In diesem Monat startet Barrie Kosky mit der Gesamt-Inszenierung ...
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36<br />
u Schwerpunkt<br />
1 I Bildunterschrift<br />
2 I Bildunterschrift<br />
3 I Bildunterschrift<br />
4 I Bildunterschrift<br />
<strong>In</strong> <strong>diesem</strong> <strong>Monat</strong> <strong>startet</strong> <strong>Barrie</strong> <strong>Kosky</strong> <strong>mit</strong> <strong>der</strong> <strong>Gesamt</strong>-<strong>In</strong>szenierung einer Monteverdi-Trilogie,<br />
bestehend aus neuen Fassungen <strong>der</strong> Opern „L’Orfeo“, „Il ritorno d’Ulisse in patria“ und<br />
„L’incoronazione di Poppea“, in seine erste Saison als <strong>In</strong>tendant <strong>der</strong> Komischen Oper Berlin.<br />
Im Gespräch entwirft er Zukunftsperspektiven für sein Haus und für die Gattung Oper.<br />
<strong>In</strong>terview w<br />
Detlef<br />
Brandenburg<br />
Herr <strong>Kosky</strong>, Sie haben eine unglaublich<br />
vielseitige Arbeitsbiographie sowohl im<br />
Musik- wie auch im Sprechtheater. Sie<br />
haben Off-Theatergruppen, Festivals und<br />
das Schauspielhaus Wien geleitet, haben<br />
als Schauspieler o<strong>der</strong> Pianist an Produktionen<br />
<strong>mit</strong>gewirkt, haben von Wagners<br />
„Ring“ über Goethes „Faust“ bis zu schrägen<br />
Revuen so ziemlich alles inszeniert,<br />
was irgend auf eine Bühne passt.<br />
<strong>Barrie</strong> <strong>Kosky</strong> Diese Vielseitigkeit ist das,<br />
was ich bin! Ich bin <strong>mit</strong> meiner ganzen<br />
Person ein vielfältiger Mann, meine Familie<br />
kommt aus Russland, Polen, Ungarn,<br />
Australien und England, meine<br />
ganze Kindheit und Jugend war geprägt<br />
von dieser seltsamen Kombination aus<br />
ungarischen, russischen, polnischen,<br />
jiddischen, englischen Einflüssen, und<br />
das alles in Australien: in <strong>diesem</strong> sehr<br />
jungen Land, <strong>mit</strong> viel Sonne und Strand,<br />
einer phantastischen Kulturszene... Dieser<br />
Wi<strong>der</strong>spruch zwischen meiner europäischen<br />
Prägung durch meine Familie<br />
und <strong>diesem</strong> sehr jungen, vitalen Land<br />
war eine wichtige Erfahrung in meinem<br />
Leben. Ich habe daraus eine Neugier<br />
auf Überraschungen entwickelt,<br />
Spaß an Wi<strong>der</strong>sprüchen. Ich weiß, in<br />
Deutschland wird solche Vielseitigkeit<br />
schnell negativ angesehen. Man muss<br />
als Regisseur einen Stil haben, und den<br />
macht man für 40, 50 Jahre, und man<br />
weiß, wenn <strong>der</strong> Vorhang aufgeht: aha,<br />
wir sind in So-und-sos <strong>In</strong>szenierung.<br />
Das mag für viele Künstler wun<strong>der</strong>bar<br />
sein, aber ich kann das nicht. Ich wollte<br />
immer überraschen. Und für mich war<br />
Kultur nie eine Hierarchie, in <strong>der</strong> Goethe<br />
o<strong>der</strong> Wagner ganz oben auf <strong>der</strong> Leiter<br />
stehen, son<strong>der</strong>n eine Landschaft. Man<br />
kann in dieser Landschaft wun<strong>der</strong>bar<br />
wan<strong>der</strong>n und ganz unterschiedliche<br />
Dinge entdecken.<br />
Die Komische Oper selbst hat ja auch eine<br />
wechselvolle Geschichte, in <strong>der</strong> unterschiedliche<br />
Einflüsse aufeinan<strong>der</strong> treffen.<br />
<strong>Barrie</strong> <strong>Kosky</strong> Das Haus steht für eine<br />
Tradition <strong>der</strong> Ensemblearbeit und <strong>der</strong><br />
sorgfältigen Proben, hier haben die-<br />
Die Deutsche Bühne 9 I 2012
Schwerpunkt t<br />
37<br />
1 I<br />
1 I Mit einer<br />
