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Das war Gießen 2013 - Gießener Allgemeine

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KULTUR<br />

1971, oft entgegen der vom Sender dirigierten<br />

Konventionen, moderierte und produzierte.<br />

(Wer diese Reihe allein aufgrund der<br />

späten Geburt verpasst haben sollte, findet<br />

Ausschnitte daraus in der DVD »Tage und<br />

Nächte in Paris« / Geo 2004). »Diese<br />

Sendung hat mich überhaupt erst zum<br />

Menschen gemacht«, resümierte Troller<br />

später.<br />

Einzigartig wie eigenwillig <strong>war</strong> die autodidaktische<br />

Annäherung an seine Gesprächspartner<br />

– unter ihnen zahllose Berühmtheiten<br />

ebenso wie »Exzentriker, Streuner,<br />

Mädchenaufreißer. <strong>Das</strong> wilde unbürgerliche<br />

Paris, das lebendige«, wie Troller in seiner<br />

»Selbstbeschreibung« anmerkt. Mit der<br />

persönlich verwurzelter Dringlichkeit des<br />

ewigen Emigranten und mit direkten, oft<br />

existenziellen Fragen entlockte er dem Gegenüber<br />

die jeweiligen Wahrheiten. Als<br />

ebenso charakteristisch gelten Trollers literarisch<br />

geschliffenen, oft von ironischem<br />

Humor durchdrungenen Kommentare, die<br />

etwa seine spätere Reihe »Personenbeschreibung«<br />

prägten.<br />

»Menschenbewunderer, Menschenerfasser,<br />

Menschenerforscher« und viel zitiert eben<br />

auch als »Menschenfresser«, so bezeichnete<br />

sich der unermüdliche Dokumentarist,<br />

der seine Arbeit unwiderruflich mit der<br />

existentiellen Angst der Verfolgung verbunden<br />

sieht: »Dieser passionierte Umgang<br />

mit Sprache, woher kommt er denn anders,<br />

als aus schmerzlicher Jugenderfahrung der<br />

Vertreibung, nicht nur von der Heimat,<br />

sondern auch ihrem Sprachraum. Und aus<br />

der geradezu grotesken Sehnsucht nach<br />

deutschen Worten, über Jahre der Emigration<br />

hinweg«, schrieb er in dem Porträtband<br />

»Lebensgeschichten« (2007). Und<br />

ausführlich erörtert er dieses Thema auch<br />

in »Mit meiner Schreibmaschine«.<br />

In Paris – wir trafen ihn zuletzt im Vorjahr<br />

zum Plauderabend in einem Restaurant an<br />

der Place de Breteuil – ordnet Troller sein<br />

Leben, schaut er in den zahllosen Kladden<br />

nach den Aufzeichnungen, die man vielleicht<br />

doch noch publizieren könnte. Immer<br />

wieder wird er hierzulande mit Preisen<br />

bedacht, vielerorts bekommt er seine Bühne;<br />

so wie unlängst beim Literaturfestival<br />

Berlin, wo er sich über »Altersweisheit«<br />

äußern sollte. Nicht einfach für ihn, wie er<br />

der »Stern«-Journalistin Sophie Albers<br />

verriet: Altersweisheit gebe es nicht. Er<br />

selbst spüre lediglich »eine zunehmende<br />

Wurschtigkeit«.<br />

Auf die Frage nach dem werten Befinden<br />

antwortet Troller heute wie vor 75 Jahren,<br />

wie es treffender nicht sein könnte: »Man<br />

überlebt!«<br />

Norbert Schmidt<br />

In <strong>Gießen</strong> wird Georg Stefan Troller u. a.<br />

aus dem Buch »Mit meiner Schreibmaschine.<br />

Geschichten und Begegnungen«<br />

