hildesheim - Kehrwieder am Sonntag
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■ Sonderveröffentlichung · <strong>Sonntag</strong>, 29. September 2013 · Seite 25<br />
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Foto: Peisker<br />
Fortsetzung von Seite 24<br />
Das Alte Fachwerkhaus in Groß<br />
Düngen in der Hildesheimer Straße<br />
13 ist das einzige noch erhaltene<br />
Fachwerkhaus, das wie kein anderes<br />
die Zeitgeschichte von 233 Jahren<br />
dokumentiert.<br />
1780 erbaute Franz Walter Iburg<br />
sein neues Haus in Groß Düngen. Auf<br />
einen Balken schrieb er: „Ich habe<br />
nicht gebauhet aus Pracht sondern<br />
die Wassernoth hat mich dazu gebracht.“<br />
Die noch ältere Inschrift „Wer Gott<br />
vertraut –iHs –hat wohlgebaut“ –<br />
fast verborgen unter Ziegeln an der<br />
vorderen Giebelseite – deutet darauf<br />
hin, dass der Balken mit dieser Inschrift<br />
aus dem durch die Fluten zerstörten<br />
Haus st<strong>am</strong>mt.<br />
Später k<strong>am</strong> der Köthnerhof durch<br />
Heirat zum Hof Wedekin in der<br />
Bergstraße, dem Geburtshaus des<br />
Bischofs Eduard Jacob Wedekin<br />
(1796-1870). Landarbeiter des Wedekinschen<br />
Hofes bewohnten von<br />
nun an das alte Fachwerkhaus.<br />
Während des zweiten Weltkrieges<br />
wurden die kleinen niedrigen Räume<br />
neben der Landarbeiterwohnung zusätzlich<br />
zum Asyl für F<strong>am</strong>ilien, die<br />
aus dem zerbombten Hildesheim<br />
evakuiert worden waren. 1946<br />
fanden Vertriebene hier ihre erste<br />
Bleibe. Einige Jahre später ging das<br />
Haus durch Verkauf in den Besitz der<br />
F<strong>am</strong>ilie Biermann über, die die kleinen<br />
Wohnungen weiter vermietete.<br />
In den Folgejahren verfiel das Haus<br />
immer mehr, schließlich konnte es<br />
nicht mehr bewohnt werden und<br />
stand einige Jahre leer. Der Abriss<br />
war geplant und schien unvermeidbar.<br />
1985 hatte Lieselotte Bogun die<br />
Planung der 900-Jahrfeier übernommen.<br />
In die Jahrhundertfeier<br />
sollte auch ein Fachwerkhaus für<br />
heimatliche und kunsthandwerkliche<br />
Ausstellungen und kleine Konzerte in<br />
historischen Kaffeestuben mit eingebunden<br />
werden. Infrage k<strong>am</strong> nur der<br />
ehemalige Köthnerhof, das abbruchreife<br />
aber einzige leer stehende alte<br />
Gebäude in Groß Düngen. Der neue<br />
Besitzer Karl Marx stellte das Haus<br />
für die Dauer des Jubiläums zur Verfügung.<br />
Zu diesem Zweck restaurierten<br />
Groß Düngener Bürger notdürftig mit<br />
gespendeten Materialen den ehemaligen<br />
Köthnerhof. In den Medien<br />
war zu lesen: „Groß Düngener Bürger<br />
renovieren altes Haus – Kultureller<br />
Treffpunkt für die 900-Jahr-Feier.<br />
Mit einfachsten Mitteln bringt eine<br />
Handvoll Bürger das alte Gebäude<br />
wieder in Schwung.“ Die ges<strong>am</strong>te<br />
Jahrhundertfeier wurde ein großer<br />
Erfolg, die Aktivitäten in dem über<br />
200 Jahre alten Haus trugen nicht<br />
unwesentlich dazu bei. Beeindruckt<br />
von dem ehren<strong>am</strong>tlichen<br />
Engagement der Bürger regte der<br />
d<strong>am</strong>alige Kreissparkassendirektor<br />
Hubertus Haller an, den ehemaligen<br />
Köthnerhof als Kulturzentrum auszubauen.<br />
Motiviert durch den Erfolg<br />
des Jubiläums und die finanzielle<br />
Unterstützung durch die Kreissparkasse,<br />
die Gemeinde Groß Düngen,<br />
der Stadt Bad Salzdetfurth und dem<br />
Denkmalschutz gründete Lieselotte<br />
Bogun gemeins<strong>am</strong> mit den „Restauratoren“<br />
dann den Kulturverein<br />
Groß Düngen e.V. und es begannen<br />
die Restaurierungsarbeiten mit unzähligen<br />
ehren<strong>am</strong>tlichen Stunden<br />
der Vereinsmitglieder.<br />
1988 wurde das Haus als Kulturzentrum<br />
endgültig eingeweiht.<br />
Über das blaue Tor schrieben Vereinsmitglieder:<br />
„Am Alten ist gut zu<br />
behalten“.<br />
Kauf des Hofes<br />
Der 25. Markt wäre beinahe der<br />
letzte Markt gewesen, hätte nicht<br />
der Kulturverein alle Hebel in Bewegung<br />
gesetzt, das kulturelle Kleinod<br />
in der Region vor der Schließung<br />
zu retten. Denn die 26 ½-jährige<br />
Pachtzeit wäre Ende 2013 abgelaufen;<br />
eine Pachtverlängerung war<br />
nicht möglich. Der Verein hätte sich<br />
auflösen müssen. Die viel beachteten<br />
Aktivitäten – Märkte, Zimmertheater<br />
und Kinderprogr<strong>am</strong>m – hätte es nicht<br />
mehr gegeben. Auch die Gäste im<br />
Haus, die Chorgruppe Groß Düngen,<br />
der Seniorenkreis und der Kinderchor<br />
der evangelischen Kirche, die Volkshochschule,<br />
der AWO-Ortsverein<br />
und das Ortsarchiv wären obdachlos<br />
geworden.<br />
Doch es k<strong>am</strong> anders: Der Verein<br />
entschloss sich aufgrund des enormen<br />
ehren<strong>am</strong>tlichen Engagements<br />
der Mitglieder seit 26 Jahren, das<br />
unter Denkmalschutz stehende Alte<br />
Fachwerkhaus zu kaufen. Voraussetzung:<br />
es sollten Sponsoren für die<br />
Finanzierung des Kaufs gefunden<br />
werden. Die Vorsitzende, Lieselotte<br />
Bogun, nahm die Angelegenheit in<br />
die Hand und hatte Erfolg. Sieben<br />
Sponsoren erklärten sich spontan<br />
bereit, den Erhalt des über die Region<br />
hinaus bekannten und beliebten<br />
Kulturzentrums finanziell zu unterstützen.<br />
Am 19.August 2013 unterschrieb<br />
der Vorstand des Kulturvereins den<br />
Kaufvertrag für den 233 Jahre alten<br />
ehemaligen Köthnerhof. Und <strong>am</strong> 19.<br />
August 1986 – auf den Tag genau 30<br />
Jahre früher – wurde derKulturverein<br />
gegründet.<br />
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Das alte Fachwerkhaus dient heute als zentraler kultureller Treffpunkt.<br />
Foto: Typotime<br />
Die Restaurierung entstand in vielen ehren<strong>am</strong>tlichen Stunden der Vereinsmitglieder.<br />
Foto: Hohmann