Monteverdi-<br />
Trilogie <strong>startet</strong><br />
<strong>Barrie</strong> <strong>Kosky</strong>, <strong>der</strong><br />
neue <strong>In</strong>tendant<br />
<strong>der</strong> Komischen<br />
Oper Berlin,<br />
in seine erste<br />
Spielzeit.<br />
selben Sänger und Musiker am einen<br />
Abend „Fidelio“ gemacht, am nächsten<br />
eine Offenbach-Operette, dann eine<br />
Janáček-Oper, dann „Anatevka“. Diese<br />
Probenphilosophie des Ensembles,<br />
diese Opernpraxis, das macht die Komische<br />
Oper Berlin einzigartig – und<br />
nicht, dass man alles auf Deutsch gesungen<br />
hat o<strong>der</strong> dass man hier schräge<br />
<strong>In</strong>szenierungen hat. Was das Haus<br />
auszeichnet, das ist eine Arbeitsphilosophie:<br />
Da kann <strong>der</strong> Dirigent nicht erst<br />
zur Klavierhauptprobe anreisen, o<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> berühmte Tenor kommt erst in <strong>der</strong><br />
letzten Probenwoche dazu.<br />
Es gibt noch eine an<strong>der</strong>e Tradition, die<br />
Sie interessieren müsste: Hier hat bis<br />
1944 das Metropoltheater gespielt.<br />
<strong>Barrie</strong> <strong>Kosky</strong> Damals war die Komische<br />
Oper Berlin das führende Revuetheater<br />
Deutschlands, genau! Das Haus war verbunden<br />
<strong>mit</strong> Namen wie Richard Tauber<br />
Fotos (3): Thomas M. Jauk<br />
und Fritzi Massary, Oskar Dénes und Rosi<br />
Barsony, Oscar Strauss, Franz Lehár, Paul<br />
Abraham – jüdische Künstler, die die<br />
Berliner Jazz- und Operettenszene stark<br />
geprägt haben. Da<strong>mit</strong> war es natürlich<br />
nach 1933 vorbei. Das bedeutet für mich<br />
sehr gemischte Gefühle. Dieses Haus ist<br />
auch tief verbunden <strong>mit</strong> den Verbrechen<br />
<strong>der</strong> NS-Zeit, und ich war ein bisschen<br />
überrascht, dass all das nicht mehr so<br />
präsent ist im Gedächtnis. Und ich finde<br />
– bei allem Respekt vor all diesen<br />
Projekten zur „entarteten Musik“ –, dass<br />
man jetzt auch mal daran erinnern darf,<br />
was die Nazis alles an unterhaltsamer<br />
Musik kaputt gemacht haben. Das muss<br />
ja nicht immer so furchtbar ernst sein,<br />
so ein Schuld-Projekt! Im 21. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
sollen die Menschen diese Werke nicht<br />
hören, weil sie von jüdischen Menschen<br />
geschrieben wurden, son<strong>der</strong>n einfach,<br />
weil sie phantastische Stücke sind.<br />
Punkt! Also: Ich möchte gern diese beiden<br />
Traditionen, die von Felsenstein und<br />
die des Varietés, verbinden. Auch weil ich<br />
finde, dass ein Haus wie die Komische<br />
Oper Berlin im 21. Jahrhun<strong>der</strong>t verschiedene<br />
Türen haben muss. Und ich hoffe,<br />
dass durch diese verschiedenen Türen<br />
unterschiedliche Publikumsschichten<br />
den Weg in dieses Haus finden. Ich habe<br />
nicht die Illusion, dass ein Zuschauer, <strong>der</strong><br />
in die Operette kommt, auch zu einer Uraufführung<br />
von Olga Neuwirth kommt.<br />
Das muss auch nicht sein. Aber ich will<br />
dieses Haus zu einem Haus für Berlin<br />
machen. Und deshalb möchte ich viele<br />
verschiedene Menschen hier haben.<br />
Und ich werde darauf bestehen, dass alle<br />
die verschiedenen Produktionen von<br />
unserem Ensemble gemacht werden.<br />
Hier gilt das Ensemble-Prinzip!<br />
Da gibt es offenbar eine Gemeinsamkeit<br />
zwischen Ihnen und Jossi Wieler an <strong>der</strong><br />
Staatsoper Stuttgart: Auch er setzt auf<br />
sorgfältige Proben, Ensemblearbeit…<br />
