Das war Gießen 2013 - Gießener Allgemeine
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Fotos: Sven Stinn<br />
Augen auf Südafrika<br />
»Ich hoffe ich werde singen können wie ein Vogel, na ja, im schlimmsten Fall wie eine Krähe«,<br />
meinte Cherilyn MacNeil vor den jüngsten Aufnahmen ihrer Band Dear Reader. Es ist<br />
dann letztlich doch wesentlich besser geworden. Den Beweis gibt es am 19. Dezember live<br />
in der Frankfurter Brotfabrik.<br />
<strong>Das</strong> hipste, was Südafrikas Musikszene in<br />
den vergangenen Jahren hervorgebracht hat,<br />
entsteht in einer Berliner Einzimmerwohnung.<br />
Cherilyn MacNeil alias Dear Reader<br />
erzählt in ihrem Indiepop, der erst mal vielmehr<br />
so klingt, als würde er aus England<br />
oder Kanada kommen, von den Abgründen<br />
und der Apartheid in ihrem Land. »Ich <strong>war</strong><br />
z<strong>war</strong> erst elf Jahre alt, als es die erste demokratische<br />
Wahl in Südafrika gab. Aber ich<br />
bin ein weißes Mädchen, das von einem<br />
teuflischen System profitiert hat. Ich fühle<br />
diese Schuld«, sagte MacNeill vor einiger<br />
Zeit. Am 19. Dezember gibt sich das Band-<br />
Projekt in der Frankfurter Brotfabrik die<br />
Ehre.<br />
Den drei Studioplatten von Dear Reader –<br />
vor einem knappen Jahrzehnt von MacNeil<br />
in Johannesburg gegründet – haftete stets<br />
schon etwas Sinfonisches an. Auch das Anfang<br />
April erschienene, wieder hervorragende<br />
Werk «Rivonia» wirkte so, als könnte<br />
eine zusätzliche Schicht Edellack zumindest<br />
nicht schaden. Kurz nach der Veröffentlichung<br />
<strong>war</strong> es dann auch schon so weit, als<br />
Cherilyn MacNeil und ihre derzeit drei Mitstreiter<br />
im April mit dem Deutschen Filmorchester<br />
Babelsberg ein Konzert aufführten.<br />
<strong>Das</strong> Ergebnis »We Followed Every Sound«<br />
<strong>war</strong> nicht nur für die zuletzt immer zahlreicher<br />
werdenden Anhänger von Dear Reader<br />
ein Geschenk.<br />
Wer edlen Pop mit dezenten Ethno-Einflüssen<br />
und prächtigen Musical-Arrangements<br />
mag, liegt damit gewiss richtig. Vor allem<br />
aber feiert »We Followed Every Sound«<br />
MacNeils klare Stimme. Selten hört man<br />
einer Künstlerin die reine, naive Freude am<br />
Gesang so an wie ihr. Dazu jubilieren die<br />
Babelsberger Streicher und Bläser, ohne die<br />
aus allen drei Vorgängeralben stammenden,<br />
zauberhaften Songs zuzukleistern.<br />
Am 19. Dezember in der Frankfurter Brotfabrik<br />
werden die Arrangements selbstredend<br />
nicht ganz so satt ausfallen. Doch bereits mit<br />
Geige, Keyboard und Akkordeon sind Dear<br />
Reader ein Genuss, von dem man sich vor<br />
nicht allzu langer Zeit auch im <strong>Gießen</strong>er<br />
MuK hatte überzeugen können. Die Stimmung<br />
ihrer Stücke beschreibt Cherilyn<br />
Cherilyn MacNeil singt von Abgründen und Apartheid.<br />
MacNeil selbst so: »Wenn du so viel fühlst,<br />
dass du glaubst zu explodieren, und anschließend<br />
darüber lachst, was für ein melodramatischer<br />
Kauz du gewesen bist.« Wer<br />
guten Indiepop hören will, muss nicht immer<br />
nach England oder Kanada schauen.<br />
///<br />
Tickets für das Konzert am 19. Dezember in<br />
der Frankfurter Brotfabrik kosten zwischen<br />
13 und 16 Euro. Unterstützt werden Cherilyn<br />
MacNeil und Band von Lost Lander. bf<br />
Foto: Maschwitz<br />
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