(256 Seiten, Klappenbroschur,<br />

ISBN 978-3-930353-33-0, Preis 26 Euro)<br />

lesen. Erschienen ist es in der Edition<br />

Memoria, dem eigenen Worten zufolge<br />

einzigen ausschließlich Exilautoren publizierenden<br />

Verlag in Deutschland. Eine<br />

Rezension des Buches erscheint im Vorfeld<br />

der Lesung in der <strong>Gießen</strong>er <strong>Allgemeine</strong>n<br />

Zeitung. Veranstalter: Deutsch-Französische<br />

Gesellschaft Wettenberg und das Literarische<br />

Zentrum <strong>Gießen</strong>, mit Unterstützung<br />

des Kulturamtes und der Stadtbibliothek.<br />

Karten im VVK (10 Euro) gibt es beim LZG<br />

und in der Tourist-Info <strong>Gießen</strong> sowie der<br />

»Büchertreppe« in Krofdorf.<br />

Premieren im<br />

Theater<br />

Kleine Engel<br />

12. Januar, 18 Uhr, Til<br />

Kinderstück (ab 8 Jahren)<br />

Ganz weit draußen, am Rande der Stadt,<br />

steht eine Laterne. Dorthin soll gehen,<br />

wer eine neue Arbeit sucht. So will es<br />

der Mann im dunklen Mantel. Assunta<br />

folgt dem Rat, zu hoffnungslos ist ihre<br />

Lage. Aus dem Halbschatten tritt ihr<br />

Rocco entgegen. Ihm geht es nicht besser.<br />

Beide wünschen sich nur eines: endlich<br />

wieder gebraucht zu werden. Doch<br />

da ist keiner, der ihnen eine neue Aufgabe<br />

gibt, einen Weg in die Zukunft weist.<br />

Assunta und Rocco geben trotzdem<br />

nicht auf, sondern nehmen ihren ganzen<br />

Lebensmut zusammen. Sie offenbaren<br />

einander ihre Träume, lassen Geschichten<br />

ihrer Geschichte Revue passieren<br />

und machen ihre ersten eigenen Flugversuche.<br />

Und am Ende gehört auch ihnen<br />

ein Stück vom Himmel.<br />

Idomeneo<br />

18. Januar, 19.30 Uhr, Großes Haus<br />

Oper in ital. Sprache mit Übertiteln<br />

Um aus Seenot gerettet zu werden, verspricht<br />

der griechische König Idomeneo<br />

dem Meeresgott Neptun ein Menschenopfer:<br />

Der erste Mensch, der ihm an Land<br />

begegnet, muss sterben. Sein Sohn Idamante<br />

hadert währenddessen mit einer<br />

aus politischen Gründen schier unmöglichen<br />

Liebe zur trojanischen Prinzessin<br />

Ilia. Als Idomeneo dem Meer entsteigt,<br />

trifft er am Strand auf seinen eigenen<br />

Sohn. In <strong>Gießen</strong> erklingt Mozarts Lieblingsoper<br />

in der Urfassung von 1781.<br />

Troller, der »Pariser Journal«-Macher, in den 60ern auf den Champs Élysées.<br />

Foto: bf<br />

Tschick<br />

23. Januar, 20 Uhr, TiL<br />

Tschick heißt eigentlich Andrej<br />

Tschichatschow, aber das können nicht<br />

einmal die Lehrer in Maiks Klasse aussprechen.<br />

Maik hieß für kurze Zeit mal<br />

»Psycho«, aber zur Geburtstagsfeier von<br />

Tatjana ist er trotzdem nicht eingeladen.<br />

Tatjana ist das schönste Mädchen auf der<br />

ganzen Welt – findet Maik. Und ohne<br />

sie wären er und Tschick niemals mit einem<br />

geklauten Auto in die Walachei gefahren.<br />

Wolfgang Herrndorfs preisgekrönter<br />

Jugendroman ist ein schräger<br />

Roadtrip zweier jugendlicher<br />

Außenseiter.<br />

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