<strong>Barrie</strong> <strong>Kosky</strong> Ja, o<strong>der</strong> <strong>mit</strong> Bernd Loebe<br />
an <strong>der</strong> Oper Frankfurt. Dieser Arbeitsstil<br />
macht natürlich auch Probleme, weil<br />
wir immer wie<strong>der</strong> <strong>mit</strong> Sängern zu tun<br />
haben, die sagen: „Ja, ich möchte die Partie<br />
hier gern singen, aber ich kann lei<strong>der</strong><br />
erst zwei Wochen vor <strong>der</strong> Premiere kommen.“<br />
Da sage ich ganz klar: „Dann vergiss<br />
es!“ Für uns ist es sehr wichtig, dass<br />
das Ensemble wirklich zusammenarbeitet,<br />
auch die Bühnentechniker, hier gibt<br />
es nicht diese strengen Hierarchien. Darin<br />
liegt die Identität des Hauses – und<br />
nicht in <strong>der</strong> Handschrift <strong>der</strong> Regisseure.<br />
Nun gibt es ja manche Operette, die<br />
zwar tolle Musik hat, bei <strong>der</strong> es aber<br />
schwer ist, eine zeitgemäße szenische<br />
Lösung zu finden.<br />
<strong>Barrie</strong> <strong>Kosky</strong> Deswegen machen wir<br />
dieses neue Format <strong>der</strong> Semi-Stage-<br />
Operetten <strong>mit</strong> ein bisschen Kostüm und<br />
ein bisschen Szene, denn – ja: Es gibt<br />
viele Stücke im Operettenbereich, die<br />
man nicht unbedingt in einer großen<br />
<strong>In</strong>szenierung zeigen muss. Das würde<br />
zuviel kosten, und es gibt vielleicht<br />
auch nicht genug <strong>In</strong>teresse, um zehn<br />
Vorstellungen zu füllen. Zum Beispiel<br />
„La Bajadère“: eine geniale, aber völlig<br />
unbekannte Kálmán-Oper. Die Musik<br />
ist sensationell – SEN-SATIONELL! Als<br />
ich Stefan Soltesz, <strong>der</strong> ein großer Emmerich-Kálmán-Fan<br />
ist, gefragt habe,<br />
ob er das machen kann, hat er gesagt:<br />
„Ich habe es, glaube ich, erst ein Mal in<br />
Ungarn gesehen! Aber es ist ein Superstück,<br />
ja natürlich mache ich das!“ Stefan<br />
Soltesz ist ein Supermusiker – und<br />
das bedeutet: Wir möchten, dass diese<br />
Operetten genau so wichtig genommen<br />
werden die großen, etablierten<br />
Werke. Denn sie sind genau so schwer.<br />
Da geht es um Timing, um Rhythmus,<br />
die Kombination <strong>der</strong> verschiedenen<br />
Ausdrucks<strong>mit</strong>tel – das macht das zehn<br />
Mal so schwer wie Wagner!<br />
Wie positioniert man ein Opernhaus<br />
in <strong>der</strong> heutigen multimedialen Öffentlichkeit<br />
– was ist heute das Salz in <strong>der</strong><br />
Opernsuppe?<br />
<strong>Barrie</strong> <strong>Kosky</strong> Das ist eine komplizierte<br />
Frage. Man sieht ja gerade das Aufkommen<br />
großer Opernübertragungen im<br />
Kino – da bin ich sehr skeptisch. Das ist<br />
so ein bisschen wie McDonalds o<strong>der</strong><br />
Starbucks: Ein internationales Produkt<br />
wird in die kleinste Stadt übertragen,<br />
Die Deutsche Bühne 9 I 2012
38<br />
u Schwerpunkt<br />
und man sieht Rolando Villazons o<strong>der</strong><br />
Anna Netrebkos Gesichter auf <strong>der</strong> Leinwand,<br />
es kommt live aus New York...<br />
Aber was passiert <strong>mit</strong> dem Opernhaus<br />
in dieser kleinen Stadt, wohin die Menschen<br />
dann vielleicht nicht mehr gehen,<br />
weil sie ja für 12 Euro die Metropolitan<br />
Opera sehen können? Trotzdem würde<br />
ich immer sagen: Egal, was passiert<br />
<strong>mit</strong> DVDs, iPods und Downloads und so<br />
weiter – Oper ist eine Live-Musikform,<br />
das geht nicht ohne lebendige, wirklich<br />
leibhaftig anwesende Menschen auf<br />
<strong>der</strong> Bühne. Das wird immer bleiben! Wir<br />
