieg ist längst nicht vergessen. Solche Treffen sind wichtig, meint Pfarrer<br />

Carsten Rostalsky, der seit 15 Jahren den Korea-Arbeitskreis in der Berliner Mission<br />

leitet.<br />

12. O-Ton: Rostalsky (580)<br />

Es gibt auf beiden Seiten ganz starke Vorurteile und ganz starke Feindbilder. Also in<br />

Südkorea werden immer noch Bilder gemalt, die Menschen in Nordkorea haben<br />

Hörner. Und das ist total finster und sehr platt. Es gibt ebenso große Vorbehalte in<br />

Nordkorea gegenüber den Menschen in Südkorea. Man erzählt ihnen, dass sie dort in<br />

größter Armut leben und dass es ihnen ganz schlecht geht und wie überlegen das<br />

eigene System ist, diese Juche-Ideologie, dass das tausendmal besser ist, als was<br />

das Brudervolk im Süden aushalten muss.<br />

Autorin<br />

Trotzdem ist Wiedervereinigung in beiden Koreas ein Thema, allerdings stets nur zu<br />

den eigenen Bedingungen. Schon einige Male trafen sich Vertreter des "Korean<br />

Christian Federation" mit südkoreanischen Christen in Deutschland, um über<br />

Möglichkeiten einer Wiedervereinigung zu sprechen, die für beide akzeptabel ist.<br />

13. O-Ton: Rostalsky (578)<br />

Wahrscheinlich ist das auch ein Grund, warum sie oft und gern nach Deutschland<br />

kommen, weil sie hier ein Land erleben, dass die Wiedervereinigung schon vollzogen<br />

hat. Und sie wollen natürlich auch wissen, welche Rolle spielen Christen dabei. Die<br />

Rolle der Christen in Nordkorea ist natürlich eine andere, weil sie haben keinen<br />

Kontakt wie die ostdeutschen Christen Kontakte in den Westen hatten, denn es gibt<br />

keine Postkarte, kein Paket und keinen Besuch innerhalb der beiden Länder, der<br />

nennenswert wäre. (581) Ein Punkt, der besprochen wird, das ist das gemeinsame<br />

Gebet, das Mitte August in beiden koreanischen Hälften gebetet wird, aber auch in<br />

aller Welt und dieses Gebet ist etwas Besonderes, weil es von nord- und<br />

südkoreanischen Christen gemeinsam formuliert wird, jedes Jahr.<br />

Autorin<br />

Und wie in jedem Jahr beteten Nord- und Südkoreaner auch 2012 für ein Ende der<br />

Teilung und Unterdrückung:


9<br />

Zitator<br />

Gott, der du frei bist, der du die Mauer niederreißt und die Eingesperrten befreist.<br />

Herr, führe uns den Weg in die Freiheit und Wiedervereinigung; den Weg, der dein<br />

Wille ist, und tröste alle Christen im Norden und Süden.<br />

6. Atmo: Traditionelle Musik in der Hyanglinkirche in Seoul (603) leise<br />

Autorin<br />

300 Kilometer südlich von Pjöngjang liegt die südkoreanische Hauptstadt Seoul.<br />

Zwischen beiden Metropolen erstreckt sich die Grenze am 38. Breitengrad, die 1945<br />

zu Beginn des Kalten Krieges gezogen wurde. Russen und Amerikaner wollten eine<br />

Pufferzone zwischen ihren Einflusssphären abstecken. 1950 überfielen<br />

Nordkoreanische Truppen Seoul, der Beginn des Koreakriegs. In beiden<br />

Landesteilen blieb kein Stein auf dem andern.<br />

7. Atmo: In Seoul, über Musik<br />

Autorin<br />

Seoul ist heute eine Ansammlung von hastig errichteten Häusern aus den 60er<br />

Jahren, als es dem Land wirtschaftlich sehr schlecht ging, und ehrgeizig hohen<br />

