Das war Gießen 2013 - Gießener Allgemeine
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Paris<br />
<strong>Gießen</strong><br />
Wien<br />
Der Journalist, Schriftsteller<br />
und Dokumentarfilmer<br />
Georg Stefan Troller (92)<br />
liest und erzählt am 19. Januar<br />
von 11 Uhr an im Konzertsaal<br />
des <strong>Gießen</strong>er Rathauses.<br />
Foto: no<br />
Seit Jahrzehnten wohnt Georg Stefan Troller<br />
mit seiner Ehefau Kirsten in einer großräumigen<br />
Mansardenwohnung im siebten Pariser<br />
Arrondissement, mit Saint Germain des<br />
Près und Montparnasse als Nachbarbezirken<br />
auf der einen Seite, dem Eiffelturm und<br />
dem Invalidendom auf der anderen. Von<br />
dort aus durchstreift er die Stadt, die ihm<br />
Herausforderung <strong>war</strong> und uns – dank Trollers<br />
Arbeit als Schriftsteller und TV-Journalist<br />
– zum unvergleichlichen Lebens- und<br />
Kulturbiotop wurde. Von dort zog er aus,<br />
um uns mit seinen Dokumentarfilmen die<br />
Besonderheiten und Nischen der Welt näherzubringen.<br />
Dort blickt er auf Alltag und<br />
Zeitgeist in Frankreich, Deutschland, Europa<br />
und darüber hinaus. Dort schrieb und<br />
schreibt er. Und dort stellte er auch sein<br />
jüngstes Werk zusammen, das 253-seitige<br />
Buch »Mit meiner Schreibmaschine. Geschichten<br />
und Begegnungen«. Am Sonntag,<br />
19. Januar, macht Georg Stefan Troller auf<br />
seiner nach Wien führenden Reise Station<br />
in <strong>Gießen</strong>, liest von 11 Uhr an aus seinen<br />
Büchern, erzählt aus seinem Leben.<br />
Braucht es eine Begründung dafür, dass sich<br />
der streifzug ausführlich dem Leben und<br />
Werk eines 92-Jährigen widmet, wo doch<br />
ansonsten das Themenspektrum des Stadtund<br />
Regionalmagazins auf ein eher jüngeres<br />
Publikum ausgerichtet ist? Wenn ja,<br />
dann könnte dies ein Ansatz sein: Georg<br />
Stefan Troller ist das, was man gemeinhin<br />
einen Jahrhundertzeugen nennt – und die<br />
sind selten geworden, kommen nicht allzu<br />
oft ins Lahntal, könnten, ja sollten auch die<br />
Nachgeborenen interessieren.<br />
Er legt im besten Sinne Zeugnis ab für das,<br />
was ihm als gebürtigem Wiener jüdischen<br />
Glaubens widerfuhr. Er führt die Inhalte seiner<br />
Jahrzehnte währenden publizistischen<br />
Arbeit vor Augen, die ihm Passion und<br />
Selbstbefreiung gleichermaßen <strong>war</strong> –<br />
nicht zuletzt aufgrund der um die 700<br />
Interviews mit Menschen aller Provenienzen,<br />
mit Prominenten und Namenlosen.<br />
Und er plaudert über die Stadt, zu<br />
deren besten Kennern ihn das deutschsprachige<br />
Publikum unbedingt zählt –<br />
Paris.<br />
Troller, Jahrgang 1921, verließ Wien mit<br />
sechzehn, kurz nach den Novemberpogromen.<br />
Er floh vor der nationalsozialistischen<br />
Verfolgung über die Tschechoslowakei nach<br />
Frankreich, wo er – nach neunmonatiger Internierung<br />
– 1941 in Marseille ein amerikanisches<br />
Visum erhielt. In den USA wurde er<br />
zum Militärdienst eingezogen, kam als junger<br />
GI in einem Team deutschsprachiger<br />
Gefangenenvernehmer nach Deutschland<br />
und auch zurück nach Wien. Diese Zeit<br />
spiegeln vor allem Trollers Buch »Selbstbeschreibung«<br />
samt Verfilmung und die Axel-<br />
Corti-Filmtrilogie »Wohin und zurück«, die<br />
2011/12 über Monate in Pariser Programmkinos<br />
lief und die den Grimmepreis in Gold<br />
erhielt.<br />
Dem Studium der Anglistik und Theaterwissenschaften,<br />
unter anderem in Los Angeles,<br />
folgte 1949 die Rückkehr nach Europa: Troller<br />
wurde in Paris sesshaft, begann als Reporter<br />
für Zeitungen und Rundfunk zu arbeiten.<br />
Berühmt wurde er mit dem<br />
WDR-Fernsehmagazin »Pariser Journal«,<br />
das er über 50 Folgen hinweg von 1962 bis<br />
40 streifzug 1/2014