haben ein tiefes, primäres Bedürfnis, <strong>mit</strong><br />
fremden Menschen gemeinsam in einem<br />
Haus zu sitzen und das Entstehen<br />
einer Geschichte wirklich zu erleben!<br />
Das ist wie das Sitzen am Lagerfeuer!<br />
Wobei – die Zuschauer sind ja total ver-<br />
„<strong>In</strong> <strong>der</strong> deutschen Kultur gibt es<br />
nach meiner Erfahrung viel zu viel<br />
von <strong>diesem</strong> Schubladen-Denken:<br />
Kunst muss immer ernst sein; und<br />
wenn man Humor hat und ein<br />
bisschen frech ist, o<strong>der</strong> auch naiv –<br />
dann gilt das gleich als unseriös.“<br />
<strong>Barrie</strong> <strong>Kosky</strong><br />
schieden. Die einen wollen relaxen, die<br />
wollen baden in Puccini. An<strong>der</strong>e wollen<br />
eine große Herausfor<strong>der</strong>ung haben. Es<br />
gibt viele Zuschauer, die sind neugierig.<br />
Und es gibt viele, die wollen einfach nur<br />
schöne Bühnenbil<strong>der</strong> und Kostüme sehen.<br />
Aber was sie alle verbindet, das ist<br />
ein Bedürfnis nach Sinnlichkeit. Und ich<br />
glaube, Oper ist Sinnlichkeit. Wenn man<br />
<strong>der</strong> Oper die Sinnlichkeit nimmt, wenn<br />
sie nur aus dem Kopf kommt, dann vergisst<br />
man, dass die Musik in die Ohren<br />
geht und von dort direkt in die Seele<br />
und den Körper. Das ist ihre primäre Wirkung<br />
– erst danach kommt <strong>der</strong> Kopf und<br />
<strong>der</strong> <strong>In</strong>tellekt. Oper – it’s Music! Das ist intuitiv.<br />
Nein, ich habe keine Angst vor <strong>der</strong><br />
Zukunft <strong>der</strong> Oper. Ich habe nur Angst vor<br />
Politikern, die nicht mehr wissen, warum<br />
man diese Kunstform erhalten muss.<br />
Oper ist also unverzichtbar für die Gesellschaft?<br />
<strong>Barrie</strong> <strong>Kosky</strong> Na wenn ich provokant<br />
sein wollte, könnte ich jetzt sagen: Die<br />
Welt wird nicht aufhören sich zu drehen,<br />
wenn die Oper nicht mehr existiert.<br />
Aber das wird eine traurige Welt sein,<br />
weil wir einen wichtigen Teil unserer<br />
Tradition aufgegeben haben. Ich glaube,<br />
dass Oper dem Zuschauer eine Möglichkeit<br />
bietet, seine Träume zu projizieren.<br />
Oper ist für den Zuschauer eine Traumfläche.<br />
Und die menschliche Stimme zu<br />
hören, ohne Verstärkung, un<strong>mit</strong>telbar<br />
von Mensch zu Mensch – auch das ist<br />
ein tiefes, primäres Bedürfnis. Wenn wir<br />
auf die Welt kommen, schreien wir. Das<br />
ist <strong>der</strong> erste Gesang. Und wenn wir einen<br />
Menschen singen hören, dann stellt<br />
sich diese tief emotionale Verbindung<br />
<strong>mit</strong> unserer Vergangenheit, <strong>mit</strong> unserer<br />
Kindheit, unseren Gefühlen wie<strong>der</strong> her.<br />
Ohne dass überhaupt etwas „erzählt“<br />
werden muss! Das ist <strong>der</strong> Grund, warum<br />
Oper eine so große Kraft hat. Und<br />
dann kommt die Geschichte hinzu, diese<br />
Bil<strong>der</strong> <strong>der</strong> Bühne, die Psychologie <strong>der</strong><br />
Figuren, die Phantasie – und plötzlich<br />
existieren Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit<br />
auf einmal in demselben<br />
Raum! Dieser magische Raum ist Oper,<br />
den gibt es so nicht im Sprechtheater.<br />
Und den gibt es auch nicht im Konzert.<br />
Die Deutsche Bühne 9 I 2012
Schwerpunkt t 39<br />
Und genau da liegt die Verbindung <strong>der</strong><br />
Oper zum griechischen Theater – das<br />
hat ja schon Wagner herausgefunden.<br />
Man sitzt da und hat die Verbindung<br />
<strong>mit</strong> den Göttern! Ich bin sicher, dass alle<br />