Wolkenkratzern mit reflektierenden Glasfronten neueren Datums. In der<br />

südkoreanischen Hauptstadt leben um die 15 Millionen Menschen. Versteckt hinter<br />

einer Baugrube und nur wegen eines Hinweisschildes überhaupt zu finden, liegt die<br />

Hyanglinkirche im dritten Stock eines unscheinbaren Bürohauses. Sie ist Mitglied<br />

des Nationalen Rats der Kirchen, in dem sich beispielsweise Presbyterianer,<br />

Methodisten und Anglikaner zusammengeschlossen haben, die zusammen etwa 60<br />

Prozent der protestantischen Gläubigen in Südkorea ausmachen.<br />

6. Atmo: Traditionelle Musik in der Hyanglinkirche in Seoul (608)<br />

14. O-Ton: Rev. Hun Jung Cho (613 ab 1: 20 The Hyanglin Church which has a 60 .)<br />

2.OV-Sprecher


10<br />

Die Hyanglin Kirche, die vor 60 Jahren gegründet wurde, hat sich von Anfang an auf<br />

soziale Themen konzentriert. Wir beschäftigen uns mit der Frage der<br />

Wiedervereinigung, den Menschenrechten und dem Frieden auf der Halbinsel. Wir<br />

bilden bei den progressiven Kirchen Südkoreas sozusagen die vorderste Front bei<br />

diesen Themen. (... those kind of progressive Churches.)<br />

Autorin<br />

Reverend Hun Jung Cho ist um die 60, weiße Haare und ein weißer Bart umrahmen<br />

sein schmales Gesicht. Als Pfarrer trägt er eine naturfarbene Weste über einer<br />

braunen Tunika aus Wolle. Darüber eine blaue Stola mit bunten Ornamenten. Seine<br />

dunklen Augen leuchten, wenn er erzählt, warum ihm eine Aussöhnung mit dem<br />

Norden Koreas so wichtig ist.<br />

15. O-Ton: Pfarrer Cho (614 When I was 20 y old...)<br />

2. OV-Sprecher<br />

Als ich 20 war und das Theologische Seminar besuchte, sah ich zum ersten Mal in<br />

meinem Leben einen Film über Nordkorea. Japaner hatten eine Dokumentation<br />

gedreht. Zu meinem Erstaunen stellte ich fest, das die Nordkoreaner dieselbe<br />

Sprache hatten wie wir. Das bedeutet also, von meiner Geburt an bis zum 20.<br />

Lebensjahr hatte die südkoreanische Regierung alle Informationen kontrolliert und<br />

alle Verbindungen in den Norden gekappt. Sie haben uns hier einer Gehirnwäsche<br />

unterzogen. (.. They brainwashed SK people.)<br />

8. Atmo: traditionelle Musik (603)<br />

Autorin<br />

Wenn man den Statistiken glauben darf, sind etwa 30 Prozent der Südkoreaner<br />

heute Christen, rund 22 Prozent gehören einer evangelischen Konfession an.<br />

Megakirchen beherrschen das Stadtbild in Seoul, die riesige Neonlichtkreuze auf die<br />

Gotteshäuser montiert haben. Die "Full Gospel Church" hat 800 000 Mitgliedern und<br />

zählt zu den größten Gemeinden der Welt. Die Hyanglinkirche hat nur 800. Etwa 500


11<br />

Gläubige haben sich zum Sonntagsgottesdienst versammelt. Im Altarraum hängt ein<br />

schlichtes Holzkreuz, der Altar selbst ähnelt einem Tapeziertisch. Alles soll<br />

bescheiden wirken. Dafür wurde nicht an Musikinstrumenten gespart. Das im<br />

Gottesdienst auch traditionelle koreanische Instrumente einsetzt werden, ist in<br />

vielen anderen Kirchengemeinden verpönt, denn alles Koreanische soll dort<br />

überwunden werden.<br />

8. Atmo: traditionelle Musik (603)<br />

Autorin<br />

Pfarrer Cho hat die Bongsu und Chilkop Kirche in Pjöngjang viermal besucht und<br />

auch eine Hauskirche gesehen. Immer wieder wird er gefragt, wie viele Christen es<br />

in Nordkorea gäbe. Wenn Zahlen, beispielsweise im Internet auftauchen, meint<br />