griechischen Tragödien ursprünglich<br />
Musiktheater waren. Und dieser beson<strong>der</strong>e,<br />
emotional verdichtete Raum – <strong>der</strong><br />
fragt mich: Wer bin ich? Warum bin ich?<br />
Wo bin ich? Was ist meine Verbindung<br />
<strong>mit</strong> <strong>der</strong> Natur? Wo bin ich <strong>mit</strong> mir selbst<br />
verbunden? Das kann man erfahren,<br />
egal ob man ein Stück von Paul Abraham<br />
hört, von Händel o<strong>der</strong> von Janáček.<br />
Aber man kann das nicht auf dem iPod<br />
erleben!<br />
Oper und Theater generell werden ja oft<br />
auf dem Umweg über außerkünstlerische<br />
Erträge legitimiert: Sie hätten eine<br />
politische Aufgabe, seien pädagogisch<br />
wertvoll, vor allem für junge Menschen...<br />
<strong>Barrie</strong> <strong>Kosky</strong> Ich bin nicht <strong>der</strong> Meinung,<br />
dass jede Oper einen politischen, gesellschaftlichen<br />
Grund haben muss. Und ich<br />
bin auch nicht <strong>der</strong> Meinung, dass Oper<br />
immer junge Menschen erreichen muss.<br />
Es ist tatsächlich so, dass die jüngeren<br />
Menschen nicht so oft in die Oper gehen.<br />
Und ehrlich gesagt: Mit ist es egal,<br />
wie alt die Zuschauer sind. Es freut mich,<br />
dass wir ein Spektrum präsentieren können,<br />
bei dem ein achtjähriges Kind hier<br />
ebenso etwas für sich entdecken kann<br />
wie ein achtzigjähriger Opernfan. Niemand<br />
in Berlin soll denken, dass er hier<br />
nichts finden kann. Deswegen versuche<br />
ich diese Balance zwischen Experiment<br />
und Tradition, und deshalb ist mir Olga<br />
Neuwirth genau so wichtig wie Emmerich<br />
Kálmán. Ich bin ein glücklicher<br />
Regisseur und werde ein glücklicher <strong>In</strong>tendant<br />
sein, wenn ich in den Zuschauerraum<br />
gehe und ein ganz unterschiedliches<br />
Spektrum von Menschen sehe.<br />
Aber diese Vielfalt umfasst offenbar<br />
nicht alles, sonst hätten die an<strong>der</strong>en<br />
beiden großen Berliner Operhäuser ja<br />
nichts mehr zu tun. Gibt es denn einen<br />
Bereich, wo Sie sagen würden: Das ist<br />
nicht mehr meine Sache, das sollen mal<br />
die an<strong>der</strong>en machen?<br />
<strong>Barrie</strong> <strong>Kosky</strong> Natürlich, ich finde es nicht<br />
unbedingt toll, wenn es in Berlin drei „La<br />
Bohèmes“ gibt. Let’s be serious: Wieso<br />
soll das für Berlin wichtig und richtig<br />
sein, jetzt, wo die Stadt nicht mehr geteilt<br />
ist? Ich werde hier auch nie Wagner<br />
machen. Hier gibt es zwei an<strong>der</strong>e Häuser<br />
<strong>mit</strong> einer riesengroßen Wagner-Tradition,<br />
da muss ich das doch nicht auch<br />
noch machen! Das gilt auch für die großen<br />
Strauss-Opern, Berlioz, Meyerbeer,<br />
teilweise auch für Puccini, Verdi... Ich<br />
möchte den Menschen Stücke bieten,<br />
<strong>Barrie</strong> <strong>Kosky</strong> wurde 1967 in Melbourne / Australien<br />
geboren. Nach einer musikalischen Ausbildung in<br />
Klavier und Musikgeschichte an <strong>der</strong> University of<br />
Melbourne wandte er sich <strong>der</strong> Regie sowohl im<br />
Schauspiel wie im Musiktheater zu und stand in vielen<br />
seiner Produktionen auch selbst auf <strong>der</strong> Bühne<br />
o<strong>der</strong> saß am Klavier. 1990 bis 1997 war er künstlerischer<br />
Leiter <strong>der</strong> Gilgul Theatre Company, 1996 übernahm<br />
er die Leitung des Adelaide Festival, von 2001<br />
bis 2005 war er Codirektor des Wiener Schauspielhauses.<br />
Seitdem entwickelte er sich zu einem gefragten<br />
Opernregisseur im deutschsprachigen Raum.<br />
die die an<strong>der</strong>en Häuser nicht machen –<br />
die es vielleicht überhaupt noch nicht in<br />
Berlin gab. Deshalb machen wir erstmals<br />
in Berlin „Mazeppa“ von Tschaikowsky.<br />
Und in Zukunft machen wir Prokofjews<br />
„Feurigen Engel“. O<strong>der</strong> „Die Soldaten“<br />
von Bernd Alois Zimmermann. O<strong>der</strong><br />
„Moses und Aron“, auch als Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
für unseren wun<strong>der</strong>baren Chor,<br />
<strong>mit</strong> einem sehr berühmten Dirigenten,<br />
<strong>der</strong> als Gast kommt ... Natürlich: Wir<br />
Spielzeit<br />
Stadttheater<br />
2012/2013 <strong>In</strong>golstadt<br />
Rasen<strong>der</strong> Stillstand<br />
Großes Haus Nick Whitby Sein o<strong>der</strong> Nichtsein<br />
R: Cornelia Crombholz, 6.10.2012 • Anton<br />
Tschechow Onkel Wanja R: Donald Berkenhoff,<br />
13.10.2012 • Nach Hans Christian An<strong>der</strong>sen<br />
Die Schneekönigin R: Knut Weber, 9.11.2012 •<br />
Andrew Bovell Das Ende des Regens R: Caro<br />
Thum, 8.12.2012 • Heiner Kondschak Dylan. The<br />
Times They Are a-Changin’ R: Heiner Kondschak,<br />
19.12.2012 • Leonora Carrington Das<br />
Fest des Lamms R: Jochen Schölch, 26.1.2013 •<br />
Friedrich Schiller Die Verschwörung des<br />
Fiesco zu Genua R: Johanna Schall, 2.2.2013 •<br />
Ödön von Horváth Kasimir und Karoline<br />
R: Hüseyin Michael Cirpici, 16.3.2013 • Georges<br />
Feydeau Ein Klotz am Bein Folke Braband,<br />
26.4.2012<br />
Kleines Haus Jordi Galceran Die Grönholm-<br />
Methode R: Daniel Ris, 5.10.2012 • Ah heut is<br />
zünftig! Einkarlvalentinundlieslkarlstadtabend,<br />
15.11.2012 • Soeren Voima Ursprung <strong>der</strong> Welt<br />
R: Knut Weber, 25.1.2013 • Kristof Magnusson<br />
Das war ich nicht R: Jens Poth, 1.3.2012<br />
Studio im Herzogskasten Sean O’Casey<br />
Das Ende vom Anfang R: Thomas Goritzki,<br />
12.10. 2012 • Kristof Magnusson Männerhort R:<br />
Katrin Hiller, 24.11.2012 • Ludwig Thoma Heilige<br />
Nacht 30.11. 2012<br />
Freilichttheater im Turm Baur Edmond<br />
Rostand Cyrano de Bergerac R: Siegfried Bühr,<br />
22.6.2013<br />
Down-Town Schlaflos in <strong>In</strong>golstadt Szenisch-musikalische<br />
Luft-Bespielung 28.9.2012 •<br />
Detroit/Dubai/<strong>In</strong>golstadt (Arbeitstitel)<br />
R: Alexan<strong>der</strong> Schilling, 27.4.2013 • Mathieu<br />
Kassovitz/Volker Schmidt Hass R: <strong>In</strong>grid<br />
Cannonier, 7.6.2013<br />
Junges Theater Jules Verne Die Reise zum<br />
Mittelpunkt <strong>der</strong> Erde R: Anja Panse, 19.10.2012<br />
• Frau Weiß sieht rot R: Kathrin Lehmann,<br />
3.11.2012 • Ágota Kristóf Das große Heft<br />
R: Karoline Kunz, 15.12.2012 • Ulrich Hub An <strong>der</strong><br />
Arche um Acht R: Julia Mayr, 1.2.2013 • Shaun<br />
Tan Ein neues Land R: Julia Mayr, CH: David<br />
Williams, 12.4.2013 • Karin Eppler nach Martin<br />
Karau Ellis Biest Frühjahr 2013<br />
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Die Deutsche Bühne 9 I 2012
40<br />
u Schwerpunkt<br />
werden hier immer Mozart machen,<br />
das ist wie die Luft zum Atmen, man<br />
braucht das. Deshalb machen wir einen<br />
neuen Mozart-Zyklus: Alvis Hermanis<br />
macht „Così fan tutte“, Herbert Fritsch<br />
wird in drei Jahren unseren neuen „Don<br />
Giovanni“ machen – und egal, was die<br />
Menschen über die <strong>In</strong>szenierungen denken,<br />
sie werden sicherlich nicht fragen<br />
müssen, warum wir diese Stücke machen.<br />
Denn wir haben uns sehr viel Zeit<br />