Pfarrer Cho, sollte man ihnen besser misstrauen.<br />

16. O-Ton: Pfarrer Cho (618 There must be Christians under the surface,..)<br />

2. OV-Sprecher<br />

Wir glauben, dass es in Nordkorea Christen im Untergrund gibt, die heimlich ihren<br />

Glauben leben. Die konservativen Kirchen gehen von einer hohen Zahl aus,<br />

aber ich denke, in einem so stark kontrollierten Land ist es schwierig, etwas zu<br />

verbergen, aber ich bin eben nicht sicher. (... I am not sure about that.)<br />

Autorin<br />

Aus Nordkorea kommen keine offiziellen Angaben. Mutmaßungen, auch darüber wie<br />

viele Christen in Straflagern gefangen gehalten werden, lassen sich nicht<br />

überprüfen. Immer wieder wird Pfarrer Cho im Süden Koreas mit Zweifeln<br />

konfrontiert, ob es sich im Norden überhaupt um richtige Christen handele.<br />

17. O-Ton: Pfarrer Cho ( 617 ab 18 There are different opinions about it..)<br />

2. OV-Sprecher<br />

Darüber sind die Meinungen geteilt. Sind sie aufrichtig, sind sie wirkliche Christen?<br />

Das hängt von den Grundlagen der Beurteilung ab. Ich kann mich doch auch selbst


12<br />

fragen, bin ich ein echter Christ? Ist jemand, der nur zur Kirche geht, ein Christ? (...)<br />

Die Christen in Nordkorea riskieren etwas, nicht gerade ihr Leben, aber sie werden<br />

nie in höhere Positionen in der nordkoreanischen Gesellschaft aufsteigen können.<br />

Obwohl sie Nachteile haben, gehen sie in die Kirche. Sie sind vielleicht frommere<br />

Christen als wir hier im Süden, denn ihre Umgebung macht es ihnen nicht leicht,<br />

Christ zu sein.(.. is not good to confess to be Christians.)<br />

Autorin<br />

Auch Reverend Cho macht es sich nicht leicht. Draußen am Gebäude, in dem die<br />

Kirche untergebracht ist, hängt ein etwa 15 Meter langes Banner mit der Aufschrift:<br />

"Schafft das Gesetz zur Nationalen Sicherheit ab". Es besagt u. a., dass kein<br />

Südkoreaner selbst Kontakte zum Norden aufnehmen darf, dass man den Norden<br />

nicht loben oder für ihn werben darf. Das Gesetz stammt aus dem Jahr 1946 und gilt<br />

mit leichten Veränderungen bis heute.<br />

18. O-Ton: Pfarrer Cho (619 ab1:28 My predecessor Rev.Hong has been in prison..)<br />

2. OV-Sprecher<br />

Mein Vorgänger Reverend Hong war in den späten 1980er Jahren anderthalb Jahre<br />

im Gefängnis, nur weil er in einem Fernsehinterview gesagt hatte: In Nordkorea<br />

leben keine schlechten Menschen, sie sind wie wir. Sie sind nicht Satan, es sind<br />

menschliche Wesen. Eigentlich nichts Schlimmes, aber während der Militärdiktatur<br />

in Südkorea galt man deshalb als prokommunistisch eingestellt und ging ins<br />

Gefängnis. Die Nordkoreaner wissen, dass wir hier in der Hyanglinkirche für Frieden<br />

und Wiedervereinigung arbeiten. ( ... for peace and reunification work.)<br />

Autorin<br />

Mehr will Reverend Cho dann aber auch nicht erzählen. "Ich möchte nicht ins<br />

Gefängnis", meint er lachend, aber ein wenig ernst meint er es wohl schon.<br />

9. Atmo: Hyanglinkirche in Seoul, Gesang (611)<br />

Autorin


13<br />

Selbst unter den Christen denken nur wenige Südkoreaner positiv über die einfachen<br />