genommen, um genau darüber nachzudenken.<br />
Es gibt einen Grund für jedes<br />
unserer Stücke! Aber 60 bis 70 Prozent<br />
unseres Repertoires werden an den an<strong>der</strong>en<br />
Häusern nicht gespielt werden.<br />
Mit einer großen Tradition des Hauses,<br />
einem „Alleinstellungsmerkmal“, werden<br />
Sie brechen: Sie machen nicht mehr<br />
alles auf Deutsch.<br />
<strong>Barrie</strong> <strong>Kosky</strong> Als ich das verkündet habe,<br />
da habe ich gedacht, dass es einen<br />
Riesenskandal gibt. Aber den gab es gar<br />
nicht. Und wir werden ja auch eine Mischung<br />
machen. Die Mozarts, denke ich,<br />
sollten nach wie vor auf Deutsch sein.<br />
Einfach weil es den Zuschauern hilft,<br />
wenn sie verstehen, worüber Susanna<br />
und Figaro zusammen lachen. Aber ich<br />
habe mich gefragt: Möchte ich wirklich<br />
russische Oper auf Deutsch hören? Kann<br />
ich eine französische Oper auf Deutsch<br />
machen? Nein – das geht nicht! Die Zeit<br />
ist vorbei. Deswegen haben wir gesagt: Es<br />
gibt kein Dogma, wir entscheiden Stück<br />
für Stück, was das Beste ist. Wenn wir in<br />
ein paar Jahren „Die Nase“ machen, dann<br />
machen wir das vielleicht sogar wie<strong>der</strong><br />
auf Deutsch. Denn das ist ein Konversationsstück,<br />
das funktioniert einfach besser,<br />
wenn die Zuschauer den Dialogen um<strong>mit</strong>telbar<br />
folgen können. Aber bei „Mazeppa“,<br />
beim „Feurigen Engel“ – vergiss es! Da ist<br />
die Musik so tief verbunden <strong>mit</strong> <strong>der</strong> russischen<br />
Sprache. O<strong>der</strong> „West Side Story“ –<br />
das kannst du doch nicht auf Deutsch<br />
machen, also wirklich nicht! Nein, ich mag<br />
nicht in Schubladen denken, in Bezug auf<br />
die Sprache nicht, aber auch sonst nicht.<br />
Ich kann an ein und demselben Tag einen<br />
Tarkowsky-Film und die Simpsons<br />
genießen – warum denn nicht?! <strong>In</strong> <strong>der</strong><br />
deutschen Kultur gibt es nach meiner<br />
Erfahrung viel zu viel von <strong>diesem</strong> Schubladen-Denken:<br />
Kunst muss immer ernst<br />
sein; und wenn man Humor hat und ein<br />
bisschen frech ist, o<strong>der</strong> auch naiv – dann<br />
gilt das gleich als unseriös. Aber denken<br />
Sie doch mal an die „Zauberflöte“ und an<br />
Schikane<strong>der</strong>s Theater: Das war komplett<br />
Chaos, das war halb Revue, <strong>der</strong> Schikane<strong>der</strong><br />
war ein verrückter Showman – und<br />
die Musik ist grandios, gerade weil sie<br />
diesen complete clash zwischen Tief und<br />
Hoch und Leicht und Schwer ermöglicht!<br />
Und deswegen sage ich meinen<br />
deutschen Kollegen immer wie<strong>der</strong>:<br />
Chill out! Relax! Enjoy it!<br />
SCHAUSPIEL<br />
SECHS TANZSTUNDEN IN SECHS WOCHEN Schauspiel von Richard Alfieri | KS 30.09.2012<br />
DIE NIBELUNGEN Ein deutsches Trauerspiel von Friedrich Hebbel | GH 6.10.2012<br />
MALAGA Schauspiel von Lukas Bärfuss | ÖEA | KS 13.10.2012<br />
DER KAUKASISCHE KREIDEKREIS Stück von Bertolt Brecht | GH 12.01.2013<br />
JENSEITS VON EDEN Schauspiel nach dem Roman von John Steinbeck | ÖEA | KS 19.01.2013<br />
FRAGILE! Schauspiel von Tena Štivičić | ÖEA | KS 3.03.2013<br />
WIE IM HIMMEL Tragikomödie von Kay Pollak | ÖEA | GH 13.04.2013<br />
AUSSER KONTROLLE Komödie von Ray Cooney | KS 8.06.2013<br />
[K2]<br />
ANNA SAGT WAS Eine Brandrede aus dem Theater von Peter Schanz | ÖEA 4.10.2012<br />
35 KILO HOFFNUNG Schauspiel von Anna Gavalda | ÖEA | [K2] & mobil 17.11.2012<br />
NIPPLEJESUS Schauspiel von Nick Hornby 16.01.2013<br />
DAS WAR ICH NICHT Schauspiel nach dem Roman von Kristof Magnusson | ÖEA 7.03.2013<br />
KRIEG. STELL DIR VOR, ER WÄRE HIER Stück von Janne Teller 18.04.2013<br />
DIE GESETZLICHE VERORDNUNG ZUR VEREDELUNG DES DIESSEITS<br />
Schauspiel von Petra Maria Kraxner 24.05.2013<br />
JUNGES TLT<br />
JENNY HÜBNER GREIFT EIN Ein mobiles Theaterabenteuer von Hartmut El Kurdi<br />
mobil 1.10.2012<br />
WIR SCHAUEN NICHT WEG! Klassenzimmerstück von Elisabeth Vera Rathenböck | ÖEA<br />
mobil 15.10.2012<br />
DER LEBKUCHENMANN Kin<strong>der</strong>musical von David Wood | KAMMERSPIELE 18.11.2012<br />
RITTER ODILO UND DER STRENGE HERR WINTER Eine Ritter-Kin<strong>der</strong>-Oper von Mareike<br />
Zimmermann | ÖEA | mobil 20.01.2013<br />
UA – Uraufführung | ÖEA – Österreichische Erstaufführung | WA – Wie<strong>der</strong>aufnahme | GH - Großes Haus | KS - Kammerspiele<br />
INTENDANT JOHANNES REITMEIER<br />
Kontakt:<br />
Telefon +43.512.52074 | tiroler@landestheater.at<br />
www.landestheater.at<br />
TLT-DDB192x120-2012.indd 1 Die Deutsche 06.06.12 Bühne 13:13 9 I 2012
PREMIEREN : 2012/2013<br />
: OPER<br />
DER TROUBADOR IL TROVATORE 30.09.2012 Giuseppe Verdi ML: Guido Johannes Rumstadt I: Balázs Kovalik TRISTAN<br />
UND ISOLDE 21.10.2012 Richard Wagner ML: Marcus Bosch I: Monique Wagemakers ORPHEUS IN DER UNTERWELT<br />
ORPHÉE AUX ENFERS 10.11.2012 Jacques Offenbach ML: Gábor Káli I & C: Laura Scozzi DON GIOVANNI 26.01.2013 Wolfgang Amadeus<br />
Mozart ML: Marcus Bosch I: Georg Schmiedleitner IM WEISSEN RÖSSL 02.03.2013 Ralph Benatzky ML: Gábor Káli I: Thomas Enzinger<br />
ANDREA CHENIER 30.03.2013 Umberto Giordano ML: Philipp Pointner I: Guy Montavon RUSALKA 12.05.2013 Antonín Dvořák<br />
ML: Marcus Bosch I: Dieter Kaegi PLATÉE 08.06.2013 Jean-Philippe Rameau ML: Hervé Niquet I: Mariame Clément AUSSERDEM OPERN-<br />
BALL DIE LANGE NACHT DER BOHÈME 22.09.2012 DER HAUPTMARKT WIRD ZUR FESTWIESE 25.07.2013<br />
: BALLETT<br />
FAUST : UA 08.12.2012 C & I: Goyo Montero ZWEIHEIT 26.04.2013 C & I: Mauro Bigonzetti und Crystal Pite (Deutsche Premiere)<br />
EXQUISITE CORPSE II : UA 29.06.2013 C & I: Junge Choreographen des Staatstheater Nürnberg Ballett<br />
: SCHAUSPIEL<br />
HAMLET William Shakespeare 13.10.2012 I: Klaus Kusenberg ZIMMER FRAUEN Beate Faßnacht : UA 18.10.2012 I: Michael<br />
Schlecht SATURN KEHRT ZURÜCK Noah Haidle : DSE 19.10.2012 I: Jean-Claude Berutti EIN SPORTSTÜCK Elfriede Jelinek<br />
27.10.2012 I: Hermann Schmidt-Rahmer BESSER WISSEN THE KNOWLEDGE John Donnelly : DSE 14.12.2012 I: Johannes von<br />
Matuschka DER MENSCHENFEIND Molière 15.12.2012 I: Volker Schmalöer WINNETOU nach Karl May 20.12.2012 I: Eike<br />
Hannemann DIE 39 STUFEN John Buchan & Alfred Hitchcock 09. FEBRUAR 2013 I: Petra Luisa Meyer LETZTE STUNDEN<br />
Adeline Schebesch : UA 14.02.2013 THE ROCKY HORROR SHOW Richard O‘Brien 16.02.2013 I: Klaus Kusenberg ML: Bettina<br />
Ostermeier C: Marvin A. S<strong>mit</strong>h HEDDA GABLER Henrik Ibsen 06.04.2013 I: Christoph Mehler DER KASPARHAUSER-<br />
MOMENT Lukas Hammerstein : UA 11.04.2013 I: Oliver D. Endreß VOLKSVERNICHTUNG ODER MEINE LEBER IST SINNLOS<br />
Werner Schwab 13.04.2013 I: Schirin Khodadadian GLAUBE LIEBE HOFFNUNG Ödön von Horváth 01.06.2013 I: Georg<br />
Schmiedleitner AUSSERDEM 31. BAYERISCHE THEATERTAGE 01. BIS 16.06.2013<br />
ML = Musikalische Leitung, I = <strong>In</strong>szenierung, C = Choreographie, UA = Uraufführung, DSE = Deutschsprachige Erstaufführung<br />
STAATSINTENDANT: Peter Theiler WWW.STAATSTHEATER.NUERNBERG.DE 0180-5-231-600 FESTNETZ 14 CENT/MIN, MOBIL BIS ZU 42 CT/MIN