Menschen in Nordkorea. Der Pfarrer und die Gemeinde der Hyanglingkirche aber<br />

wollen die Verbindung zu den isolierten Brüdern und Schwestern im Norden halten.<br />

Ein schwieriges Unterfangen und die Kriegsdrohungen des neuen Diktators, der es<br />

der Welt zeigen möchte, geben wenig Anlass zur Hoffnung, dass es in Zukunft<br />

einfacher wird. Das letzte Treffen zwischen Christen in Nord- und Südkorea fand im<br />

November 2011 in Pjöngjang statt. Seit Kim Jong Un die Macht dort übernommen<br />

hat, herrscht Funkstille.<br />

1. Atmo: Musik Benefizkonzert Heilandskirche Berlin-Moabit (377)<br />

Autorin<br />

13 000 Kilometer liegen zwischen der Hyanglinkirche in Seoul und der<br />

Heilandskirche in Berlin-Moabit. Wenn Ideologien die beiden Koreas trennen, so soll<br />

die humanitäre Hilfe sie einander näherbringen, so denken beide Gemeinden. Die<br />

Bevölkerung in Nordkorea leidet nicht nur unter der harschen Führung gottgleicher<br />

Führer, sondern auch unter Misswirtschaft, Hungersnöten und Naturkatastrophen.<br />

Von Südkorea aus gehen zweimal im Jahr Schiffe mit Hilfsgütern, gespendet von<br />

Kirchenmitgliedern, in den Norden. Sie kommen vor allem Kindern zugute, die<br />

chronisch unterernährt sind. Auch Berliner Christen sammeln Spenden dafür. Im<br />

November 2012 fand in der Heilandsgemeinde ein Benefizkonzert statt.<br />

19. O-Ton: Pfarrer Rostalsky (583)<br />

Dieses Benefizkonzert findet seit einer Reihe von Jahren statt, mal in der<br />

Heilandsgemeinde, mal auch in der Marienkirche auf dem Alexanderplatz. Da wurde<br />

vor zwei Jahren der Messias aufgeführt von Händel. Und die Spenden, die dabei<br />

gesammelt werden, gehen nach Nordkorea in Form von Mehl und Nahrungsmitteln<br />

für eine Fabrik, die Glasnudeln herstellt. Und auf diese Art und Weise unterstützen<br />

wir die Bevölkerung in Nordkorea.<br />

Autorin<br />

Der Christenbund in Nordkorea ist Partner vor Ort bei dieser Hilfe.<br />

1. Atmo: Musik Benefizkonzert Heilandskirche Berlin-Moabit (377)


14<br />

Autorin<br />

Bei den Beziehungen zwischen nord- und südkoreanischen Christen gab es in der<br />

Vergangenheit Rückschläge, aber auch das eine oder andere ermutigende<br />

Anzeichen. Die Verbindungen konnten immer wieder neubelebt und variiert werden.<br />

Für den 7. Oktober 2013 bereitet die EKD mit den koreanischen Kirchen ein<br />

Friedensforum in Berlin vor. Am Brandenburger Tor soll dann gemeinsam für<br />

Versöhnung und Wiedervereinigung gebetet werden. Ebenfalls im Oktober findet die<br />

10. Versammlung des Weltkirchenrats in der südkoreanischen Stadt Busan statt. Ein<br />

Traum für viele wäre eine Reise mit einem Friedenszug von Berlin über Moskau nach<br />

Peking und Pjöngjang und dann - sehr unwahrscheinlich - weiter in den Süden, nach<br />

Seoul bis nach Busan. Die Schienenstränge sind verlegt, aber politisch stehen die<br />

Signale auf Rot.<br />

Titelsprecherin<br />

Kirchen im kalten Krieg - Christen in Korea<br />

Sie hörten eine Sendung von <strong>Ingrid</strong> <strong>Norbu</strong><br />

Es sprachen: Peter Rixen (= 1. OV-Sprecher), N.N. und die Autorin<br />

Redaktion: Anne Winter<br />

Regie: Ralf Ebel

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